Lahnmarmor

Lahn-Marmor, Nassauer Marmor, Lahn-Kalkstein

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Lahnmarmor ist ein nicht metamorpher polierfähiger mitteldevonischer Kalkstein aus der Lahnregion. Aus geologischer Sicht handelt es sich nicht um Marmor. Über viele Jahrhunderte wurde der Kalkstein an der Lahn als Baustein genutzt, seit dem 16. Jahrhundert zur repräsentativen Ausstattung kirchlicher und profaner Bauten.

Entstehung
Varietäten
Abbau
Verwendung
Verwendung in jüngerer Zeit
Internet

Entstehung
Die Landmasse, die heute die Lahnregion bildet, lag vor 380 Millionen Jahren - im Zeitalter des Mitteldevon - ca. 20 Grad südlich des Äquators in einem warmen Meer. Sonneneinstrahlung, warmes Wasser und untermeerische vulkanische Aktivitäten schufen die Voraussetzung dafür, dass sich Riffe bilden konnten, ähnlich den uns heute bekannten Riffen des Great Barrier Reefs vor der Nordostküste Australiens. Hauptriffbildner waren Stromatoporen, die zu den Schwämmen zählen, und Korallen. Riffe lassen sich grundsätzlich in drei Bereiche einteilen: Während im Vorriffbereich das Meer anbrandet, ist der Hauptriffbereich relativ vor der Energie der Wellen geschützt. Der Rückriffbereich ist gekennzeichnet durch flaches Wasser und die Bildung von Lagunen. Noch heute lassen sich diese verschiedenen Riffzonen im devonischen Kalkstein nachvollziehen. Während der Vorriffkalk durch Bruchstücke von Stromatoporen, Korallen und den weiteren Riffbildnern, wie z. B. Seelilien, gekennzeichnet ist, finden sich bei den Kalksteinen des Hauptriffbereichs nahezu ungestörte, gewachsene Strukturen. Die Gesteine des Rückriffbereichs sind sehr feinkörnig und gleichmäßig. Im Laufe der Erdgeschichte driftete die Landmasse mit ihren maritimen Ablagerungen bis zur heutigen Lage ca. 50 Grad nördlich des Äquators. Zwischenzeitlich entstandene Gebirge, vergleichbar mit den Alpen, verbunden mit vulkanischen Aktivitäten führten zu einer hohen Verdichtung des Materials und damit zur Bildung von Riffkalkstein, der in der Lahnregion eine Stärke von mehreren hundert Metern erreicht. Diesem Kalkstein fehlt aus Sicht der Geologie ein metamorpher Prozess, um diesen als Marmor im geologischen Sinne – wie beispielsweise der Carraramarmor – bezeichnen zu können. Aber gerade dieser nicht vollzogene Umwandlungsprozess macht den Reiz des Lahnmarmors aus, da die versteinerten Kalkbestandteile der Lebewesen noch heute deutlich zu erkennen sind - die Entstehungsgeschichte der mitteldevonischen Riffe und damit des Lahnmarmors kann aus dem Stein gelesen werden. Während Geologen beim Lahnmarmor nur von Kalkstein sprechen, verwenden Steinmetze den Begriff Marmor, da von ihnen jeder polierfähige Kalkstein als Marmor angesehen wird.
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Varietäten
Zu erkennen sind neben den Stromatoporen und Korallen auch Seelilien, Kopffüßler, Schnecken sowie Brachiopoden (Armfüßer). Dem Betrachter bietet sich ein buntes Bild, bei dem Phasen des Wachstums und Störungsphasen - beispielsweise verursacht durch Tsunamis - abwechseln. Einblicke in ein Vorriff sind in Wirbelau möglich und in ein Rückriff im wenige Kilometer entfernten Schupbach. Der Lahnmarmor ist für sein breites Farbenspektrum bekannt. So ist das Rot in seinen vielen Schattierungen auf Vulkanismus zurückzuführen: Eisenhaltiges Wasser aus vulkanischen Quellen floss über Riffe und Sedimente, sickerte in Risse und Spalten, setzte Hämatit ab und hinterließ in dem an sich weißen Kalkstein das Rot oxydierten Eisens in allen Nuancen. Schwarz- und Grautöne entstanden, wo sich dunkler Ton mit dem Kalk absetzte oder wo Kohlenstoff, beispielsweise aus den Lagunen des Rückriffs, in den Kalkstein eindrang. Gelb- und Ockertöne entstanden aus Limonit (Brauneisenstein).
Vor diesem Hintergrund bietet der Lahnmarmor je nach Abbauort ein sehr differenziertes Bild. Steinmetze und Geologen, die das Abbaugebiet an der Lahn kennen, sind in der Lage die unterschiedlichen Varietäten des Lahnmarmors den jeweiligen Steinbrüchen zuzuordnen.
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Abbau
Der im 16. Jahrhundert zunehmende Bedarf, insbesondere der katholischen Kirche, nach repräsentativen Altären aus Marmor wurde im Wesentlichen mit Marmor aus Italien gedeckt. Die Beschaffung war allerdings zeit- und kostenaufwändig und so wurde nach heimischen Materialien gesucht. Und man wurde fündig: Der Abbau des Lahnkalksteins als Marmor wird erstmals 1594 erwähnt, als ein Gerlach von Korschenbruch aus Köln Abbaurechte für Marmor erhielt. Verschiedenen Urkunden ist zu entnehmen, dass Ende des 16. Jahrhunderts der Abbau von Marmor an der Lahn beginnt.
In der Lahnregion zwischen Oberbiel und Allendorf wurden durch Steinbrecher viele Marmorbrüche erschlossen.

Einen Aufschwung erfuhr der schöne Kalkstein von der Lahn mit der Gründung des Herzogtums Nassau im Jahre 1806. Dieser setzte sich nach der Annektierung Nassaus durch Preußen fort.
Mit der Industrialisierung verbesserten sich auch die Transportmöglichkeiten für den Lahnmarmor. Die nassauische Lahntalbahn von Koblenz nach Wetzlar wurde 1863 eröffnet. 1886 wurde diese Bahnstrecke um den ersten Streckenabschnitt der Kerkerbachbahn ergänzt, mit der die Rohstoffe des Westerwaldes verkehrstechnisch erschlossen wurden. 1908 wurde die Strecke bis Mengerskirchen im Westerwald ausgebaut. Über das Bahnnetz wurde die Lahnregion an das europäische Verkehrsnetz angebunden und damit auch an die großen Hafenstädte. Das Tor zur Welt war geöffnet.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann in der Lahnmarmorwirtschaft die Gründung von größeren Betrieben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es Kriegsschäden auszubessern. Darüber hinaus wurden infolge der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten Europas viele neue Kirchenbauten geschaffen. Häufig wurde hierbei der Marmor von der Lahn verwendet. Nachlassende Nachfrage aus diesem Bausegment ab den 1970er Jahren, ein veränderter Geschmack und billigere Konkurrenzprodukte auf dem Weltmarkt ließen die Nachfrage nach Lahnmarmor sinken. Nach und nach wurde der Abbau eingestellt. Die letzte größere Bergung von Lahnmarmor erfolgte 1989 aus dem Villmarer Bongardbruch. Damit endet eine 400-jährige Abbaugeschichte. Über 100 Marmorbrüche sind in dieser Zeit betrieben worden.
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Verwendung
Über viele Jahrhunderte wurde der Kalkstein an der Lahn als Stein zur Errichtung von Gebäuden – wie dem Limburger Dom (12./13. Jahrhundert) und auch der Lubentiuskirche in Dietkirchen (11./12. Jahrhundert) - oder zum Kalkbrennen genutzt. Der Abbau des Lahnkalksteins als Marmor wird erstmals 1594 erwähnt. In diese Zeit fällt auch der Bau der Schlosskapelle der Burg Schnellenberg bei Attendorn. Hier entstand ein schöner Altar unter der Verwendung von Schupbach-Schwarz. Aus dem Jahr 1602 stammen die Reste des Grabaltars für Kurfürst Johann von Schönenburg, der durch den Trierer Steinmetzmeister Hans Ruprecht Hoffmann den Älteren mit rötlichen Säulen aus Lahnmarmor im Trier Dom errichtet wurde. Wohl 1603 wurde der interessante Perspektivaltar in der Idsteiner Unionskirche aus grauem „Mudershausener Marmor“ erschaffen. Eine älter datierte Arbeit findet sich in der Schupbacher Kirche, es ist ein Grabstein mit der Jahreszahl 1604. Der 30-jährige Krieg führte zu einem Einschnitt. Viele Denkmäler aus dem gerade populär gewordenen Lahnmarmor dürften während der Kriegshandlungen beschädigt oder zerstört worden sein.
Nach dem Westfälischen Frieden widmete sich Europa dem Wiederaufbau seiner zerstörten Städte, Kirchen, Burgen und Schlösser. Der ein gutes halbes Jahrhundert zuvor entdeckte Lahnmarmor erfreute sich hierbei großer Beliebtheit, insbesondere bei den Kirchenfürsten und den weltlichen Herrschern an Rhein, Lahn, Mosel und Main. Seine Struktur und sein Farbspiel passten wunderbar zu den Schönheitsidealen des beginnenden Barockzeitalters. In der Lahnregion entstanden zahlreiche Steinmetzbetriebe und Werkstätten.

Die Liste der noch bekannten Steinmetze und Marmorier und ihrer Werke ist recht lang. Hier sind beispielsweise die Gebrüder Weidemann zu erwähnen, die in Schupbach bis Anfang des 18. Jahrhunderts tätig waren. So stammt von Johann Theobald Weidemann (1651-1690) der Kreuzaltar im Dom zu Trier. Von Jakob Weidemann (1648-1719) wurde der Hochaltar im Dom zu Fulda erstellt. Stephan Strahl (1685-1757/8) und sein Sohn Johann (1721-1808) dominierten das Lahnmarmorgeschäft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Balduinstein aus. Der größte Auftrag von Stephan Strahl war die Ausstattung der Jesuitenkirche in Mannheim mit einem Hochaltar und sechs Seitenaltären. Der Aufschwung der Villmarer Steinmetzwirtschaft begann mit Simon Leonhard, der eine Steinmetzfamilie gründete. Er lieferte die Säulen für den Hochaltar der Mainzer Pfarrkirche St. Ignaz, der 1784 fertiggestellt wurde.
Steinmetze und Bildhauer lebten aber nicht nur in der Abbauregion an der Lahn, sondern auch vor Ort, dort wo ihre Auftraggeber ansässig waren. In diesem Zusammenhang ist die Steinmetz- und Bildhauerfamilie Neuß aus Köln zu erwähnen, die zwischen 1632 und 1685 in Köln nachgewiesen werden kann.

Zur Verbreitung und Wertschätzung trugen auch die Baumeister der Fürsten bei. Beispielsweise sind Julius Ludwig Rothweil (1676-1750) und Balthasar Neumann (1687-1753) zu nennen, die den Lahnmarmor sehr schätzten. Rothweil setzte die ehrgeizigen Pläne von Johann Ernst Graf zu Nassau- Weilburg zum Ausbau seiner Residenzstadt um. Wer heute das Weilburger Schloss besucht, findet selbstverständlich nahezu auf Schritt und Tritt Arbeiten aus Lahnmarmor.

Infolge der französischen Revolution und der sich anschließenden Besetzung großer Teile Europas durch französische Truppen brach für die Lahnmarmorwirtschaft ein großer Absatzmarkt weg. Es entstand aber auch das vereinigte Herzogtum Nassau durch Beitritt der Linien Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg zum Rheinbund im Jahr 1806. Wilhelm I., Herzog von Nassau (1816-1839), wollte die Außengrenzen seines noch jungen Herzogtums standesgemäß kennzeichnen und wünschte sich Grenzsäulen aus Lahnmarmor. Diese wurden allerdings nicht in normalen Steinmetzbetrieben gefertigt, sondern im Diezer Zuchthaus. Es entstanden 10 dieser Säulen, die an markanten Chausseen errichtet wurden, zum Beispiel in Niederlahnstein.
Aber auch kleinere Steinmetzbetriebe waren noch im Markt vertreten. So z. B. der Steinmetzbetrieb Leonhard in Villmar, den Simon II. Leonhard, bevor er die Stelle im Zuchthaus Diez annahm, an seinen Sohn Engelbert (1791-1854) übertrug. Engelbert war ein hervorragender Marmorierer, doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, u.a. der Wettbewerb mit dem Diezer Zuchthaus, setzen ihm sehr zu. Zwar fanden Engelberts Arbeiten allgemein Anerkennung. So führte er die Marmorarbeiten am neuen herzoglichen Jagdschloss Platte aus. Doch endete die Tätigkeit Engelberts in Villmar 1825 in einem wirtschaftlichen Fiasko. Eine der letzten Arbeiten des Steinmetzmeisters Engelbert Leonhard, bei der er sein Können noch einmal unter Beweis stellen konnte, war die Mitwirkung bei der Marmorausstattung der „Russischen Kirche“ auf dem Wiesbadener Neroberg. Allerdings leitete diese Maßnahme sein Bruder Johann-Peter Leonhard (1793-1873). Bekannt sind seine Marmorarbeiten an mehreren Schleusen im Lahntal und am Schiffstunnel in Weilburg (1848) sowie Arbeiten für die Schlösser Dehrn, Neuwied, Koblenz, Biebrich, Karlsruhe und Hohenzollern-Hechingen. Höhepunkt seiner Tätigkeit war wohl die Marmorausstattung in Inneren der „Russischen Kirche“ auf dem Neroberg.
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Verwendung in jüngerer Zeit
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann in der Lahnmarmorwirtschaft die Gründung von größeren Betrieben. So entstand 1879 in Wetzlar die Firma „Dyckerhoff & Neumann“. Über 300 Marmorarbeiten in Kirchen, Schlössern, herrschaftlichen Wohn- und Landhäusern, Hotels, Bädern, Geschäfts- und Warenhäusern, Bahnhöfen und Kreuzfahrtschiffen sowie zahlreiche Gedenksteine und Grabmäler wurden in Lahnmarmor ausgeführt. Von 1894 bis 1905 wurden der Berliner Dom nach Plänen von Julius Raschdorff in Anlehnung an die italienische Hochrenaissance und den Barock errichtet. Hierbei wurde auch Lahnmarmor verwendet.

Öffentliche, private und kirchliche Bauherren setzten den Lahnmarmor gerne ein. In diesem Zusammenhang gewannen auch andere Betriebe an Bedeutung, insbesondere im internationalen Geschäft. So lieferte die „G. Joerissen G.m.b.H.“ aus ihrem von der Gemeinde Gaudernbach angepachteten Marmorbruch um 1913 die Varietät „Estrellante“ nach Zürich zum Bau des Hauptgebäudes der Universität. 1929/30 lieferte die „G. Joerissen G.m.b.H.“ Lahnmarmor der Varietäten „Estrellante“ und „Famosa Rose“ zur Ausstattung des Empire State Buildings nach New York. In den 1930er Jahren waren die öffentliche Hände im Deutschen Reich große Abnehmer von Lahnmarmor. Viel Pracht- und Prunkbauten der Nationalsozialisten wurden mit diesem Material ausgestattet.
Nach 1935 kamen Großaufträge der neuen Machthaber in Deutschland. Dyckerhoff & Neumann lieferte und bearbeitete Lahnmarmor u.a. für die neue Reichskanzlei, das Reichsluftfahrtministerium und die Stadien von Berlin und Nürnberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigte Dyckerhoff & Neumann auch Kriegsschäden. So wurden der Fußboden und der Altarraum des Würzburger Doms nach den Plänen des Schweizer Architekten Albert Schilling in den 1960er Jahren mit Lahnmarmor der Varietät „Famosa S“ neugestaltet. Damit schloss man an die Ausstattung des 18. Jahrhunderts an. Der am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstörte Hochaltar hatte Säulen aus schwarzem Schupbacher Marmor.

Ein weiterer Betrieb war die „Engelbert Müller KG“. Dieses Unternehmen profitierte insbesondere von der regen kirchlichen Bautätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben Neubaumaßnahmen wurden viele Restaurierungen durchgeführt. Zu erwähnen ist hier die Neuausstattung der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin von 1952 bis 1963, die Neugestaltung vieler romanischer Kirchen in Köln in den 1970er und 1980er Jahren sowie die Restaurierung und Rekonstruktion der Jesuitenkirche in Mannheim Mitte der 1990er Jahre.
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Zur Vor- oder Nachbereitung von Entdeckungstouren vor Ort stehen StoryMaps zur Lahn-Marmor-Route von Wetzlar nach Balduinstein und zum Lahn-Marmor-Weg in Villmar zur Verfügung.

(Rudolf Conrads, Lahn-Marmor-Museum Villmar, 2019)

Internet
www.lahn-marmor-museum.de: Lahn-Marmor-Museum (abgerufen 02.05.2019)
de.wikipedia.org: Lahnmarmor (abgerufen 02.05.2019)
www.mineralienatlas.de: Lahnmarmor (abgerufen 02.05.2019)
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Kulturlandschaftspflege, Landeskunde

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Rudolf Conrads, „Lahnmarmor”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-291597 (Abgerufen: 5. Dezember 2024)
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