Die Mülheimer Gemeinde blieb bis ins 19. Jahrhundert klein. Seit 1864 umfasste sie auch die Orte Merheim, Bergisch Gladbach, Bensberg, Odenthal und Overath. 1929 traten die Mülheimer Juden der Kölner Gemeinde bei.
Gemeindegröße um 1815: ohne Angabe, um 1880: 174 (1885), 1932: Etwa 200 (1930) zu Köln, 2006: –. (vorstehende Angaben nach Reuter 2007)
Die erste Synagoge (bis 1784)
Das auch als „Jahrhundert-Eisgang“ oder „Eisflut“ bezeichnete Hochwasser von 1784 nach dem überaus harten Winter 1783/84 betraf als eine der größten Naturkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa auch den Rhein bei Köln. Infolge des Rekordpegels von 13,55 Metern (normal sind 3,48 Meter) nach einem plötzlichen Temperatursprung im Frühjahr 1784 ertranken alleine in der damals noch eigenständigen Stadt Mülheim 21 Personen. Rund zwei Drittel der Häuser wurden zerstört, darunter auch das erste Gotteshaus der Mülheimer Judengemeinde, welches sich an der damaligen Freiheit Nr. 5 befunden hatte.
„Wann die erste Synagoge gebaut wurde, ist nicht bekannt, Dokumente existieren über sie nicht mehr.“ (www.geschichtswerkstatt-muelheim.de)
Die zweite Synagoge (1788/89 bis 1938/56)
Nur wenige Jahre später konnte an gleicher Stelle ein von dem Mülheimer Baumeister Wilhelm Hellwig entworfener Neubau eingeweiht werden (nach Reuter 2007 im Jahr 1788, de.wikipedia.org nennt eine Bauzeit zeitgleich zur ebenfalls durch den Eisgang zerstörten Deutzer Synagoge von „um 1788/1789“).
„Die Anordnung der Anlage begann an der Straßenfront mit einem Schulgebäude, an welches sich der mit einem vierseitig abgewalmten Dach versehene Synagogenbau anschloss.“ (de.wikipedia.org)
Das Gotteshaus verfügte über eine Männerabteilung mit 17 Bänken und eine Frauenabteilung mit 4 Wandbänken. Ein Inventar von 1851 nennt sieben auf Pergament geschriebenen Thorarollen als wichtigste Mobilargegenstände.
Die Lehrerin der Schule Cilli Marx beschrieb die Synagoge im Jahr 1929 als „… klein und äußerlich unscheinbar. Sie wirkte feierlich mit einer inneren hohen, blauen Kuppel und goldenen Sternen. Der fünfseitige Vorbau zum Hof enthielt einen Chuppastein [eine Art Baldachin, Verf.], eingemeißelt der Spruch: 'Viel Glück! Eine Stimme der Wonne und eine Stimme der Freude, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut. Im Jahre 549 (1788/89) der kleinen Zeitrechnung.'“
Die Schule wurde von den jüdischen Kindern in Mülheim besucht, bevor der Unterricht ab dem Jahr 1871 mangels Teilnehmern auf den Religions- und Hebräischuntericht beschränkt wurde.
Während der nationalsozialistischen Novemberpogrome wurde die Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938 angezündet und offenbar weitgehend zerstört. Im Zuge der Übertragungen ehemals jüdischen Besitzes wurde das 85 Quadratmeter große Grundstück mit der Synagogenruine am 7. August 1942 für 12.500 Reichsmark an Köln-Mülheimer Eheleute verkauft, deren hier erbautes Wohnhaus dann 1944 durch Bombenangriffe total zerstört wurde.
Nach der NS-Zeit stellte die wieder gegründete Synagogengemeinde Köln zum 1. Juli 1948 einen Antrag auf Rückerstattung für das Grundstück. Die Wiedergutmachungskammer des Landgerichtes Köln verfügte zum 20. April 1954 die Herausgabe gegen eine Entschädigung von 140 DM an die hinterbliebene Ehefrau (was etwa 1.000 Reichsmark entsprach).
Die verbliebenen Ruinen der Gebäude wurden im Sommer 1956 abgetragen (Reuter 2007). An der Stelle des früheren Gemeindehauses entstand später ein Mehrfamilienhaus.
Gedenktafel
Am Haus Mülheimer Freiheit 78 befindet sich eine undatierte Gedenkplatte mit der in Versalien gehaltenen Inschrift:
Im Hause Mülheimer Freiheit 78 / befand sich bis 1938 /
die Mülheimer Synagoge / Sie wurde ebenso wie die / kleine Religionsschule für /
jüdische Mülheimer Kinder / am 9.11.1938 zerstört.
Lage und Objektgeometrie
Der Standort des vormaligen Gotteshauses lässt sich anhand der vorliegenden historischen Karten nicht genau bestimmen, auch die topographischen Karten TK 1936-1945 weisen die Synagoge und deren Nebengebäude nicht gesondert aus (vgl. Kartenansicht). Die Objektgeometrie hier daher symbolisch auf der Parzelle der heutigen Mülheimer Freiheit 78 eingezeichnet. Ergänzende Hinweise zur früheren Lage der Synagoge sind willkommen!
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2021/23)
Internet
www.geschichtswerkstatt-muelheim.de: Die Synagoge Mülheimer Freiheit 78 (abgerufen 17.01.2020)
www.geschichtswerkstatt-muelheim.de: Juden in Köln-Mülheim und ebd. gleichnamiger PDF-Download mit Abbildungen der Gebäude auf den S. 31-33 (PDF-Datei, 1,2 MB, abgerufen 17.01.2020)
www.future-history.eu: Ansicht der Synagoge Mülheimer Freiheit 1930/2018 (abgerufen 20.01.2020)
www.future-history.eu: Ansicht der Synagoge Mülheimer Freiheit 1956/2018 (abgerufen 20.01.2020)
de.wikipedia.org: Jüdische Geschichte in Köln (abgerufen 17.01.2020)
de.wikipedia.org: Winter 1783/84 (abgerufen 17.01.2020)