Kulturhistorisches
Die Entstehung des Südfriedhofs ist vor dem Hintergrund der Bonner Friedhofsentwicklung zu sehen: Der Nordfriedhof als Nachfolger des Alten Friedhofs war der Innenstadt und dem Bonner Norden zugeordnet. Beide Friedhöfe lagen für den Süden zu weit entfernt. Auch die einzelnen Dorffriedhöfe Kessenich, Rüngsdorf und Poppelsdorf reichten nicht aus. So entschloss sich die Stadt zur Anlage eines großen Friedhofs im Bonner Süden. Die beanspruchten Flächen wurden ursprünglich überwiegend landwirtschaftlich genutzt, unter anderem auch durch das ehemalige Landgut Dottenhof, das weichen musste. Andere Flächen wurden als Lehmkaulen der Ziegelgewinnung genutzt. Da viele Parzellen durch Enteignung erworben werden mussten, zog sich der Prozess des Flächenerwerbs über einige Jahre bis 1902 hin. Im Anschluss daran legte der städtische Garteninspektor Günther eine Planung vor, die streng geometrisch angelegt war: Der nahezu rechteckige Grundriss zeigt in der Mitte eine breite Eingangsachse, die in ein Rondell mündet. Dabei kreuzen sich breite Hauptwege mit schmalen Seitenwegen. Auffällig ist die vertiefte Rasenfläche an der Hauptachse, die einen Eindruck von Weite vermitteln sollte. Alle Wege sind als Alleen angelegt. Der Friedhof wurde schließlich 1912 mit einer Größe von knapp zwei Hektar eröffnet und in der Folgezeit mehrfach erweitert: 1928, 1945, 1951/53, 1967 und 1969/70. Heute ist er mit einer Ausdehnung von 15,2 Hektar nach dem Nordfriedhof der zweitgrößte Friedhof in Bonn.
Auf dem Friedhof sind zahlreiche namhafte Persönlichkeiten beerdigt: Zwei fast identisch große Grabmale mit einem Säulenportikus gehören zu dem Bonner Universitätsprofessor Alfred Bucherer (1863 bis 1927) und dem Fabrikanten Heinrich Bresges (gestorben 1939). Die Grabstätten des Bonner Oberbürgermeisters und Ehrenbürgers Wilhelm Spiritus (1854 bis 1931), des Gründers des Zoologischen Museums und Ehrenbürgers Alexander Koenig (1856 bis 1940) und des Gründers des Versicherungsunternehmens Deutscher Herold, Herbert Worch (1882 bis 1953) sind ebenso auf dem Südfriedhof zu finden wie die große Grabstätte des Unternehmensgründers von Haribo, Hans Riegel (1893 bis 1945). Dessen 1921 erfundenen Goldbären sind heute weltbekannt und werden global verkauft, außerdem bescherte er Bonn die erste Badmintonhalle Deutschlands. Aus dem politischen Bereich sind Annemarie Renger (1919 bis 2008), Bundestagspräsidentin (SPD), und der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer (1901 bis 1963) zu erwähnen. Aus dem Geistesleben Bonns sind die Grabstätten des Kunsthistorikers Professor Heinrich Lützeler (1902 bis 1988), des Germanisten und Literaturwissenschaftlers Professor Oskar Walzel (1864 bis 1944) sowie des Sanitätsrats und Chirurgen Professor Oskar Witzel (1856 bis 1925) zu nennen.
Die eiserne Grabplatte der Gräfin Lagi von Ballestrem, geborene Solf, einer vergessenen Widerstandskämpferin im Dritten Reich, wurde erst kürzlich wieder entdeckt.
Naturkundliches
Der Südfriedhof zeigt verschiedene Lebensräume auf großer Fläche. Im Süden wird die Anlage von hohen Bäumen und höheren Hecken geprägt, beeindruckend sind die großen blaunadligen Atlantischen Zedern, die einen Stammdurchmesser von über einem Meter haben. Bei der floristischen Untersuchung im Jahr 2021 konnten 75 krautige Wildpflanzenarten ermittelt werden. Zwar gehört er damit zu den artenreicheren Friedhöfen in Bonn, allerdings finden sich nur wenige im Stadtgebiet seltene Pflanzenarten. Bemerkenswert ist das Auftreten der Breiten Stendelwurz (Epipactis helleborine), der Akelei (Aquilea vulgaris) oder der Weißen Fetthenne (Sedum album).
Der ehemalige Friedhofsmeister Ulrich Pacyna hat als einer der ersten das große Potential von städtischen Friedhofsstätten für den Erhalt der Biodiversität gesehen und durch zahlreiche Maßnahmen die offengelassenen Gräberfelder ökologisch aufgewertet. Auf dem Gelände finden sich u.a. ein Hirschkäfermeiler, eine große Insektenschutzwand, ein Sandarium, zahlreiche Totholz- und Steinhaufen sowie ein großer Artenschutzteich. Zahlreiche Gräberfelder wurden schon im Jahr 2020 geräumt und als artenreiche Blühwiesen eingesät. Im LVR-Naturschutzprojekt „Lebensstätte Friedhof“ wurden weitere Wiesen eingesät.
Im Jahr 2020 wurde die Vogelwelt auf dem Friedhof untersucht. 28 Arten konnten als Brutvögel erfasst werden. Hierbei handelte es sich überwiegend um typische Stadt- und Parkvögel. Bemerkenswerte Nahrungsgäste waren Dohle, Star und Turmfalke. Um diese Arten zu unterstützen wurden zwei große Turmfalkennisthilfen errichtet. Drei Dohlen- und fünf Starenkästen sollen dafür sorgen, dass diese im Stadtgebiet eher seltenen Arten zukünftig als Brutvögel auf dem Südfriedhof anzutreffen sind.
Auch Kleinsäuger kommen auf dem Südfriedhof vor. Bemerkenswert ist die Anwesenheit des europaweit stark gefährdeten Gartenschläfers, eine Schlafmausart, die auch Vogelnistkästen als Quartiere nutzt. Im LVR-Projekt „Lebensstätte Friedhof“ wurden für den Gartenschläfer zwei Spezialkästen aufgehängt.
In der Kapelle und im Verwaltungsgebäude wurden im Jahr 2022 mehrere große Fledermausquartiere im Dachstuhl befestigt. Durch die Lage des Südfriedhofs zwischen dem Venusberghang und dem Rhein bieten große, offene Dachstühle ein großes Potential für die kleinen Flugsäugetiere.
Aufgrund des Engagmenet der Friedhofsmitarbeitenden im Naturschutz zeichnete der NABU die Anlage 2022 als schmetterlingsfreundlichen Friedhof aus.
(Monika Hachtel und Peter Tröltzsch, Biologische Station Bonn / Rhein-Erft; Claudia Feldhaus, Bundesstadt Bonn, 2023)
Hinweis
Der Bonner Südfriedhof ist ein eingetragenes Baudenkmal der Stadt Bonn (A 3408).
Internet
https://nrw.nabu.de: Schmetterlingsfreundliche Friedhöfe gesucht (abgerufen 19.11.2024)
www.bonn.de: Denkmalliste der Stadt Bonn (PDF-Datei, 2,1 MB, abgerufen 19.11.2024)
www.bonn.de: Südfriedhof (abgerufen 25.11.2024)