Berichte über eine Kohlegrube im Ortsteil Göttelborn (etwa 12 Kilometer nördlich von Saarbrücken, Gemeinde Quierschied) gehen bereits auf das Jahr 1445 zurück. Zwar ist die Arbeit von Kohlegräbern im dortigen „Kohlbachtal“ schon ab einem Jahr später nachgewiesen. Höchstwahrscheinlich handelte es sich hierbei jedoch zunächst um gelegentliche und wilde Kohlengräberei. Über 300 Jahre später, im Jahre 1773, ist auf dem späteren Gelände der Grube schließlich ein planmäßig erschlossener Stollen mit vier Arbeitern nahe Wahlschied urkundlich dokumentiert. Offiziell genehmigt wurde der Steinkohleabbau im Zuge eines hohen Ministerialerlasses der königlich-preußischen Regierung allerdings erst am 1. August 1886. Am 9. Mai des darauffolgenden Jahres begannen somit 13 Bergleute der Gruben Maybach, Reden und Altenwald, das Bergwerk in Göttelborn einzurichten, indem sie zwei einfallende Strecken auf dem Flöz Eilert auffuhren. Durch das Anhauen des Schachtes „Peter“ im Juli 1887 erfolgte kurze Zeit später die Umstellung zum Tiefbau.
Rasanter Aufschwung der Grube Anfang des 20. Jahrhunderts
Mit diesem direkten Zugriff auf den 1,65 Meter breiten Flöz wuchs die Grube schnell an. Im Jahr darauf hielten ein Inspektionsgebäude, mehrere Villen für leitende Beamte und Direktoren sowie eine aus 23 Doppelhäusern bestehende Beamtensiedlung auf dem Gelände Einzug; ab 1904 wurde sie zu einer Arbeitersiedlung ausgebaut. Für den Weitertransport der Steinkohle kam es zwar bereits 1890/91 zum Bau des eigenen Grubenbahnhofs sowie zum Anschluss an das Gleisnetz, doch der infrastrukturelle Ausbau erreichte erst vier Jahre nach Beginn des Baus der Arbeitersiedlung den untertägigen Bereich. Denn dieser wurde 1908 elektrifiziert, sodass die Pferdebahn 1909 abgeschafft und stattdessen eine Benzollokomotive zum Ziehen der Förderwagen eingerichtet werden konnte. Dem raschen technischen Fortschritt entsprechend sollten diese bzw. die bis dato verwendeten Dampffördermaschinen bereits zwei Jahre später durch eine Elektrolokomotive bzw. -fördermaschinen ersetzt werden. Auch wurden nun moderne Kettenförderer, Stahlstempel und Schrämmmaschinen eingesetzt. Seit 1913 – im Jahre der Fertigstellung der Arbeitersiedlung – ergänzten der Schacht „Holz“ als ausziehender Haupt- und Wetterschacht und der Schacht 3 als Wetter-, Material- und Seilfahrtschacht den Schacht „Peter“. Da die Grube Göttelborn seit den 1920er Jahren mit dem nahegelegenen Kraftwerk Weiher einen gut bezahlenden Dauerabnehmer hatte, war eine Erweiterung der Arbeitersiedlung möglich und notwendig. Diese ging von den Mines Domaniales, der französische Verwaltung der Saargruben, aus, während auch die Grube selbst 1935 umfangreichen Erweiterungen unterzogen wurde. 1937 kam es in diesem Zuge zur Einrichtung des Schachts „Lummerschied“, nun wieder unter deutscher Verwaltung. Auch in Göttelborn waren während des Zweiten Weltkriegs hunderte osteuropäische und sowjetische Zwangsarbeiter im Einsatz, deren Lager sich am Ostausgang befand; ein Gefangenenlagerzugang trug noch bis 2005 den Namen „Russenstollen“. In der Nachkriegszeit, aber vor allem in den 1960er und 1970er Jahren, stieg Göttelborn zu einem der leistungsstärksten Bergwerke Europas auf: die Untertageleistung lag im Jahre 1972 bei 6.034 Kilogramm Kohle pro Mann und Schicht. Folglich wurden die überstrapazierten Sozialgebäude, aber auch die Kohlewäsche, maßgeblich modernisiert
Letzte massive Entwicklungen seit den 1980er Jahren
1988 beschloss der Aufsichtsrat der Saarbergwerke AG ein Investitionsprogramm für den Zeitraum von 1989 bis 1995. Zentrale Aspekte waren die Schaffung eines „Verbundbergwergs West“ durch Fusion der Förderstandorte Luisenthal und Warndt, die Erschließung des Bergwerks Ensdorf sowie das so genannte „Drei-Standorte-Konzept“, das die Fusion der Förderstandorte Göttelborn, Reden und Camphausen zum „Verbundbergwerk Ost“ anstrebte. Wie im Programm vorgesehen, bestanden Göttelborn und Reden zunächst bis zum 31. Dezember 1995 separat fort, bevor sie unter dem Namen „Verbundbergwerk Göttelborn-Reden“ liefen und als Verbundbergwerk Ost verwaltet wurden. Ein letztes Mal kam es im Rahmen dieses Konzepts sowie im Zuge der bundesweiten politischen Förderung des deutschen Steinkohlebergbaus zu großen und gestaltprägenden Investitionen. Das wohl imposanteste Ergebnis hiervon ist das knapp 90 Meter hohe – damit weltweit höchste – und etwa 400 Millionen DM teure Fördergerüst, mit dessen Bau 1990 begonnen und das 1994 fertiggestellt wurde. Seine Höhe sowie seine vier Stützen im Umfang von 9,60 Meter waren erforderlich, um das ca. 27 Meter hohe Fördergefäß zunächst untertage und dann übertage bis zur Entladebühne heben zu können.
Erste Impulse eines modernen Strukturwandels
Schnell wurde es als „Weißer Riese“ zum Wahrzeichen der Grube, obwohl es nie zum Einsatz kommen sollte, da im November 1997 der Stilllegungsbeschluss fiel, auf welchen hin man am 1. September 2000 die letzte Schicht fuhr. Als Projekt der ein Jahr später zur Förderung und Unterstützung des Strukturwandels im Saarland gegründeten „IndustrieKultur Saar GmbH“ (IKS) wurde am 20. August 2004 der erste Bauabschnitt des Photovoltaik-Kraftwerkes Göttelborn auf dem ehemaligen Absinkweiher II der Grube eingeweiht. Mit rund 8 Megawatt Leistung war dieses ein Vorreiter im Bereich nachhaltiger Energieerzeugung. Die IKS setzte danach verstärkt auf die Schwerpunkte Wissen, Kultur und Kunst. So zogen in den Folgejahren unter anderem diverse Technologie- und IT-Firmen, die Cafécantine Flöz (frühere Kaffeeküche des Bergwerks), die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (Fachbereich Architektur) und die Firma HYDAC auf dem Gelände ein.
Göttelborn heute
Doch im Süden des Geländes wird mittlerweile auch der Natur und der Naherholung Rechnung getragen. Ebenfalls im Jahr 2016 schloss man die Rekultivierung der ca. 80 Hektar großen Haldenlandschaft des Bergwerks ab. Dazu gehören die Erschließung des in 420 Metern über Normalnull gelegenen Haldenplateaus mit Panoramablick, die Errichtung der Aussichtsrampe „Himmelspfeil“ und sowie die Erschließung von Rad- und Spazierwegen. Der Kohlbachtalweiher, ein bereits zu Abbauzeiten entstandener Absinkweiher, besitzt nach mehreren naturschutzfachlichen Maßnahmen heute eine äußerst hohe Biotopqualität, ist zu einem wichtigen Rastplatz für Wasser- und Watvögel auf ihrem Weg zu oder vom Nordseewattenmeer geworden und dient dem Hochwasserschutz, indem er von der Halde kommende Starkregenmassen aufhält.
(Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes, 2019 und Sarina Eßling, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2022)
Internet
- www.saarlaendisches-industriemuseum.de: Grube Göttelborn (abgerufen am 30.03.2022)
- www.industriedenkmal.de: Bergwerk Göttelborn (abgerufen am 30.03.2022)
- www.saarland.de: Campus Göttelborn (abgerufen am 30.03.2022)
- www.saarland.de: Campus Göttelborn · 66287 Quierschied · Am Campus (abgerufen am 30.03.2022)
- www.htwsaar.de: Kulturhistorisches Gelände (abgerufen am 30.08.2024)
- www.saarbruecker-zeitung.de: Haldensanierung – Naturparadies von Menschenhand (abgerufen am 30.03.2022)
- www.lik-nord.de: Beobachtungsplattform am Schlammweiher Kohlbach (abgerufen am 30.08.2024)