Gefängnis und Gericht Hacht in Altstadt-Nord

auch erzbischöfliche Haicht oder Hachtgericht, Hachtor bzw. Hachtpforte

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 56′ 24,55″ N: 6° 57′ 28,45″ O 50,94015°N: 6,9579°O
Koordinate UTM 32.356.528,81 m: 5.645.155,20 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.567.371,85 m: 5.645.425,80 m
  • Holzmodell von 1726 der Kölner "Bingerhäuser und Hacht mit Hachtpforte, Nordseite".

    Holzmodell von 1726 der Kölner "Bingerhäuser und Hacht mit Hachtpforte, Nordseite".

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    Urheber unbekannt / aus: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, 1930, S. 346
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  • Historische Aufnahme (vor 1893): Blick von der Domplatte aus in Richtung Süden auf die "Hachtpforte", das frühere Gerichts- und Gefängnisgebäude Hacht mit seinem markanten Tordurchgang.

    Historische Aufnahme (vor 1893): Blick von der Domplatte aus in Richtung Süden auf die "Hachtpforte", das frühere Gerichts- und Gefängnisgebäude Hacht mit seinem markanten Tordurchgang.

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    Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_mf053635
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  • Historische Aufnahme (um 1890): Links das "Bingerhaus", daneben das seinerzeit als "Hotel Francfort" dienende frühere Gerichts- und Gefängnisgebäude Hacht, dahinter das Dom-Hotel und der Kölner Dom.

    Historische Aufnahme (um 1890): Links das "Bingerhaus", daneben das seinerzeit als "Hotel Francfort" dienende frühere Gerichts- und Gefängnisgebäude Hacht, dahinter das Dom-Hotel und der Kölner Dom.

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    gemeinfrei / Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_mf002553
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  • Historische Aufnahme von Abbruch der Kölner "Hacht" im Jahr 1893, im Hintergrund das Dom-Hotel und der Kölner Dom. 1971 wurde dieser Teil der Domplatte "Roncalliplatz" benannt.

    Historische Aufnahme von Abbruch der Kölner "Hacht" im Jahr 1893, im Hintergrund das Dom-Hotel und der Kölner Dom. 1971 wurde dieser Teil der Domplatte "Roncalliplatz" benannt.

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    Urheber unbekannt / Kölnisches Stadtmuseum (gemeinfrei)
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  • Kölner Stadtplan von Arnold Mercator 1571 im Bereich des Doms, des Domhofs und des südlichen Domvorfelds.

    Kölner Stadtplan von Arnold Mercator 1571 im Bereich des Doms, des Domhofs und des südlichen Domvorfelds.

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    Mercator, Arnold / gemeinfrei
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    Arnold Mercator
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  • Historische Abbildung (vor 1840): Das Hospital Hl. Geist (auch Heiliggeisthaus) am Kölner Domhof.

    Historische Abbildung (vor 1840): Das Hospital Hl. Geist (auch Heiliggeisthaus) am Kölner Domhof.

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  • Ausschnitt der Karte des Pfarrbezirks "XIV Hacht" mit dem Dom und einem Teil des Domhofs südlich der Kathedrale (aus: Hermann Keussen, Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910, Bd. 2).

    Ausschnitt der Karte des Pfarrbezirks "XIV Hacht" mit dem Dom und einem Teil des Domhofs südlich der Kathedrale (aus: Hermann Keussen, Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910, Bd. 2).

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  • Darstellung der Hinrichtung der Entführer des Bäckers Philipp Ecks in Köln. Die beiden Täter wurden am 28. Oktober 1588 an der Richtstätte Rabenstein bei Melaten zunächst gerädert und dann enthauptet ("uff rader gesatzst, die köp abgehauen").

    Darstellung der Hinrichtung der Entführer des Bäckers Philipp Ecks in Köln. Die beiden Täter wurden am 28. Oktober 1588 an der Richtstätte Rabenstein bei Melaten zunächst gerädert und dann enthauptet ("uff rader gesatzst, die köp abgehauen").

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    unbekannt / gemeinfrei
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  • Blick vom Dach des Kölner Doms aus auf den südlich der Kathedrale liegenden Roncalliplatz, links das Römisch-Germanische Museum und die Himmelssäule, rechts das Dom-Hotel (2014)

    Blick vom Dach des Kölner Doms aus auf den südlich der Kathedrale liegenden Roncalliplatz, links das Römisch-Germanische Museum und die Himmelssäule, rechts das Dom-Hotel (2014)

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    Knöchel, Franz-Josef / CC-BY-NC-SA 3.0
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    Knöchel, Franz-Josef
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  • So genannter "Rheinhardtscher Stadtplan von Köln" von Johann Valentin Reinhardt aus dem Jahr 1752: Ausschnitt mit dem Bereich zwischen Rheinufer und Heumarkt (unten, bzw. Osten) und Neumarkt (oben, bzw. Westen).

    So genannter "Rheinhardtscher Stadtplan von Köln" von Johann Valentin Reinhardt aus dem Jahr 1752: Ausschnitt mit dem Bereich zwischen Rheinufer und Heumarkt (unten, bzw. Osten) und Neumarkt (oben, bzw. Westen).

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    Reinhardt, Johann Valentin / gemeinfrei
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    Johann Valentin Reinhardt
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  • Titelkupfer der "Constitutio Criminalis Carolina" von 1532 mit der Darstellung von Strafen und von Folter- und Hinrichtungsgeräten.

    Titelkupfer der "Constitutio Criminalis Carolina" von 1532 mit der Darstellung von Strafen und von Folter- und Hinrichtungsgeräten.

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    gemeinfrei
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Die einst südlich der heutigen Domplatte stehende Hacht (auch: Haicht) war ein 1165 erstmals erwähntes Gebäude mit Tordurchgang, das im Mittelalter als erzbischöfliches Gericht und Gefängnis diente. Auch um die Sicht auf den 1880 fertiggestellten Kölner Dom nicht zu beeinträchtigen, wurde die Hacht im August 1893 abgerissen.

Hohe und niedere, weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit im mittelalterlichen Köln
Die Kölner Hacht: Name, Schreinsbezirk, Ursprung und Bedeutung
Das Hachtgericht
Der Scharfrichter
Türme als Kölner Haftstätten des Mittelalters
Richtstätten in Köln
Das Ende der Hacht
Quelle, Internet, Literatur

Hohe und niedere, weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit im mittelalterlichen Köln
Die moderne Trennung zwischen gesetzgebender Legislative, Recht sprechender Judikative und der Exekutive als rechtsvollziehender Gewalt gab es bis zu der Neuordnung des Gerichtswesens ab der so genannten „Franzosenzeit“ (1794-1815) noch nicht. Rückblickend erscheint die historische Organisation der Gerichtsbarkeit einer Stadt wie Köln damit fast unüberschaubar (vgl. auch Klein 1863, S. 51-55):
Zu unterscheiden ist zunächst grundsätzlich zwischen der von der Landesherrschaft ausgeübten Hohen, Hoch- bzw. Blutgerichtsbarkeit für Verbrechen, die mit Leibstrafen oder gar dem Tode bestraft werden konnten (wie z.B. Mord, Raub, Sodomie oder Hexerei) und der für geringere Delikte zuständigen niederen Gerichtsbarkeit, welche meist in der Zuständigkeit der Grundherren lag.
Außerhalb der Städte war das Rechtswesen im Rahmen der örtlichen Ämtergliederung über Haupt- und Untergerichte, die so genannten „Dingstühle“, organisiert (Janssen 2008, S. 25ff.).

Die weltliche Gerichtsbarkeit übten in Köln vor allem der Stadtrat und für die Hochgerichtsbarkeit ein Schöffengericht aus, das aus der Oberschicht besetzt wurde; ferner aber u.a. auch die Genossenschaften und die Zünfte. Die geistliche Rechtsprechung fiel in die Zuständigkeit der erzbischöflich-landesherrlichen und damit auch geistlichen Gerichtsbarkeit. Letztere oblag dem im Jahr 1252 erstmals bezeugten erzbischöflichen Offizial, der als Vorsteher eines Kirchengerichts (Offizialat) fungierte. Dieses Amt gibt es in Köln bis heute, der Offizial spricht allerdings mittlerweile nur noch in kirchenrechtlichen Belangen Recht. Das 1032 erstmals urkundlich erwähnte erzbischöfliche Hohe Gericht in Köln befand sich am südlichen Domhof (Wilhelm 2008, S. 166-168 u. 339).
„Der Sitz des Kölner Hochgerichts ist … stets am Domhof gegenüber dem Königspalaste an der Südseite des Domes gewesen. Mit ihm stand in Verbindung der nahegelegene Kamphof (für die Ausfechtung der gerichtlichen Zweikämpfe bestimmt) und das Hacht genannte Gefängnis.“ (Keussen 1910, Bd. 1, S. 137)

Für die freie Reichsstadt Köln sind bis zum Ende des alten Heiligen Römischen Reichs im Jahr 1806 alleine 60 Gerichte nachgewiesen (Wilhelm 2008, S. 168) – darunter neben dem Bürgermeister-, Rats- und Amtsgericht auch ein Turmgericht, ein Gewaltgericht, ein Fiskalgericht, das Unterlahngericht (die Gerichtsbarkeit über Erbe und Eigen), ein eigenes Gericht der Weinschule (eine für alle Belange des Weins zuständige Einrichtung der Winzer und Weinhändler) und schließlich auch das Hachtgericht.
Dieses war eines von fünf kleineren so genannten „Flügelsgerichten“, die ursprünglich Nebengerichte von geringer Bedeutung waren. Zu diesen gehörten außerdem das Gericht der Kölner Erbvogtei am Eichel- bzw. Eigelstein (Eigelsteingericht), ein Gericht in der Weyerstraße sowie Gerichte in den der Domstadt damals noch vorgelagerten Gemeinden bei den Stiften St. Gereon und St. Severin.
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Die Kölner Hacht: Name, Schreinsbezirk, Ursprung und Bedeutung
Die beiden gebräuchlichen Namensvarianten Hacht und Haicht stammen wohl infolge eines Lautwandels von „ft“ zu „cht“ von dem Wort „Haft“ ab.
Der Ursprung der Hacht geht auf das 1165 im Zuge der Kölner Stadterweiterungen entstandene Hachttor zurück, das unter Bischof Rainald von Dassel (1114/20-1167, Kölner Erzbischof 1159-1167) angelegt wurde und das die südliche Grenze der Domimmunität markierte (in etwa dem Verlauf der heutigen Straße Am Hof südlich des Roncalliplatzes entsprechend). Ebenfalls als Hacht wurde auch der das unmittelbare Domumfeld umfassende Bezirk der beiden Pfarren Sankt Johannes Evangelist und Sankt Maria im Pesch bezeichnet.

Der in den Kölner Schreinsbüchern (eine Art mittelalterlicher Grundbücher) verzeichnete „Schreinsbezirk XVI Hacht“ umfasste den dem Erzbischof als Grundherrn unterstehenden alten Besitz in der unmittelbaren Umgebung des Doms: „Begrenzt wurde der Bezirk im Norden durch die Trankgasse, im Westen durch Unter Fettenhennen, im Süden durch die Nordseiten von Am Hof und Große Neugasse. Im Osten verlief die Grenze hinter den Häusern der Straße Auf dem Brand, kurz vor der Probstei von St. Maria ad Gradus bog sie zum Rhein hin ab.“ (zitiert nach altes-koeln.de, vgl. Keussen 1910, Bd. 2, Tafel XVI)

Das Gebäude der Hacht umfasste zwei erkennbar getrennte Häuser: Das Hachtgericht und das Hachtgefängnis, die durch eine Mittelmauer verbunden waren. Es entstand durch die Verbindung des nunmehr östlichen Tores mit westlich davon gelegenen Nachbargebäuden während des Episkopats von Bruno IV. von Sayn (um 1165-1208, Kölner Erzbischof 1205-1208):
„Das kleinere, nordwärts dem Domhof zugewandte Gebäude hatte außer dem Erdgeschoss nur eine Etage, worin der Erbvogt seine Sitzungen abhielt. Das Gebäude mit dem Hachttor im östlichen Teil belegten der Hachtmeister und die Gefangenen. Die Hacht war wohl ein düsterer Bau, mit Halseisen und Handfesseln ausgestattet. ... Das westliche Nachbarhaus der Hacht war der zuvor 1164 erbaute Erzbischöfliche Palast, östlich grenzte die Drachenpforte ‚porta draconis‘ an. In Richtung Am Hof standen die der Hacht benachbarten Bingerhäuser, die bereits 1382 als erzbischöfliches Lehen bezeugt sind. Später stand der ‚Kamp(f)hof‘ in der Nähe der Hacht.“ (de.wikipedia.org, Hacht)
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Das Hachtgericht
Die gerichtlichen Befugnisse zur Rechtsprechung des Hachtgerichts waren vom Erzbischof oder dessen Vogt an Dienstleute des Erzstifts (Ministerialen) übertragen worden. Das Hachtgericht verhandelte Strafsachen der niederen Gerichtsbarkeit. Das Gebäude diente gleichsam auch zur gefencklichen Verwarung von Delinquenten des erzbischöflichen Kölner Hochgerichts, das „zudem die Funktion eines Appellationsgerichtes für das ganze Erzstift“ erfüllte (koelnisches-stadtmuseum.de).

Im Jahr 1404 brannte die Hacht ab („verbrant de Hachportz“, vgl. Keussen 1910, Bd. 2, S. 292 mit dortigem Verweis auf die Chronik Köln 1877) – möglicherweise betraf dieser Brand aber auch das als palatio bezeichnete erzbischöfliche Schlossgebäude neben dem Gefängnis. In den Kölner Chroniken wird die Hacht regelmäßig erwähnt (ebd., S. 289-292), so dass wohl von einem dauerhaften Bestehen des Gefängnis- und Gerichtsgebäudes während des Mittelalters ausgegangen werden darf. Einer Nachricht aus dem Jahr 1439 folgend, war die Hacht seinerzeit „ein schmuckloses zweischiffiges Gebäude mit Kreuzfenstern und einem Stufengiebel an der Westseite“ (nach Vogts 1930, S. 347).

Anlässlich eines Besuchs Maximilians I. (1459-1519, ab 1486 römisch-deutscher König und ab 1508 römisch-deutscher Kaiser) in der Domstadt am 28. Juni 1494 berichtet die Koehlhoff'sche Chronik von 1499, dass der Kölner Bürgermeister mit seinem Anhang auf 25 Pferden durch die Hachtpforte zum Blauen Stein auf dem Domhof ritt, um dort den regierenden König samt dessen fürstlichem Gefolge in Empfang zu nehmen (Chronik Köln 1877, S. 890):
„... bald darnae quam der ander burgermeister riden mit 25 perden durch die Hachtportze langs des Steinwech bi dem blauwen stein af bis under die linde, ind do hielt he bis der konink mit sinen fursten quam.“
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Die Stadtansicht Arnold Mercators von 1570 zeigt im südlichen Domvorfeld deutlich das dieses Areal begrenzende Gebäude mit seinem markanten Tordurchgang. In den Folgejahren wurde die Hacht immer wieder wegen Baufälligkeit erneuert und musste 1621 sogar neu gebaut werden (Vogts 1930). Bereits 1726 stritten dann Stadt und Erzbischof darüber, wer die Kosten für die notwendigen Reparaturen der erneut im fortgeschrittenen Verfall befindlichen Hacht tragen sollte:
„Der Kaiser selbst wurde zum Schiedsrichter, und er ernannte den Abt von Werden zu seinem Kommissar. Dieser gab das Modell mit dem damals aktuellen Bauzustand in Auftrag und verkündete am 27. Juli 1727 das Urteil: Die Reparatur des Mauerwerks der eigentlichen Hacht musste aus kurfürstlichen, die des Oberhauses dagegen aus städtischen Mitteln bezahlt werden.“ (koelnisches-stadtmuseum.de, zu dem Holzmodell vgl. die Abbildung)

Das im Mittelalter noch vorrangig durch eine privatrechtliche Auffassung und daraus resultierender Willkür geprägte Justizwesen erhielt zu Beginn der Frühen Neuzeit durch die so genannte „Carolina“ von 1532, die „Peinliche Halssgerichtsordnung“ Kaiser Karls V. (1500-1558, römisch-deutscher Kaiser 1519-1556), erstmals eine reichsweit gültige Strafprozessordnung, die auch für das 1475 offiziell zur freien Reichsstadt erhobene Köln galt.
Als erste vermeintlich „moderne“ Gerichtsordnung widmete sich die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) jedoch nicht nur der offenbar häufig notwendigen notweer gegen eynem grawsam weibßbilde (Art. 144), sondern auch dem Aberglauben der Zeit verhaftet umfassend dem angeblichen Unwesen der zauberey und gibt grausam-detailliert Anweisungen zur Aufklärung solcher miß- vnd übelthat durch die als peinliche frag bezeichnete Folter (Art. 45 ff.).
Bezüglich der Urteile wird neben den drastischen Todesstrafen – in Art. 192 werden zum fewer, zum schwert, viertheylung, rade, galgen, ertrencken, lebendig vergraben, schleyffen und reissen mit glüenden zangen genannt – und den „milderen“ Leibstrafen (darunter Abschneidung der zungen, Abhawung der finger, Oren abschneiden, mit Rutten außhawen, Art. 196) aber auch die ewige gefenknuß behandelt – die lebenslange Strafhaft des Übeltäters, damit landt vnd leut vor jm versichert werden (Art. 195).
Daneben regeln die Artikel 11-15 der Carolina bereits die Option einer Art Untersuchungshaft, welche durch Sicherheitsleistungen des Beklagten gegenüber dem richter mit sampt vier schöpfen aufgehoben werden kann (etwa über Kaution, Bürgschaft oder einer als gnugsam erkennter Versicherung).
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Der Scharfrichter
Auch der Kölner Henker war kein städtischer Amtsträger, sondern unterstand bis zum Ende des Alten Reichs der kurfürstlichen Hochgerichtsbarkeit. Möglicherweise geht das erst im Zuge des spätmittelalterlichen Kölner Weberaufstand von 1369-1371 genannte Scharfrichteramt bereits auf den in den Rechten der Dienstmannen von 1164/74 genannten Aufseher über das erzbischöfliche Hachtgefängnis zurück - qui preest custodie captivorum in betthenkamere.
Der später als heychter bezeichnete Henker hatte nicht nur im Auftrag der Greven (Gerichtsherren) für die Durchführung von Hinrichtungen in der Domstadt und ihrem Umland zu sorgen, sondern auch die notwendigen Gerätschaften bereitzustellen („alle gereytschafft darzo geven ... ind der scharpreychter sall dat swert betzalen“). Entlohnt wurde der Scharfrichter nach einem in der Kölner Schöffengerichtsordnung von 1435 festgelegten Tarif, der seine Einkünfte regelte und den Ausgaben gegenübergestellte. Als Dienstwohnung stand ihm ein Haus am Hühnermarkt zu (Irsigler u. Lassotta, S. 230-239).
Da die Hinrichtung mit dem Schwert im Gegensatz zum Hängen oder Rädern als ehrenvoll galt, stand diese in der Regel nur hochgestellten Personen wie etwa Angehörigen der alten patrizischen Geschlechter zu, also „der städtischen Prominenz, darunter auch Bürgermeister und Ratsherren“. Für die Bürger waren die städtischen Richtschwerter später „ein wichtiges Symbol dafür, dass sie in Konkurrenz zum Erzbischof eine eigene Gerichtsbarkeit aufgebaut hatten“ (koelnisches-stadtmuseum.de).
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Türme als Kölner Haftstätten des Mittelalters
Die Nutzung von Stadtmauer-, Burg- oder auch Wehrtürmen als Gefängnisse war in früheren Zeiten durchaus üblich. Bezeichnungen wie ‚Turmmeister‘ für den Verhörenden und ‚Turmschreiber‘ für den das ‚Turmbuch‘ führenden Protokollanten waren üblich. Erst allmählich traten im Laufe der Frühen Neuzeit eigenständige Arbeits- und Zuchthäuser in Erscheinung.
Ein Visitationis Prothocollum der Thürmen und gefengnißen vom Mai 1709 führt folgende Türme der Kölner Stadtmauer als Gefängnisse auf (Zusammenstellung nach Schwerhoff 1991 und de.wikipedia.org, Kölner Gerichtswesen; die Tore sind in der Regel auf der Karte bei Hegel 1992 verzeichnet):

  • Die Ehrenpforte in Ehrenfeld mit drei Gefängnisräumen,
  • der Gereonsturm in Altstadt-Nord mit vier Gefängnisräumen und zwei nur über eine Leiter oder ein Seil erreichbare Löcher,
  • die Eigelsteinpforte in Altstadt-Nord mit zwei kleinen und vier größeren Räumen, die aber nur selten für den Arrest genutzt wurden,
  • der große Kunibertsturm in Altstadt-Nord mit drei gewölbten Gefängnisräumen (das benachbarte kleine Kunibertstürmchen – fälschlich gerne auch „Weckschnapp“ genannt – war entgegen einer mit ihm verbundenen schaurigen Sage kein Gefängnis),
  • das Trankgassentor zwischen Dom und Rhein in Altstadt-Nord mit zwei Gefängnisräumen,
  • der nur wenige Meter südlich davon stehende Frankenturm mit vier Gefängnisräumen zum Rhein hin und zwei zur Stadt hin,
  • der Bayenturm in Altstadt-Süd, der neben zwei kleinen und zwei großen Gefängnisräumen über eine Küche und einen Brunnen verfügte,
  • die Pantaleonspforte in Altstadt-Süd mit zwei Gefängnisräumen,
  • die Weyerpforte (bzw. das Weyertor) in Altstadt-Süd, ebenfalls mit zwei Gefängnisräumen, und
  • die Schafenpforte (bzw. das Schaafentor) in Altstadt- bzw. Neustadt-Süd mit drei Gefängnisräumen.

Während de.wikipedia.org ergänzt, dass Hahnen-, Friesen-, Severins- und Bachpforte „keinen Inhaftierungen“ gedient hätten, werden hingegen zwei dieser Tore in der Stadttopographie angeführt (Keussen 1910, Bd. 1, S. 138): „Als Gefängnisse dienten dem Rat die Stadttürme und Tore, namentlich der Frankenturm; aber auch der Bayenturm, das Pantaleons-, Bach-, Schafen-, Hahnen-, Ehren- und Gereonstor und der Kunibertsturm …“.
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Richtstätten in Köln
Gerichtlich verhängte Lebens- oder Leibstrafen wurden im Sinne einer Machtdemonstration der Obrigkeit und zur Abschreckung der Bevölkerung öffentlich vollstreckt, dienten damit aber zugleich auch zur makabren Unterhaltung der Massen.
Neben dem eingangs bereits als öffentliche Zweikampfstätte genannten Kamp(f)hof unmittelbar am Dom werden als Richtstätten des Mittelalters für Köln die heute durch den Rheinauhafen überprägte Rheininsel Werthchen (in Höhe der südlichen Altstadt), die innerstädtischen Marktplätze Alter Markt (mit Pranger), Heumarkt (für politische Verbrecher) und Neumarkt sowie die Hinrichtungsstätten Rabenstein (südlich des Melatenfriedhofs) und der Judenbüchel am südlichen Bonntor genannt.
Ferner soll ein 1356 erwähnter „Junkerkirchhof“ (zugleich eine Bezeichnung für einen Hinrichtungsplatz) bei Mechtern genutzt worden sein (dieser entprach allerdings möglicherweise dem vorgenannten Rabenstein bei Melaten) sowie im Jahr 1513 ein weiterer Junkerkirchhof vor dem Weyertor (Keussen 1910, Bd. 1, S. 138).

Zum Tode Verurteilte verbrachten ihre letzte Nacht vor der Hinrichtung in der Hacht, bevor sie morgens vor das Hochgericht auf dem Domhof geführt wurden, wo sie kniend die Verlesung ihres Todesurteils anhören mussten (koelnisches-stadtmuseum.de):
„Dann wurde der Stab über sie gebrochen und sie unter dem Läuten des Armesünderglöckchens dreimal gegen den an der Kirche St. Johann-Evangelist eingemauerten ‚blauen Stein‘ (eine Schieferplatte) gestoßen. Der Henker rief dem Delinquenten zu: ‚Ich stoße Dich an den blauen Stein, Du kommst zu Vater und Mutter nimmer heim.‘ Dann wurden die Verurteilten zum Richtplatz gebracht und das war meistens Melaten.“

Eine - wenn auch historisch ungesichterte - Legende besagt, dass der Kölner Sinnspruch „Do bes noch nit lans Schmitz Backes“ („Du bist noch nicht an der Bäckerei Schmitz vorbei“, im Sinne von „Das ist noch nicht überstanden“) auf öffentliche Bußgänge von Straftätern zurückgehe.
Wegen leichterer Vergehen verurteilte Deliquenten sollten demnach von der Hacht aus in Form einer öffentlichen Pranger- bzw. Schandstrafe bis zur Stadtgrenze an der Severinstorburg gehen. Während dieses Spießrutenlaufs konnten die Verurteilten von den Umstehenden beschimpft, geschlagen oder gepeitscht werden („Staupenschlag“). Hatte man die Backstube „Schmitz Backes“ an der Severinstraße erreicht, war diese Tortur überstanden (www.koeln-lotse.de und koelnding.podigee.io).
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Das Ende der Hacht
Der Kölner Stadtplan von Johann Valentin Reinhardt aus dem Jahr 1752 mit dem topografischen Zustand am Kölner 'Dom Hoff' zeigt noch deutlich das den Platz nach Süden hin abschließende Torgebäude der Hacht mit der Nr. 94.
„In französischer Zeit war es Eigentum der Domänenverwaltung, dann gehörte es einem Rentner. Johann Jakob Müller verwandelte es in eine Branntweinbrennerei, auch ein Antiquitätenhändler bot seine Ware unter dem Hachtbogen feil.“ (koelnisches-stadtmuseum.de)
In einem an gleicher Stelle 1820 entstandenen Neubau der Hacht residierte zeitweilig ein Hotel Francfort bzw. Hotel Frankfurter Hof (vgl. Abbildungen). Dieses Gebäude, das später offenbar deutlich heruntergekommen war und zudem die Sicht auf die 1880 fertiggestellte Kölner Kathedrale beeinträchtigte, wurde schließlich im August 1893 abgerissen.

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2019/2023)

Quellen
  • Cronica van der hilliger stat van Coellen bis 1499, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Band 14 / Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Band 3, Cöln, Leipzig 1877, S. 641-1007 (online unter www.archive.org, abgerufen 28.05.2021)
  • Informationstafeln zur Geschichte des Doms und seines Umfelds am Roncalliplatz Köln (Kölnisches Stadttmuseum, September 2019).

Internet
koelnisches-stadtmuseum.de: Rückblick 1726, Köln contra Köln (abgerufen 05.09.2019)
koelnisches-stadtmuseum.de: Tod durch den Stadtdiener (abgerufen 27.05.2021, Inhalt nicht mehr verfügbar 19.06.2024)
www.koeln-lotse.de: Die Hacht – ein Knast direkt am Dom (Uli, der Köln-Lotse vom 20.05.2021, abgerufen 27.05.2021)
www.koeln-lotse.de: „Lans Schmitz Backes“ (Uli, der Köln-Lotse vom 31.12.2017, abgerufen 21.11.2019)
koelnding.podigee.io: Das Köln Ding der Woche - Lans Schmitz Backes (Uli, der Köln-Lotse, Podcast vom 04.08.2023, abgerufen 07.08.2023)
altes-koeln.de: Schreinsbezirk XVI Hacht (abgerufen 16.06.2023)
de.wikipedia.org: Hacht (Gefängnis) (abgerufen 04.09.2019)
de.wikipedia.org: Kölner Gerichtswesen vom Mittelalter zur Neuzeit (abgerufen 04.09.2019)
de.wikipedia.org: Domumgebung (Köln) (abgerufen 28.08.2019)
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Literatur

Hegel, Eduard (1992)
Das mittelalterliche Pfarrsystem und seine kirchliche Infrastruktur in Köln um 1500. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, IX.1.) Köln.
Irsigler, Franz; Lassotta, Arnold (2010)
Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt, Köln 1300-1600. (dtv 30075.) München.
Janssen, Wilhelm (2008)
Die Entwicklung des Territoriums Kurköln. Rheinisches Erzstift. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, V. 14-15.) Köln.
Kaufmann, Arthur (Hrsg.) (1996)
Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina). (Reclams Universal-Bibliothek 2990.) Stuttgart.
Keussen, Hermann (1910)
Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, zweiter Band. (gekrönte Preisschrift, Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung.) Bonn. Online verfügbar: www.ub.uni-koeln.de, Keussen, Topographie, Bd. 2, abgerufen am 13.09.2022
Keussen, Hermann (1910)
Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, erster Band. (gekrönte Preisschrift, Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung.) Bonn. Online verfügbar: www.ub.uni-koeln.de, Keussen, Topographie, Bd. 1, abgerufen am 14.09.2022
Klein, Philipp Martin (1863)
Der Wanderer durch Köln. Eine geschichtliche Beschreibung der Stadt und sämmtlicher Merkwürdigkeiten. Nach den zuverlässigsten Quellen und mit Benutzung des mannigfaltigen Stoffes zusammengestellt und herausgegeben. Köln. Online verfügbar: opacplus.bsb-muenchen.de, abgerufen am 07.07.2022
Schwerhoff, Gerd (1991)
Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt. Bonn.
Vogts, Hans / Clemen, Paul (Hrsg.) (1930)
Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. Die profanen Denkmäler. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 2.4.) Düsseldorf.
Wilhelm, Jürgen (Hrsg.) (2008)
Das große Köln-Lexikon. Köln (2. Auflage).

Gefängnis und Gericht Hacht in Altstadt-Nord

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Am Hof / Roncalliplatz
Ort
50670 Köln - Altstadt-Nord
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Fotos
Historischer Zeitraum
Beginn 1165, Ende 1893

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„Gefängnis und Gericht Hacht in Altstadt-Nord”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-296981 (Abgerufen: 1. Dezember 2024)
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