Die Entscheidung für den Bau eines weiteren großen Braunkohlekraftwerks im Rheinischen Revier fällte RWE im Januar 1969. Als Standort bot sich das Gelände der stillgelegten Brikettfabrik Neurath an, 4 km südwestlich des Kraftwerks Frimmersdorf II. Mit zweimonatigem Abstand beim Baubeginn entstanden von Oktober 1969 bis 1972 die ersten drei 300-MW-Blöcke. In der zweiten Ausbaustufe folgte ab Mai 1972 die Errichtung von zwei 600-MW-Blöcken, die im Juni und Oktober 1975 in Betrieb gingen.
Mit dem im September 2005 gefassten Entschluss, das Kraftwerk Neurath um zwei weitere Blöcke vom Typ des „Braunkohlekraftwerke mit optimierter Anlagentechnik (BoA)“ zu erweitern, setzte RWE die fünf Jahre zuvor in Niederaußem begonnene Neubaulinie fort. Aus Platzgründen entstanden die beiden Blöcke BoA 2 und BoA 3 mit jeweils 1.100 MW Leistung auf einem gesonderten Bauplatz östlich der alten Kraftwerksanlage und gingen 2012 in Betrieb.
Beschreibung:
Das Kraftwerk Neurath dient der Stromerzeugung auf der Basis von Braunkohle, die heute aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler ausschließlich im Zugverkehr in den Grabenbunker des Alt-Standortes (Blöcke A bis E) oder in den Schlitzbunker der Neuanlage mit den beiden BoA-Blöcken F und G angeliefert wird. Die aus zwei Standorten bestehende Kraftwerksanlage mit Maschinenhäusern, Schwerbauten und Kesselhäusern erstreckt sich nahezu in West-Ost-Richtung, mit den Achsen der Kraftwerksbauten parallel zur L 375 zwischen Frimmersdorf und Vanikum. Beide Standorte sind in ihrem Aufbau ähnlich, indem die Nebengebäude mit Pförtnerhaus, Verwaltung, Kantine, Hauptwerkstatt von der eigentlichen Kraftwerksanlage getrennt platziert sind. Die Maschinenhäuser sind jeweils nach Süden ausgerichtet und nach Norden hin schließen sich an den Kraftwerksriegel hinter den Kesselhäusern die Kühltürme an. Zum Lärmschutz sind die Anlagen nach Nordosten und Nordwesten mit begrünten Wällen umgeben.
Datierung:
- 10.1972 [Block A]
- 30.06.1972 [Block B]
- 03.1973 [Block C]
- 06.1975 [Block D]
- 10.1975 [Block E]
- 03.08.2012 [Block F]
- 08.07.2012 [Block G]
Literatur:
- Müller, Johannes / Schneider, Ottomar / Tochtrop, Franz / Lüneborg, Heinrich: Braunkohlenkraftwerk Niederaussem des RWE, (Musteranlagen der Energiewirtschaft), Gräfelfing o.J.
- Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft Essen. Betriebsverwaltung Neurath (Hrsg.): RWE. Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft Essen. 10 Jahre Strom aus dem Braunkohle-Kraftwerk Neurath. 1972 - 1982, Grevenbroich 1982
- RWE Energe AG: Kraftwerk Niederaußem. BoA-Block K. Kurzbeschreibung. Essen 1997
- Chwieralski, Josef: Erweiterung des Braunkohlenkraftwerks Neurath. In: Energie 24 (1972), Heft/Nr. 3, S. 75–79
- Eichholtz, Armin / Schmitz, Günther: Die Braunkohlenkraftwerke im Rheinland – Zentralen für Fortschritt in der Kraftwerkstechnik; in: World of Mining – Surface & Underground (2015), Heft 3, S. 186–194
- Groddeck, Karl-Ernst von / Bültmann, Holger / Pflugbeil, Michael: Die Inbetriebnahme von 6 x 600 MW in den Braunkohlenkraftwerken Niederaußem, Weisweiler und Neurath. In: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 25, 1975, Heft/Nr. 1/2, S. 15–19
- RWE Power (Hrsg.): Kraftwerk Neurath. Wissenswertes kurz zusammengefasst, Standortflyer, 2021
(Büro für technikhistorische Forschung und Beratung, Dr. Norbert Gilson, 2023)
BKM-Nummer: 20304000