Gefertigt wurde er für die ab 1924 erbaute Zweigstelle der Chemischen Fabrik Dr. Hugo Stoltzenberg in Gräfenhainichen. Der Standort sollte ein getarntes Giftgaswerk in Kooperation mit der Reichswehr werden. Stoltzenberg selbst wurde zur Leitfigur für die Produktion, Aufrüstung und den Handel mit chemischen Kampfstoffen. Das geheime Unterfangen endete bereits 1926 mit der Konkursanmeldung in Folge der politischen und wirtschaftlichen Situation. Der Wasserturm blieb daraufhin bis zu seiner Umsetzung 1938 ungenutzt.
In diesem Jahr erfuhr das 1912 entstandene Braunkohlenwerk »Kraft II« in Deutzen eine erhebliche Vergrößerung. Diese enorme wirtschaftsgeschichtliche Veränderung zeigt sich auch in den zahlreichen Deutzener Siedlungsbauten für weitere Werksarbeitende, die gleichzeitig entstanden. Die Fabrikvergrößerung wie den Bau der Siedlungen initiierte der Werkbetreiber, die Niederlausitzer Kohlenwerke Aktiengesellschaft. 1936 bis 1938 wurde konkret die Brikettfabrik vergrößert sowie das Schwelwerk und die Mahltrocknung errichtet. In diesem Zuge musste auch die Wasserhaltung des Werkes angepasst werden. Der Direktor Georg Bilkenroth veranlasste deshalb die Translozierung des Wasserturms von Gräfenhainichen nach Deutzen. Er wurde auf einem neuen Fundament errichtet und die Stützkonstruktion um 11 m auf 58,5 m erhöht. Der kugelförmige Wasserbehälter mit einem Durchmesser von 7,5 m, einem 200 m³ Fassungsvermögen und 33 t Leergewicht blieb aber unverändert, ebenso wie die grundsätzliche Turmkonstruktion von sechs sich nach oben verjüngenden Stützen aus Stahlfachwerk.
Aufgrund der Verfolgung und Enteignung jüdischer Unternehmer, das auch Ignatz Petschek und sein Niederlausitzer Kohlenwerk betraf, kam das Werk interimsweise in die Auffanggesellschaft Deutsche Kohlenbergbau-Gesellschaft mbH/Abt. Niederlausitz. 1940 folgte die Angliederung an die Salzdetfurther Aktiengesellschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es 1946 in die Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) »Brikett« eingegliedert und ab 1952 als VEB Braunkohlenwerk Deutzen betrieben, bevor 1968 die Angliederung an das Braunkohlenkombinat Regis erfolgte. Aufgrund einer anderen Energie- und Militärpolitik in der DDR kam es schließlich 1974 zur Stilllegung der Schwelerei. Mit der politischen Wende wurde 1992 der Betrieb der Brikettfabrik und des Kraftwerks eingestellt, wie vielfach im Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlenrevier geschehen. Dazu gehörte die weitgehende Beräumung des Areals samt Sozialbauten wie dem Kulturhaus. Von der etwa 20 ha großen Werksfläche blieb einzig die Wasserkugel Deutzen erhalten. Aktuell ist das Objekt ohne Nutzung. Eine Sanierung und Umnutzung ist angestrebt. Dies könnte ihn zu einem Aussichtsturm werden lassen. Ungeachtet dessen ist es ein inzwischen seltenes Relikt der Braunkohlenveredelung sowie der Militärgeschichte. Auch in seiner Bauaufgabe als Industriewasserturm ist es ein inzwischen rares Beispiel, verglichen mit den zahlreichen Wassertürmen zur kommunalen Wasserversorgung oder der Eisenbahn. Durch seine Höhe und markantes Erscheinungsbild in Deutzen wie in der umgebenden Kulturlandschaft ist er eine unverwechselbare Landmarke. Die Wasserkugel ist ein überregional bedeutendes Geschichtszeugnis.
(Josephine Dreßler, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2023)
Datierung:
- Erbauung 1925
Quellen/Literaturangaben:
- Brockow, Thomas: Der Wasserturm in Deutzen. Ein Denkmal deutscher Technik-, Industrie- und Militärgeschichte. In: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hg.): Technische Denkmale in Sachsen, Arbeitshefte 27. Dresden 2017, S. 212–221.
- LMBV hat doch Pläne für Deutzener Wasserkugel. So sehen sie aus. In: LVZ-O, 25.01.2022. URL: https://www.lvz.de/lokales/leipzig-lk/borna/lmbv-hat-doch-plaene-fuer-deutzener-wasserkugel-so-sehen-sie-aus-ZJHJMSRCE6ERSALNZADRWG3ZIQ.html (14.08.2023).
BKM-Nummer: 30200285