Rathaus Linz als Ereignisort zum Separatisten-Putsch 1923

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Linz am Rhein
Kreis(e): Neuwied
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 33′ 55,66″ N: 7° 16′ 52,05″ O 50,56546°N: 7,28112°O
Koordinate UTM 32.378.267,63 m: 5.602.914,92 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.590.811,64 m: 5.604.091,25 m
  • Marktplatz und Rathaus in Linz am Rhein (2023)

    Marktplatz und Rathaus in Linz am Rhein (2023)

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    Elmar Scheuren / CC BY 4.0
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    Elmar Scheuren
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Die Ausrufung einer „Rheinischen Republik“ am 21. Oktober 1923 führte in den folgenden Monaten zu heftigen Aktivitäten und Kämpfen in vielen rheinischen Orten, so auch im Raum Bonn und im Siebengebirge sowie in Linz und in Koblenz. Einige Orte bewahren markante Relikte oder Erinnerungen an diese Geschehnisse und ihre Nachwirkungen.

Bereits im Vorfeld der Republik-Ausrufung hatten deren Drahtzieher mit der Bildung einer Miliz unter dem Namen „Rheinlandschutz“ begonnen, die den Putschversuch ggf. mit Waffengewalt unterstützen sollte. Trotz nur rudimentär entwickelter Strukturen vereinte sie Ende Oktober 1923 immerhin mehrere tausend potenzielle Kämpfer. Nach der Ausrufung in Aachen am 21. Oktober 1923 erhielt diese Armee jedoch starken Zulauf. Viele der Freiwilligen dürfte die Aussicht auf Lohn und Brot gelockt haben. Obwohl seitens der unterstützenden französischen Besatzungsbehörden eine Versorgung mit Lebensmitteln und sogar Soldzahlungen zugesagt worden waren, war dieser Zulauf sehr bald kaum noch zu bewältigen.

Das daraus resultierende Problem führt vor allem in Koblenz, wo ab dem 25. Oktober 1923 eine „Vorläufige Regierung“ im dortigen Schloss ihren Sitz hat, zu chaotischen Verhältnissen. Als Lösung beauftragt die „Oberste Heeresleitung“ Anfang November die Entsendung von Einheiten des Rheinlandschutzes in andere rheinische Regionen, um die Durchsetzung der neuen Republik voranzutreiben. So begibt sich am Samstag, 10. November 1923 eine „Division Rang“ - mit mindestens 600 Angehörigen unter dem Kommando des aus Bonn stammenden Maurerpoliers Peter Rang - von Koblenz aus zunächst nach Linz. Erklärtes Ziel ist die Sicherstellung der Kontrolle vor allem über den Siegkreis, weswegen der Vormarsch an den folgenden Tagen bis nach Siegburg führen soll.

Erst durch diesen Vormarsch kommt die Stadt Linz mit der separatistischen Bewegung in Berührung. In der Nacht des 10.-11. November 1923 werden das Rathaus besetzt und örtliche Beamte und Amtsträger teilweise mit Gewalt vorgeführt. Ein „Stadtkommissar“ aus den Reihen der Separatisten soll die Führung der Amtsgeschäfte übernehmen. Noch in der Nacht und intensiv am darauffolgenden Sonntag unternehmen die Separatisten jedoch umfangreiche „Requisitionen“ von Lebensmitteln und Sachgütern für ihren eigenen Bedarf und zum Schaden sowohl an öffentlichen Reservelagern als auch gegenüber privaten Unternehmen und Einzelpersonen. Die meisten Betroffenen erkennen hinter den angeblichen Erstattungs-Versprechungen den wahren Charakter von Plünderungen. Unter diesem Eindruck schlägt die anfangs abwartende Stimmung der Bevölkerung in kürzester Zeit in heftige Ablehnung um. In Erpel und Unkel, wo separatistische Einheiten am 11. November 1923 von Linz aus ebenfalls einrückten, spielen sich ähnliche Szenen und Ausschreitungen ab.

Krisenbesprechungen an den beiden folgenden Tagen, an denen neben dem Linzer Bürgermeister und der Ortsverwaltung auch der Kreisdelegierte der französischen Besatzung teilnimmt, enden schließlich mit einer deutlichen Distanzierung des französischen Vertreters gegenüber den separatistischen Maßnahmen. Daher muss das Gros der militärischen Einheiten bereits am Montag, 12. November 1923 die Stadt wieder verlassen, um nach Norden in Richtung Honnef weiterzuziehen. Eine verbleibende Besatzung von 50 Mann muss auf Weisung des französischen Kreisdelegierten zwei Tage später ebenfalls abziehen, nachdem es zuvor zu weiteren Plünderungen und Drangsalierungen gekommen ist. Ein aus den Reihen der Bürgerschaft gegen die Separatisten aufgestellter „Selbstschutz“ wird allerdings auch seinerseits für Ausschreitungen verantwortlich gemacht - darunter vor allem die Erschießung eines auswärtigen Separatisten im Rahmen einer „Verkehrskontrolle“ am südlichen Ortseingang.

Unter dem Eindruck der binnen kurzer Zeit extrem chaotischen Verhältnisse und umfangreich angerichteten Schäden übernehmen die zuständigen Besatzungsstellen schließlich die Garantie für die öffentliche Ordnung und stationieren zu deren Sicherung eine Abteilung französischer Soldaten in der Stadt. Die Stadt kann in ihren normalen, „nur“ von den Nöten der Zeit geprägten Alltag zurückkehren.

(Elmar Scheuren, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2023)

Literatur

Prost, Peter (1927)
Denkschrift "Reichsdank für Aegidienberg" - Die Separatistenherrschaft am Rhein und die Befreiung des Rheins durch die Abwehrkämpfe der Aegidienberger im Siebengebirge. herausgegeben im Auftrage des Herrn Landrats Dr. Wessel von Hauptlehrer Prost. Aegidienberg.

Rathaus Linz als Ereignisort zum Separatisten-Putsch 1923

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Ort
53545 Neuwied - Linz / Rheinland-Pfalz
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1923, Ende 1923

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„Rathaus Linz als Ereignisort zum Separatisten-Putsch 1923”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345681 (Abgerufen: 9. Mai 2024)
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