Das Erscheinungsbild von Deutzen ist durch den enormen Zuzug von Arbeitenden des Werkes sowie als Umsiedlungsstandort mit zahlreichen Ersatzbauten geprägt. Menschen zogen aus Ostpreußen, Schlesien, Ungarn, dem Vogtland und Erzgebirge her. Viele siedelten auch aus dem Bayerischen Wald über und brachten Ihre Traditionen und Kultur mit. In dieser Folge entstand auch die große katholische Kirche St. Konrad. Deutzen wandelte sich von einem agrarisch geprägten Dorf zu einem Industriedorf. In diesem Zusammenhang sei auch die Persönlichkeit von Georg Bilkenroth erwähnt, welcher sich als Werksdirektor in Deutzen, späterer Technischer Direktor des VEB Projektierungs- und Konstruktionsbüro Kohle und Mitentwickler der Braunkohlenhochtemperaturvergasung zur Herstellung von Braunkohlenhochtemperaturkoks einen Namen machte. Er bewohnte wie andere Deutzener Werksdirektoren das Rittergutsschloss in Deutzen. Aufgrund dieses damals vorhandenen herrschaftlichen Gebäudes wurde – wie sonst üblich – keine Direktorenvilla in Deutzen errichtet. Mit Begründung des Werkes 1910 wohnten nur 350 Menschen in Deutzen (Röthigen gehörte noch nicht dazu). Im Jahr 1940 waren es bereits 3000 Einwohner. Das absolute Maximum an Deutzenern ist mit 4300 für das Jahr 1968 belegt. Hierin zeigen sich die Folgen der Dorfabbrüche für den Tagebau. 1974 wurde die Schwelerei stillgelegt, doch der abrupte Strukturwandel setzte 1992 mit der Stilllegung des Industriekraftwerkes und der Brikettfabrik Deutzen ein. Abrisse und Leerstände folgten. 2008 lebten noch 1839 Einwohner im Ort.
Deutzen ist ein städtebauliches, sozial- und wirtschaftsgeschichtliches Zeugnis von großer Besonderheit. In ihm zeigen sich typische städtebauliche Entwicklungen, die mit dem Bau und der Vergrößerung des lokalen Braunkohlenwerkes einhergehen. Darüber hinaus ist es ein seltenes Beispiel einer Ortsverlegung innerhalb des Ortes, bei dem der historische Ortskern dennoch komplett getilgt wurde. Die neue Gemeinde war abhängig und bestimmt vom Werk. Bis heute erhält der Ort finanzielle Unterstützungen beispielsweise für den Spielplatz durch das Bergbauunternehmen MIBRAG, welches den unmittelbar angrenzenden Tagebau Vereinigtes Schleenhain betreibt.
(Josephine Dreßler, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2023)
Datierung:
- Erbauung seit 1911
Quellen/Literaturangaben:
- Berkner, Andreas/Kulturstiftung Hohenmölsen e. V. (Hg.): Bergbau und Umsiedlungen im Mitteldeutschen Braunkohlenrevier. Beucha/Markkleeberg 2022, S. 232.
- Heimatverein Regis-Breitingen und Umgebung e. V., Heimatgruppe Deutzen (Hg.): 100. Gedenktag des 1. Spatenstichs zur Gewinnung der Braunkohle in Deutzen. Begleitheft zur Ausstellung der Heimatgruppe Deutzen. Deutzen 2010.
- Bräutigam, Claus: 775 Jahre Deutzen. Ein Heimatbuch. Borna 2013.
- Naß, Werner: Chronik zur Teilortsverlegung von Altdeutzen, hg. von Braunkohlenwerk Deutzen. Deutzen 1969.
- Feiner, Karl-Heinz: Deutzen, der Ort verändert sich. Alt/Neu - verschiedene Objekte von damals und heute gegenübergestellt. Unveröffentlicht 2017.
- Heimatverein Regis-Breitingen, Rote Mappe der Schule Deutzen, etwa 1970, o. S.
- Kreisarchiv des Landkreises Leipzig in Grimma, Findbuch Bauakten Deutzen.
- Kreisarchiv des Landkreises Leipzig in Grimma, Findbuch Bauakten Röthigen.
BKM-Nummer: 30200300