Zur Bezeichnung: Ooms'sche oder Köln-Frechener Keramik
Das Wiedererwachen der Köln-Frechener Töpferkunst
Die Abteilung für Fein- und Baukeramik im Werk J. Kalscheuer & Cie.
Die Köln - Frechener Baukeramik in Köln und Umgebung
Die Baukeramik etabliert sich in Frechen
Weitere regionale Bauprojekte mit Frechener Baukeramik
Das Ende der Abteilung für Fein- und Baukeramik
Beispiel(e) für weitere Produktionsstätten von Bau- und Kunstkeramik
Kulturhistorische Bedeutung
Zur Bezeichnung: Ooms'sche oder Köln-Frechener Keramik
Hauptprodukt der Frechener Steinzeugfabriken waren Steinzeugrohre für die Kanalisation. Ebenso wurden Stallartikel, Viehtröge, Sauerkrautfässer, Kaminaufsätze und Blumentöpfe hergestellt.
Einzig das Seinzeugwerk J. Kalscheuer & Cie. produzierte in seiner für Frechen einzigartigen Abteilung für Fein- und Baukeramik zwischen 1919 und 1934 die sogenannte Ooms'sche oder Köln-Frechener Keramik. Die Abteilung wurde gegründet und geleitet von dem damaligen technischen Werksleiter Toni (Anton Heinrich) Ooms (1876-1934) und unterstand ab 1922 der künstlerischen Leitung des Kölner Bildhauers und Bauplastikers Franz Albermann (1877-1959).
Auch wenn sich der Frechener Volksmund mit der Bezeichnung Ooms'sche Keramik durchgesetzt hat, steht die Bezeichnung „Köln-Frechener Keramik“ mindestens gleichberechtigt daneben: „Die geistigen Väter dieser Keramik waren Kölner Bildhauer, die Stadt Köln und Toni Ooms“ (Heeg 1992, S. 9). Während der Rohstoff Ton aus Frechen kam und auch die Produktion im Frechener Werk erfolgte, stammten (vor allem in den Anfangsjahren) die Ideen, Entwürfe und Modelle ausschließlich von unabhängigen Kölner Kunstschaffenden (insbesondere der Bildhauerei) (Heeg 1992, S. 9), die neben ihren Ateliers in Köln auch in Ateliers in Frechener Werken arbeiteten.
Das Wiedererwachen der Köln-Frechener Töpferkunst
Nach dem Niedergang des Töpferhandwerkes aufgrund der starken Konkurrenz preisgünstiger, industriell gefertigter Massenprodukte, z. B. aus Email, erwachte Anfang des 20. Jahrhunderts das Sammlerinteresse an Bartmannkrügen, Schnellen (hohe, schlanke, zylindrische Steinzeugkrüge) und auch an Frechener Irdenware. Deren Zeugnisse galten nun nicht mehr als bäurisch-primitive Produkte, sondern zählten zur Volkskunst (Heeg 1992, S. 31). 1913 erweiterte der Cölnische Kunstgewerbe-Verein seine Sammlung durch den Ankauf zweier Schüsseln, gefertigt im Jahre 1821 vom Frechener Töpfer (Düppenbäcker) Andreas Höhn (Heeg 1992, S. 32).
Ab diesem Zeitpunkt steigerte sich auch seitens der Stadt Köln das Interesse an den Resten des Töpferlebens in Frechen über das Sammeln hinaus: „Sie will es erhalten und wiederbeleben“ (Heeg 1992, S. 32).
So nahmen in Rückbesinnung auf die örtlichen Traditionen des Töpferhandwerkes Kölner Kunstschaffende (darunter Professor Riegel, Bildhauer Wallner, F. W. Seiwert, Hans Schmitz) auf Anregung der Stadt Köln Kontakt zum Frechener Handwerk auf. Die Frechener Töpfer Peter und Heinrich Mück erklärten sich bereit, Kölner Künstler*innen in ihrer Frechener Werkstatt bei praktischen Versuchen zu unterstützen (Heeg 1992, S. 32f).
Während des Ersten Weltkrieges ließen Bildhauer mangels Aufträgen aus dem Bausektor (Hausteine für die Bildhauerei waren teuer!) ihre Kleinplastiken alternativ bei den Töpfern Mück oder in Blumentopf- und in Steinzeugfabriken brennen. Da ihr Modellierton meist für die Frechener (Steinzeug-) Öfen nicht geeignet war und die Werke misslangen, stiegen sie bald auf den Frechener Ton um.
Nach dem Krieg verstärkte sich diese Entwicklung, da sich nun auch die Stadt Köln wieder vermehrt engagierte: „Im Zuge von Notstandsmaßnahmen erhalten einige besonders bedürftige Bildhauer erhebliche finanzielle Unterstützung“ (Heeg 1992, S 33). In der Folge ließen die Bildhauer Joseph Pabst, Professor Meller, Toni Stockheim sowie Franz und Wilhelm Albermann ihre Werke wieder in Frechen brennen (Heeg 1992, S. 33). Sie verlagerten sich zunehmend auf Frechener Steinzeugton und arbeiteten vorwiegend mit Frechener Steinzeugwerken zusammen, vor allem im Kalscheuerwerk, „da Toni Ooms für sie besonderes Verständnis aufbringt und inzwischen einen Weg zur Erhaltung der Töpfertradition geht“ (Heeg 1992, S. 35). Kontakte bestanden auch zum Werk Conzen (Stadt Frechen 1989, S. 8).
Die Abteilung für Fein- und Baukeramik im Werk J. Kalscheuer & Cie.
Der Werksleiter Toni Ooms interessierte sich sehr für das vergangene kunstvolle Frechener Töpferhandwerk. So sammelte, dokumentierte und forschte er auch persönlich zum Niedergang des Töpferhandwerks (Heeg 1992, S. 24). Sein Wunsch, „den Ruf Frechens als Töpferstädtchen, wie es ihn im 16. Jahrhundert hatte, wiederzugewinnen“ (Zitat aus Ooms, Bericht über die Frechener Industrien der Tone, unveröffentlichte Niederschrift, 8.10.1927, Bl. 2f, in Heeg 1992, S. 37), ergänzte sich hervorragend mit den oben geschilderten Bestrebungen der Stadt Köln und Kölner Kunstschaffender.
So konnte Toni Ooms die Mitteilhaber der Steinzeugfabrik J. Kalscheuer von seinem Plan überzeugen, eine Fein- und Baukeramikabteilung zu eröffnen. Spätestens Ende 1919 nahm diese ihren Betrieb auf, und die mangels heimischer Fachkräfte aus dem Bunzlauer Raum bestellten Töpfer begannen mit der Produktion von Bunzlauer Geschirr (Heeg 1992, S. 39). Da dieses keinen Absatz fand, schwenkte Ooms bereits 1920 auf die Herstellung von Steingutgeschirr (Kaffee- und Teeservices) um. Auch dieses wurde bald von Porzellan und Steingut aus Ostdeutschland verdrängt (Heeg 1992, S. 40), sodass erneut eine Alternative gefunden werden musste.
Die Lösung lag nicht weit entfernt: Parallel zur Ooms'schen Geschirrproduktion ließen die oben erwähnten Kölner Bildhauer ihre Werke in den Steinzeugöfen bei Kalscheuer brennen. Hausteine, ihr eigentliches Material zur Herstellung von Bauplastiken, war kriegsbedingt viel zu teuer und wurde von Architekten nicht mehr nachgefragt. Baukeramik stellte sich als gleichwertige und günstiger zu produzierende Alternative heraus, wie Johann Pabst 1920 mit seinen kunstvollen keramischen Platten für Türumrahmungen an den britischen Offiziershäusern in Köln-Bayenthal zeigen konnte (Heeg 1992, S. 41). Diese hatter er im Werk Kalscheuer brennen lassen (Heeg 1992, S. 34).
Die Köln - Frechener Baukeramik in Köln und Umgebung
Hier setzte Ooms ab 1921 an und fand unter den Kunstschaffenden Unterstützung. Zunächst wurden kleinere Garten- und Brunnenstücke nach ihren Entwürfen aus Steinzeug hergestellt, denen später auch größere Plastiken folgten. Ziel war es, Architekten und Bauherren auf die Alternative aus Keramik aufmerksam zu machen (Heeg 1992, S. 43). Die Offiziershäuser in Köln-Bayenthal mit den Pabst'schen Keramikplatten erregten erstes Interesse und weitere Bauaufträge folgten - zum Beispiel von der Kunsthandlung Goyert, dem Kölnischen Kunstverein und für den Dortmunder Friedhof. Diese Anfangsphase der Etablierung von Baukeramik setzt Heeg (ebd.) bis zum Jahr 1923 an. In dieser Phase wurden überwiegend großformatige Reliefs, bestehend aus mehreren Keramikplatten, hergestellt.
Während die großen Bauplastiken nur auf Bestellung angefertigt wurden und als Werbeträger dienten, sollte die Produktion von Kleinplastiken aus Steingut für den Verkauf an breite bürgerliche Kreise das eigentliche Rückgrat der Unternehmung bilden. Dieses Ziel war 1924 mit einem Grundsortiment an Kaffee- und Teeservices, Aschenbechern sowie Gefäßen im weitesten Sinne und Figuren in Ansätzen erreicht (Heeg 1992, S. 46).
Als der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer nach dem Ersten Weltkrieg Köln wieder zu einem internationalen Handels- und Messeplatz ausbauen wollte, bewarb sich Toni Ooms auf den Auftrag, die Südfront des Messeamtes mit künstlerischen Reliefs (Sternenbilder, Bildhauer: Wilhelm und Franz Albermann) auszustatten. Die bisherigen Großarbeiten und das Interesse der Stadt Köln an der Wiederbelebung der Köln-Frechener Keramiktradition führten dazu, dass Ooms diesen Auftrag tatsächlich erhielt. Der ursprüngliche Auftrag wurde aufgrund der überzeugenden Arbeitsausführung massiv ausgeweitet (Heeg 1992, S. 47). Obwohl der Folgeauftrag der Stadt Köln eigentlich zu groß für die vorhandenen räumlichen und technischen Kapazitäten des Werkes war, nahm Ooms diesen an und baute zeitgleich die Abteilung für Kunstkeramik aus. Ein sehr großes Wagnis! Doch Ooms Werkstatt führte den Auftrag - die drei monumentalen Rheinportalvorbauten (nach den Entwürfen der Bildhauer Pabst, Meller, Sperling, Schmitz, Brüder Muschard) - zur Zufriedenheit aller aus (Heeg 1992, S. 50). Darauf folgte der Auftrag zur künstlerischen Ausgestaltung der Säulen in der Wandelhalle, die auf die Entwürfe von Franz Albermann, Pabst und Schmitz zurückgehen (Heeg 1992, S. 51). Zusätzlich wurden die Beleuchtungskörper an der an der Decke (Entwurf: Pabst), die keramische Einfassung der Portale (Entwurf: Schreiner), Heizkörperverkleidungen (Entwurf: Franz Albermann) sowie salzglasierte Blumenkübel beauftragt (Heeg 1992, S. 52). Das Wagnis lohnte sich: Die Kölner Messehallen wurden zum Dauerwerbeträger für die Fein- und Baukeramik des Kalscheuerwerkes mit weiter Strahlkraft!
1924/1925 errichtete der Kölner Architekt Koerfer das mit 65 m Höhe damals höchste Hochhaus Europas: das Hansahochhaus am Hansaring im Stil des Neuen Bauens. Es wurde mit 25 Keramiken aus dem Kalscheuerwerk, darunter fünf Großfiguren (Höhe nach Brand 3,3 Meter) nach Entwürfen der Bildhauer Albermann und Pabst versehen (Heeg 1992, S. 62f). Diese monumentalen Bauprojekte machten die Frechener Baukeramik weithin bekannt und zu einem gefragten Schmuckelement für verschiedenste folgende Bauvorhaben. 1926 wurde der Arkadenhof des Schlosses Bedburg überarbeitet (Heeg 1992, S.67). „Am Ende des Jahres 1927 ist die neue Keramik Köln-Frechener Machart an vielen Orten des gesamten Rheinlandes und punktuell auch schon darüber hinaus vertreten“ (Heeg 1992, S. 72). Leider sind die Großfiguren des Hansahochhauses sowie die alten Messehallen samt Keramikausgestaltung heute nicht mehr erhalten.
Die Baukeramik etabliert sich in Frechen
In Frechen waren es zunächst Privatleute bzw. die Kirche, die erste Aufträge erteilten (z.B. die Madonna am Pfarrhaus St. Severin, das Schuhhaus Salomon, die Bauplastik Blechschläger).
Beispiele für Bauplastiken in Frechen
- Madonna am Pfarrhaus von St. Severin
- Steinzeugplastik Blechschläger
- Steinzeugplastik „Mutter mit Kindern“ (Frechen)
- Gaststätte „Zur Deutschen Ecke“ mit Braumännchen
- Villa von Toni Ooms
In der „Glocke“ traf Ooms laut Heeg auf den Bürgermeister Dr. Toll, der für den Frechener Siedlungsbau der 1920er Jahre wesentlicher Motor war: „Sehr schnell gelingt es Ooms in solchen ‚Glocke-Gesprächen', den Bürgermeister für seine Baukeramik zu begeistern. Von nun ab werden in Frechen nahezu regelmäßig Gemeindebauten mit dieser Keramik ausgestattet“ (Heeg 1992, S. 78).
Siedlungen und Baumaßnahmen der Gemeinde Frechen (v.a. der Architekten Noven & Willach)
In den 1920er Jahren, als angesichts der großen Wohnungsnot von der Gemeinde unter dem Bürgermeister Dr. Toll Wohnungs- und Siedlungsbaumaßnahmen durchgeführt wurden, fand auch die Köln-Frechener Baukeramik Verwendung. Zunächst in den vorwiegend unter der Bauleitplanung der Architekten Noven & Willach (aber auch andere Architekten) durchgeführten Projekten:
- Siedlung „Roter Block“ in Frechen-Bachem
- Wohnhäuser Klarengrundstraße
- Blockrandbebauung Freiheitsring 9-39
- Wohnhaus und Doppelwohnhaus am Johann-Schmitz-Platz
- Umbau der Gemeinschaftsgrundschule Ringschule
- Wohnhauszeile in der Bartmannstraße 42-48
- Wohn- und Geschäftshaus Breite Straße 57 (1931)
Die Regiebauarchitektur Julius Gatzen - Neues Bauen in Frechen
Ab 1927 führte die Gemeinde Frechen die Aufgabe der Bauleitplanung in eigener Regie durch. Das eigens hierzu eingerichtete Hochbauamt unter der Leitung des Kölner Architekten Julius Gatzen realisierte nach den Grundsätzen des „Neuen Bauens“ in Frechen folgende Baumaßnahmen:
- Laubenganghaus I (Freiheitsring 69-73)
- Laubenganghaus II (Freiheitsring 110)
- Einfamilien-Reihenhaus Typ 1 (Keimesstraße 26-54, 25-65) und Keimesstraße 24/ Hasenweide
- Reihenhaustyp 2 Freiheitsring 58-84 mit Kopfbauten und Dr. Tusch-Straße 15-33
- Reihenhaustyp 3 (Freiheitsring 51-69)
- Verbindungstrakt mit Keramiknische und Wegkreuz in der Ulrichstraße
- Wohnhauszeile in der Franz-Hennes-Straße mit Keramikrelief
- Evangelische Volksschule, Lindenschule (heute Realschule Frechen)
- Beamtenwohnhaus der Feuerwache Frechen (Vierkantsäule, Kante der Haustürüberdachung, Putto verschwunden)
Auch die Ooms'sche Baukeramik wurde bei der Errichtung der Gatzen'schen Siedlungsbauten eingesetzt: „Für Dr. Toll und die Gemeinde Frechen ist es mittlerweile selbstverständlich, daß dieses Frechener Produkt, als Baustoff und als Kunstkeramik, grundsätzlich zu Frechener Bauten gehört“ (Heeg 1992, S. 84). In enger Zusammenarbeit zwischen Dr. Toll, Gatzen, Ooms und Albermann wurden passende Baukeramiken für die geplanten Gebäude, darunter vorherrschend Klinkerbauten, entworfen. „Passend zur funktionsbezogenen Ausführung der Bauten werden jetzt vor allem Keramikprofile variationsreich in einfachen geometrischen Formen gestaltet und verwendet“ (Heeg 1992, S. 85).
Denkmäler (in Frechen und Umgebung)
Aus der Abteilung für Fein- und Baukeramik stammen auch folgende Werke (vgl. Heeg 1992 und 2003):
- Kriegerdenkmal Linnich (1930)
- Kriegerdenkmal der KFBE (1924)
- Kriegerehrenmal Bachem (1930)
- Gefallenendenkmal in der Ulrichstraße in Buschbell (um 1932)
- Ooms'sches Grabmal in Kerpen (1927)
- Christus Welterlöser (um 1930)
- Hochkreuz mit Korpus in Nörvenich 1932/33
- Ehrenmal auf dem Vorgebirge (1927)
- Christ-Königs-Denkmal Düren-Mariaweiler (1932)
Weitere regionale Bauprojekte mit Frechener Baukeramik
Alle oben genannten Baumaßnahmen in Frechen verstärkten die Werbewirkung, die bereits von Köln für die Verwendung Köln-Frechener Baukeramik ausging. Vielmehr unterstrichen sie deren vielfältige Einsatzmöglichkeiten, die offensichtlich auch zum Architekturstil des Neuen Bauens passten. Weitere, teilweise heute veränderte, regionale Beispiele für die Verwendung von Ooms'scher Keramik bei Bauvorhaben sind:
- Siedlungshäuser in Brühl (1928), Liblarer Straße 72-76a
- Siedlungshäuser in Brühl (1928), Römerstraße 185/187
- Siedlungshäuser in Brühl (1928), Römerstraße 191-195
- Siedlungshäuser in Brühl (1928), Rodderweg 3 und 7
- Städtische Berufsschule Mönchengladbach 1928
- Verwaltungsgebäude des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk in Essen (1929)
- Köln Ehrenfeld Bauplastik Mutter mit Kindern 1927 (siehe Frechener Ausfertigung)
- Berufsschule in Bottrop 1929
- Planetarium (Tonhalle) Düsseldorf (1926)
- Blockrandbebauung Friesenstraße 79-81 Düsseldorf-Oberkassel (1931/1932)
Das Ende der Abteilung für Fein- und Baukeramik
Die Schließung der Abteilung für Fein- und Baukeramik am 01.01.1934 ist das Ergebnis mehrerer Entwicklungen, beginnend mit der Weltwirtschaftskrise:
- Die Weltwirtschaftskrise bewirkte sinkende Auftragszahlen, vor allem hatten Kommunen kein Geld mehr, um geplante Siedlungsbauvorhaben geschweige denn Baukeramik zu beauftragen (Heeg 1992, S. 120ff).
- Aufgrund verschiedener innerbetrieblicher Schwierigkeiten können selbst „hochqualifitierte betriebswichtige Leute nicht mehr gehalten werden“ (Heeg 1992, S. 124) (z.B. Chemiker); ihre Expertise fehlt jedoch folglich für einen reibungslosen Ablauf in der Produktion und für die gesicherte Qualität der Erzeugnisse: „Es gerät Sand ins Getriebe“ (Heeg 1992, S. 124).
- Eine Rechnung für eine große Lieferung in die USA wurde nicht bezahlt (Heeg 1992, S. 125).
- Die Wirtschaftslage des Werkes J. Kalscheuer & Cie. stellt sich insgesamt als sehr schlecht dar; Arbeitskräfte verlassen die Fabrik (Heeg 1992, S. 125).
- Mit der Machtergreifung der NSDAP fiel die kommunale Zusammenarbeit, auf der die Köln-Frechener Keramik gründete, fort. Wichtige Auftraggeber brachen weg (Heeg 1992, S. 126f).
- 1933 massierten sich im Betrieb und unter den Anteilseignern die Vorwürfe gegen den geschäftsführenden Direktor Toni Ooms. Ihm wurde die Hauptschuld für die besonders schlechte Situation des Kalscheuerwerkes gegeben (Heeg 1992, S. 127), die „vor allem auch der Existenz der Abteilung für Bau- und Kunstkeramik zugeschrieben wurde. Ooms wurde vorgeworfen, diesen Produktionszweig nicht nach wirtschaftlichen Maximen geführt und ihn obendrein unverhältnismäßig expandiert zu haben“ (Stadt Frechen 1989, S. 9).
Ein Großteil der Feinkeramik-Formen wurde nach Schließung der Abteilung in den Besitz der Firma „Burbacher Keramik“ von Hugo Schlenkermann bei Siegen übergeben (Heeg 1992, S. 128). Diese Fabrik existierte bis 1952 (Stadt Frechen 1989, S. 10).
In den 1930er Jahren erfolgte ein erneuter Wiederbelebungsversuch unter der Bezeichnung „Braunbrand“.
Beispiel(e) für weitere Produktionsstätten von Bau- und Kunstkeramik
Laut Ausstellungskatalog zur Ausstellung „Ooms Keramik - Figürliche Arbeiten“ sind die „Einflüsse, mit denen sich A.H. Ooms bezüglich der Bau- und Feinkeramik auseinandersetzte, (…) bisher noch nicht belegt. Sicherlich werden aber direkte oder mittelbare Verbindungen zu Persönlichkeiten seiner Zeit, die die Strömungen des damaligen Zeitgeistes mitbestimmten und ihr äußeres Erscheinungsbild mitprägten, von Bedeutung sein. Bezug zu nehmen ist u.a. auf den Architekten Fritz Schumacher (...)“ (Stadt Frechen 1990, S. 7). Der Hamburger Architekt und Stadtplaner Fritz Schuhmacher (1869-1947) gestaltete als Beigeordneter und Stadtplaner zwischen 1920 und 1923 unter Konrad Adenauer die Stadtentwicklung Kölns. Er kehrte 1924 nach Hamburg als Oberbaudirektor zurück (Wikipedia, Fritz Schumacher), wo er weiterhin „(...) der norddeutschen Stadtarchitektur seine Handschrift verlieh. Fritz Schumacher arbeitete eng mit der Kieler Kunst-Keramik-AG zusammen, die außer der Baukeramik auch Seriengeschirre und figürliche Plastik in Serie herstellte. Das Unternehmen in Kiel entwickelte sich 1924 und weist sowohl zeitlich als auch in der Produktion parallele Erscheinungen zur “Ooms Keramik„ in Frechen auf“ (Stadt Frechen 1990, S. 7).
Die Kieler Kunst-Keramik (KKK) AG produzierte ab 1924 bis 1930 Fein-und Baukeramik. Einerseits knüpfte sie damit an die Kieler Fayencemanufaktur des 18. Jahrhunderts an, andererseits sollte die hier hergestellte Keramik Kiel über die Landesgrenzen hinaus berühmt machen. Hergestellt wurden künstlerische Plastiken, kunstgewerbliche Zier- und Gebrauchsgegenstände, Kachelöfen und Baukeramik. Nach ihrem Konkurs im Jahr 1930 gründete der Kaufmann Edmund Jensen 1933 in dem Fabrikgebäude die Kieler Kunstkeramik Edmund Jensen Kiel, die sogenannte „Zweite KKK“. Die Fabrik wurde 1943 kriegsbedingt zerstört (Wikipedia: Kieler Kunst-Keramik).
Weitere mögliche beeinflussende Kunstschaffende, Werkstätten und Werke, Fabriken und Manufakturen hinsichtlich der Frechener Seriengeschirre siehe Stadt Frechen 1989, S. 7.
Kulturhistorische Bedeutung
Die Abteilung für Fein- und Baukeramik im Steinzeugwerk „J. Kalscheuer & Cie.“ ist für Frechen - im Gegensatz zu seiner Vielzahl an Steinzeugfabriken - eine singuläre, aber sehr bedeutsame Erscheinung. In Verbindung mit den in Fachkreisen überregional beachteten kommunalen Siedlungsbauten der 1920er Jahre haben sie prägende Spuren im heutigen Stadtbild Frechens, aber auch an repräsentativen Gebäuden in Frechen und in der Region hinterlassen.
Sie sind bedeutende und identitätstiftende Zeugnisse der Keramiktradition der ehemaligen Industriestadt Frechens. Ihre kulturhistorische Bedeutung ist als sehr hoch einzustufen.
(Anne Hentrich, LVR-Redaktion KuLaDig, 2014, umfassend überarbeitet durch Nicole Schmitz, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege, 2024)
Internet
de.wikipedia.org: Kieler Kunst-Keramik (abgerufen am 03.06.2024)
de.wikipedia.org: Fritz Schumacher (abgerufen am 27.06.2024)