Rathaus und Marktplatz Bonn als Ereignisort zum Separatisten-Putsch 1923

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Bonn
Kreis(e): Bonn
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 44′ 6,9″ N: 7° 06′ 9,16″ O 50,73525°N: 7,10254°O
Koordinate UTM 32.366.104,79 m: 5.622.101,26 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.577.878,26 m: 5.622.774,64 m
  • Marktplatz und Rathaus Bonn (2023)

    Marktplatz und Rathaus Bonn (2023)

    Copyright-Hinweis:
    Elmar Scheuren / CC BY 4.0
    Fotograf/Urheber:
    Elmar Scheuren
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
Die Ausrufung einer „Rheinischen Republik“ am 21. Oktober 1923 führte in den folgenden Monaten zu heftigen Aktivitäten und Kämpfen in vielen rheinischen Orten, so auch im Raum Bonn und im Siebengebirge. Einige Orte bewahren markante Relikte oder Erinnerungen an diese Geschehnisse und ihre Nachwirkungen.

Im französisch besetzten Rheinland kommt der Stadt Bonn eine besondere Rolle zu: „In Bonn, der bedeutendsten französisch besetzten Stadt nördlich von Koblenz, konzentrierte sich die französische Politik“ - so beschreibt rückblickend der wichtige Zeitzeuge Eduard Spoelgen die Stellung der Stadt, der als Zentrumspolitiker 1923 kommissarisch die Verwaltung leitete. Die Sonderstellung der Stadt gilt auch und ganz besonders im Hinblick auf die rheinischen Unabhängigkeitsbestrebungen, die vorzugsweise von Bonn aus agieren.

Schon Köln lag außerhalb der französischen Zone, und die dort bestimmende englische Besatzungsverwaltung stand der separatistischen, der französischen Besatzungsmacht nahestehenden Bewegung äußerst skeptisch gegenüber. So wird Bonn in der Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs zum bevorzugten Ort für Veranstaltungen separatistischer Verbände und Parteien wie der Rheinischen Volksvereinigung (RhVV), der Rheinisch-Republikanischen Volkspartei (RhRVP) oder des Rheinischen Unabhängigkeitsbundes (RhUB). Am 17. Juni 1923 findet hier eine gemeinsame Delegiertenversammlung der wichtigsten Organisationen statt mit dem Ziel der Bildung eines Gemeinsamen Aktionsbündnisses, das schließlich am 15. August 1923 in Koblenz als Vereinigte Rheinische Bewegung gegründet werden wird.

Bonn bietet für derartige Veranstaltungen günstige Rahmenbedingungen in Form von Sälen wie der damaligen Beethovenhalle nahe der Rheinbrücke oder dem Dreikaisersaal in der Kölnstraße. Auch in der örtlichen Gastronomie gibt es Wirtshäuser wie Henderkott in der Martinstraße, heute Maximilianstraße oder Delforgé in Poppelsdorf, die als bevorzugte Treffpunkte rheinischer Separatisten galten.

Wie in vielen anderen rheinischen Städten, so überstürzen sich auch in Bonn die Ereignisse nach der Ausrufung der Rheinischen Republik am 21. Oktober 1923. Schon in der Nacht von Montag auf Dienstag, 22.-23.10 erreicht ein Trupp von 100-200 Separatisten Bonn. Mit dabei sind auch einige Bonner Anhänger, so auch der Anführer und gebürtige Bonner Josef Natter. Nachdem die Besatzungsmacht schon am Vortag Sorge getragen hat, dass die städtischen Polizeibeamten ihre Schusswaffen ablieferten, bereitet sich dennoch eine Gruppe von Verwaltungsbeamten mit Unterstützung einiger Stadtverordneter auf die Abwehr einer Besetzung des Rathauses vor. Ab 1 Uhr in der Nacht rücken die Separatisten an, werden aber durch Wasserstrahlen aufs Feuerwehrschläuchen zurückgedrängt. Es folgen Prügeleien - mit vielen Verletzten - auf dem Markt und in den angrenzenden Straßen, bei denen die Separatisten gegen eine wütende Volksmenge zu unterliegen drohen. Erst durch das Eingreifen von französischem Militär wird die Ruhe wiederhergestellt. Unter deren Schutz erhalten die Separatisten das Recht zur Besetzung des Rathauses. Josef Natter, der später die Rolle des örtlichen Anführers und Vertreters der Vorläufigen Regierung übernehmen wird, kann morgens um 6 Uhr von der Rathaustreppe aus die Machtübernahme der Rheinischen Republik in Bonn verkünden.

Chaotische Verhältnisse prägen auch die folgenden Tage und Wochen. Am Vormittag des 24.10.1923 versucht eine Gruppe städtischer Bediensteter zunächst erfolgreich, die Separatisten aus dem Rathaus zu vertreiben. Der Erfolg ist allerdings nur von kurzer Dauer und wird wiederum durch französisches Eingreifen beendet. Die Putschisten begnügen sich notgedrungen mit zwei Räumen im Rathaus, auf dem aber immerhin die rheinische grün-weiß-rote Fahne wehen darf. Der so ausgehandelte Kompromiss sieht auch vor, dass die Aufrührer keinen direkten Einfluss auf städtische Einrichtungen und Gremien ausüben dürfen - ein Recht, das weiterhin alleine den französischen Behörden vorbehalten bleibt. Dieser seltsame Schwebezustand wird immerhin bis Anfang Dezember bestehen. Während dieser Zeit ist der Bonner Alltag geprägt von Kundgebungen und Demonstrationen, sei es der Erwerbslosen oder auch politischer Parteien, dazwischen auch immer wieder von Zwischenfällen und Gewaltausbrüchen. Hinzu kommen Durchzüge oder auch kurze Aufenthalte von Einheiten des „Rheinlandschutzes“ in der Größe von bis zu 2.000 Mann.

Erst am Sonntag, 2.12.1923 abends wird die inzwischen auf 40 Mann begrenzte Ortsbesatzung der Separatisten das Rathaus wieder räumen, um sich schließlich ohne große öffentliche Beachtung allmählich aufzulösen.

(Elmar Scheuren, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2023)

Literatur

Spoelgen, Eduard (1964)
Aus Bonns jüngster Vergangenheit - Erinnerungen an die Jahre 1923, 1924 und 1925. In: Bonner Heimat- und Geschichtsverein / Stadtarchiv Bonn (Hg.): Bonner Geschichtsblätter, Band 18, S. 117-157. Bonn.

Rathaus und Marktplatz Bonn als Ereignisort zum Separatisten-Putsch 1923

Schlagwörter
Ort
Bonn
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1923, Ende 1923

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Rathaus und Marktplatz Bonn als Ereignisort zum Separatisten-Putsch 1923”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-345683 (Abgerufen: 1. Mai 2024)
Seitenanfang