Das „Reichsarbeitsdienstlager“ von 1935 bis 1940
Das NS-Zwangsarbeitslager von 1940 bis 1945
Exkurs: Leumundszeugnis zugunsten des ehemaligen Lagerführers
Das Blankenheimer Lager nach 1945
Quellen, Internet, Literatur
Das „Reichsarbeitsdienstlager“ von 1935 bis 1940:
Mit dem Bau der oberen Ahrtalbahn zwischen 1910 und 1913 bekam Blankenheim einen ersten Bahnhof.
Im Jahr 1935 wurde nahe dieses Bahnhofs unter Führung des Ingenieurs Wildeshaus ein Barackenlager zur Unterbringung von Angehörigen des „Reicharbeitsdienstes“ (RAD) errichtet. Zeitgleich entstand ein „RAD-Führerwohnhaus“ unterhalb des Lagergeländes. In Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs kamen 1938 Tausende Arbeiter zum Bau militärischer Anlagen in die Eifel. 1940 verließen die sogenannten „Westwallarbeiter“ die Region wieder, die Barackenlager blieben jedoch bestehen.
Auf den „Topgraphischen Karten 1936-45“ ist das Lager als Rechteck nordwestlich des Bahndamms zwar verzeichnet, wird jedoch nicht als solches benannt.
Das NS-Zwangsarbeitslager von 1940 bis 1945:
Während des Zweiten Weltkrieges verschleppte die Deutsche Wehrmacht Millionen Menschen aus den von ihr eroberten Gebieten zur Zwangsarbeit ins Reichsgebiet. Die als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge deportierten Menschen wurden im nationalsozialistischen Sprachjargon als „Zivile Arbeitskräfte“ bezeichnet.
Viele von ihnen wurden entlang der Westgrenze in ehemaligen RAD-Lagern interniert. Die Reichsbahn im Schleidener Land zählte zu den großen Arbeitgebern von zivilen und kriegsgefangenen Zwangsarbeitenden, die zur Instandhaltung der kriegswichtigen Bahnstrecken gezwungen wurden.
Bereits 1940 hatte die Eisenbahnverwaltung das ehemalige „Reichsarbeitsdienstlager“ am Bahnhof Blankenheim übernommen. Es bestand aus fünf Baracken, in denen fortan zwischen 150 und 230 Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeitende aus Osteuropa interniert wurden. Die Menschen arbeiteten vor allem an der Eisenbahnstrecke Köln-Trier, wo sie kriegsbedingte Schäden reparieren mussten.
Die Lebensbedingungen im Lager waren schlecht, körperliche Erschöpfung und Hunger an der Tagesordnung. Viele Gefangene starben. Im September 1944 wurde das Lager wegen grassierender ansteckender Krankheiten vorerst geschlossen.
Am 16. und 17. November 1944 wurden in den von Bettwanzen befallenen Räumlichkeiten dann jedoch 201 Niederländer einquartiert. Der Älteste war 49 Jahre alt, der Jüngste 17 („Beruf: Schüler“). Am 7. März 1945 wurden die Lagerbewohner durch amerikanische Soldaten befreit.
Aufgrund der Bombenangriffe, der schlechten Versorgung mit Lebensmitteln, der harten Arbeit und der mangelnden Hygiene starben mehrere Gefangene, darunter drei Kinder. Die Verstorbenen wurden auf den Friedhöfen in Blankenheimerdorf und Blankenheim beigesetzt. Es handelte sich um:
- Feodor Iwanow, 26.6.1936-11.8.1944
- Michael Iwanow, 30.11.1943-7.8.1944
- Michael Paramonow, Juni 1944-10.8.1944
- Simon Scheffer, 25.7.1914-26.12.1944
- Pieter Johann Timmermann, 3.10.1917-18.11.1944
- Jakob Ubas, 20.5.1908-29.1.1945
Exkurs: Leumundszeugnis zugunsten des ehemaligen Lagerführers:
Einen intensiven Einblick in die Lebensbedingungen im Blankenheimer Zwangsarbeitslager gibt das Leumundszeugnis zweier Niederländer nach Kriegsende. In dem handschriftlichen Dokument, das der Enkel des ehemaligen Lagerführers Theodor Friederichs aufbewahrt hat, beschreiben die beiden ehemaligen Gefangenen ihre Arbeit und die Lebensumstände im Lager. Sie geben an, dass die Umstände zwar schlecht gewesen seien, der Lagerführer jedoch „innerhalb der von seinen Vorgesetzten getroffen Maßnahmen, keine Verstöße gegen das Wohlsein der Arbeiter“ unternommen habe. Das recht wohlwollende Zeugnis zugunsten des ehemaligen Lagerführers sucht die Fehler weniger bei Theodor Friederichs persönlich, als vielmehr im System des nationalsozialistischen Deutschlands.
In dem handschriftlichen Zeugnis erklären der Lehrer Gerard J. Hueck und der Biologe Hendrik J. Hueck,
„daß sie von November 1944 bis zum Kriegsende gezwungene Arbeit für die “Reichsbahn„ geleistet haben. Vom 17. November bis zum 1. Februar waren sie im Bahnhofslager Blankenheim Eifel anheim, wo Th. Friedrichs, zur Zeit wohnhaft in Blankenheim, Lagerführer war. In diesem Lager haben sie Büroarbeit geleistet und waren ständig anwesend. Die Verhältnisse für die holländischen Arbeiter waren sehr schlecht, was zum größten Teil den schwierigen allgemeinen Umständen, zu verdanken war. Der Lagerführer hat innerhalb der von seinen Vorgesetzten getroffen Maßnahmen keine Verstöße gegen das Wohlsein der Arbeiter vorgenommen, wiewohl er niemals das rechte Verständnis für die abgezwungene Arbeit gezeigt hat. Als positiv soll gesagt werden, daß er ausdrücklich entflüchtete und wieder erwischte Arbeiter nicht dem Gestapo oder S.S. hat überliefern wollen, weil er sich der entsetzlichen Folgen eines solchen Benehmens bewußt war. Im Allgemeinen war er die schwierige Lage nicht gewachsen; er hätte von seinen Vorgesetzten nicht auf solche verantwortliche Stelle berufen sein dürfen, was aber ein allgemeiner Fehler in Deutschland war.
Es muß hervorgehoben werden, daß er die vorhandene Verpflegung ohne Unregelmäßigkeiten an die Arbeiter, vorschriftsmäßig zur Verfügung stellte, was unserer Erfahrung gemäss mehr Ausnahme als Regel in die Läger war. Er hat sich als Deutsche gegenüber uns getragen, aber bestimmt keine Kriegsmissetäte begangen.“
Das Blankenheimer Lager nach 1945:
Die Blankenheimer Zeitzeug*innen Gretel Knaus (geborene Schumacher), Walter Meier, Otti Schwarz, Peter Elsen und Gerd Leuther erinnerten sich in persönlichen Gesprächen an die Nutzung der Baracken nach Kriegsende: Demnach hätten im Lager zunächst zeitweise vier Familien gelebt. Da es kein Fensterglas gegeben habe, seien die Fenster der Baracken ausgeschlachtet worden, um Glas für die Reparaturen Blankenheimer Privathäuser zu gewinnen. Um 1949/50 sei in den Baracken eine Schreinerei betrieben worden, die jedoch keinen langen Bestand gehabt habe. Das Holz der Baracken sei für Reparaturen und Neubauten wiederverwendet, etliche Baracken abgebaut und für Geflüchtete und Ausgebombte an anderen Orten in Blankenheim wiederaufgebaut worden (etwa am heutigen Parkplatz Giesental, in der Straße „Im Driesch“ sowie in der Koblenzer Straße).
2024 liegt das Lagergelände weitgehend zugewachsen im Dornröschenschlaf. Die Gemeinde Blankenheim als Eigentümerin des Geländes möchte an dessen Rand eine Infotafel mit QR-Code aufstellen, über den Besucherinnen und Besucher sich über dieses dunkle Kapitel Blankenheimer Geschichte informieren können.
(Markus M. Schmitz, Blankenheim/Ahr, 2024)
Quellen:
- www.nationaalarchief.nl: Nationaal Archief, Den Haag, NL-HaNA_2.19.323_641_0061f. (abgerufen am 11.09.2024)
- www.nationaalarchief.nl: Nationaal Archief, Den Haag, NL-HaNA_2.19.323_641_0063ff. (abgerufen am 11.09.2024)
- Sterberegister Standesamt Blankenheim
Internet:
www.bildung-ns-zwangsarbeit.de: Bildungsportal NS-Zwangsarbeit (abgerufen am 11.09.2024)