In den Flussniederungen des Kreises Wesel finden sich zahlreiche Altbäume. Diese können, je nach ihrer Entwicklung, gelegentlich auch als Kopf- oder Hutebäume bezeichnet werden. Sie sind ein typischer Bestandteil des Landschaftsbilds am Niederrhein - und dies besonders im Kreis Wesel. So zierte etwa eine Kopfweide, die weit verbreitet als der Charakterbaum des Niederrheins gilt, das frühere Wappenschild des Kreises Wesel. Solch alte Bäume können dabei sowohl auf die vergangenen Nutzungsformen des Grünlands hinweisen als auch auf die Nutzung der Bäume selbst. Ihr besonderes Aussehen verdanken sie in der Regel dem Zutun des Menschen.
Bei Kopfbäumen wurden immer wieder nach Bedarf die Äste in einer bestimmten Höhe abgeschlagen und beispielsweise an das Vieh verfüttert oder als Brennholz genutzt. Durch den regelmäßigen Schnitt der Neuaustriebe verdickten sich die Schnittstellen, was mit den Jahren zu ihrem typischen Aussehen führte.
Hutebäume wiederum zeugen von einer Nutzung der Fläche als Viehweide, bei der die Tiere die Altbäume als Unterstand oder Malbaum nutzten bzw. die Bäume entsprechend ihrer Bedürfnisse und Möglichkeiten auch als Nahrungsquelle annahmen und die unteren Zweige beästen.
Heutzutage ist diese uralte, auch wirtschaftliche Bedeutung und Nutzung der Bäume kaum mehr vorhanden, wodurch solche Altbäume als kulturhistorische und landschaftsprägende Elemente bereits stark dezimiert sind. Denn wachsen die Triebe der Kopfbäume ohne den für sie notwendigen Pflegeschnitt von Jahr zu Jahr weiter, werden sie „kopflastig“. Die ausladenden Äste werden so schwer, dass der Baum unter ihrer Last auseinander bricht und letztlich vorzeitig abstirbt. Daher ist der „Erhaltungszustand“ dieser Art von Altbäumen in unserer Region oft ungünstig. Ein regelmäßiger Pflegeschnitt ist notwendig, um die Vitalität der kulturhistorischen Landschaftselemente zu erhalten. Einige Kopfbäume werden zwar regelmäßig und liebevoll von ortsansässigen Naturschutzorganisationen gepflegt, jedoch der Großteil der noch vorhandenen Veteranen steht fast vergessen inmitten einer heute meist intensiv genutzten Landschaft.
Lebende Altbäume haben zudem auch eine hohe tierökologische Bedeutung und sind für viele Arten überlebenswichtig. Neben zahlreichen Insekten werden alte Bäume aufgrund ihrer Höhlen, Schlitze und Risse auch gerne von Vögeln (Spechte, Käuze, Gartenrotschwanz, Hohltaube, Weidenmeise) und Fledermäusen besiedelt. Mehr als 500 verschiedene und teils sehr seltene Tierarten kann ein Altbaum in Form eines Ruhe- und Nahrungsbiotops sowie als Reproduktionsstätte beherbergen. Bei Vorkommen von so genannten Zeigerarten, die ausschließlich auf diesen uralten Strukturen zu finden sind, können ggf. weitere Aussagen zur Standort- und Kulturgeschichte gemacht werden.
Altbäume können somit, entsprechend ihrer Ausstattung und ihres Zustands, sowohl ein Zeugnis des aktuellen Naturschutzes als auch der Kulturgeschichte ihres Standortes sein.
(Jochen Schages, Biologische Station im Kreis Wesel e.V.; erstellt im Rahmen des Projektes „Altbäume auf historischem Grünland“, einem Projekt des LVR-Netzwerks Kulturlandschaft, 2018)
Internet bskw.de: Broschüre „Altbäume auf historischem Grünland“ (PDF-Datei, 6,2 MB, abgerufen 28.05.2020)
Literatur
Sorg, M.; Schages, J.; Schwan, H.; Stenmans, W.; Hörren, T.; Heckmanns, G. / Entomologischer Verein Krefeld e.V. (Hrsg.) (2018)
Altbäume auf historischem Grund. Naturschutz und Kulturlandschaftspflege, Konzept zur Erhaltung und Pflege wertvoller Altbäume. (Series Naturalis 2018 (2).) Krefeld. Online verfügbar: www.entomologica.org, naturalis2018_2, abgerufen am 22.11.2019
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