Das Bahnwärterhaus mit Nebengebäude und kleinem Garten liegt unmittelbar an den Gleisen der ehemaligen Bahnstrecke an einem Bahnübergang, so dass wohl von hier aus auch der Bahnübergang gesichert wurde. Das Haus liegt einsam im Wald, was erklärt, dass seinerzeit der Bahnwärter zusammen mit seiner Familie auch hier wohnte. Das Nebengebäude wurde als Stall für Tiere genutzt, der Garten wurde als Selbstversorger-Garten betrieben.
In der Betriebszeit der Bahnlinie stellte die Bahngesellschaft gerne Frauen ein, in der Regel als Reinigungskräfte für Gebäude und Waggons. Oft unterstützten sie auch den als Bahnwärter angestellten Ehemann. Ebenso wurden sie aber auch als vollwertige, eigenverantwortliche Mitarbeiterinnen für den Schrankenwärterdienst eingestellt und sorgten auf diese Weise für ein zweites Einkommen für die Familie. Bei der Prinz-Heinrich-Eisenbahngesellschaft wurden Frauen von Beginn an für den Schrankenwärterdienst eingestellt. Der Lohn war gering, die Anforderungen hoch: Pünktlichkeit, Wachsamkeit, Aufmerksamkeit, gute Nerven sowie physische und geistige Anstrengungen wurden von den Schrankenwärterinnen gefordert. Der Dienst in der Einsamkeit an der Strecke über eine Schichtzeit von bis zu 15 Stunden fernab der nächsten Ortschaft verlangte Selbstbewusstsein und Mut.
Zwischen den einzelnen Zugfahrten konnten die Schrankenwärterinnen ihre Haus- und Küchenarbeit verrichten - Küche und Dienstraum waren oft identisch. Die Arbeit war entbehrungsreich und schlecht bezahlt - und dennoch begehrt. Auch wenn der doppelte Lohn für Frau und Mann oft nicht zum Lebensunterhalt der Familie reichte, bot das Leben im Schrankenwärterhaus manchen Vorzug: In den angebauten Ställen konnten Hühner, Ziegen oder Kaninchen gehalten werden, während die Nahrung für die Tiere der umgebende Wald bot. Und beim Streckenlauf - Männerarbeit zur Kontrolle der Gleise - wurden nicht selten vom Zug überfahrene Fasane und Hasen gefunden, eingesammelt und zu außerplanmäßigen Fleischgerichten verarbeitet.
Der Hausgarten bot Möglichkeiten zum Anbau von Gemüse und Kräutern, der Wald die Möglichkeit zum Holzsammeln - alles in allem keine schlechten Voraussetzungen, die Familie durchzubringen. Und ein weiterer Aspekt, der bisher in der Literatur und im allgemeinen Wissen kaum präsent, aber dennoch erwähnenswert ist: Durch die abgelegene einsame Lage vieler Bahnwärterhäuser und die latent oppositionelle Haltung der meisten Eisenbahner in den 1930er Jahren fanden viele Verfolgte, besonders ab 1939, in diesen Häusern Unterschlupf.
(Karl Peter Wiemer, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2023)
Internet
- de.wikipedia.org: Chemins de fer Prince Henri (deutsch: Prinz-Heinrich-Eisenbahn, Abkürzung PH) (abgerufen 05.06.2023)
- www.visitluxembourg.com: Fahrradweg de l'Attert (PC 12) (abgerufen 05.06.2023)
- www.spiegel.de: Bahnwärter - Der Letzte zieht die Schranke hoch (abgerufen 05.06.2023)
- www.wdrmaus.de: Früher-Heute-Geschichten: Schrankenwärter (DGS) (abgerufen 05.06.2023)