Bei einer Beschäftigung mit der Herrschaftsgeschichte Schleswig-Holsteins und der Bedeutung der Burgen in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das heutige Bundesland das Ergebnis eines langwierigen Konsolidierungsprozesses ist. Wichtige Faktoren waren das Zusammenwachsen der Herzogtümer Schleswig und Holstein, die Eroberung Dithmarschens 1559, aber auch das Hinzukommen des Herzogtums Lauenburg erst 1876. Während einige Gebiete, wie etwa die noch bis 1937 unabhängige Stadt Lübeck, erst spät eingegliedert wurden, gingen andere, wie etwa Altona und weitere Dörfer und Städte im Umfeld Hamburgs, erst im selben Jahr an Hamburg verloren. Hamburg wiederum war ursprünglich der Hauptort der Grafschaft Stormarn. Im Mittelalter zerfiel das Gebiet des heutigen Bundeslandes in zahlreiche kleinere Teilbereiche, die verschiedenen Akteuren wie den Grafen von Holstein und Stormarn, den Herzögen von Schleswig und Lauenburg oder sogar den Königen von Dänemark sowie dem Erzbischof von Bremen unterstanden. Besondere Bereiche fanden sich mit Nordfriesland und Dithmarschen an der Westküste sowie auf der Ostseeinsel Fehmarn.
Schlüssel zur Kontrolle des Landes Einen wichtigen Schlüssel zur Kontrolle des Landes stellten aus Sicht der mittelalterlichen Landesherren die in ihrem Besitz befindlichen sogenannten landesherrlichen Burgen dar. So beschreibt Helmold von Bosau für das 12. Jahrhundert Hamburg oder Segeberg als wichtige Grundpfeiler der Herrschaft der ersten Schauenburger in ihren nordelbischen Besitzungen. Die Stammburg dieses Geschlechts lag bei Rinteln im Weserbergland. Schritt um Schritt brachten die Grafen dieser Dynastie Holstein, Stormarn, Fehmarn, Teile Nordfrieslands und das Herzogtum Schleswig unter ihre Kontrolle, wobei wiederum Burgen, beispielsweise bei der Gebietssicherung, von größter Bedeutung waren. Dieser Vorgang verlief keineswegs linear, sondern war von Rückschlägen und Brüchen gekennzeichnet. Zwar gelang es den ersten Schauenburgern, ihren Einfluss nach Ostholstein zu erweitern, doch musste Adolf III. nach dem Verlust seiner Burgen an König Waldemar II. von Dänemark 1201 seine Herrschaftsgebiete nördlich der Elbe verlassen und in die Stammgrafschaft im heutigen Niedersachsen zurückkehren. Auch in der Dänenzeit zwischen 1200 und 1227 blieben Burgen ein wichtiger Faktor, so wurden die Anlagen in Lübeck oder Travemünde in dieser Zeit erheblich verstärkt. Jedoch siegte Adolf IV., unterstützt von seinen Verbündeten, in der Schlacht von Bornhöved 1226 über Waldemar II. Damit war die Herrschaft der Schauenburger freilich nicht gesichert, weil 1261 Herzog Albrecht I. von Braunschweig nach Holstein einfiel, Oldenburg und Plön eroberte und sich erst nach der erfolglosen Belagerung Kiels zur Umkehr gezwungen sah.
Kristallisationspunkte von Konflikten Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zerfiel die Schauenburger-Dynastie durch Erbteilungen in verschiedene Linien. In den stark verkleinerten Herrschaftsgebieten – um 1300 sind fünf Linien nachweisbar – blieben Burgen eine wichtige Machtgrundlage. Die verschiedenen Linien der Dynastie – Itzehoe/Rendsburg, Plön, Pinneberg, Kiel und Segeberg – waren untereinander nicht etwa natürliche Verbündete, sondern scharfe Konkurrenten. Deutlich wird dies im Ausschalten der Kieler Linie durch die Vettern aus Plön und Rendsburg: Johann II. von Holstein-Kiel wurde auf seiner Burg Bramhorst gefangengenommen, auf seine Burg Kiel geführt und dort gefangengesetzt. Bereits zuvor war sein einer Sohn, Christoph, unter ungeklärten Umständen aus dem Fenster der Kieler Burg in den Graben gestürzt, während der andere, Adolf, auf der Segeberger Burg ermordet wurde. Den Besitz der Kieler Linie teilten Johann III. von Holstein-Plön und Gerhard III. von Holstein-Rendsburg unter sich auf.
Wirtschaft und Verwaltung Der Plöner wie auch der Rendsburger Graf waren wichtige Akteure beim Ausgreifen der Dynastie in den Norden, wo sie umfangreichen Pfandbesitz erwerben konnten. Das gilt zunächst vor allem für das Gebiet um Gottorf im Süden des Herzogtums Schleswig. Eine Burg wie Rendsburg, ursprünglich zur Absicherung in Richtung Norden errichtet, verlor dadurch an Bedeutung. In Richtung Westen sicherten seit spätestens 1323 die Tielenburg und Hanerau die Grenze gegen das Land Dithmarschen, das formell ein Lehen des Erzbischofs von Bremen, faktisch jedoch weitgehend unabhängig war und dessen Bewohner sich mit holsteinischen Landesherren und Adeligen immer wieder gegenseitige Raubzüge oder andere Militäraktionen leisteten. 1341 und 1345 wird auch die Halvesburg erwähnt, die jedoch nie fertiggestellt wurde. Es ist sogar vielmehr fraglich, ob ihr Bau je begonnen werden konnte. Dies scheiterte am Widerstand der Dithmarscher. Im Jahr 1403 wurde während des Heereszuges Herzog Gerhards II. und seines Bruders Albrechts II. die Marienburg östlich von Meldorf errichten. Sie bestand nur ein Jahr. Auf der Ostseeinsel Fehmarn konnten die Schauenburger die ursprünglich durch den dänischen König gegründete Burg Glambek in ihren Besitz bringen und behaupten, in Richtung des Herzogtums Lauenburg im Südosten erfüllte Trittau eine grenzsichernde Funktion. Die landesherrlichen Burgen waren indes nicht nur militärische Bollwerke, sondern standen auch im Mittelpunkt der Vogteien, also der mittelalterlichen Verwaltungsbezirke. In der Regel war der dort der Vogt ansässig. Vor allem aber wurden auf den Burgen die Abgaben der Bauern gesammelt. Zahlreiche durch die Grafen und Herzöge auf Burgen ausgestellte Urkunden zeugen von der Bedeutung von Burgen für die Landesherrschaft. Gleichwohl wurden landesherrliche Burgen immer wieder verpfändet, wenn die Landesherren Geld benötigten.
Verluste und Veränderung Viele Burgen gingen dadurch zwischenzeitlich langfristig in niederadligen, aber auch in städtischen Besitz über. Einen Sonderfall stellen die dem Herzog von Lauenburg gehörenden Burganlagen Riepenburg und Bergedorf dar, wurden beide doch durch die Städte Hamburg und Lübeck gewaltsam in Besitz genommen und verblieben dort. Hinsichtlich der Dauer des Bestehens konnten zwischen den einzelnen landesherrlichen Burgen sehr große Unterschiede bestehen. Einige – wie etwa Arnesvelde - wurden bereits im späten Mittelalter aufgegeben, in diesem Falle übernahm Trittau die Verwaltungsfunktion. Die seit 1311 urkundlich belegte Hatzburg bei Wedel blieb weiter bestehen, verlor aber einiges an Bedeutung zugunsten der Anlage in Pinneberg, die um 1370 aus niederadligem in gräflichen Besitz überging. Im 16. Jahrhundert wurden zahlreiche Burganlagen zum Schloss ausgebaut. Dies gilt etwa für Kiel, Plön oder auch Trittau. Das Schloss in Trittau wurde dann 1775 abgerissen. Das zu diesem Zeitpunkt baulich bereits stark veränderte Kieler Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, in den 1960er Jahren wurde dann ein Neubau errichtet. Die landesherrlichen Anlagen konnten also bezüglich ihrer Geschichte und ihrer Nachwirkung also große Unterschiede aufweisen. Während einige Anlagen wie etwa Segeberg oder die Steinburg über lange Zeit bestanden und eine entsprechende Quellenüberlieferung vorliegt, ist für Grube nur in einer einzigen gräflichen Urkunde überhaupt von einer Burg die Rede. Gemeinsam war allen, dass sie sich die meiste Zeit in der Verfügungsgewalt der Landesherren befanden.
(Frederic Zangel und Jens Boye Volquartz, Abteilung für Regionalgeschichte mit Schwerpunkt zur Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, finanziert durch das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein, 2018)
Literatur
Lange, Ulrich (1975)
Grundlagen der Landesherrschaft der Schauenburger in Holstein [Teil 2]. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 83-160. o. O.
Lange, Ulrich (1974)
Grundlagen der Landesherrschaft der Schauenburger in Holstein [Teil 1]. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 99, S. 9-93. o. O.
Die Burgen und Residenzen der Schauenburger in Nordelbien. In: 900 Jahre Schauenburger im Norden. Eine Bestandsaufnahme, (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 121; zeit + geschichte, 30.) S. 107–167. Neumünster.
Pelc, Ortwin: / Auge, Oliver (Hrsg.) (2015)
Burgen und Landesherrschaft in Schleswig-Holstein. In: Vergessenes Burgenland Schleswig-Holstein. Die Burgenlandschaft zwischen Elbe und Königsau im Hoch- und Spätmittelalter, (Kieler Werkstücke, Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte, 42.) S. 127-183. Frankfurt a.M. u.a..
Burg und Landesherrschaft in Holstein (12.-16. Jahrhundert)
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