1888 wurden hier zum ersten Mal im Bornaer Revier Briketts hergestellt. Die dafür notwendige Braunkohle stammte aus mehreren Tage- und Tiefbauen, die unmittelbar an das Werk angeschlossen waren. Die Fabrik in Neukirchen gehört damit zu den ersten und ältesten Standorten der Brikettierung im Leipziger Südraum.
Bereits 1881 hatte der Rittergutsbesitzer Hermann mit dem Bergbau begonnen, die Anlagen aber bereits vier Jahre später an den Kommerzienrat Max Förster aus Altenburg verkauft. Dieser ließ 1885 zwei Schächte teufen und die Brikettfabrik errichten. Um den Nachschub mit Rohbraunkohle zu sichern, wurde das Werk 1893 mit der ein Jahr zuvor in Betrieb gegangenen Grube Wyhra zusammengeschlossen.
Das Geschäft der Kohlenveredelung scheint äußerst lukrativ gewesen zu sein. Allein in den ersten drei Jahren ihres Bestehens produzierte die Fabrik insgesamt 17,6 Millionen Briketts. Das veranlasste den Leipziger Großindustriellen Adolf Bleichert 1891 als Teilhaber in das Geschäft einzusteigen. Dieser hatte sich bereits international einen Namen durch die von ihm entwickelten Drahtseilbahnen, Rangier- und Verladeanlagen gemacht. Um den Nachschub mit Rohbraunkohle zu sichern, wird das Werk 1893 mit dem im Jahr zuvor in Betrieb gegangenen Tiefbau der Grube Wyhra vereinigt und durch eine Luftseilbahn der Firma »Adolf Bleichert & Co.« mit der Brikettfabrik verbunden. 1897 übernimmt Bleichert die übrigen Anteile an der Brikettfabrik, die fortan als »Adolf Bleichert Braunkohlenwerke Neukirchen-Wyhra« firmiert. Nach Erweiterung der Brikettfabrik auf vier Pressen wird ein neuer Tagebau in Wyhra als erster Tagebau-Großbetrieb im Revier aufgeschlossen, der 1898 die erste Kohle an das Werk liefert. 1912 wurde die alte Seilbahnanlage durch eine neue ersetzt, von der heute jedoch nichts mehr zu sehen ist. 1915 gibt Adolf Bleichert das Geschäft mit der Braunkohlenförderung und -veredelung auf. In der Folge wechselten die Eigentümer mehrmals. 1972 wurde die Brikettierung endgültig eingestellt. Das Firmenareal diente zunächst noch als Umschlagplatz für die Kohle aus den Tagebauen in der Umgebung. Lediglich das dortige Heizkraftwerk sowie eine Töpferei des Kombinats Espenhain wurden noch weiter betrieben, bis auch diese 1991 endgültig stillgelegt wurden.
Das Areal umfasst 5,8 Hektar und dehnt sich mit der ehemaligen Aschehalde östlich und westlich der Staatsstraße aus. Nordöstlich wird es ab der Staatsstraße durch einen Bogen des Gleisbetts der Bahnstrecke Neukieritzsch-Frohburg begrenzt. Im Südwesten reicht das ehemalige Werksgelände westlich der Staatsstraße bis zum Kreisverkehr des Ziegeleiwegs, im Süden bis an die Grenze der nächsten Kleingartenanlage und im Südosten bis an das Ende der Straße »Alte Brikettfabrik«. Im Westen dehnt sich das ehemalige Firmenareal über die ehemalige Aschehalde bis an den von Norden nach Süden verlaufenden Ziegeleiweg aus. Die eigentliche Brikettfabrik im engeren Sinne belegt jedoch vor allem die Fläche östlich der Staatsstraße. Hier befinden sich auch die noch vorhandenen baulichen Reste des Werks.
Diese bestehenden Gebäude können im wesentlichen drei Bauphasen zugeordnet werden. Aus der ersten Bauphase zwischen 1885 und 1888 sind noch der Brikettstapelschuppen und Teile des Contorhauses vorhanden. Alle anderen Objekte einschließlich des Pressenhauses der ersten Brikettfabrik existieren inzwischen nicht mehr. Diese wurden bis 1937 weitgehend abgerissen.
In der zweiten Bauphase 1912/13 erfolgte der Bau einer zweiten Brikettfabrik mit vier zusätzlichen Pressen. In diesen Jahren entstanden der bis heute bestehende Nass- und Trockendienst mit seinen charakteristischen Wrasenschloten nach Entwürfen des Architekten Max Fricke sowie der Schornstein mit seinem markanten Wasserbehälter - zwei weit sichtbare Landmarken der Region. Darüber hinaus wurden in dieser Phase auch die E-Zentrale, die Werkstattgebäude sowie ein neues, heute nicht mehr erhaltenes Kesselhaus errichtet.
Nachdem das ehemalige Contorhaus Mitte der 1920er Jahre ausgebaut und erweitert wurde, folgte die dritte Bauphase zwischen 1936 und 1940. Diese wurde mit dem Abbruch wesentlicher Teile der ersten Brikettfabrik eingeleitet und mit dem Neubau des Zechenhauses nach Entwürfen des Architekten Curt Schiemichen, der Errichtung der Einfriedung und des Pförtnerhauses sowie des Magazins abgeschlossen. Von der in dieser Zeit ebenfalls errichteten Schiefebene im Nassdienst und der Bunkeranlage im Süden ist heute nichts mehr erhalten. Letztgenannte ist lediglich noch im Relief nachvollziehbar.
Nach der Stilllegung der Brikettfabrik 1972 erfolgte der Abriss des Kühlhauses und mit der Entkernung des Nass- und Trockendienstes auch die Entfernung aller technischen Anlagen der Brikettierung. Obwohl die Anlage 1983 zum technischen Denkmal erklärt und unter Denkmalschutz gestellt wurde, verkam sie im Laufe der Jahre zu einer Ruine. 1991 wurde mit dem Heizkraftwerk der letzte noch aktive Teil des ehemaligen Werks stillgelegt. Teile der Bauten waren in den Folgejahren bereits abgetragen worden, als die LMBV 1995 vom Landkreis Leipziger Land im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege schließlich die umfassende Genehmigung zum Abriss der noch bestehenden Objekte auf dem Werksgelände erhielt. Der Kohlenbunker, das Kesselhaus, die Verladestation, die Bandanlage und die Gleisharfe wurden daraufhin komplett zurückgebaut bzw. verfüllt. Erst mit Beginn des Abrisses des noch vorhandenen Zechenhauses begann eine dramatische Rettungsaktion der ehemaligen Brikettfabrik, die durch den damaligen Regierungspräsidenten Steinbach initiiert wurde. Zusammen mit regionalen Akteuren gelang es ihm, den Abbruch zu stoppen. Nach langen und aufwendigen Verhandlungen zwischen der LMBV, dem Landratsamt und der Gemeinde Wyhratal wurde schließlich der Erhalt der Brikettfabrik beschlossen und im Mai 1997 mit der Sanierung der noch bestehenden Gebäude auf dem Werksareal begonnen.
Die Wyhrataler Entwicklungsgesellschafft mbH entwarf als privater Investor ein Konzept für den Wiederaufbau und die Nachnutzung der Fabrikanlagen und trieb dessen Realisierung maßgeblich voran. Im August 1997 war die denkmalgerechte Außensanierung des Zechenhauses abgeschlossen. Die Sanierung und der Umbau des ehemaligen Verwaltungsgebäudes zu einem modernen Bürokomplex erfolgte bis Mai 1999. Im Trockendienst entstanden auf drei Etagen die Großraumdiskothek »Tanzfabrik CULT« und im ehemaligen Kohlenboden zusätzlich ein großer Konferenz- und Tagungsraum. Das Areal wurde von 1999 bis 2001 komplett neu erschlossen. Zusätzlich wurden über 500 Parkplätze auf dem Gelände eingerichtet. Im Februar 2000 eröffnete die »Fitnessfabrik Walhalla« im ehemaligen Zechenhaus und im Herbst desselben Jahres ein Fachgeschäft für Reiterbedarf im Erdgeschoss des ehemaligen Nassdienstes. Im September 2001 wurden die Freizeitmöglichkeiten auf dem Areal mit dem Restaurant »Zeche II« in der ehemaligen E-Zentrale um ein gastronomisches Angebot erweitert sowie dem »Kinderland« ein zusätzlicher Indoor-Spielplatz geschaffen. 2002 begannen die Sanierungsarbeiten am ehemaligen Schornstein, der unter anderem als Kletterpfad genutzt werden sollte. 2003 begannen die Arbeiten am Werkstattgebäude, das zu einem Motel, Truck-Stop und einer KFZ-Werkstatt umgestaltet werden sollte. Auch für das ehemalige Magazin lagen zu dieser Zeit bereits Pläne zur Nutzung als moderner Kinokomplex vor. Nach und nach wurden auch industriegeschichtliche Zeugnisse aus anderen Standorten der Braunkohlenindustrie im Leipziger Südraum als technische Denkmale auf dem Gelände installiert u. a. eine Dampfspeicherlok, eine Brikettpresse und ein Baggerschaufelrad. Bis 2003 waren insgesamt über 22 Millionen DM aus privaten und öffentlichen Mitteln in die Sanierung und Umnutzung des Areals geflossen und die neu geschaffenen Freizeit- und Gastronomieangebote wurden sehr gut angenommen. Bis dahin galt die ehemalige Brikettfabrik Neukirchen als best practice-Beispiel für die erfolgreiche Sanierung und Belebung eines ehemaligen Standorts der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie. Die Installation »Terra Cultura« von Dietmar Matzke, die 1999 auf dem Werksgelände errichtet wurde, sollte diesen Neubeginn auch künstlerisch-symbolisch zum Ausdruck bringen.
Mit dem Konkurs der Betreiberfirma Wyhrataler Entwicklungsgesellschaft mbH im Jahr 2006 brach die positive Entwicklung des Standorts rapide und dramatisch ab. Zuerst schloss die Erlebnisgastronomie und das Kinderland in der ehemaligen E-Zentrale und 2012 schließlich die Großraumdiskothek im ehemaligen Trockendienst. Auch die Mieter des Bürokomplexes im ehemaligen Verwaltungsgebäude verließen das Areal nach und nach, so dass es nun weitgehend brach liegt. 2010 ging die ehemalige Brikettfabrik Neukirchen nach einer Zwangsversteigerung schließlich in den Besitz der DE-Invest GmbH über.
Im August 2022 brach Feuer in einem Obergeschoss des ehemaligen Pressenhauses aus. Zwar konnte die Feuerwehr ein Übergreifen des Feuers auf das Gebäude weitgehend unterbinden, der betroffene Raum sowie das Treppenhaus wurden jedoch vom entstanden Rauch beeinträchtigt und sind seitdem stark verrust.
Beim Objekt handelt es sich um eine inzwischen selten gewordene, umfangreich erhaltene und daher exemplarische Brikettfabrik im Mitteldeutschen Revier. Es stellt ein herausragendes Industriezeugnis der Braunkohlenwirtschaft ab Ende des 19. Jahrhunderts dar, besonders durch seinen zusätzlichen braunkohlenbezogenen Kontext in räumlicher Umgebung. Es ist eine weit sichtbare Landmarke und von künstlerischer, wirtschafts-, technik- und industriegeschichtlicher sowie städtebaulicher und landschaftsgestaltender Bedeutung.
(Christian Schmidt, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2023)
Datierung:
- Erbauung 1885–1888
Quellen/Literaturangaben:
- Bauaktenarchiv Borna, Alte Brikettfabrik 1-8.
- Barteld, Frank: Kohlebahnen im Bornaer Revier. Witznitz - Böhlen/Zwenkau - Espenhain. Berga/Elster 2011, S. 11-17, 27-29.
- Berkner, Andreas: Der Braunkohlenbergbau im Südraum Leipzig. Freiberg 2003. S. 247-249.
- Berkner, Andreas/Pro Leipzig e. V. (Hg.): Auf der Straße der Braunkohle. Exkursionsführer. 3. Aufl., Leipzig 2016. S. 249-252.
- Rüffert, Hartmut: Brikettfabrik Neukirchen im Wyhratal. In: Dachverein Mitteldeutsche Straße der Braunkohle e.V. (Hg.): Straße der Braunkohle. 22 Stationen (Ein Erhaltungskonzept für Industriekultur),
- Wagenbreth, Otfried: Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland. Geologie, Geschichte, Sachzeugen. Beucha/Markkleeberg 2011, S. 285, 288, 291, 295-297.
- Speckhals, Frank: Ausgedient: Die älteste Brikettfabrik des Bornaer Reviers. In: Pro Leipzig e.V.: Das Bornaer Pleisseland. Zerstörung und Neuanfang, Leipzig 1994, S. 173-176.
Bauherr / Auftraggeber:
- Bauherr: Förster, Max
- Eigentümer: Förster, Max
- Eigentümer: Bleichert, Adolf (GND: 11620141X)
- Eigentümer: Bleichert’sche Braunkohlenwerke Neukirchen-Wyhra A.G. (GND: 5320564-9)
- Eigentümer: Niederlausitzer Kohlenwerke A.G. (GND: 1303080-2)
- Eigentümer: Deutsche Kohlenbergbau-Gesellschaft m.b.H.
- Eigentümer: Braunkohlenwerke Salzdetfurth A.G.
- Eigentümer: Kombinat Petergrube (SAG)
- Eigentümer: Sachsen (GND: 4051176-5)
- Eigentümer: Werksgruppe Neukirchen, VVB Braunkohle Borna
- Eigentümer: Werksgruppe Thräna, VVB Braunkohle Borna
- Eigentümer: BKW Thräna, VVB Braunkohle Borna (GND: 5085903-1)
- Eigentümer: VEB BKK Borna
- Eigentümer: Wyhrataler Entwicklungsgesellschaft mbH
- Eigentümer: DE-Invest GmbH
BKM-Nummer: 31200039