Einleitung
Wandel der Bestattungskultur und der Nutzung
Kulturhistorisches
Umwelt und Natur
Umgestaltung
Internet, Literatur
Einleitung
Die Bundesstadt Bonn verfügt für eine Stadt ihrer Größe über eine ungewöhnlich hohe Zahl an Friedhöfen, vor allem weil durch Eingemeindungen immer wieder Flächen hinzu kamen: Neben den 40 städtischen Friedhöfen gibt es drei konfessionelle Friedhöfe und fünf jüdische Begräbnisstätten. Sie reichen von kleinen, alten Ortsteil-Friedhöfen bis hin zu großen, ausgedehnten parkähnlichen Anlagen und Waldfriedhöfen neueren Datums. Auch die Gesamtfläche von insgesamt 128 Hektar mit circa 14.500 Bäumen ist beeindruckend groß. Je Friedhof schwankt die Größe sehr stark: Die Spanne reicht von sehr kleinen Anlagen mit wenigen hundert Quadratmetern bis hin zum 22 Hektar großen Nordfriedhof.
Die ältesten Bonner Friedhöfe bestehen seit mehr als fünfhundert Jahren. Damit haben sie eine besondere kulturhistorische Bedeutung, mit ihrem alten Baumbestand und anderen gewachsenen Strukturen einen hohen ökologischen Wert und dienen vielen Besuchenden als „Oasen der Stille“ der innerstädtischen Naherholung.
Wandel der Bestattungskultur und der Nutzung
Friedhöfe unterliegen seit etwa einem Jahrzehnt einem starken Wandel, bedingt durch die sich ändernde Bestattungskultur: Die ursprünglichen Planungen bezüglich Größe und Pflege vieler Friedhöfe gingen von der traditionellen Erdbestattung aus. Seit Jahren gehen diese klassischen Erdbestattungen mit langen Ruhezeiten von 20 Jahren oder mehr aber zurück, was zu einer sinkenden Auslastung und immer mehr ungenutzten Flächen führt. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach alternativen Bestattungsmethoden wie solchen in Friedwäldern oder den viel kleineren Urnengräbern, aber auch nach Bestattungen anderer Religionsgemeinschaften. Durch den anhaltenden Trend zur Feuerbestattung mit Urnenbegräbnis ist der Flächenbedarf bei weitem nicht mehr so hoch wie gedacht. Viele Gräberfelder werden frei und zukünftig nicht mehr für Bestattungen benötigt. Die Stadt Bonn hat bewusst entschieden, diese Freiflächen dauerhaft zu erhalten und nicht zu bebauen.
Die Friedhöfe der Bundestadt Bonn befinden sich daher in einem Nutzungswandel, den es zu gestalten gilt, um diese grünen Lungen innerhalb der Stadt zu erhalten und für weitere Bedarfe zu öffnen: Neben und in Einklang mit ihrer primären Aufgabe werden sie zunehmend Orte für Erholung und ruhige Freizeitgestaltung der Menschen. Zugleich wird die Chance ergriffen, die zukünftige Nutzung und Pflege der Friedhöfe stärker als bisher auf die Förderung des ökologischen Wertes auszurichten und sie zu einem Lebens- und Rückzugsraum für heimische Tiere und Pflanzen zu machen. Schon jetzt gibt es mehr Wiesen, die weniger pflegeaufwändig sind als Grabflächen, viele Stellen mit extensiverer Pflege, Nistkästen und Totholzhaufen aus gefällten Gehölzen. Zunehmend kommen weitere Elemente wie Staudensäume, Grünschnitthaufen, Kleingewässer und sogenannte Hirschkäfermeiler hinzu. Beide Ziele - ruhige Erholung und Naturschutz - treibt die Stadt Bonn getragen durch den politischen Willen aktiv voran. In der Bonner Biodiversitätsstrategie kommt den Friedhöfen als Teil der Stadtnatur eine besondere Bedeutung zu (Bundesstadt Bonn o.J.).
Kulturhistorisches
Nicht alle Bonner Friedhöfe dienen heute noch Bestattungen, zwölf Friedhöfe stehen unter vollständigem Denkmalschutz, auf weiteren elf Friedhöfen sind einzelne Gräber bis hin zu größeren Bereichen unter Denkmalschutz gestellt. Gerade die älteren Friedhöfe beherbergen Gräber namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft wie beispielsweise August Macke, Carl Troll, Eduard Strasburger, August Kekulé, Mildred Scheel, Herbert Wehner, Clara und Robert Schumann, Norbert Blüm und viele mehr.
Infolge der durch das Bevölkerungswachstum verursachten Überbelegung innerstädtischer Kirchhöfe und wegen der zunehmenden Angst vor Seuchen begann man im Laufe des 16. Jahrhunderts, die Toten außerhalb der Stadtmauern zu begraben. So ließ Kurfürst Joseph Clemens den Alten Friedhof schon 1715 anlegen, weil der Kirchhof von Sankt Remigius überbelegt war; als erste große Begräbnissstätte außerhalb wurde im Jahr 1800 der Friedhof Poppelsdorf angelegt. Ein kaiserliches Dekret Napoleons verbot schließlich 1804 Bestattungen innerhalb von Städten ganz, so dass im 19. Jahrhundert die randnahe Anlage von Friedhöfen am Stadtrand und in den Gemeinden allgemein üblich wurde. Noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ging man aufgrund des Bevölkerungswachstums von einem stetig wachsenden Bedarf an Beerdigungsflächen aus. In der Folge führte die Entstehung zahlreicher gemeindeeigener Friedhöfe zu deren heutiger Vielzahl. Von zehn Friedhöfen bis zum Jahr 1800 stieg die Zahl auf heute 48 Begräbnisstätten in Bonn, allein 15 Friedhöfe entstanden zwischen 1880 und 1907. Der älteste Friedhof Bonns liegt in Vilich und wurde vermutlich schon um 1000 nach Christus genutzt, der jüngste ist „Om Berg“ bei Hoholz an der Stadtgrenze, 1984 angelegt und auch heute noch außerhalb der Bebauung gelegen.
Umwelt und Natur
Friedhöfe sind als Lebensraum und Rückzugsort für die städtische Flora und Fauna von besonderem Wert (Übersicht bei Löki et al 2019). Auch die 48 Bonner Friedhöfe bieten mit ihren über 120 Hektar eine hohe Strukturvielfalt auf kleinem Raum und damit großes ökologisches Potenzial. Viele besitzen aufgrund ihres Alters einen wertvollen Baumbestand, weitere Lebensräume sind Hecken und andere Gehölze, Rasen und Wiesen, Wegränder und Säume. Auch Kleinstbiotope an Mauern und alten Gebäuden tragen zum ökologischen Wert bei. Dies zeigt sich unter anderem im Vorkommen von seltenen Vogelarten und dem Auftreten von interessanten Farn- und Blütenpflanzen, die hier innerstädtische Refugien gefunden haben. Wildblumen wachsen in weniger „gepflegten“ Ecken, Vögel und Säugetiere profitieren von der geringen Störung, sie finden Orte zum Brüten und zur Aufzucht ihrer Jungen sowie genügend Nahrung (Bundesstadt Bonn 2008).
Der positive mikroklimatische Einfluss von Friedhöfen hängt besonders an zwei Aspekten: Mit ihrem geringen Versiegelungsgrad beherbergen sie viele Grünstrukturen mit Blumen, Gräsern und Gehölzen. Diese senken durch Schattenwurf und Verdunstung die Temperaturen besonders an sehr heißen Sommertagen um bis zu drei Grad Celsius im Vergleich zu unbegrünten, durch Bebauung geprägten Straßenzügen. Zusätzlich befeuchten Pflanzen - vor allem Gehölze - die Luft, da sie das aufgenommene und gespeicherte Wasser verzögert wieder abgeben und so der Trockenheit in der Stadt entgegenwirken, die durch die geringe Verdunstung bebauter Areale zustande kommt.
Umgestaltung
Im Rahmen des Nutzungswandels werden die Bonner Friedhöfe seit einigen Jahren umgestaltet. Dabei gilt es, den vielfältigen Anforderungen aus Friedhofsatzungen, Denkmalschutz, Naherholung und „Sauberkeitsdenken“ einerseits sowie den Wünschen nach mehr Natur andererseits Rechnung zur tragen. Rasen werden unter Verwendung von regionalem Saatgut zu blumenreichen Wiesen umgewandelt und seltener gemäht, das Nistplatzangebot für Wildbienen und Vögel verbessert, Totholzhaufen angelegt und die Pflege extensiviert mit gesteuerter „Verwilderung“ geeigneter Bereiche. Ein größerer Teil dieser Maßnahmen ist in den LVR-Projekten „Lebensstätte Friedhof“ von sowie „Vielfalt in der Stille“ von der Biologischen Station Bonn / Rhein-Erft zusammen mit dem Amt für Umwelt und Stadtgrün der Stadt Bonn geplant und umgesetzt worden.
(Monika Hachtel und Peter Tröltzsch, Biologische Station Bonn/Rhein-Erft, 2024)
Internet
www.bonn.de: Liste aller Bonner Friedhöfe – Schweigende Oasen (abgerufen 06.01.2025)