Gedenktafel der Familie Strahl in Balduinstein

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Architekturgeschichte
Gemeinde(n): Balduinstein
Kreis(e): Rhein-Lahn-Kreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 20′ 40,24″ N: 7° 58′ 8,68″ O 50,34451°N: 7,96908°O
Koordinate UTM 32.426.646,88 m: 5.577.444,40 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.426.692,49 m: 5.579.235,86 m
  • Gedenktatel der Steinmetzfamilie Strahl in Balduinstein (2020)

    Gedenktatel der Steinmetzfamilie Strahl in Balduinstein (2020)

    Copyright-Hinweis:
    Karl Peter Wiemer
    Fotograf/Urheber:
    Karl Peter Wiemer
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
Gerade einen Steinwurf von dieser Gedenktafel entfernt befanden sich flussaufwärts am linken Lahnufer die Steinmetzwerkstatt und das repräsentative Wohnhaus der Marmorierer und Schultheißen Stephan und Johann Strahl. Als besonders tüchtige Steinmetze und Geschäftsleute machten Vater und Sohn Mitte des 18. Jahrhunderts Balduinstein zum Zentrum der Steinmetzkunst in der gesamten Lahnmarmor-Region.

Unmittelbar vor ihrer Werkstatt verlief bis zur gegenüberliegenden Lahnseite das Balduinsteiner Mühlenwehr, das den Wasserzufluss einer auf der rechten Lahnseite gelegenen und 1543 erstmals erwähnten Mahlmühle sicherte. Auf der Balduinsteiner Uferseite ermöglichte eine etwa 4 Meter breite Lücke im Stauwehr, auch Flutrinne oder Flutloch genannt, die Durchfahrt von Frachtnachen vom etwa 1,50 Meter höheren Oberwasser zum Unterwasser. Hier nutzten die Steinmetze Strahl die Energie des fallenden Wassers als Antriebskraft, um die zur Marmorbearbeitung bestimmten Kalksteine bedarfsgerecht zu schneiden, zu schleifen und ihre Oberfläche zu polieren.

Marmortransport
Nach der Fertigstellung der Werkstücke ergaben sich erste Risiken beim Verladen der schweren und unhandlichen Marmorteile auf die Frachtnachen. Diese waren unmittelbar am Uferrand im Unterwasser der Wehrlücke verankert. Mit einem schwenkbaren Hebelarm unter Zuhilfenahme von Winden, Flaschenzügen und Rollen wurden die kostbaren Marmorteile auf den mit Stroh „ausgepolsterten“ schwankenden Frachtnachen verstaut. Den Transport der hochwertigen Marmorstücke übernahm ein Schiffer, der mit seinen Schiffsknechten für die Beförderung der Fracht bis zum Hafen des Zielortes sorgte. Zunächst aber musste an der Lahnmündung in Niederlahnstein oder in Koblenz die Marmorfracht auf ein Rheinschiff umgeladen werden. Rheinaufwärts ging die Fracht zu den Bestimmungsorten nach Mainz, Mannheim, Worms, Speyer und für die nach Bruchsal zu liefernden Marmorteile bis Leopoldshafen. Die für Würzburg vorgesehenen Werkstücke wurden an der Mainmündung in Kostheim auf Mainnachen verladen. Über die Mosel beförderten Schiffer die Marmorfracht bis Trier oder von Koblenz rheinab nach Bonn, Brühl, Köln und Benrath.

Werke von Stephan und Johann Strahl
Balduinstein gehört zu den am weitesten westlich gelegenen Marmor-Lagerstätten. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen über Marmorvorkommen „An Hinneroths Berg“ in Balduinstein sind in einer Zeichnung aus dem Jahre 1701 dokumentiert. Bereits zu dieser Zeit haben Balduinsteiner Steinmetze mit handwerklichem Geschick Marmor bearbeitet und sich innerhalb weniger Jahre zu geachteten und geschätzten Meistern ihres Handwerks herangebildet. Solche Meister waren Stephan und Johann Strahl, die am Balduinsteiner Lahnufer den wegen seiner ungewöhnlichen Schönheit und Farbenpracht vom Hochadel und Fürstbischöfen begehrten Lahnmarmor meisterhaft bearbeiteten. Als Spezialisten für die kunstvolle Bearbeitung von Marmor nannten sich Vater und Sohn Marmorarius, Marmorierer, Marmellir, Marbel- oder Marmelmeister.

Zwischen 1715 und 1780, in der Blütezeit des Rokoko, dominierten Stephan Strahl (geb. um 1685 - gest. 1757/58) und sein Sohn Johann (geb. 1721, gest. um 1808) das Steinmetzhandwerk der gesamten Lahnregion und machten Balduinstein zum Marmorzentrum. Handwerkliches Können, Zuverlässigkeit und gute Beziehungen zu den fürstlichen Auftraggebern kennzeichnen eine insgesamt 65-jährige fruchtbare Schaffensperiode von Vater und Sohn sowie ihren Gesellen. Ihre schönsten Werke schufen sie für die Fürstbischöfe von Speyer, Würzburg, Trier und Köln.

Zur Finanzierung der 1776 eingeweihten Balduinsteiner Pfarrkirche haben Stephan Strahl und seine Frau Anna Ursula der Pfarrei 250 Reichstaler vermacht und dies mit der Verpflichtung verknüpft, um auf ewige Zeiten an den Geburtstagen für ihr Seelenheil zu beten. Gemeinsame Kontakte von Johann Strahl und dem damaligen Pfarrer Adam Thomé mit dem Trierer Hofarchitekten und Baumeister Johannes Seitz (1717-1779) legen die Vermutung nahe, dass der Riss (Bauplan/Zeichnung) für den Bau der ländlich barocken Balduinsteiner Saalkirche vom ihm erstellt wurde.

Die erfolgreiche Entwicklung ihres Steinmetzbetriebs hat die Familie Strahl nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Balthasar Neumann (1687-1753), dem großen Baumeister des Barocks und Rokoko, zu verdanken. Dokumentarisch belegt sind Zusammenkünfte von Stephan Strahl mit Balthasar Neumann im Jahre 1740 und 1749. Mit der Sicherung von Abbaurechten und der Pflege von guten Einkaufsbeziehungen zu Betreibern von Steinbrüchen, verschafften sich Stephan Strahl und Johann Strahl Zugriff auf die verschiedensten Varietäten des Lahnmarmors.

Da der Marmor aus den damals erschlossenen Balduinsteiner Marmorbrüchen nur für kleinere Arbeiten, nicht aber für prunkvolle Werkstücke geeignet war, haben Vater und Sohn ihren fürstbischöflichen Auftraggebern Lahnmarmor aus anderen Regionen in den verschiedenen Farben und Ausprägungen zur Bearbeitung angeboten: Den kräftig roten Marmor aus Villmar, grauen und dunklen Marmor aus Mudershausen, von der „Schönborn-Dynastie“ begehrten roten Catzenehlenbogener Marmor aus Allendorf, schwarzen Schupbacher Marmor sowie den roten Diezer Edelfels.

Meisterhaft vollendete Arbeiten der Steinmetzfamilie Strahl aus Balduinstein:

  • 1715 im Schloss Oranienstein - Bodenplatten der Orangerie
  • 1720 im Schloss Crottdorf bei Friesenhagen - Kamine (Kaminfassaden und Kaminumrandungen)
  • 1737 im Schloss zu Biebrich - 11 Spitzsäulen
  • 1738-1741 für die Pfarrkirche St. Quintin in Mainz - 2 Säulen für den Hochaltar
  • 1740-1743 in der Würzburger Residenz - 8 Säulen für den von Balthasar Neumann entworfenen Gartensaal (Sala terrena)
  • 1738-1742 im Dom zu Worms - 6 Säulen für den Hochaltar des Balthasar Neumann
  • 1749 in der Würzburger Residenz - Marmorlieferung für den Kaisersaal
  • 1753 im Schloss Clemensruhe in Poppelsdorf bei Bonn - Marmorausstattung des Grottensaals
  • 1753 im Garten des Pfälzischen Lustschlosses in Oggersheim - 4 Marmormuscheln mit Sockeln
  • 1754 im Schloss Bruchsaal - 1.400 Bodenplatten (37,95 x 37,95 x 5,06 cm), 686 Sockelplatten und 191 Friesplatten
  • 1755 im Schloss Bruchsal - Marmortische und 1 Tischplatte
  • 1755 in der Jesuitenkirche in Mannheim - Hochaltar und 6 Seitenaltäre (größter Auftrag)
  • 1755 im Schloss Bruchsal - Marmor für 2 Tische
  • 1757 für die Kapelle im Schloss Philippsburg in Ehrenbreitstein - Hochaltar und 3 Altäre
  • nach 1757 im Wormser Dom - Epitaph für Domdekan und Statthalter des Fürstbischofs Franz Carl Friedrich von Hohenfeld
    Johann Strahl signierte sein Werk: Johannes Strahl Mamorarius ex Baldenstein prope Limburg ad Lahn fecit.
  • 1758 in der Pfarrkirche St. Peter zu Bruchsal - Epitaph für den Speyrer Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn
  • 1758 für Schloss Philippsburg - 2 Tischplatten
  • 1758 im Trierer Dom - Grabaltar (Auferstehungsaltar) für den Trierer Kurfürsten Franz Georg von Schönborn
  • 1760 für das Jagdschloss Herzogsfreude im heutigen Bonn-Röttgen (1760) - Kamine (Kaminfassaden und Kaminumrandungen)
  • 1761 im Schloss Augustusburg zu Brühl - Marmorlieferung für das von Balthasar Neumann gestaltete Treppenhaus
  • 1764 im Speyrer Dom - Marmorarbeiten am Hochaltar
  • 1771 für das Kurfürstliche Schloss in Benrath - 30 Kamine (Kaminfassaden und Kaminumrandungen)
  • 1773 in der Pfarrkirche St. Peter zu Bruchsal - Epitaph für den Fürstbischof Franz Christoph von Hutten
  • 1775-1776 in der Pfarrkirche St. Peter in Köln - unbekannte Marmorarbeiten
  • 1776-1768 in der Kirche St. Gregor im Elend in Köln - Hochaltar
  • 1782 in der Pfarrkirche St. Peter in Köln - Kommunionbank

Mit dem Übergang vom Rokoko zum Klassizismus endete die Schaffensperiode von Vater und Sohn Strahl. Ihre Werke in den Domen von Trier, Worms und Speyer, in den Kirchen von Köln, Mainz, Mannheim und Bruchsal sowie den Schlössern von Bruchsal, Brühl und Benrath vermitteln dem heutigen Betrachter wohl ein Bild absolutistischer Prachtentfaltung, doch sind sie ebenso ein Spiegel herausragender handwerklicher Fertigkeiten einer Balduinsteiner Steinmetzfamilie. Nach 1782 gab der gerade einmal 60 Jahre alte Johann Strahl seinen gut florierenden Steinmetzbetrieb auf. Er hatte keinen Betriebsnachfolger. Von seinen drei Söhnen verstarb ein Knabe im Kindesalter, die beiden anderen studierten Theologie und wurden Priester.

Der letzte der kurfürstlichen Steinmetze in Balduinstein war der Steinhauermeister Johann Bode (1751- vor 1818). Wahrscheinlich hat der Schwager von Johann Strahls Tochter Anna Ursula den Betrieb von Johann Strahl übernommen. Von ihm sind im Jahre 1785 ausgeführte Marmorarbeiten im neuen kurfürstlichen Schloss in Koblenz bekannt.

Nach der Französischen Revolution im Jahre 1798 kam es zu dauernden Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und seine europäischen Nachbarn. Es war das Ende der fürstlichen Pracht- und Machtentfaltung. Durch den Ausfall der vermögenden Auftraggeber standen zahlreiche Baumeister und Handwerker vor dem Aus.

Neben der 1927 als Zweigwerk gegründeten Fa. Thust gab es in Balduinstein und Schaumburg weitere Steinmetzwerkstätten:

1920-2000Fa. Balduin Hergenhahn, Natursteinwerkstatt, Schloss Schaumburg.
1976Nach dem Tod des Vaters übernahm Sohn Reinhold den Betrieb und beendete 2000 das Gewerbe.
1925-1946Johann Hergenhahn, Steinmetz- und Steinbildhauermeister (Grabmalbetrieb) in Balduinstein.
1946-1966Sein Sohn Karl Hergenhahn übernahm die Steinmetzwerkstatt des Vaters.
1966- heuteKarl-Josef Hergenhahn, der Enkel des Gründers, führte das Unternehmen fort und übergab es seinen Söhnen Niklas und Sören. Sie bewahren als „Hergenhahn - Naturstein“ die Familientradition in der vierten Generation. Betriebsstandorte finden sich in Balduinstein, Limburg, Diez und Nassau.

Lahn-Marmor-Route
Dieses Objekt ist Teil der Lahn-Marmor-Route von Wetzlar nach Balduinstein.

(Willi Bode, 2021)

Literatur

Bode, Willi; Wabel, Willi (2009)
Balduinsteiner Steinmetzen der Barockzeit: Stephan und Johann Strahl. In: Nassauische Annalen (120), Wiesbaden.
Conrads, Rudolf; Wabel, Willi (2010)
Lahnmarmor in den Brühler Schlössern und in Köln am Rhein. Exkursionsheft 7. Villmar.
Goebel, Ernst (1908)
Die Entwicklung der Lahnschifffahrt bis 1810. In: Nassovia: Zeitschrift für nassauische Geschichte und Heimatkunde (Band 9), Bad Homburg.
Kirnbauer, Thomas (o.J.)
Nassauer Marmor oder Lahnmarmor. Ein weltweit bekannter Naturwerkstein aus Deutschland. In: SDGG, Heft 59 – Denkmalgesteine: Festschrift – Wolf-Dieter Grimm, 2008.
Michael, Fritz (1911)
Geschichte von Balduinstein und Hausen. In: Nassauischen Annalen, Wiesbaden.
Wabel, Willi / Historische Kommission für Nassau (Hrsg.) (2015)
Form, Farbe, Glanz. Lahnmarmor im Barock. Eine umfassende Darstellung der Erschließung und Verbreitung des Lahnmarmors sowie seiner Verwendung für sakrale, memoriale und profane Kunstwerke des 17. und 18. Jahrhunderts. (Beiträge zur Geschichte Nassaus und des Landes Hessens Band 8.) Wiesbaden.

Gedenktafel der Familie Strahl in Balduinstein

Schlagwörter
Ort
Balduinstein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Architekturgeschichte
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
Willi Bode: „Gedenktafel der Familie Strahl in Balduinstein”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-342001 (Abgerufen: 16. April 2024)
Seitenanfang