Natürlich hatten solche Strecken auch immer wieder einen militärstrategischen Hintergrund, der nicht ausgeblendet bleiben soll und dessen Relikte auf dieser Radtour unübersehbar sind. Gerade sie - Bunker, Höckerlinien, Kampfstellungen, Soldatenfriedhöfe und vieles mehr - zeigen den Wert der Europäischen Union auf, die festgefügte Feindschaften überwinden konnte und Grenzen öffnete.
Vennbahn
Der Bau der Bahnlinie zwischen Aachen und Ulflingen begann in den 1880er Jahren - die Bahn sollte in erster Linie dem Transport von Kohle aus den Abbaugebieten an Inde und Wurm in der Nähe von Aachen zu den Eisenhütten in Luxemburg dienen. In Gegenrichtung sollte von Luxemburg Eisenerz zur Konkordia-Hütte in Eschweiler und zum Stahlwerk in Aachen Rothe Erde transportiert werden. Dennoch war die Vennbahn keine reine Zechenbahn, wie es sie im Ruhrgebiet so häufig gab, denn die Vennbahn sollte auch die strukturschwachen Wirtschaftsgebiete der westlichen Eifel und des Hohen Venns erschließen. Daneben war die Bahn auch ein wichtiges Transportmittel für die Holzindustrie und die Waldwirtschaft. Schließlich ermöglichte sie auch den Pendlern aus ländlichen Gebieten, ihre Arbeitsplätze in der Aachener Industrie zu erreichen.
Insgesamt hatte die Bahnstrecke eine Länge von circa 125 Kilometern und verband Aachen-Rothe Erde mit dem Luxemburger Ort Troisvierges (Ulflingen), wo wiederum Anschluss an Bahnstrecken in Richtung Belgien und Frankreich bestand.
Die Bahn war vor allem im Ersten Weltkrieg von militärischer Bedeutung - sie diente dem Truppenaufmarsch für den Angriff des Deutschen Reiches auf Belgien. Während des Krieges wurden eine Reihe von Stichbahnen zum Truppentransport angelegt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Kreise Eupen und Malmedy vom Deutschen Reich abgetrennt und Belgien zugeschlagen. Gleiches erfolgte mit dem Bahngelände. Die Trasse gehört bis heute zum belgischen Staatsgebiet und schlängelt sich daher als exterritoriales Gebiet Belgiens durch den westlichen Zipfel von Nordrhein-Westfalen.
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre verlor die Bahn weiter an Bedeutung. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie auf weiten Strecken zerstört, da sie mitten im Kampfgebiet der sogenannten Ardennenoffensive 1944 lag. Nach dem Krieg erfolgten wegen der starken Zerstörungen und der abnehmenden wirtschaftlichen Bedeutung nur Reparaturen auf Teilstrecken, die aber in den 1950er Jahren nach und nach stillgelegt wurden. Zwischen 1989 und 2001 wurde ein Teil der Strecke nur noch von einer Museumsbahn befahren. Danach erfolgte die Einstellung, und schließlich die Errichtung eines Radweges auf der alten Bahntrasse. Auf der Strecke befinden sich immer noch zahlreiche Bahnhöfe und Haltepunkte. Daneben stehen auf Seitengleisen immer wieder ausrangierte Lokomotiven und Waggons. Zum Teil werden darin Cafés betrieben.
Aachen bis Troisvierges
Der erste Abschnitt des Radwanderweges „Kohle und Erz“ umfasst die Strecke von Aachen bis Troisvierges (Ulflingen) und folgt in drei Tagestappen (Aachen bis Monschau; Monschau bis St. Vith; St. Vith bis Troisvierges) bequem der ehemaligen Vennbahn. Mit „bequem“ ist hier gemeint, dass die Orientierung sehr einfach ist und kaum Aufmerksamkeit oder Hilfsmittel erfordert: Man folgt einfach drei Tage lang der Fahrradtrasse durch die abwechslungsreiche und beeindruckende Landschaft. Bequem für Radfahrer ist auch, dass die Streckenführung größtenteils kaum nennenswerte Steigungen aufweist - sofern man die Trasse nicht für Abstecher verlässt. Die Erbauer der Trasse ermöglichten durch den Bau zahlreicher, heute noch beeindruckender Viadukte und eine der Landschaft angepasste, ausgeklügelte Streckenführung eine steigungsarme Route - damals unbedingt notwendig, heute eine Freude für Radtouristen.
Nach und nach wurden zusätzlich zur Haupttrasse der Vennbahn einige Quertrassen errichtet, so dass die Orte Malmedy, Eupen, Jünkerath, Stolberg oder Prüm erreicht werden konnten. Zu einem wichtigen Knotenpunkt dieses Bahnnetzes entwickelte sich St. Vith. Die ehemalige Bedeutung des Ortes lässt sich heute noch an den beeindruckenden Ausmaßen der ehemaligen Bahnhofsanlagen ablesen. An diesem Bahnhof arbeiteten zwischen 1910 und 1912 etwa 1.200 Personen - einen größeren Arbeitgeber gab es weit und breit nicht. Etwa 80 Güterzüge passierten den Bahnhof in den 1920er Jahren täglich.
Zur Erinnerung: Seit 1815 gehörten die Kreise Eupen und Malmedy zu Preußen, erst 1920 mussten sie durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages an Belgien abgetreten werden. Dadurch entstand eine neue Grenze zwischen Belgien und dem Deutschen Reich entlang der Trasse, die deshalb fortan mehrfach mal durch deutsches, mal durch belgisches Staatsgebiet führte. Bis heute weiß mal als Radfahrer nicht zu jedem Zeitpunkt, in welchem Staat man sich gerade befindet - was jedoch heutzutage ohne Belang ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Bedeutung der Strecke kontinuierlich, ebenso wie die Bedeutung des Kohleabbaus in der Region Aachen. 1989 wurde die Vennbahn schließlich ganz stillgelegt. 2013 wurde auf der Trasse der Bahn ein attraktiver Radweg eröffnet, um die 125 Kilometer lange alte Verbindung zwischen Aachen und Troisvierges neu zu beleben. Diese Strecke lässt sich sportlich bewältigen oder gemütlich in drei Etappen durch drei Länder erfahren: Aachen bis Monschau; Monschau bis St. Vith (Belgien) und St. Vith bis Troisvierge (Luxemburg) - von dort mit der Bahn über Lüttich zurück nach Aachen.
Unmittelbar neben der Strecke liegen so manche Sehenswürdigkeiten, die mit einem kleinen lohnenswerten Abstecher von der Trasse aus erreichbar sind: so z. B. die schöne Altstadt von Kornelimünster mit dem Kunsthaus NRW, der Propsteikirche St. Cornelius oder dem historischen Ensemble am Corneliusmarkt. Oder die vielen Sehenswürdigkeiten in Monschau, wie die Senfmühle, das Aukloster, das berühmte Rote Haus oder die evangelische Stadtkirche.
Troisvierges bis Thionville
Ab Troisvierges gliedert sich die Weiterfahrt in Vier Etappen: von Troisvierges bis Bastogne (BEL), von Bastogne bis Niederpallen (LUX), von Niederpallen bis Esch sur Alzette (LUX) an der französischen Grenze und von Esch sur Alzette bis Thionville. Am Ende der Vennbahntrasse in Troisvierges wechselt man mit ein wenig Orientierungssinn zu einer weiteren ehemaligen Bahntrasse, der von Gouvy nach Bastogne, mitten hinein in eine Erinnerungslandschaft an den Zweiten Weltkrieg. Soldatenfriedhöfe, Kriegsmuseen, Kleindenkmäler und Panzerwracks erinnern an die „Schlacht von Bastogne“ im Jahre 1944, die hier im allgemeinen Bewusstsein fest verankert ist.
Über Bastogne hinaus fährt man auf dieser Trasse entspannt bis nach Martelange (Martelingen) mit dem großen Schiefermuseum, und ab hier geht´s bis Oberpallen abseits der Trasse bergauf und bergab. Ab Oberpallen wird wieder eine ehemalige Trasse erreicht, die gemütliches Radeln garantiert. Auf dem Weg durch die Ardennen wird man mit spektakulärer Landschaft und sehr schönen landschaftlichen Erlebnissen, besonders entlang der oberen Sauer, mehr als belohnt, bevor man bei Pétange (Petingen) und Esch im Süden Luxemburgs das ehemalige Zentrum der Stahlindustrie des Landes erreicht.
In den Außenbezirken von Pétange findet sich der äußerst informative Freilichtmuseumspark Fond de Gras. Der Museumspark widmet sich dem Eisenerz, dessen Bedeutung nicht zuletzt durch das Aufkommen der Eisenbahnen determiniert wurde. Fond de Gras ist keine einzelne Grube oder ein Stahlwerk, sondern ein Ensemble verschiedenster Hinterlassenschaften der Eisenerzindustrie von der Gewinnung bis zur Verarbeitung und dem Transport - sehr beeindruckend.
Eine besondere touristische Attraktion sind die von einem Museumsverein betriebenen Industriebahnen, die zu bestimmten Tagen gefahren werden. Unter anderem können auch ehemalige Bergwerksstollen befahren werden. Ebenso sind dort ein Elektrizitätswerk von 1913 zu finden sowie historische Geschäfte, Bergarbeitersiedlungen und ein historisch erhaltenes Bistro der Minenarbeiter.
Ein weiterer Höhepunkt findet sich in Esch-Belval, dem ehemaligen industriellen Zentrum Luxemburgs. Der Ort erlebte in den letzten Jahrzehnten die Transformation von einem Industriestandort zu einer Universitätsstadt - mit einer spektakulären Mischung aus alter und neuer Architektur.
Hinter Esch gelangt man zügig nach Lothringen, in das ehemalige Zentrum des französischen Bergbaus und Erzabbaus. Zahlreiche Industrierelikte, Minenmuseen, Eco-Museen zeugen z. B. in Aumetz, Neufchef oder Uckange auf dem Weg nach Thionville (Diedenhofen) von ehemaliger industrieller Blüte. Dass sich hier mit dem Bergbau schon vor Jahrzehnten auch der Wohlstand verabschiedet hat, ist kaum zu übersehen.
Thionville bis Saarbrücken
Die letzten Etappen von Thionville nach Saarlouis, von Saarlouis nach Illingen und von Illingen nach Saarbrücken führen zurück nach Deutschland, vorbei am Fort Hackenberg, einer kilometerlangen unterirdischen Bunkeranlage der Maginot-Linie, die zwischen 1930 und 1940 als „Schutzwall“ entlang der französischen Grenze vom Elsass bis zur belgischen Grenze errichtet wurde. Hat man die imaginäre Maginot-„Linie“ erst mal Richtung Osten gequert, gelangt man bald ins Saarland. Hier führt die Route in einer großen Schleife von Saarlouis über Völklingen, Illingen, Neunkirchen, Sankt Ingbert und Sulzbach bis nach Saarbrücken, vorbei an beeindruckenden industriekulturellen Bauwerken, die die Bergbaugeschichte des Saarlandes bezeugen.
Allgemeine Hinweise
Angebote der Gastronomie und Hotellerie entlang der Strecke sind durchgehend vorhanden, wenn auch nicht überall gleich vielfältig. Es ist daher ratsam, vor der Fahrt über die Fremdenverkehrsämter oder Reisebüros Adressen von Gasthöfen / Hotels zu beschaffen und die mehrtägige Fahrt zu planen.
Unser Vorschlag, die Strecke in Etappen zu gliedern, ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Denkbar und möglich sind auch eintägige Touren ohne Übernachtung oder zweitägige Touren mit Hin- und Rückfahrt mit einer Übernachtung. Insgesamt setzt sich die Gesamtstrecke aus 11 Teilstrecken zusammen.
Teilstrecken
- Aachen bis Monschau (ca. 45 Kilometer)
- Monschau bis St. Vith (ca. 45 Kilometer)
- St. Vith bis Troisvierges
- Troisvierges bis Bastogne
- Bastogne bis Niederpallen
- Niederpallen bis Esch sur Alzette
- Esch sur Alzette bis Thionville
- Thionville bis Saarlouis
- Saarlouis bis Illingen
- Illingen bis Homburg
- Homburg bis Saarbrücken
Bei der Routenführung und den Sehenswürdigkeiten unterwegs hilft unsere KULATOUR - bei Übernachtungsmöglichkeiten helfen mit aktuellen Informationen die Fremdenverkehrsämter oder die üblichen Buchungsportale. Die KULATOUR ist in der KuLaDig-App für mobile Endgeräte abgebildet.
Wir wünschen allen interessierten Radlerinnen und Radlern viel Freude auf der Tour, schöne Landschaftserlebnisse und zahlreiche kulturelle Entdeckungen und Überraschungen.
(Sarina Eßling, Rolfjosef Hamacher, Elmar Knieps, Karl Peter Wiemer / Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2025)