Burgen an der Westküste Schleswig-Holsteins: Nordfriesland und Dithmarschen

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Fachsicht(en): Archäologie, Landeskunde
Einordnung
In der allgemeinen Vorstellung der Burgenlandschaft Schleswig-Holstein werden die Regionen Nordfriesland und Dithmarschen als vornehmlich bäuerlich geprägt wahrgenommen. Daher erstaunt es nicht, wenn Burgen, die eher als Teil der Adelskultur angesehen werden, in diesen beiden Gegenden nicht erwartet werden. Auch die populären Vorstellungen von einer Burg, die sich eher an den großen Steinburgen beispielsweise der Rheinregion orientieren, verstärken den Eindruck, Bauwerke dieses Begriffs habe es in der westlichen Küstenregion Schleswig-Holsteins nicht gegeben. Zu einer Öffnung dieser Sichtweise trägt seit 2003 allerdings die Turmhügelburg bei Lütjenburg bei. Der einfach hölzerne Turm auf einem Hügel, der mit Wassergraben und Palisade sowie einer kleinen Vorburg umgeben ist, zeigt ein weiteres mögliches Bild einer Burg ein. Weitet sich somit zwar die Vorstellung vom baulichen Charakter dieser Befestigungen, bleibt das Verständnis hinsichtlich ihrer Bauherren meist dennoch auf die Landesherrschaft und den Niederadel beschränkt. Doch zeigt sich, dass auch begüterte Angehörige ländlicher Gruppen, meist als Großbauern bekannt, Burgen und Befestigungen errichten konnten.

Adels- und Turmhügelburgen
Sowohl in Nordfriesland als auch in Dithmarschen finden sich Turmhügelburgen, die der Landesherrschaft sowie dem Adel zuzurechnen sind. Die älteste ist die erst 2011 entdeckte Tielenauburg bei Pahlen im nordöstlichen Dithmarschen. Da sie in den historischen Schriftquellen nicht erwähnt wird, liegen zu ihr kaum Informationen vor. Ihre Nachfolgeanlage scheint die Tielenburg gewesen zu sein, die vermutlich um das Jahr 1300 nur etwa 500 m weiter nördlich an der Eider errichtet wurde und bis 1500 den Holsteinern sowie der dänischen Krone zur Grenzsicherung diente. Vermutlich um ihre westliche Flanke zu sichern sollte die Halvesburg im 14. Jahrhundert im Kirchspiel Delve errichtet werden. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der Dithmarscher. Der Standort der Burg bzw. ihres Bauplatzes sind bis heute unbekannt.
Um die Mitte des 14. Jahrhundert befanden sich der dänische König Waldemar IV. Atterdag und die Hanse, wohl insbesondere die Stadt Hamburg, miteinander im Konflikt. In diesem Rahmen verwendeten dänische Adelige im Dienste des König die Utersumborg, das Fortalicium Hilghelande und möglicherweise die Borragh als Kaperstützpunkte an der Nordsee. Sie sind jedoch bereits im Verlauf der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht mehr nachweisbar. Die letzte nachweisbare Burg auswärtiger Adeliger in Nordfriesland ist die Henneke Lembeksburg auf Föhr. Sie wurde im Rahmen eines Feldzuges des Namensgebers der Anlage im Jahr 1377 errichtet. Jedoch scheint auch sie bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder aufgegeben worden zu sein. In den Jahren 1403 und 1404 führten die Holsteiner Grafen eine Fehde gegen das Land Dithmarschen. Im Zuge dieser Militärkampagne errichteten sie 1403 östlich von Meldorf die noch heute sichtbare Marienburg. Diese bestand jedoch nur für ein Jahr.

Die Burgen der ländlichen Gruppen in Nordfriesland
Neben diesen Burgen finden sich in Nordfriesland auch solche, die von Angehörigen ländlicher Gruppen errichtet wurden. So kamen nach der „Groten Mandränke“, der Sturmflut von 1362, die Wogemannen von Nordstrand nach Eiderstedt und errichteten bei Westerhever die Wogemannsburg. Sie diente ihnen als Basis für Raub zu Wasser und zu Land bis sie 1370 erobert und geschleift wurde. Ab dem 15. Jahrhundert beginnt die Zeit der Garden in Nordfriesland, einer regionalen Form des befestigten Hofs, die von reichen Einheimischen errichtet wurden. Besonders die Staller, landesherrliche Stellvertreter, nutzten sie als ihre Amtssitze. Derartige Anlagen finden sich mit der Garde der Familie Leve bei Altmorsum auf Nordstrand, Seegaard auf Pellworm, Garde auf der Marne und „Große Garde“ bei Kotzenbüll. Möglicherweise können auch die Ebensburg in Osterhever und Wulfenbüll bei Tetenbüll zu diesen gezählt werden. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden diese jedoch von der Landesherrschaft oder auswärtigen Adeligen aufgekauft und in Herrenhäuser oder Haubarge umgebaut, womit sie ihren Burgencharakter verloren.

Die Dithmarscher Landwehren
Neben den Burgen kommen im Falle Dithmarschens noch die Landwehren hinzu. Da sie zwar Wehranlagen, jedoch nicht bewohnbar waren, erfüllen sie nicht die Kriterien, um als Burgen zu gelten. Sie stellten die von den Dithmarschern anstelle der Burgen gewählte Form der Landesverteidigung dar. Von den in den Quellen nachweisbaren Anlagen erscheint 1404 die „Süderhamme“ bei Heide als erstes. Sie erlangte einige Berühmtheit, da Herzog Gerhard II. von Schleswig mit seinem Heer in dem befestigten Waldstück in einen Hinterhalt der Dithmarscher geriet und in einer vernichtenden Niederlage fiel. Die Anlage erscheint während der „Letzten Fehde“ 1559 erneut in Form des Hamhuß. Aus dem befestigten Waldstück war in der Zwischenzeit ein Torhaus in einem teils mit Steinen verstärkten Wall geworden, das von einem Geschützturm gekrönt und von einer Bastion beschirmt wurde. Die Fehde endete mit der Eroberung ganz Dithmarschens durch die benachbarten Landesherren, womit auch den Landwehren ein Ende gesetzt wurde. Dieses Schicksal ereilte auch die berühmteste Befestigungsanlage Dithmarschens, die „Hemmingstedter Schanze“. An ihr wehrten im Jahr 1500 die Dithmarscher eine übermächtige landesherrliche Armee ab, was den Dithmarschern in ganz Europa einigen Ruhm einbrachte und die Anlage geradezu zu einem Symbol für den Kampf der Dithmarscher für ihre Freiheit machte. Auch sie wurde in der „Letzten Fehde“ erneut bemannt. Die letzte dieser Landwehren war die Tielenbrücke bei Tellingstedt. Hierbei handelte es sich um ein Torhaus mit Schlagbaum auf einer befestigten Brücke über die Tielenau. Gesichert wurde es durch eine Geschützstellung im Westen der Brücke, die das Vorfeld auf dem südlichen Tielenauufer bestreichen konnte. Auch ihr Bestehen endete nach der „Letzten Fehde“.

Die so skizzierte Burgenlandschaft an der Westküste Schleswig-Holsteins weist somit verschiedene Burgen- und Befestigungstypen auf, die je nach Epoche, Raum oder Erbauergruppe variieren konnten.

(Jens Boye Volquartz, Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, finanziert durch das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein, 2018)

Literatur

Adolfi, Johann (Neocorus) / Dahlmann, Friedrich Christoph (Hrsg.) (1978)
Chronik des Landes Dithmarschen. Kiel.
Mißfeldt, Jörg / Verein für Dithmarscher Landeskunde e. V. (Hrsg.) (2015)
Die Republik Dithmarschen. In: Geschichte Dithmarschens. Von den Anfängen bis zum Ende der Bauernrepublik, S. 131-176. Heide.
Panten, Albert / Nordfriisk Instituut in Zusammenarbeit mit der Stiftung Nordfriesland (Hrsg.) (2010)
Die Nordfriesen im Mittelalter. (Geschichte Nordfriesland,. Teil 2.) Bräist u. Bredstedt.
Panten, Albert Andreas (2009)
Historische Quellen zu den Burgen auf den Nordfriesischen Inseln und dem westlichen Eiderstedt. In: Segschneider, Martin (Hg.): Ringwälle und verwandte Strukturen des ersten Jahrtausends n. Chr. an Nord- und Ostsee, (Schriften des Archäologischen Landesmuseums. Ergänzungsreihe 5.) S. 87–98. Neumünster.
Panten, Albert; Porada, Haik Thomas; Steensen, Thomas (Hrsg.) (2013)
Eiderstedt. Eine landeskundliche Bestandsaufnahme im Raum St. Peter-Ording, Garding, Tönning und Friedrichstadt. (Landschaften in Deutschland. Werte der deutschen Heimat, 72.) Köln, Weimar u. Wien.
Volquartz, Jens Boye (o.J.)
Im Spannungsfeld zwischen herrschaftlichem Zugriff und bäuerlicher Selbstbestimmung? Spätmittelalterliche Burgen in Nordfriesland und Dithmarschen. [Dissertation Uni Kiel; in Bearbeitung].

Burgen an der Westküste Schleswig-Holsteins: Nordfriesland und Dithmarschen

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„Burgen an der Westküste Schleswig-Holsteins: Nordfriesland und Dithmarschen”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-288968 (Abgerufen: 9. Dezember 2024)
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