Frühe Orts- und Siedlungsgeschichte
Der Jahrhundert-Eisgang von 1783/84
Entwicklung seit der Franzosenszeit
Die Schiffsprozession Mülheimer Gottestracht
Hinweis
Quellen, Internet, Literatur
Frühe Orts- und Siedlungsgeschichte
Die Anfänge des nach den zahlreichen Mühlen an der Strunde benannten Ortes gehen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Erstmals sicher bezeugt ist der Ort ab dem 11. Jahrhundert als Mulenheym (Wilhelm 2008 nennt das Jahr 1098, Groten u.a. 2006 das Jahr 1151). Spätere Benennungen sind u.a. Mulinheim oder Molenheym.
Seit dem Mittelalter gehörte Mülheim zur Grafschaft (später Herzogtum) Berg und wurde bevorzugt behandelt, da es zu einem Vorposten gegen Köln ausgebaut und ausgestattet werden sollte - unter anderem durch einen Gerichtshof (1250), einen Landzoll (13. Jahrhundert), eine Münzstätte (1425) und bereits ab 1255 durch städtische Befestigungen, die aber von Köln nicht geduldet und immer wieder zerstört wurden.
Von dem gerne auch als „Vater Mülheims“ bezeichneten Graf Adolf VI. von Berg (1308-1348) erhielt man 1322 städtische Freiheitsrechte, die nach der für Berg siegreichen Schlacht von Worringen „vor allem der Sicherung der Grenzen und der Verteidigung des Territoriums“ dienten (Holdt 2008, S. 17 u. 27, vgl. auch Wensky 2008). Das Stadtrecht für Mülheim beinhaltete neben der Befreiung von Diensten und Abgaben auch das Recht, Markt abzuhalten, die niedere Gerichtsbarkeit sowie das Recht, einen Schöffen an das bergische Obergericht zu entsenden. Formal als oppidum (= stadtähnliche Siedlung mit Marktfunktion) und nicht als civitas (= Stadt) bezeichnet, kam Mülheim trotz Bestätigung dieser Privilegien 1350 und 1360 in der Folge jedoch nicht über den Rang einer „Freiheit“ bzw. „Minderstadt“ hinaus (Groten u.a. 2006, S. 606).
In Wilhelm Fabricius' Karte Die Rheinprovinz im Jahre 1789, Uebersicht der Staatsgebiete und dessen Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz wird die „Freiheit Mülheim“ im bergischen Amt Porz mit einer Gemarkungsfläche von 878 Hektar angeführt. Für 1792 werden in der Summe 3.208 Einwohner genannt, die sich auf 2.347 katholische, 370 lutherische und 491 reformierte verteilen (Fabricius 1898, S. 319, Nr. 296).
Der Jahrhundert-Eisgang von 1783/84
Das auch als „Jahrhundert-Eisgang“ oder „Eisflut“ bezeichnete Hochwasser nach dem überaus harten Winter von 1783/84 betraf als eine der größten Naturkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa auch den Rhein bei Köln (Thelen 1884). Infolge des Rekordpegels von 13,55 Metern (normal sind 3,48 Meter) nach einem Temperatursprung im Frühjahr 1784 ertranken alleine in Mülheim 21 von damals 3.100 Einwohnern. Rund zwei Drittel der Häuser wurden zerstört, darunter auch die erste Synagoge der kleinen Judengemeinde, die sich an der damaligen Freiheit Nr. 5 befunden hatte.
Entwicklung seit der Franzosenzeit
Während der Zeit der französischen Besetzung (1794-1814/15) erhob Kaiser Napoléon Bonaparte 1806 das vormalige Herzogtum Berg zum bis 1813 bestehenden Satellitenstaat des Großherzogtums Berg (von 1813-1815 interimistisch Generalgouvernement Berg) und teilte das Land in Départements, Arrondissements und Kantone ein.
Mülheim war zwischen den Jahren 1806 und 1813 Hauptort und Sitz der Verwaltungseinheit des nach französischem Vorbild in Kantone und Mairien (Bürgermeistereien) unterteilten Arrondissements Mülheim am Rhein im Département Rhein.
Das Arrondissement umfasste im Wesentlichen das Gebiet des bergischen Amts Porz sowie der Kirchspiele Overath und Lindlar aus dem Amt Steinbach sowie Teile der Ämter Löwenburg, Blankenberg und Lülsdorf sowie der Herrlichkeit Vilich.
Nach der Franzosenzeit gelangte Mülheim 1815 an das Königreich Preußen und fungierte als Kreisstadt des zwischen 1816 und 1932 bestehenden Landkreises Mülheim am Rhein im Regierungsbezirk Köln (zunächst in der preußischen Provinz Jülich-Kleve-Berg, ab 1822 in der Rheinprovinz).
Der immer wieder durch Hochwasser und Eisgang des Rheins zerstörte Ort wuchs im 19. Jahrhundert rasant zur Industriestadt und war bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg ein bedeutender Industriestandort.
Waren es um 1850 noch 6.000 Einwohner, beläuft sich deren Zahl gegen Ende des Jahrhunderts auf rund 45.000. Obgleich Mülheim bereits zum 9. August 1856 die Rheinische Städteordnung verliehen wurde, erfolgte die Anerkennung als Stadt erst im Jahr 1901. Gegen den Widerstand der Bevölkerung erfolgte auf Intervention des Regierungspräsidenten zum 1. April 1914 die Eingemeindung der Stadt Mülheim am Rhein nach Köln. Hierbei war auch der Bau einer festen Rheinbrücke zugesagt worden, womit aber erst 1927/28 begonnen wurde.
Heute ist Mühleim vor allem im Bereich der Schanzenstraße am früheren Carlswerk als Standort zahlreicher Fernsehstudios und für die dortigen Veranstaltungshallen bekannt, darunter das E-Werk und das Palladium.
Die nahe dem zentral Wiener Platz gelegene Stadthalle bietet auf rund 1.500 Quadratmetern Fläche Platz für 2.200 Besucher.
Seit den deutschen Anwerbeabkommen für so genannte „Gastarbeiter“ in den 1960ern wurde Mülheim zunehmend auch von Arbeitsmigranten vor allem türkischer Herkunft geprägt. Die auch „Klein-Istanbul“ genannte Keupstraße ist als Zentrum des türkischen und kurdischen Geschäftslebens über Köln hinaus bekannt.
Am 9. Juni 2004 wurde die Keupstraße durch einen Nagelbomben-Anschlag der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) erschüttert, bei dem 22 Menschen teils schwer verletzt wurden. Vom 7. bis 9. Juni 2014 erinnerte die Großkundgebung „Birlikte - Zusammenstehen“ in Mülheim an den Anschlag und setzte künstlerische und musikalische Zeichen gegen Rassismus und rechtsextremistische Gesinnung. In den Jahren 2015 und 2016 sowie 2024 zum 20. Jahrestag des NSU-Nagelbomben-Anschlags wurde das Gedenk- und Kulturfest fortgesetzt.
Die Schiffsprozession Mülheimer Gottestracht
Überregional bekannt ist die alljährlich an Fronleichnam stattfindende große Schiffsprozession „Mülheimer Gottestracht“. Der Begriff „Gottestracht“ bezeichnet wörtlich „Das Tragen Gottes“ - hier in Form Jesu Christi im „Allerheiligsten Sakrament des Altares“, d.h. der konsekrieten (geweihten) Hostie in dem liturgischen Schaugerät der Monstranz.
Der Beginn dieser frommen Tradition wird auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert. Die Gottestracht gilt als eine der wohl außergewöhnlichsten Fronleichnamsprozessionen weit und breit und mit regelmäßig mehr als 100 teilnehmenden Schiffen auch als eine der weltweit größten Schiffsprozessionen auf einem Fluss
Bis heute ist die Mülheimer Gottestracht ein Zuschauermagnet, bei dem zahlreiche Menschen auf den Brücken und am Rheinufer stehen und diese ganz besondere Prozession verfolgen:
„Anders als klassische Prozessionen, die meist einen festen Weg von A nach B nehmen, ist die Mülheimer Gottestracht eine Rundprozession - zu Land und zu Wasser. Die Prozession startet an der Mülheimer Liebfrauenkirche. Dann zieht der Festzug durch das Veedel bis ans Rheinufer. Dort wartet schon ein großes Schiff aus der Flotte der Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt. Auf diesem großen Schiff wird die Monstranz transportiert. Begleitet wird diese Schiffsprozession von etwa 100 weiteren Booten.
Der Schiffskorso gleitet feierlich stromaufwärts bis zur Zoobrücke und stromabwärts Richtung Stammheim - jeweils bis zu den alten Grenzen der Stadt Mülheim. Vom Rhein aus ergeht der Segen über ‚Strom und Land'.“ (www.koeln-lotse.de)
Hinweis
Die Kölner Stadtteile Deutz und Mülheim sind wertgebende Merkmale des Kulturlandschaftsbereichs Deutz, Mülheim (Regionalplan Köln 353).
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2017/2024)
Internet
www.stadt-koeln.de: Mülheim (abgerufen 02.10.2017)
www.stadt-koeln.de: Interaktive Denkmalkarte Köln (abgerufen 11.09.2024)
www.stadt-koeln.de: Kölner Stadtteilinformationen. Zahlen 2024 (PDF-Datei, 3,2 MB, Stand 31.12.2024, abgerufen 16.06.2025)
www.stadt-koeln.de: Kölner Stadtteilinformationen. Zahlen 2019 (PDF-Datei, 2,5 MB, Stand 31.12.2019, abgerufen 20.01.2022)
www.stadt-koeln.de: Kölner Stadtteile in Zahlen 2010 (PDF-Datei, abgerufen 02.10.2017)
www.ksta.de: Veedelsgeschichte(n) - Die große Mülheimer Flutkatastrophe (Text Carl Dietmar, Kölner Stadt-Anzeiger vom 24.09.2012, abgerufen 23.04.2021)
muelheimat.cologne: Kulturbunker Köln-Mülheim e. V., Stationen und Touren in Mülheim (abgerufen 18.05.2022)
www.koeln-lotse.de: Fronleichnams-Prozession „Mülheimer Gottestracht“: Wenn der Himmel den Rhein berührt (Uli, der Köln-Lotse vom 13.06.2025, abgerufen 16.06.2025)
de.wikipedia.org: Mülheim (Köln) (abgerufen 02.10.2017)
de.wikipedia.org: Winter 1783/84 (abgerufen 17.01.2020)