In der Frühzeit betrieb man dort eine Wollspinnerei, ab etwa 1800 eine Marmormanufaktur, in der Lahnmarmor verarbeitet wurde (Grenzsäule Niederlahnstein), und einige kleine Werkstätten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab es ein weiteres Werksgebäude an der Lahn, in dem die Gefangenen arbeiteten. Zum Häftlingsalltag zählten harte Körperstrafen und das Tragen einer Fußfessel. Damit sollte die aus der Aufklärung entsprungene Idee einer „Erziehung zum Besseren“ realisiert werden. Die Häftlinge dienten der Region als günstige Arbeitskräfte.
Die Anordnung der Räume in der Strafanstalt
Der lange Weg von der Idee zur Umsetzung
Das Personal
Die Führungsdefizite im Diezer Zuchthaus
Verarbeitung von Lahnmarmor
Die Anordnung der Räume in der Strafanstalt
Ein Plan aus dem späten 19./ frühen 20. Jahrhundert (siehe Abbildungen in der Mediengalerie) gibt Aufschluss über die einzelnen Gebäude der Strafanstalt, die aus der Hauptanstalt im Grafenschloss, der Marmorfabrik nahe der Lahn, dem Inspektorhaus und der Anstaltsbleiche, sprich der Wäscherei bestanden.
Darüber hinaus gibt der Plan Aufschluss über die Anordnung der Räumlichkeiten der Hauptanstalt im Grafenschloss Diez. Diese sah folgendermaßen aus:
- Erdgeschoss: Kirche, Gemüseputzer, Arbeitsraum, Arbeitsinspektor, Aufseherwohnung, Wachstube, Waschküche, Baderaum, Rollkammer, Kohlenraum, Zimmer des Hausvaters, Schreiberzimmer, Sekretariat, Kasse, Büro, Wohnung des Direktors, Lager- und Vorratsräume.
- Erstes Obergeschoss: Holzstall, Abort, Schlafräume, Arztzimmer.
- Zweites Obergeschoss: weitere Schlafräume, Schule, Bibliothek und Bodenräume.
- Drittes Obergeschoss: Zellen, Einzelzellen.
Der lange Weg von der Idee zur Umsetzung
Der Eröffnung des Zuchthauses ging eine Jahrzehnte dauernde Planung voraus. Durch den Umbau des Grafenschlosses zum Zuchthaus wollte die oranische Verwaltung zwei Probleme auf einmal lösen. Diese hatten sich aus dem Umzug der Fürstin Henriette Amalie (1666-1726) in das Schloß Oranienstein im Jahr 1709 und der Verlegung der Residenz nach Dillenburg im Jahr 1742 ergeben. Das Grafenschlosses selbst verlor seine Funktion. In der Stadt Diez waren erhebliche wirtschaftliche Einbußen zu verspüren. Mit der Nutzung des Grafenschlosses als Zuchthaus bekam dieses eine neue Funktion. Der Betrieb mehrerer Werkstätten, vor allem einer Marmormanufaktur, zeigte bald auch positive wirtschaftliche Folgen für die Stadt.
Von den ersten nachweisbaren Plänen eines Zuchthauses, bis zum Einzug der ersten Häftlinge, vergingen etwa 48 Jahre. Im September 1778 unternahm die Landesregierung einen Vorstoß, ein Zuchthaus in das am Ort vorhandene Waisenhaus und die Waisen nach Dillenburg zu verlegen. Dieser Vorschlag stieß jedoch auf wenig Zustimmung. Stattdessen wollte man nun ein freies Gebäude kaufen. Nun geriet das verlassene Grafenschloss in den Fokus der Pläne, sodass Fürst Wilhelm V. von Oranien (1748-1806, regierte ab 1751) im Mai 1779 den Umbau des Schlosses zu einem Zuchthaus genehmigte. Bis zum tatsächlichen Einzug dauerte es dennoch fünf Jahre. Der Grund: Es fehlte an Personal, einer Hausordnung sowie einer Verwaltungsorganisation.
Das Personal
Die 1779 erstmals einberufene Zuchthauskommission suchte geeignetes Personal, nämlich einen Rechnungsführer, einen Verwalter und einen Gefangenenwärter. Im Januar 1784 stellte man den Metzger Keib als Zuchthausverwalter ein. Der Beruf bot eine „ungewöhnliche Vielseitigkeit“. Seine Aufgaben bestanden darin, erstens auf Zucht, Ordnung und Reinlichkeit zu achten, zweitens die Gefangenen zu verköstigen und drittens die Wäsche und den Materialbestand zu verwalten. Der Zuchthausverwalter wohnte gemeinsam mit seiner Familie unter einem Dach mit den Gefangenen. Auf der Position des Gefangenenwärters gab es in der Geschichte des Diezer Zuchthauses eine hohe Fluktuation. Die Gründe für den Personalwechsel reichten von der schlechten Bezahlung bis hin zu Liebesverhältnissen mit Häftlingen.
Das oberste Gremium des Zuchthausbetriebs war die Zuchthauskommission. Sie musste der Rentkammer, der Finanzverwaltung des Fürsten, regelmäßige Auskünfte über den Zustand der Einrichtung sowie den wirtschaftlichen Gewinn geben. Im Zuchthaus selbst hatte der Zuchthausverwalter die höchste Stellung inne. Ihm war der Gefangenenwärter unterstellt. Die Führung des Zuchthauses wies in den ersten Jahren jedoch vielfache Mängel auf. Die organisatorischen Defizite gingen so weit, dass die Landesregierung mehrfach eingreifen musste.
Die Führungsdefizite im Diezer Zuchthaus
Das Zuchthaus hatte nicht nur aufgrund seiner organisatorischen Probleme den Ruf eines Provisoriums. Der Gewinn durch die Häftlingsarbeit deckte nicht einmal die reinen Verpflegungskosten für die Insassen. Ein anhaltendes Problem war zudem der Platzmangel, der nicht einmal eine strikte Geschlechtertrennung möglich machte. Den Aufsichtspflichten kam die Zuchthauskommission nur unzureichend nach. Dies führte dazu, dass der Oberappellationsrat v. Aussem 1790 eine wöchentliche Kontrolle durch ein Ausschussmitglied vor Ort verlangte. Die Kommission kam ihren Pflichten trotz der Aufforderung nicht nach, weshalb im Jahre 1804 erneut der Hinweis kam, die Pflichten einzuhalten. Nun verpflichtete die Landesregierung gar den Zuchthausprediger, sie über medizinische und sittliche Mängel zu informieren.
Waren die ersten Jahre des Zuchthauses wegen Überbelegung, baulicher, hygienischer Mängel sowie organisatorischer Fehler recht schwierig. So spielte sich vor allem nach baulichen Erweiterungen um das Jahr 1806 und dem etwa zeitgleichen Beginn der Marmorverarbeitung ein funktionierender Gefängnisalltag ein. Die Platzprobleme verschärften sich wieder, als in den Jahren 1810 und 1811 Gefangene aus Wiesbaden und Weilburg nach Diez verlegt wurden. Nun gab es in Diez 71 Insassen bei einer Kapazität von höchstens 45 Häftlingen. Ab dem Jahre 1813 sorgte die Verlegung von Polizeigefangenen in andere Haftanstalten wieder für eine Besserung der Haftbedingungen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Zustände des Zuchthauses als untragbar angesehen. Die mittelalterliche Raumstruktur und die geringen Möglichkeiten einer zeitgemäßen Modernisierung der Anstalt sorgten für anderweitige Überlegungen. Eine neue Strafanstalt wurde in Freiendiez gebaut. Das Ergebnis war ein modernes, systematisch durchgeplantes Zentralgefängnis. 1927 war der Umzug in die heutige Justizvollzugsanstalt vollständig abgeschlossen.
Verarbeitung von Lahnmarmor
Anerkennung fanden die Arbeiten der Zuchthauswerkstätten in der Gewerbe- und Kunstwelt. Dies ist vor allem Simon II. Leonhard (geboren 1762) zu verdanken. Er stammte aus einer Steinmetzfamilie in Villmar. Ihm gelang es in vorzüglicher Weise die Werktechnik an die Insassen zu vermitteln. Im Jahre 1817 trat der bis dahin im eigenen Werk tätige Marmormeister die Stelle als Werkmeister im Zuchthaus an. Zuvor hatte er seinen Betrieb an seinen Sohn Engelbert Leonhard (1791-1854) übergeben. Selbst nach seinem Ausscheiden blieb Simon Leonhard den Werkstätten verbunden und wirkte als Berater für den neuen Werkmeister Franz Schneider. Simon Leonhard verstarb am 3. April 1837 in Diez (Frankfurter Neue Presse, 2015).
Die Qualität der Verarbeitung und Vielfalt der Gegenstände aus den Diezer Werkstätten geht aus dem amtlichen Bericht über die allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844 hervor. Dort ist vermerkt:
„Die Herzoglich Nassauische Zuchthausanstalt in Dietz an der Lahn hat unter Nr.1739 verschiedene Marmorarbeiten geliefert. Dieselben bestehen in 5 Consolplatten von hellgrauem, dunkelgrauem, dunkelrothem, schwarzem und hellrothem Marmor; ferner aus gedrehten Rauchtabakdosen, Dinten= und Sandfässern, Briefbeschwerern und Leuchtern, überhaupt aus 34 verschiedenen Gegenständen, welche sämmtlich aus den vorgenannten, an der Lahn vorkommenden Marmorarten gearbeitet wurden. […] Ebenso vorzüglich sind die übrigen Gegenstände gearbeitet, welche sich außerdem durch ihre Billigkeit auszeichnen. Diese Wohlfeilheit dürfte indeß nur dadurch zu erreichen gewesen sein, daß die gedachten Arbeiten von Sträflingen ausgeführt, und für diese nur die geringen Unterhaltskosten in Anrechnung gebracht worden sind.“ (Amtlicher Bericht, 1846, S. 12 f.)
Den Rohstoff besorgte die Anstaltsleitung aus einem Grundstück, das sie im Jahre 1783 von Adam Rossbach erworben hatte. Der Wieshohl Steinbruch in Villmar lieferte polierfähigen Kalkstein für die Werkstätten in Diez (Frankfurter Neue Presse, 2015).
Lahn-Marmor-Route
Dieses Objekt ist Teil der Lahn-Marmor-Route von Wetzlar nach Balduinstein.
(Matthias Kolk, Universität Koblenz-Landau, 2019 / mit freundlichen Hinweisen von Herrn Alfred Meurer)
Internet
www.fnp.de: Marmorarbeiten aus Diezer Zuchthaus (abgerufen 19.02.2020)
www.lahn-marmor-museum.de: Der Lahnmarmor - Verwendung (abgerufen 19.02.2020)