Die „Rheinische Republik“ des Jahres 1923 im Raum Bonn und Siebengebirge

Separatistenkämpfe im November 1923

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Fachsicht(en): Landeskunde
  • Rheinische Republik/Organ der Rheinisch Republikanischen Volkspartei, Ausgabe vom 10.12.1921 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter)

    Rheinische Republik/Organ der Rheinisch Republikanischen Volkspartei, Ausgabe vom 10.12.1921 (Siebengebirgsmuseum/Heimatverein Siebengebirge, Königswinter)

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  • Besatzungszonen im Rheinland, Ende 1923 (Fotografiert 2008)

    Besatzungszonen im Rheinland, Ende 1923 (Fotografiert 2008)

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  • Notgeldschein der Stadt Königswinter (1923)

    Notgeldschein der Stadt Königswinter (1923)

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  • Proklamation der Rheinischen Republik, Plakat-Aushang, Koblenz 25. Oktober 1923 (Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 442, Nr. 8297, Bl. 387)

    Proklamation der Rheinischen Republik, Plakat-Aushang, Koblenz 25. Oktober 1923 (Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 442, Nr. 8297, Bl. 387)

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  • Ausschnitt der Proklamation der Rheinischen Republik (obere Hälfte), Plakat-Aushang, Koblenz 25. Oktober 1923 (Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 442, Nr. 8297, Bl. 387)

    Ausschnitt der Proklamation der Rheinischen Republik (obere Hälfte), Plakat-Aushang, Koblenz 25. Oktober 1923 (Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 442, Nr. 8297, Bl. 387)

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  • Ausschnitt der Proklamation der Rheinischen Republik (untere Hälfte), Plakat-Aushang, Koblenz 25. Oktober 1923 (Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 442, Nr. 8297, Bl. 387)

    Ausschnitt der Proklamation der Rheinischen Republik (untere Hälfte), Plakat-Aushang, Koblenz 25. Oktober 1923 (Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 442, Nr. 8297, Bl. 387)

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  • Ausrufung der Rheinischen Republik vor dem Koblenzer Schloss (25.Oktober 1923)

    Ausrufung der Rheinischen Republik vor dem Koblenzer Schloss (25.Oktober 1923)

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  • Kämpfer des Selbstschutz, der Bürgerwehr gegen die Separatisten, Nachgestelltes Gruppenbild (um 1927)

    Kämpfer des Selbstschutz, der Bürgerwehr gegen die Separatisten, Nachgestelltes Gruppenbild (um 1927)

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  • Denkmal in Aegidienberg-Hövel (Aufnahme von 2009)

    Denkmal in Aegidienberg-Hövel (Aufnahme von 2009)

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Die katastrophalen Folgen des Ersten Weltkriegs und die faktische Niederlage des Deutschen Reichs wirken tief hinein in alle Lebensbereiche der Menschen. Zusätzlich belasten politische Ereignisse wie der Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches, revolutionäre Bestrebungen und Startschwierigkeiten der neuen demokratischen Republik die Nachkriegszeit auch im Westen des Reiches. Auf der Suche nach Auswegen aus der bedrohlichen Situation leben hier Pläne für ein unabhängiges Rheinland wieder auf. Das Erstarken dieser politischen Bewegung gipfelt im Herbst 1923 in einem Putschversuch, der aber schon nach wenigen Wochen und nach teilweise blutigen Auseinandersetzungen scheitert. Die Ereignisse in Bonn und in der Region spiegeln exemplarisch diese Entwicklungen - bis hin zu späteren Versuchen, sie im Sinne einer zunehmend aggressiven nationalistischen Propaganda auszuschlachten.

Vorgeschichte
Separatismus und Besatzungspolitik
Das Krisenjahr 1923
Mobilisierung und Putsch
In der Region: Zuspitzungen
Die „Schlacht“ und das Ende der Republik
Politische Vereinnahmung

Vorgeschichte
Das in historischen Darstellungen häufig betonte starke regionale Sonderbewusstsein der Rheinländer hat seine Ursprünge im 19. Jahrhundert. Im Zuge der politischen Neuordnung nach der napoleonischen Ära wurde das Rheinland preußisch. Damit begann eine von sozialen, religiösen und mentalen Differenzen geprägte „schwierige Beziehung“. Nach dem Ersten Weltkrieg erhalten Bewegungen etwa unter dem Slogan „Los von Berlin“ neuen Auftrieb. Die Unterzeichnung des Waffenstillstands und das Ende des Kaiserreichs im November 1918 lösen ein wirtschaftliches und administratives Chaos aus, das vor allem von der Zivilbevölkerung als einschneidende und existenzielle Bedrohung wahrgenommen wird. Umfassende Truppenbewegungen, Einquartierungen, die lokalen Aktivitäten von Arbeiter- und Soldatenräten und schließlich die Einrichtung von Besatzungszonen sorgen dafür, dass diese Umwälzungen im Rheinland besonders intensiv spürbar werden.
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Separatismus und Besatzungspolitik
Vor allem in konservativen Kreisen nimmt die Initiative für eine „rheinisch-westfälische Republik im Deutschen Reiche“ schon im Dezember 1918 konkrete Gestalt an. Auf einer Versammlung der Zentrumspartei in Köln mit Beteiligung des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer beschließen 5.000 Teilnehmer am 3. Dezember 1918 „baldigst die Proklamierung … in die Wege zu leiten“. Der aus Bonn-Endenich stammende Rechtsanwalt Hans-Adam Dorten nimmt diese Zielsetzung beim Wort und versucht am 1. Juni 1919 von Wiesbaden aus sogar die Ausrufung einer „Rheinischen Republik“, die aber schon nach wenigen Tagen scheitert.
Als kurz danach der Versailler Friedensvertrag nicht nur gewaltige Reparationszahlungen, sondern auch alliierte Besatzungszonen in den westlichen deutschen Regionen festschreibt, wird die Autonomiebewegung zum Spielball internationaler politischer Interessen. Vor allem die französische Politik wird von Bestrebungen für eine Schutzzone („Pufferstaat“) gegen den deutschen Nachbarn bestimmt: Danach soll das Rheinland mindestens einen neutralen oder, noch besser, einen an Frankreich angelehnten Status erlangen. Kritik an dieser Zielsetzung kommt nicht nur aus Deutschland, sondern auch von den übrigen Alliierten. Vor allem das Vereinigte Königreich fürchtet eine französische Übermacht und stellt sich zunehmend offen gegen diese Pläne.

In den frühen 1920er Jahren formieren sich die Kräfte, die auf eine Loslösung des Rheinlands vom Deutschen Reich betreiben. Parteien wie die Rheinische Volksvereinigung (Hans-Adam Dorten), die Rheinisch-Republikanische Volkspartei (Joseph Smeets) und - als Neugründung im Juli 1923 - der Rheinische Unabhängigkeitsbund (Friedrich-Josef Matthes) unterscheiden sich allerdings durch ihre Zielsetzungen. Ausgehend von der zentralen Forderung rheinischer Autonomie reicht das Spektrum von einem Sonderstatus im Verbund zum Deutschen Reich über vollkommene staatliche Unabhängigkeit bis hin zu einer engen Anbindung an Frankreich.
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Das Krisenjahr 1923
Rückstände bei der Zahlung von Reparationen nimmt die französische Regierung im Januar 1923 zum Anlass für eine starke Ausdehnung ihrer Besatzung auf die Industrieregion der Ruhr. In der Folge verschärfen sich die Konflikte: Die Ausrufung von passivem Widerstand öffentlicher Dienste durch die Berliner Regierung bewirkt als Reaktion zunehmende französische Repressionen gegen Bedienstete und die Zivilbevölkerung. Folgen sind nicht nur politische Verwerfungen, sondern auch wirtschaftliche Notlagen und eine wachsende Inflation. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Rheinstaatbestrebungen an Bedeutung. Neben politischen Forderungen fallen vor allem wirtschaftliche Perspektiven wie die einer neuen, stabilen rheinischen Währung bei vielen neuen Anhängern auf fruchtbaren Boden. Die offenkundige französische Unterstützung trägt zwar dazu bei, dass die separatistischen Versprechungen glaubwürdig erscheinen. Die Beteiligung der Besatzungsmacht provoziert aber gleichzeitig massive Kritik aus nationalistischen Kreisen. Die Autonomiebestrebungen geraten so in die Zwickmühle konkurrierender extremistischer Bewegungen.
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Mobilisierung und Putsch
Im Sommer des Jahres 1923 erkennen die Separatisten ihre Chance. Nach vorbereitenden Versammlungen in Bonn beschließen die drei bestehenden Parteiorganisationen im August in Koblenz einen Zusammenschluss als „Vereinigte Rheinische Bewegung“. Es werden Putschpläne geschmiedet und - als deren integraler Bestandteil - Kampfgruppen aufgestellt. Unter der Bezeichnung „Rheinlandschutz“ und mit der Aussicht auf finanzielle Unterstützung und Ausstattung von französischer Seite werden bereits vorhandene Gruppen von Saalschützern zusammengefasst. Nominell umfasst die Truppe im Oktober 1923 mehr als 30.000 Mann, von denen allerdings nur ein sehr geringer Teil mit Waffen ausgestattet ist.

Die propagandistische Verbreitung der Rheinstaat-Idee erfolgt hauptsächlich über Flugschriften und lokale Veranstaltungen, die im September an Intensität gewinnen - so auch am 9. September mit einer Großveranstaltung in Bonn. Am 30. September gerät eine noch größere Veranstaltung in Düsseldorf zum Fanal: Bei heftigen und teilweise bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem „Rheinlandschutz“ und Polizei gibt es zahlreiche Verletzte und mehrere Tote. Als Düsseldorfer „Blutsonntag“ finden diese tragischen Ereignisse weit überregional starke Resonanz.

Obwohl ein Putschversuch in Form der Ausrufung einer Rheinischen Republik erst für Ende Oktober geplant ist, erfolgt diese Aktion - selbst für Eingeweihte überraschend - bereits am 21. Oktober in Aachen. Der dortige leitende Akteur Leo Deckers handelt in enger Absprache mit belgischen Besatzungsbehörden, die damit ihren eigenen Einfluss auf einen künftigen Rheinstaat gegenüber den französischen Führungsansprüchen geltend machen wollen. In den folgenden Tagen wird die Aktion von örtlichen Gruppen in vielen Städten und Gemeinden aufgegriffen. Fast überall erweist sich aber die mangelnde Ausstattung und Vorbereitung der aktiv beteiligten Separatisten als großes Manko. Deren unkontrolliertes und rücksichtsloses Auftreten bis hin zu offenen Plünderungen führen zu wachsender Ablehnung seitens der Bevölkerung. In Aachen sorgt daher die belgische Besatzung für ein baldiges Ende des Putschversuchs, an anderen Orten können sich die Aufständischen jedoch länger halten - so auch in Bonn und Königswinter. Im Einverständnis und mit Unterstützung der französischen Besatzungskräfte besetzen Separatisten das Koblenzer Schloss und erklären es zum Regierungssitz. Eine „Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik“ unter dem Vorsitz ihres „Generalbevollmächtigten“ Friedrich Matthes nimmt hier am 25. Oktober die Arbeit auf.
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In der Region: Zuspitzungen
Die personellen Schwächen der rheinischen Putschisten geraten im November 1923 in zunehmenden Widerspruch zum hoch gesteckten Ziel des Aufbaus einer neuen staatlichen Ordnung. Geradezu dramatisch entwickeln sich die organisatorischen Probleme am Regierungssitz in Koblenz: Der „Rheinlandschutz“ erlebt einen enormen Zustrom von freiwilligen Unterstützern, die oft weniger aus politischer Überzeugung, sondern in der Hoffnung auf materielle Vorteile nach Koblenz kommen. Auf der Suche nach einem Ausweg aus immer chaotischeren Verhältnissen verlegt die „Oberste Heeresleitung“ größere Einheiten in andere Regionen. So erhält eine „Division Rang“ unter dem Kommando des Bonner Maurermeisters Peter Rang einen Marschbefehl in Richtung Siegburg, um diesen rechtsrheinischen Raum unter die Kontrolle der neuen Regierung zu bringen. Die am 10. November von Koblenz startende Mission wird für große Unruhe in mehreren rechtsrheinischen Orten sorgen, darunter Linz, (Bad) Honnef Honnef und Aegidienberg.

Gegen diesen Vormarsch, dem bald die Kunde tatsächlich geschehener und weiterhin drohender Plünderungen vorauseilt, formieren sich in den Höhenorten oberhalb von Honnef und Königswinter Bürgerwehren. Schwere Ausschreitungen, vor allem Donnerstag und Freitag, 15.-16. November in Rheinbreitbach und Aegidienberg (Ortsteile Himberg und Hövel), werden schließlich viele Verletzte und sogar 16 Tote fordern. Die Hintergründe dieser tragischen Ereignisse werden nie aufgeklärt. Stattdessen beendet intervenierendes französisches Militär die außer Kontrolle geratene Situation und sorgt für die Entwaffnung der Angehörigen des Rheinlandschutzes. Am Samstag, 17. November müssen sie Honnef und die Region verlassen.
An demselben Samstag geht die Mobilisierung der Bürgerwehren zunächst noch weiter, bis sich die Nachricht vom Abzug der Separatisten herumspricht. Dieser starke Zulauf selbst aus der weiteren Umgebung wird später die Erinnerung wesentlich prägen, auch wenn er den Ablauf der Ereignisse praktisch kaum noch beeinflusst. Tatsächlich war bei den wenigen Schusswechseln dieser Tage die Mitwirkung von Kriegsveteranen zugunsten der Bürgerwehr ausschlaggebend, die sich am deutlichsten im Gelände nahe der Servatiuskapelle auswirkte. Im Hinblick auf die Motive der Beteiligten zeichnen spätere Zeitzeugenberichte das Bild kollektiver Empörung, die aber weniger politische, sondern materielle Gründe hatte - sei es den Schutz eigenen Hab und Guts oder auch die Aussicht auf die Dankbarkeit von Landwirten etwa in der Form guter leiblicher Versorgung. Die politische Propaganda in späteren Jahren wird allerdings sehr darum bemüht sein, ein anderes Bild zu zeichnen.
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Die „Schlacht“ und das Ende der Republik
Die Ereignisse im Siebengebirge stehen in einer Reihe mit dem Scheitern der Putschisten an vielen anderen Orten - der Verlauf der Ereignisse in Bonn bietet ein typisches Beispiel. Dieser Hintergrund und aufkommende Distanzierung der Besatzungsbehörden bewirken heftige Spannungen innerhalb der Vorläufigen Regierung in Koblenz und schließlich deren Auflösung durch den Regierungschef Matthes am 27. November. Dank französischer Unterstützung bleiben einzelne örtliche Separatistengruppen aber weiter präsent - so etwa in Königswinter bis Mitte Januar 1924. In Kreisen rheinischer Lokal- und Landespolitiker werden noch bis Ende Januar Modelle rheinischer Autonomie diskutiert, die jedoch unter dem Eindruck wirtschaftlicher Erholung von der Reichsregierung zurückgewiesen und eingestellt werden. Ein letzter Putschversuch in der Pfalz mit vielen Todesopfern scheitert endgültig im Februar 1924.

Aufgrund der großen Zahl ihrer Opfer werden die Ereignisse im Siebengebirge in der regionalen Presse schon bald als „Schlacht“ bezeichnet, obwohl damit ein falscher Eindruck der tatsächlichen Scharmützel erweckt wird. Nachdem aber vor allem die Todesumstände der betroffenen Separatisten nicht aufgeklärt werden, bietet die Charakterisierung dieser Opfer als „Gefallene“ die Möglichkeit, sie im kollektiven Gedächtnis der Anonymität von Kriegsopfern zuzuordnen. Mit der Radikalisierung nationalistischer Tendenzen in den folgenden Jahren werden die Ereignisse somit zur patriotischen „Abwehrschlacht“ stilisiert - erstmals deutlich greifbar ab 1927 im Rahmen von Neubauplanungen für ein Schulgebäude in Aegidienberg. Die weiterführende Einordnung sogar in den Kontext des vorhergehenden Weltkriegs spiegelt sich am deutlichsten in einem 1930 fertiggestellten Kriegerehrenmal in Oberpleis.
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Politische Vereinnahmung
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten verschärft sich ab 1933 der Ton nationalistischer und antifranzösischer Propaganda. Im Hinblick auf die früheren Rheinstaatbestrebungen wird sie begleitet von Repressionen gegen mutmaßliche ehemalige Unterstützer der Separatisten, die viele Jahre später öffentlichen Demütigungen und willkürlicher Verfolgung durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ausgesetzt werden. Die Bürgerwehren hingegen werden als Verteidiger des „Deutschtums“ dargestellt. Die Glorifizierung der nunmehr so bezeichneten „Abwehrschlacht im Siebengebirge“ bedient sich des Formenkanons patriotischer Mahnmale: Die Planungen für ein gewaltig dimensioniertes Denkmal auf dem Himmerich werden zwar scheitern, Erinnerungsmale in Rheinbreitbach und Aegidienberg-Hövel zeugen aber bis heute von diesen Bemühungen.
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(Elmar Scheuren, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2023)

Internet
afz.lvr.de: LVR-Archivsberatungs- und Fortbildungszentrum: 15. Oktober 1933: „Ein Schwert, nach altem germanischen Brauch in den Boden gestoßen“ - Die Diskussionen um das Denkmal an die Separatisten-Abwehrkämpfe auf dem Himmerich. Brauweiler 2015 (abgerufen 22.10.2022)

Literatur

Anonym (1933)
Königswinter und seine Leiden im Jahre 1923, nach authentischen Quellen zusammengetragen. In: Unterhaltungsblatt, Beilage zu "Echo des Siebengebirges", 14.10., 21.10., 28.10., 4.11., 11.11.1933, o. O.
Bischof, Erwin (1969)
Rheinischer Separatismus 1918-1924 - Hans Adam Dortens Rheinstaatbestrebungen. In: (Europäische Hochschulschriften / European University Studies / ... 3: Histoire et sciences auxiliaires, Band 4), Bern.
Bonner Geschichtswerkstatt (2019)
Bonner Geschichtswerkstatt: 1919 - 100 Jahre demokratische Kommunalwahlen in Bonn.. Zur Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bonn. Bonn.
Brungs, Joseph Johann (1925)
Die Stadt Honnef und ihre Geschichte. Honnef.
Dorten, Jean Adam (1979)
Die Rheinische Tragödie. Originalausgabe: La Tragédie Rhénane, Paris 1945. Bad Kreuznach.
Dorten, Jean Adam (1932)
Aus rheinischer Not- und Kampfzeit 1919-23: Separatismus! - Neue Tatsachen aus den damaligen Zeitereignissen. In: Deutsche Reichs-Zeitung Nr. 227, 30.9.1932 ff., o. O.
Friedrichs, Klaus (1931)
Separatistenherrschaft am Rhein / Die Separatistenschlacht im Siebengebirge - Das Ende des Separatismus am Mittelrhein.. Neuwied/Rh. o.J..
Gast, Karl (1964)
Aegidienberg im Wandel der Zeiten. Aegidienberg.
Gräbner, Gerhard; Spindler, Matthias (1992)
Revolverrepublik am Rhein - Die Pfalz und ihre Separatisten. In: Bd.1 November 1918-November 1923, Landau/ Pfalz.
Hamacher, Bernd (2003)
Separatisten in Rheinbreitbach, November 1923. In: Heimatverein Rheinbreitbach e.V. (Hg.): Rheinbreitbacher Erinnerungen an das Jahr 1923, S. 11-34. Rheinbreitenbach.
Herberz, Simon (1930)
Die Separatistenkämpfe im Siebengebirge nach Berichten von Augenzeugen und andern Quellen erster Hand aufgestellt und für den Geschichtsunterricht in der Volksschule und für einen heimatlichen Volksbildungsabend ausgewertet. (unveröffentlichtes maschinenschriftliches Manuskript). Niederpleis.
Hufnagel, Waltraud (1969)
Bonn und der rheinische Separatismus 1918-1924. In: Magisterarbeit, StA BN: Sign. I e 640, Bonn.
Kastner, Dieter; Torunsky, Vera (1987)
Kleine Rheinische Geschichte 1815-1986. Köln.
Kermann, Joachim; Krüger, Hans-Jürgen (1989)
1923/24 - Separatismus im rheinisch-pfälzischen Raum. In: Ausstellungskatalog der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz zur Ausstellung auf dem Hambacher Schloss, Koblenz.
Klein, Ansgar Sebastian (2008)
Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus im Siebengebirge. Essen.
Klocksin, Jens (1993)
Separatisten im Rheinland - 70 Jahre nach der Schlacht im Siebengebirge. Bonn.
Krüger, Hans-Jürgen (1983)
Rheinische Republik der Separatisten. zur Ausstellung im Landeshauptarchiv Koblenz, 24.10. - 20.11.1983. Koblenz.
Prost, Peter (1930)
Im November 1923 / Der Sonderbündlereinbruch am Rhein - Die Abwehrkämpfe am Rhein - Die Entscheidungsschlacht am Aegidienberg im Siebengebirge. masch.schr., o.O. o.J. (Bad Honnef/Königswinter, um 1930; Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, Düsseldorf; Sign. RW 8 - 44). Bad Honnef/ Königswinter.
Prost, Peter (1927)
Denkschrift "Reichsdank für Aegidienberg" - Die Separatistenherrschaft am Rhein und die Befreiung des Rheins durch die Abwehrkämpfe der Aegidienberger im Siebengebirge. herausgegeben im Auftrage des Herrn Landrats Dr. Wessel von Hauptlehrer Prost. Aegidienberg.
Rauschert, Manfred (1993)
Los von Berlin! Bonn 1993. Bonn.
Reimer, Klaus (1979)
Rheinlandfrage und Rheinlandbewegung (1918-33), ein Beitrag zur Geschichte der regionalistischen Bestrebungen in Deutschland. Frankfurt.
Scheuren, Elmar (2017)
Besatzung, Not und "Separatisten" - Aufruhr in Aegidienberg.. In: Bürgerverein Aegidienberg e.V. (Hg.): Aegidienberg - Unsere Heimat im Naturpark Siebengebirge, S. 210-220. Aegidienberg.
Scheuren, Elmar (2012)
Separatisten im Rheinland - Aufmarsch in Honnef. In: Heimat- und Geschichtsverein Herrschaft Löwenburg e.V. Bad Honnef (Hg.): 150 Jahre Stadt Bad Honnef - Zwischen Rheinstrom und Burgen, S. 190-197. Niederhofen.
Scheuren, Elmar (2011)
Das Siebengebirge - Sehen, was man kennt. In: in: Urig-Lammersen, Marion und Sten Martenson (Hg.): Bonn, wo es am schönsten ist - 88 Lieblingsplätze. 2. Auflage, S. 180-182. Bonn.
Scheuren, Elmar (2000)
Die Sturmglocke von Oberpleis.. In: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2001, S. 62-64. Siegburg.
Scheuren, Elmar; Trapp, Christoph (1993)
Separatisten im Siebengebirge - Die "Rheinische Republik" des Jahres 1923 und die "Schlacht" bei Aegidienberg. zur gleichnamigen Ausstellung des Siebengebirgsmuseums, 16.11.1993 - 20.2.1994. Königswinter.
Schirp, Thomas (1992)
Die Separatistenschlacht am Aegidienberg, Verlauf - soziale Folgeerscheinungen - Mythologisierung. (Masch.schr. Magisterarbeit, Universität Augsburg). Augsburg.
Schlemmer, Martin (2007)
"Los von Berlin". Die Rheinstaatbestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg. Köln, Weimar, Wien.
Schmitz, Hans Peter (2013)
Unser Himmerich - die allzu kurze Geschichte eines sozialen Gemeinschaftswerkes. In: Band 2 der Reihe "Neue Kölner NaturFreunde-Schriftenreihe", (Hg.): Naturfreunde Köln e.V., Köln.
Spoelgen, Eduard (1964)
Aus Bonns jüngster Vergangenheit - Erinnerungen an die Jahre 1923, 1924 und 1925. In: Bonner Heimat- und Geschichtsverein / Stadtarchiv Bonn (Hg.): Bonner Geschichtsblätter, Band 18, S. 117-157. Bonn.
Spoelgen, Eduard (1958)
Die Verhinderung der französischen Anerkennung der Rheinischen Republik - Erinnerungen aus den Jahren 1923 und 1924.. In: Bonner Heimat- und Geschichtsverein / Stadtarchiv Bonn (Hg.): Bonner Geschichtsblätter, Band 12, S. 225-229. Bonn.
Springer, Max (1924)
Loslösungsbestrebungen am Rhein (1918-1924). Berlin.
Stang, Erhard (1996)
Der Separatistenputsch in Beuel 1923. In: Bonner Geschichtswerkstatt (Hg.): "Die Beueler Seite ist nun einmal die Sonnenseite", S. 48-57. Bonn.
Uhlenbroch, Karl-Hermann (1998)
Vor 75 Jahren - Separatistenkampf im Siebengebirge, (2. Aufl. 1999). Eudenbach.
Ullrich, Volker (2022)
Deutschland 1923 - Das Jahr am Abgrund. München.
Vogt, Helmut (1989)
Bonn in Kriegs- und Krisenzeiten 1914-1948.. In: Höroldt, Dietrich (Hg.): Bonn. Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt - 1794-1989, S. 439-638. Bonn.
Wolfgarten, Rudolf (1973)
Schicksalstage des Rheinlandes vor 50 Jahren: Separatisten im Siebengebirge. In: Honnefer Volkszeitung, 1973 (20./21.10., 27./28.10., 3./4.11., 10./11.11., 24./25.11.)., Bad Honnef.
(1933)
Festschrift zur Grundsteinlegung für das Separatisten-Abwehrdenkmal auf dem Himmerich am 15. Oktober 1933. Köln.

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„Die „Rheinische Republik“ des Jahres 1923 im Raum Bonn und Siebengebirge”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-345747 (Abgerufen: 7. Mai 2024)
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