Objektbeschreibung Die Garde von Alt-Morsum war ein befestigter Bauernhof der Familie Leve, der sich ab dem 15. Jahrhundert nachweisen lässt. Heute ist nur noch die unbebaute Warft im Gelände erkennbar. Sie liegt an der Nordgrenze des Elisabeth-Sophien-Koogs nahe der Stelle, wo der Koog und der Deich zusammenlaufen. Außer den Benennungen als Garde oder Borch sowie Huß und dem Bericht einer erfolglosen Belagerung im Jahr 1463, aus dem der Wehrcharakter der Anlage hervorgeht, liegen keine Beschreibungen der Anlage vor ihrem Umbau um Herrenhaus gegen Ende des 16. Jahrhunderts vor.
Die erste kartographische Abbildung stammt aus dem Jahr 1637 von Jan Berends, auf der sie in bereits umgebauter Form eines Herrenhauses zu sehen ist. Die nichtgenordete Karte zeigt die Insel Nordstrand im Zustand vor der Burchardiflut vom 11. Oktober 1634, bei der die Insel in ihrem alten Erscheinungsbild zerstört wurde. Die Anlage ist hier als „Stadth:hof:“ (Statthalterhof; wohl für Stallerhof) südlich der Kirche von „Moersem“ (Alt-Morsum) eingezeichnet. Detaillierter findet sich das Hauptgebäude auf der Karte „Frisia Minor“ von Johannes Wittemak aus dem Jahr 1640 wieder. Hier ist es mit „C. Rantzowen hoff.“ beschriftet und südöstlich der Kirche von „Moersüm“ verortet. Zu erkennen ist ein Herrenhaus mit einem Zwiebelturm, umgeben von kleineren Gebäuden. Auf den Karten von Danckwerth/Mejer sind der Ort Morsum und dessen Kirche, nicht jedoch der Staller- oder Stadthalterhof enthalten.
Andreas Busch veröffentlichte 1967 einen Beitrag („Schloß – Fährhaus – Pharisäerkrug“), in dem er den Zustand des Rantzau'schen „Stadtholders Hof zu Morsum“ rekonstruierte. Er spricht von einem großen, dreistöckigen Gebäude mit einer Länge von 21,20 Meter und 12,40 Meter Breite sowie einen Kellergeschoss mit einer Höhe von 2,60 Meter, das in vier Räume unterteilt gewesen sei. Da die Wände des Unter- und Obergeschosses zusammen auf eine Höhe von 7,30 Meter kämen, ließe sich eine Zimmerhöhe von etwa 3,50 Meter ermitteln. Die beiden steilen Giebelenden seien über dem obersten Boden 100 Steinschichten, also 9,50 Meter hoch gewesen. Außerdem seien 18 spann sparren und auf einer Dachseite in der Hauslänge 116 sowie bis zum First 33 Dachpfannenreihen erwähnt. Der Turm soll einen äußeren Durchmesser von 3 Meter und bis zum Spitzenansatz etwa 180 Mauerschichten, also 18 Meter Höhe gehabt haben. Das „Morsumschloß“ habe der Länge nach in Nord-Süd-Richtung gelegen, sodass der Turm in der Mitte der Ostseite positioniert und durch Mauerwerk mit der Längstwand verbunden gewesen sei. Busch weist außerdem nach, dass das Gebäude zum Jahr 1634 bereits seit 17 Jahren unbewohnt gestanden haben muss.
Als Nachfolgebau des abgebrochenen Stadtholderhofs wurde auf der Warft ein Haus errichtet, das bis 1866 als Fährhaus und Gaststätte diente, das den Namen „Pharisäer-Krug“ erhielt. Es soll gleichzeitig das Versammlungshaus der Gemeinde Elisabeth-Sophien-Koog gewesen sein. Es brannte am 18. April 1945 bei einem Gewitter ab.
Geschichtliche Daten Als erste Besitzer der Garde von Morsum ist die Familie Leve nachweisbar. Am 30. April 1436 bekam Junge Leve, Staller von Nordstrand, einen Freiheitsbrief, der ihm unter anderem den freien Besitz seiner Güter zusagt. Diese werden jedoch nicht explizit genannt oder verortet, weshalb sie noch keinen Hinweis auf die Garde von Morsum sind. Ein zweiter Brief, ebenfalls an diesem Tag ausgestellt, sichert dem Staller die Einkünfte des Kirchspiels Morsum zu. Somit kann vermutet, jedoch nicht nachgewiesen werden, dass Junge Leve seinen Sitz in diesem Kirchspiel gehabt haben wird. Auch Laurens Leve, der Sohn des Junge Leve und ebenfalls Staller, erhielt nach dem Tod seines Vaters die Einkünfte Morsums zugesichert – im Jahr 1448 von Herzog Adolf I. von Schleswig und um 1460/65 von König Christian I. von Dänemark. Somit kann die Ansässigkeit der Familie in Morsum angenommen, die Garde jedoch noch nicht nachgewiesen werden.
Am 9. Januar 1463 ließ König Christian I., laut dem Chronicon Eiderostadense vulgare, den Staller Laurens Leve ergreifen und im Turm zu Gottorf gefangen setzen. Danach habe der König die Adeligen Otto Spliet und Hinrik Breyde mit 60 Knechten und etlichen Bürgen aus Husum nach Nordstrand gesandt, damit sie schnell und heimlich den Hof des Stallers einnähmen. Dieser sei jedoch von den Verwandten des Laurens Leve verteidigt worden, da sie vor dem Vorhaben des Königs gewarnt wurden. Schließlich habe sich während der laufenden Belagerung das ganze Land versammelt. Daraufhin wollten die Angreifer fliehen, wurden jedoch festgenommen, einige getötet und die beiden Adeligen sowie die 60 Knechte auf der Garde gefangengesetzt. Daraufhin wurde Laurens Leve freigelassen, kehrte nach Nordstrand zurück und ließ die Gefangen auf seiner Garde frei. Für den Staller änderte sich nichts. Aus diesem Bericht geht die Garde des Familie Leve deutlich als befestigter Wehrbau hervor, der auch einer Belagerung standhalten konnte. Aus der Erwähnung, dass die Angreifer wegen der Verteidiger nicht auf den Hof hinauf kommen konnten, lässt sich schließen, dass die Anlage erhöht lag. Anhand der Zahl der Angreifer und der Möglichkeit, dass mindestens 62 von ihnen auf der Garde gefangen gesetzt werden konnten, kann von einer größeren Anlage als einem normalen Hof ausgegangen werden. Ansonsten lassen sich aus dem Chronicon keine weiteren baulichen Informationen ableiten.
1485 reiste König Johann I. „Hans“ von Dänemark durch die Utlande und gastierte am 17. März bei Laurens Leve, nachdem er schon auf Eiderstedt die Garde von Tete Fedderkens besucht hatte.
Im Jahr 1495 wurde Laurens Leve schließlich von Herzog Friedrich I. von Schleswig in Gegenwart des Bischofs von Schleswig und des Ritters Otto Rantzau wegen Korruption gegen den Landesherrn bis zum Jahr 1459 zurück und zahlreicher Vergehen gegen Untertanen seit 1465 angeklagt. Am Ende scheint der Staller sein Amt verloren zu haben und war fortan in Flensburg wohnhaft. Zu dem Zeitpunkt war sein Bruder, Junge Leve Levens, dort bereits Ratsherr. Auch Laurens Leve ist ab 1504 als Flensburger Ratsherr nachweisbar.
Die Garde scheint jedoch in Familienbesitz geblieben zu sein. Sie wird 1585 wieder erwähnt, als Hans Leve die Nordstrander Güter inklusive der Anlage an Gerhard Rantzau verkaufte. Spätestens in der Zeit des Rantzau'schen Besitzes muss das Hauptgebäude dann auch zu dem von Busch sogenannten „Morsumer Schloss“ bzw. „Stadtholders Hof“ der oben behandelten Karten umgebaut worden sein.
(Jens Boye Volquartz, Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2018)
Literatur
Busch, Andreas (1967)
Schloß – Fährhaus – Pharisäerkrug. In: Zwischen Eider und Wiedau. Heimatkalender für Nordfriesland, S. 52-56. o. O.
Jasper, Johannes (Hrsg.) (1977)
Chronicon Eiderostadense vulgare oder die gemeine Eiderstedtische Chronik 1103 - 1547. St. Peter-Ording.
Lohmeier, Dieter (1982)
Leve (Levens, Levenssen), Laurens (Laurentius). gest. 1508 ; Staller von Nordstrand. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, S. 204-206. Neumünster.
Michelsen, Andreas Ludwig Jacob (1828)
Nordfriesland im Mittelalter. Eine historische Skizze mit einem Urkundenbuche. Schleswig.
Volquartz, Jens Boye (o.J.)
Im Spannungsfeld zwischen herrschaftlichem Zugriff und bäuerlicher Selbstbestimmung? Spätmittelalterliche Burgen in Nordfriesland und Dithmarschen. [Dissertation Uni Kiel; in Bearbeitung].
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