In Mitteleuropa gehört das infolge einer jahrhundertelangen Bewirtschaftung durch den Menschen entstandene Grünland mit zu den artenreichsten Lebensräumen. Auch im Rheinisch-Bergischen und im Oberbergischen Kreis gibt es noch Wiesen und Weiden die sich durch eine erstaunliche Anzahl verschiedener Tier- und Pflanzenarten auszeichnen. Sie sind ein besonders schönes und wertvolles Element unserer Kulturlandschaft. Entdecken kann man solche blumenbunten Wiesen und Weiden bei Streifzügen durch das Bergische Land. Oft handelt es sich um Feuchtwiesen in den Tälern und Magergrünlandflächen in den Hanglagen. Diese trockenen oder nassen, meist mit wenigen Nährstoffen versorgten Wiesen und Weiden beeindrucken durch die vielen, zu unterschiedlichen Zeiten blühenden Pflanzenarten. Dadurch ergeben sich je nach Jahreszeit und vorkommenden Arten verschiedene bunte Blühaspekte. Besonders auffällig sind dabei Arten wie die weiß blühenden Margeriten (Leucanthemum vulgare), die lilafarbenen Wiesen-Flockenblumen (Centaurea jacea), die gelb blühendenden Vertreter der Hahnenfußgewächse, oder die rosa blühenden Kuckucks-Lichtnelken (Lychnis flos-cuculi) und die rosa weißlich blühenden Schlangen-Wiesenknöteriche (Bistorta officinalis).
Entstehung Die Wiesen und Weiden im Oberbergischen und Rheinisch-Bergischen Kreis haben sich durch die jahrhundertelange Nutzung des Menschen aus ursprünglich geschlossenen Wäldern entwickelt. Es kann davon ausgegangen werden, dass zuerst die Weiden und später mit Erfindung von Schnittwerkzeugen die Wiesen entstanden sind. Infolge einer historisch bedingten und auch aktuell noch extensiven landwirtschaftlichen Nutzung (geringe Intensität bezüglich Nutzungshäufigkeit und Höhe der Düngung) durch Mahd (Wiesen) oder Beweidung (Weiden) konnten sich spezielle Pflanzengesellschaften der Wiesen und Weiden entwickeln, die durch das Vorkommen vieler unterschiedlicher typischer Pflanzenarten auffallen und gleichzeitig einer Vielzahl an Insekten, Vögeln, Amphibien und Reptilien als Lebensraum dienen. Oft handelt es sich bei den artenreichen Wiesen und Weiden um Flächen, die sich aufgrund ihrer Größe (zu klein), ihrer ungünstigen Lage (Hanglage, Tallage, Entfernung zu einer Siedlung, etc.) und/oder ihrer Standortverhältnisse (zu nass, zu trocken, Nährstoffarmut), auch heutzutage nicht für eine Intensivierung der Nutzung eignen. Dies führte im Bergischen Land, trotz einer in den letzten Jahrzehnten auch hier zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft, dazu, dass eine abwechslungsreichere Grünlandvegetation mit Magerwiesen und -weiden und Feuchtwiesen mit einer höheren Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt als im Flachland zu finden ist.
Historische und aktuelle Entwicklung Das Bergische war bis in die 1960er Jahre wie andere Mittelgebirgsregionen, trotz ungünstiger naturräumlicher Voraussetzungen (hohe Niederschläge und steile Hänge), stark vom Ackerbau geprägt. Der historische Ackerbau kann jedoch nicht mit dem heutigen verglichen werden. Im 18. und 19. Jahrhundert war der Anteil mehrjähriger Brachen noch hoch und die Ackernutzung fand nur periodisch statt. Aufgrund einer geringen Produktivität der Äcker wurden die Ackerflächen mit den zugehörigen Brachen ausgeweitet um die Existenz der kleinbäuerlichen Bevölkerung mehr schlecht als recht zu Sichern. Davon zeugen auch heute noch ehemalige Ackerterrassen auf Grünland. Bis Ende des 19. Jahrhunderts herrschte zudem eine Weidewirtschaft vor, bei der die Tiere noch ohne Zäune durch Hirten mehr oder weniger frei in die Wälder (Waldhude) und auf die Brachen (Feld-Weide-Flächen) getrieben wurden. Besonders im 18. Jahrhundert führte dies in den Wäldern zusammen mit einer ungeregelten und nicht nachhaltigen Abholzung zur Holzkohlegewinnung an vielen Stellen zu einer sogenannten „Verwüstung“. Aufgrund des hohen Nutzungsdrucks konnten sich viele Wälder nicht mehr regenerieren. In diesem Zusammenhang kam es auch zu einer Zunahme von sogenannten Ödlandflächen und Heiden, welche sich vor allem durch ein Gestrüpp aus Besenheide (Calluna vulgaris), Ginster (Cytisus scoparius), Brombeeren (Rubus spec.) und sonstigen Sträuchern auszeichneten. Wiesen konnten sich erst durch die Erfindung und Verbreitung von Schnittwerkzeugen und dem Übergang zu einer Wintervorratshaltung (Heu) entwickeln. Durch die zuvor schon erwähnte ausgedehnte „Ackernutzung“ waren die Wiesen um 1800 noch überwiegend auf die stark vernäßten Talsohlen beschränkt. Das hier gewonnene Heu hatte jedoch einen sehr schlechten Futterwert. Erst durch eine Intensivierung der Landnutzung, eine geregelte Wiesen- und Weidenutzung und die Aufgabe der Ackernutzung konnten sich die Wiesen und Weiden im Bergischen Land in der Form, wie wir Sie heute kennen, entwickeln. Durch die geregelte und regelmäßige Nutzung in Verbindung mit einer verbesserten Nährstoffversorgung konnten Pflanzenbestände entstehen, die als Wiesen und Weiden mit einer guten Futterqualität bezeichnet werden können. Die Erfindung und Etablierung von Maschinen zur Mahd und Bergung des Aufwuchses sowie Anlagen zur Trocknung des Heus und eine zunehmende „Verbesserung“ der Standorte führte im 20. Jahrhundert zu einer allmählichen Ausweitung der Wiesenwirtschaft durch die Landwirtschaftlichen Betriebe. Auch der Übergang zur Milchviehwirtschaft trug wesentlich zu einer Ausbreitung des Grünlandes im Bergischen Land bei.
Faktoren für den Rückgang der artenreichen Wiesen und Weiden Mit der Modernisierung und Technisierung der Landwirtschaft, der zunehmenden Nutzung von Mineraldüngern sowie der Güllewirtschaft und Maßnahmen zur Verbesserung der Bewirtschaftbarkeit (Melioration), wie z. B. Entwässerung, wurden viele Wiesen und Weiden aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten vor allem ab den 1960er Jahren in ihrer Nutzung intensiviert. Durch ein höheres Düngungsniveau, die Einsaat von leistungsfähigeren Gräsern und eine bis zu fünfmalige Mahd der Wiesen für die Silage-Produktion (ca. ab den 1960er Jahren) setzen sich Gräser gegenüber den Kräutern durch und es entwickeln sich blütenärmere Grasbestände. Auf den Weiden führten höhere Tierzahlen in Kombination mit einer Düngung zu ähnlichen Effekten. Das blütenarme, „intensive Wirtschaftsgrünland“ führt dabei zu einem Rückgang der Insekten, welche wiederum die Nahrungsgrundlage für Amphibien, Reptilien und Vögel bilden. Neben der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung spielte auch die Umwandlung der Nutzung wie die Aufforstung von Offenlandflächen mit schnellwachsenden Fichten nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vor allem in den Tälern und an den flachgründigen Hängen eine Rolle beim Rückgang artenreicher Wiesen und Weiden. Eine weitere Ursache für das Verschwinden wertvoller Grünlandbestände ist die Aufgabe der Nutzung, also das Brachfallen von ehemals als Wiesen und Weiden genutzter Flächen. Durch eine Aufgabe der Nutzung „verfilzen“ Grünlandbestände und entwickeln sich über Gebüschstadien langsam wieder zu Wald. Sowohl durch die Intensivierung als auch durch eine Nutzungsaufgabe verschwinden die lichtliebenden nicht konkurrenzstarken wertvollen Pflanzenarten des artenreichen Grünlandes und mit ihnen viele Tierarten wie z. B. Schmetterlinge, Heuschrecken, Ameisen, Spinnen, Bienen/Hummeln/Schwebfliegen. Aber auch die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs-, Gewerbe- und Industriegebiete sowie für den Straßenbau hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Verlust wertvoller Grünlandbestände beigetragen.
Schutz und Erhaltung durch angepasste Nutzung Für den Schutz und die Erhaltung der artenreichen Wiesen und Weiden ist eine an die historische Nutzung angepasste Art der Bewirtschaftung von grundlegender Bedeutung. Die besonders blüten- und artenreichen Wiesen werden in der Regel ein bis zweimal für eine Heuernte gemäht und nur wenig, meistens mit Mist, gedüngt. Die artenreichen Weiden werden entweder als Standweide/Dauerweide mit einer geringen Anzahl an Rindern oder ein- bis zweimalig im Jahr durch Schafe und Ziegen beweidet. Durch diese Formen der extensiven Bewirtschaftung konnten sich artenreiche Wiesen und Weiden entwickeln, die wir auch heute noch vor allem in den Landschaften der Mittelgebirge Deutschlands finden können und die aufgrund ihrer Seltenheit als besonders wertvoll für den Naturschutz eingestuft werden. Die Erhaltung und Förderung der extensiven artenreichen Wiesen und Weiden vor dem Hintergrund eines Strukturwandels in der Landwirtschaft ist für die Artenvielfalt im Bergischen Offenland von großer Bedeutung. Unter den Voraussetzungen einer modernen Landwirtschaft bedeuten die Formen der extensiven Bewirtschaftung aber gleichzeitig eine Verminderung der möglichen Erträge für die landwirtschaftlichen Betriebe. Die bergischen Landwirte und Landwirtinnen, welche die heute noch vorhandenen artenreichen Wiesen und Weiden auch im Rahmen von Vertragsnaturschutzprogrammen bewirtschaften, spielen deshalb eine zentrale Rolle für den Erhalt dieser Wiesen und Weiden. Ohne die historische und angepasste aktuelle Nutzung durch die Landwirtschaft hätte sich ein wichtiges und schönes Element der vielfältigen, historisch gewachsenen Kulturlandschaft in den beiden bergischen Landkreisen nicht entwickeln können und würde verloren gehen. Das Engagement und der Einsatz der landwirtschaftlichen Familienbetriebe ist daher heute von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung dieser wertvollen Elemente einer lebenswerten und vielfältigen Kulturlandschaft im Bergischen Land.
Am besten beobachtet man das bunte Treiben auf den artenreichen Wiesen und Weiden in Ruhe vom Rand der Flächen aus. Damit stört man weder die Tier- und Pflanzenwelt noch gibt es Konflikte mit den Eigentümern und Bewirtschaftern der Wiesen und Weiden durch das Betreten der Flächen.
(Biologische Station Oberberg, 2015. Erstellt im Rahmen des Projektes „Naturschutz trifft Kulturlandschaft – HEUland“. Ein Projekt der Biologischen Stationen Oberberg und Rhein-Berg im Rahmen des LVR-Netzwerks Landschaftliche Kulturpflege.)
Literatur
Herhaus, Frank; Obergruber, Hans (2001)
Schutz der Wald-Wiesen-Täler im Mittelgebirge. Tagungsband. Werdohl.
Landesamt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (Hrsg.) (2009)
Artenreiches Grünland in der Kulturlandschaft. 35 Jahre Offenhaltungsversuche Baden-Württemberg. Basel.
Wiesen. Nutzung, Vegetation, Biologie und Naturschutz am Beispiel der Wiesen des Südschwarzwaldes und Hochrheingebietes. (Naturschutz-Spectrum Themen, 93.) Heidelberg, Ubstadt-Weiher, Basel.
Artenreiche Wiesen und Weiden im Rheinisch-Bergischen Kreis und im Oberbergischen Kreis
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Empfohlene Zitierweise
„Artenreiche Wiesen und Weiden im Rheinisch-Bergischen Kreis und im Oberbergischen Kreis”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-246992 (Abgerufen: 20. September 2024)
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