Zwangsarbeitslager in der Nordeifel von 1939 bis 1945

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Im nationalsozialistischen Deutschland wurden während des Zweiten Weltkriegs im großen Stil Zwangsarbeiter*innen eingesetzt, um Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft zur Verfügung stellen zu können. In diesem Überblicksbeitrag soll zunächst eine kleine Einführung in den historischen Kontext zur Zwangsarbeit im Nationalsozialismus gegeben werden, bevor dann auf den Forschungsstand zu Zwangsarbeitslagern in der Nordeifel eingegangen wird.

Historischer Kontext
Bereits 1933/34 hatten die Nationalsozialisten Lager eingerichtet, die zunächst der Sicherung des Regimes galten und gegen die Gegner des Nationalsozialismus in Deutschland gerichtet waren. Zwar wurde schon in diesen Lagern ein hohes Maß an Gewalt angewandt, jedoch gab es keine einheitliche Gestaltung und wenig Ähnlichkeit zu dem später entwickelten KZ-System. Eine Vereinheitlichung des Lagersystems wurde ab 1936 vor allem von der SS (Schutzstaffel) unter der Führung von Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich vorangetrieben, die schließlich zur Einrichtung von Konzentrationslagern (KZ) und zur Entwicklung der Vernichtungslager führte (Orth 2021).

Neben dem KZ-System existierten jedoch noch weitere Lager, die anderen Behörden unterstanden. Für die Zwangsarbeit ist hier vor allem die Wehrmacht relevant, die während der ganzen Kriegszeit für die Kriegsgefangenen und deren Arbeitseinsatz zuständig war. Während Männer im wehrfähigen Alter als Soldaten benötigt wurden, fehlten diese gleichzeitig auf dem Arbeitsmarkt. Da die Wirtschaft komplett auf den Krieg ausgerichtet wurde, war der Bedarf an Arbeitskräften sehr hoch und trotz des massenhaften Einsatzes von Zwangsarbeiter*innen blieb die Situation auf dem Arbeitsmarkt während des ganzen Krieges prekär. Schon kurz nach dem Überfall auf Polen 1939 wurden daher Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter eingesetzt. Der Wehrmacht unterstanden die Kriegsgefangenenlager, die von Wehrmachtspersonal geleitet und bewacht wurden. Strukturiert waren die Lager nach den Wehrkreisen der Wehrmacht. Über „Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager“ (Stalag) kamen die Kriegsgefangenen in „Arbeitskommandos“ (AK), deren Lager meistens nahe den Betrieben errichtet waren, in denen die Kriegsgefangenen arbeiten mussten (Heinen 2018, S. 14-17, Müller 2003, S. 123).

Neben den Kriegsgefangenen gab es außerdem noch zivile Zwangsarbeiter*innen, die aus den besetzten Gebieten kamen. Während einige von diesen „Fremdarbeitern“ freiwillig gekommen waren, wurden die meisten verschleppt und zur Arbeit gezwungen. Eine klare Zuständigkeit für den Einsatz von zivilen Arbeitskräften gab es nicht und eine Vielzahl an Behörden war an der Organisation beteiligt oder darin verwickelt. Dazu gehörten zum Beispiel das Reichsarbeitsministerium, ab 1942 das Rüstungsministerium, Hermann Görings Vierjahresplan-Behörde, aber auch das Reichssicherheitshauptamt (Heinen 2018, S.18). Die Unterbringung solcher ziviler Zwangsarbeiter*innen musste von den profitierenden Unternehmen gestellt werden. Daher konnte die Art und Weise der Unterbringung von Standort zu Standort völlig unterschiedlich sein. In der Landwirtschaft konnte es vorkommen, dass einzelne Zwangsarbeiter*innen in den Haushalten der Bauern selbst unterkamen und dort unter ähnlichen Bedingungen lebten, wie es für Gesinde vor dem Krieg üblich war. Dies war jedoch vom Regime nicht erwünscht, das aus ideologischen Gründen die Zwangsarbeiter*innen möglichst von der deutschen Bevölkerung fernhalten wollte. Dies galt insbesondere für polnische und sowjetische Personen, die nach der Ideologie der Nationalsozialisten als „rassisch minderwertig“ galten und daher so wenig wie möglich in Berührung mit den Deutschen kommen sollten. Angestrebt und in der Regel auch umgesetzt wurde daher eine ‚lagermäßige‘ Unterbringung. Während westeuropäische Zivilarbeiter*innen noch ein kleines Maß an Selbstbestimmung und außerhalb der Arbeitszeiten auch einen gewissen Bewegungsraum außerhalb der Lager hatten, wurde das Leben von osteuropäischen und sowjetischen Arbeiter*innen streng reguliert. Ihre Lebensbedingungen waren in der Regel miserabel und die Versorgung mit Lebensmitteln unterhalb des notwendigen Mindestmaßes. Besonders gegen Ende des Krieges wurde die Situation für Zwangsarbeiter*innen immer katastrophaler (Müller 2003, S. 26-33, Heinen 2018, S. 18-21).

Zwangsarbeitslager in der Nordeifel
Auch in der Nordeifel gab es Lager für Zwangsarbeiter*innen. Diese waren in der Regel in der Nähe der Betriebe angesiedelt. In besonders ländlichen Gegenden gab es aber auch viele Zwangsarbeiter*innen, die nicht in Lagern sondern direkt bei den Landwirten untergebracht waren. So waren in Lommersum und Umgebung im März 1944 gut 500 Zwangsarbeiter*innen allein oder zu zweit bei einem Landwirt untergebracht (Kox 2007, S. 858). Wo sich in der Nordeifel genau überall Lager befunden haben, ist noch nicht im Einzelnen belegt. Dank der Arbeiten von Franz Albert Heinen, Peter Kox, Dieter Lenzen und Thomas Müller zeichnet sich jedoch ein Bild eines recht engen Netzes an Lagern ab. Die bereits bekannten Lager sind diesem Beitrag untergeordnet und stellen in etwa den Stand der Forschung dar (Stand 2022).

Bei einigen Lagern ist die Quellensituation recht gut, bei anderen weiß man teilweise nur, dass sie existiert haben, ohne genauere Informationen um was für ein Lager es sich gehandelt hat, wie viele Gefangene dort untergebracht waren, welcher Nationalität sie waren und von wann bis wann das Lager bestand hatte. Obwohl die Forschung inzwischen herausstellen konnte, dass Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland allgegenwärtig war, sind genaue Informationen über Zwangsarbeitslager teilweise nur schwer zu bekommen. Das liegt auch daran, dass die deutschen Behörden nach dem Krieg den Alliierten gegenüber beschönigende Aussagen machten und oft nur die größeren Lager angaben (z.B. Lenzen 2018, S. 148). Darüber hinaus wurden Lager verlegt, Kriegsgefangenenlager in Zivilarbeiterlager umgewandelt oder wieder aufgelöst. Zwangsarbeiter*innen aus Osteuropa wurden oft einfach nur als „Ostarbeiter“ und Menschen aus der Sowjetunion pauschal als „Russen“ bezeichnet, sodass sich die Herkunft der Personen nicht mehr ermitteln lässt. Ebenso sind selten genaue Opferzahlen an konkreten Standorten zu ermitteln. Todesfälle wurden nur teilweise, bei Kriegsgefangenen nach März 1943 gar nicht mehr, beurkundet (Müller 2003, S. 178). Klar ist aber, dass auch in der Nordeifel zahlreiche Zwangsarbeiter*innen starben. Besonders die Kriegsgefangenen aus Osteuropa starben oft schon auf dem Transport in die Eifel oder kamen so erschöpft an, dass sie kurz nach der Ankunft starben, da sie trotz ihres Zustandes gezwungen wurden zu arbeiten und die Versorgung völlig unzureichend war (Heinen 2018, S. 239-248). Zudem wurden viele Zwangsarbeiter*innen, teilweise wegen kleinster Regelverstöße öffentlich hingerichtet (Müller 2003, S. 161-169, Heinen 2018, S. 249-253).

Nach dem Krieg unternahmen die deutschen Behörden auf Druck der Alliierten Versuche die gestorbenen Zwangsarbeiter*innen zu ermitteln. Aufgrund dieser Bemühungen weiß man, dass im Kreis Aachen mindestens 860 Zwangsarbeiter*innen gestorben sind. Davon waren etwa 70 Prozent Kriegsgefangene und die meisten aus der Sowjetunion (Müller 2003, S. 177).
Aufgrund der oft schwierigen Quellenlage bei Verwaltungsakten aus den deutschen und alliierten Behörden, haben die oben genannten Historiker auch andere Quellen, wie zum Beispiel Postkarten oder Zeitzeugeninterviews herangezogen, um Informationen über Zwangsarbeitslager zu bekommen (z.B. Lenzen 2018, S. 161).

Zu den zugeordneten Objekten
Ziel dieses Beitrages, beziehungsweise der zugeordneten Beiträge ist es, weitere Informationen über die Lager zu sammeln. Wenn Sie also noch Informationen oder Bilder über Zwangsarbeitslager in der Nordeifel haben, wenden Sie sich gerne an die KuLaDig-Redaktion. So soll nach und nach ein möglichst umfassendes Bild über die Zwangsarbeitslager in der Nordeifel entstehen.
Bei den meisten Objekten ist der genaue Standort des Lagers nicht mehr bekannt. Daher sind in der Karte nur symbolische Geometrien hinterlegt, die nur markieren in welchem Ort oder Stadtteil sich ein Lager befunden hat. Darüber hinaus ist fast nie bekannt, von wann bis wann die Lager Bestand hatten, sodass nur pauschal 1939 bis 1945 angegeben ist. Dies heißt aber nicht, dass die Lager während des ganzen Kriegs Bestand hatten. Oft hat man nur ein oder zwei Quellen, die nur bestätigen, dass es ein Lager zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben hat. In der Regel sind alle bekannten Informationen im Text hinterlegt und mit genauen Literaturhinweisen versehen, sodass deutlich wird, woher die entsprechenden Informationen stammen.

(Julian Weller, Projekt Zwangsarbeitslager in der Nordeifel, 2022)

Literatur

Harzheim, Gabriele; unter Mitarbeit von Hänel, Dagmar (2021)
Erinnerungsort Rurberg. Gräberstätte für sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Nordeifel. Schleiden.
Heinen, Franz Albert (2018)
"Abgang durch Tod". Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945. Schleiden.
Kox, Peter / Geschichtsverein des Kreises Euskirchen e.V. (Hrsg.) (2007)
Kriegsgefangene und "Fremdarbeiter". In: Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen, Band 2, S. 845-900. Weilerswist (2. Auflage).
Lenzen, Dieter (2018)
Zwangsarbeit im Kreis Monschau 1939-1945. (Beiträge zur Geschichte des Monschauer Landes 18.) Düren.
Müller, Thomas (2003)
Zwangsarbeit in der Grenzzone. Der Kreis Aachen im Zweiten Weltkrieg. (Aachener Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Band 1.) Aachen.
Orth, Karin / Brechtken, Magnus (Hrsg.) (2021)
Geschichte und Struktur des nationalsozialistischen KZ-Systems. In: Aufarbeitung des Nationalsozialismus - Ein Kompendium, S. 102-121. Göttingen.
Wallraff, Horst / Kreis Düren; Stadt Düren; Stadt Jülich (Hrsg.) (2000)
Nationalsozialismus in den Kreisen Düren und Jülich. Düren.

Zwangsarbeitslager in der Nordeifel von 1939 bis 1945

Schlagwörter
Fachsichten
Kulturlandschaftspflege

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
Julian Weller, „Zwangsarbeitslager in der Nordeifel von 1939 bis 1945”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-344846 (Abgerufen: 13. Mai 2024)
Seitenanfang