Die jüdische Gemeinde seit dem frühen 19. Jahrhundert
Der Friedhof
Baudenkmal
Bekannte Persönlichkeiten
Naturschutzfachliche Informationen
Internet, Literatur
Die jüdische Gemeinde seit dem frühen 19. Jahrhundert
In Bonn befand sich die wichtigste und größte jüdische Gemeinde Kurkölns. 1811 wurde Bonn Sitz des Israelitischen Konsistoriums für das Rhein-Mosel-Département. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die jüdische Gemeinde kontinuierlich an. 1875 trennten sich die liberale Bonner Gemeinde und die orthodoxeren Umlandgemeinden Beuel (Vilich), Poppelsdorf und Bad Godesberg. Nach 1945 wurde eine neue jüdische Gemeinde begründet.
Gemeindegröße um 1815: 747 (1828), um 1880: 685 (1885), 1932: 1167 / 1268 (1933), 2006: 910 (vorstehende Angaben alle nach Reuter 2007).
Der Friedhof
Der ältere jüdische Friedhof in Schwarzrheindorf wurde spätestens im 17. Jahrhundert eingerichtet, er wurde von den Bonner und Beueler Juden benutzt. Bis 1872 wurden die jüdischen Bürger*innen auf dem jüdischen Friedhof Beuel-Schwarzrheindorf bestattet. Da jedoch die Überfahrt über den Rhein besonders im Winter mit gelegentlichem Hochwasser und Eisgang zu schwierig wurde, schauten sich die Bonner*innen jüdischen Glaubens bereits seit den 1860er-Jahren nach einem geeigneten Begräbnisplatz auf der linksrheinischen Seite um. 1872 wurde ein passendes Grundstück im noch unbebauten Gelände an der alten Straße nach Graurheindorf, der heutigen Römerstraße, erworben.
Am 2. April 1873 fand die Einweihung des Friedhofes an der Ecke Römerstraße / Augustusring statt. Das lange und rechteckiges Grundstück von 50 x 125 Metern ist mit einer Ziegelsteinmauer eingefasst und durch ein schmiedeeisernes Tor verschlossen.
Im nordöstlichen Bereich gleich am Eingang befindet sich die Zeremonienhalle von 1901, die Stadtbaurat a. D. Ludwig von Noel (1838-1914) entworfen hat. Mit ihrem Säulenportikus und dem Dreiecksgiebel ist sie einem klassizistischen Tempel nachempfunden. Gegenüber des Einganges wurde ein Kriegerehrenmal zu Ehren der jüdischen Gefallenen im Ersten Weltkrieg errichtet. Es wurde durch den Bildhauer Jacobus Linden geschaffen und 1930 eingeweiht. Es besteht aus einer Wand, in der die Namen der Toten eingraviert sind. Auf dem Sockel der Wand liegt ein steinerner Stahlhelm. Über der Wand breitet sich eindrucksvoll die in Trauer niedergelegte Truppenfahne aus.
Ein Gedenkstein von 2005 weist auf die jüdischen Opfer im Ersten Weltkrieg 1914-1918 hin. Ein weiteres Mahnmal zum Andenken an die Holocaustopfer wurde 1950 eingeweiht. Seine auf dem Stein auch ins Hebräische übersetzte Inschrift lautet:
Zum Gedenken / der 1933-1945 / ums Leben gebrachten /
Brüder u. Schwestern / von Bonn u. Umgebung.
Unser Gott gedenke / Euerer zum Guten / mit den übrigen
Gerechten der Welt. / Sein Richterarm / wird die erreichen,
die unschuldiges Blut / vergossen haben.
Gemäß dem jüdischen Brauch legen die Besuchenden dort Kieselsteine ab. Hinter den Ehrenmälern eröffnen sich die in drei Reihen angeordneten Gräber. Am Ende dieser langen Fläche am nordwestlichen Ende des Friedhofsgrundstücks ist die schlichte, 1899 errichtete Leichenhalle zu sehen, die aus Feldbrandziegeln gebaut wurde. Bei den efeubewachsenen Gräbern fällt die häufig doppelte Beschriftung von lateinischen und hebräischen Buchstaben auf. Desweiteren sind Allegorien nur wenig verwendet worden, und die Grabsteine haben unterschiedliche Höhen. Ein absolutes Novum zeigen die größeren Gräber, die sich als Erbbegräbnisse und nicht, wie bisher üblich, als Einzelgräber ausweisen. All diese Aspekte machen deutlich, dass die jüdischen Bürger*innen Bonns in der späten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die christliche Beerdigungskultur stärker annahmen und daraus ein neues Selbstverständnis entwickelten. Insofern stellt der Friedhof eine Besonderheit dar. Beisetzungen finden gegenwärtig nur auf diesem und dem jüdischen Teil des Friedhofes Kottenforst statt. Beide werden von der Synagogengemeinde betreut, wo hingegen die geschlossenen jüdischen Friedhöfe in der Obhut der Stadt Bonn liegen.
„Der Friedhof ... unterscheidet sich grundlegend vom Bild traditioneller jüdischer Begräbnisplätze wie etwa Schwarzrheindorf oder Siegburg, wo nach jüdischem Brauch die Gräber sich selbst überlassen bleiben, nur mit schlichten Grabsteinen versehen, die im Laufe der Jahre verwittern, ohne Einfassungen und Blumenschmuck. Die Bonner Gemeinde war so assimiliert, daß ihr Friedhof in vielen Punkten einer christlichen Anlage ähnelt.“ (www.bonn-castell.de, Jüdischer Friedhof, 2011/2014).
Baudenkmal
Das Objekt „Jüdischer Friedhof, Römerstraße 123 / Augustusring“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Bonn, Nr. A 1883 / LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Nr. 29259).
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2011/2025)
Bekannte Persönlichkeiten
Auf dem Friedhof sind Persönlichkeiten beigesetzt, die größtenteils bis ins heutige Bonner Leben nachwirken: Der Rabbiner Dr. Ludwig Philippson und sein Sohn Alfred, der das Geographische Institut in Bonn begründete. Letzterer war ein lange Zeit in Bonn tätiger Geograph und KZ-Überlebender Alfred Philippson (1864-1953). Auch seine Tochter wurde hier bestattet, die maßgeblich am Wiederaufbau der hiesigen Synagogengemeinde beteiligte Lehrerin und ebenfalls KZ-Überlebende Dora Philippson (1896-1980). Unweit von dessen Grabstelle ist der Rabbiner Falk Cohn beigesetzt sowie sein Sohn, Dr. Max Cohn, der zugleich Vorsteher der Gemeinde war.
Außerdem sind auf dem Friedhof angesehene Bonner Unternehmer bestattet, wie z. B. Johann Meyer, der Gründer der Bonner Fahnenfabrik, mit seiner Frau. Leopold Zuntz und sein Sohn Albert haben hier ebenso ihre letzte Ruhe gefunden. Sie waren die Inhaber der von Rachel Zuntz gegründeten Kaffeegroßrösterei A. Zuntz. An einem der ältesten Gräber ist der Name Jeanette Cahn zu lesen, gestorben 1873. Sie war die Witwe von Hermann Cahn, der wiederum der Enkel von Jonas Cahn war. Dieser hatte das angesehene Bankhaus Cahn gegründet. Jeanette Cahns Schwager Albert, baute seinerzeit die heute noch existierende Villa Cahn an der Mündung des Godesberger Baches.
Naturschutzfachliche Informationen
Seine Ausstattung mit Wildpflanzen ist aufgrund der Pflege gering, vor allem im Vergleich zu den anderen jüdischen Friedhöfen Bonns: Es wurden nur 16 Arten gefunden, darunter Frühblüher wie Buschwindröschen, Scharbockskraut und Wohlriechendes Veilchen und an Mauern das Zymbelkraut. Waldarten wie Gefingerter Lerchensporn, Wald-Veilchen und Gewöhnlikcher Wurmfarn weisen auf das hohe Alter des kleinen Friedhofes hin.
(Monika Hachtel, Biologische Station Bonn / Rhein-Erft; Claudia Feldhaus, Bundesstadt Bonn, 2023)
Internet
www.bonn.de: Jüdischer Friedhof Römerstraße (abgerufen 06.01.2025)
de.wikipedia.org: Jüdischer Friedhof Bonn-Castell (abgerufen 06.01.2025)
www.bonn-castell.de: Jüdischer Friedhof (abgerufen 07.05.2014, Inhalt nicht mehr verfügbar 07.11.2024)
www.bonn-castell.de: Jüdischer Friedhof (abgerufen 28.06.2011, Inhalt nicht mehr verfügbar 07.11.2024)
www.uni-heidelberg.de, Projekt: Jüdische Friedhöfe in Deutschland (abgerufen 14.06.2011, Inhalt nicht mehr verfügbar 07.11.2024)