Erfreulicherweise ist ein Hochwasser in Riehl zurzeit kein aktuelles Thema. Jahrhunderte lang mussten aber die Menschen hier mit den verheerenden Hochwassern und ihren Folgen leben, die die Ansiedlung am Rhein immer wieder beeinträchtigten. Einige der schlimmsten Ereignisse und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen sollen im Folgenden dargestellt werden.
Das Hochwasser von 1784, der „Jahrhundert-Eisgang“ Am 27./28. Februar des Jahres 1784 erreichte der Rheinpegel den höchsten jemals gemessenen Stand in Köln. Dieses Hochwasser ging mit einem Eisgang einher, der durch einen Stau bei Niehl das Wasser auf 13,84 Meter (nach heutigem Pegel, zeitgenössisch 12,60 Meter, vgl. Dietmar 1991) anschwellen ließ und die damals noch eigenständige Stadt Mülheim stark beschädigte. Johann Leonhard Thelen berichtet ein Jahrhundert später von der „Eisflut“ (ebd., 1884): „Die am linken Ufer des Rheins gelegene Herrschaft Riehl war bei dem am 27. Hornung (der Monat Februar, Verf.) erfolgten Ausbruch des Rheins sehr hart mitgenommen. Viele Häuser wurden gleich anfangs weggerissen und noch mehr bis zum Einsturz beschädigt. Etliche 30 Menschen wurden in augenscheinlichste Gefahr versetzt“.
Zum Schutz der Bewohner von Riehl und Nippes wurde in den nächsten Jahren ein Damm angelegt, dessen Reste noch lange im Bereich des Zoos und der ehemaligen Radrennbahn zu erkennen waren. Dieser neue Damm hielt aber nicht lange, denn bereits bei dem Hochwasser von 1845 mit 10,34 Meter wurde er zum Teil fortgespült und das Wasser „vernichtete die kümmerlichen Reste des alten bäuerlichen Riehls“.
Im Mittelalter befanden sich in Riehl herrschaftliche Höfe, Weingüter, Bauernhöfe, ein Siechenhaus, eine Münzprägestätte und ein Kloster. Durch die vielen Hochwasser wurde immer wieder alles zerstört und Riehl konnte sich am alten Ort, an der heutigen Frohngasse, nicht mehr entwickeln. Durch den Bau des Zoos (1857-1860) und des botanischen Gartens Flora (ab 1862) konnte sich der Ort zudem auch nicht mehr weiter landeinwärts ausdehnen. Weiterhin muss gesehen werden, dass durch die Rayonbestimmungen des preußischen Militärs in dem Bereich keine festen Bauten errichtet werden durften (damit ein freies Schussfeld verblieb, durften vor Militäreinrichtungen wie z.B. dem nahegelegenen Fort XI keine festen Gebäude stehen, vgl. Broschüre Riehl 2019). Das waren die Gründe, warum um 1875 durch die Gemeindeverwaltung festgelegt wurde, den Ort ca. 1000 Meter nördlich an den Stammheimer Weg (heute Stammheimer Straße) zu verlegen.
Erste Sicherungsbauten und das Winterhochwasser von 1882/1883 Der Bauunternehmer Peter Steinbüchel erhielt den Auftrag, das neue Riehler Gebiet – das war der Bereich zwischen dem Rhein, der heutigen Amsterdamer Straße und der Boltensternstraße – hochwassersicher zu planen. Hierzu mussten die Straßen und die Baugrundstücke auf die Höhe 9,75 Meter (nach altem Pegel) aufgeschüttet werden. Das erste Haus, das fertig gestellt wurde, war das heutige Haus Stammheimer Straße 101a. Bei dem Winterhochwasser von 1882/83 mit 10,52 Meter stand dieses Haus wie auf einer Insel mitten in einem See. Gleichzeitig wurde damals der Zoo sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Es stürzte nicht nur die Zoomauer ein, es mussten auch einige Tiere im Tanzsaal von Wattler's Fischerhaus untergebracht werden. Zügig wurde nun der Ort, beginnend an der Stammheimer und Hittorfstraße ausgebaut, nachdem die Straßenzüge und Baugrundstücke um ca. 2 Meter mit Rheinkies aufgeschüttet wurden. Heute sieht man noch, dass viele Gärten und Höfe hinter den Häusern nicht verfüllt wurden und somit häufig tiefer liegen.
Auch als die Militärverwaltung 1906 die Kaserne Boltensternstraße auf einem Teil der Mülheimer Heide (das Gebiet zwischen der heutigen Boltensternstraße und dem Rhein) plante, sah die Bauverwaltung eine Anhebung des Grundstücks und der östlichen Fahrbahn der Boltensternstraße um zwei Meter vor, um die Anlage und Zufahrt hochwassersicher zu machen. Lediglich um die westliche Fahrbahn wollte sich niemand kümmern. Das sollte sich aber schon bald rächen.
Die Hochwasser von 1919/1920 und von 1926 Einen neuen Hochstand erreichte der Rhein zum Jahreswechsel 1919/20 mit 10,58 Meter nach neuem Pegel (bzw. 9,59 Meter nach altem Pegel) am 16. Januar 1920. Wenn man sieht, dass das Rheinufer bei Riehl ca. 34 Meter über NN liegt, ist nachvollziehbar, dass bei einem Hochwasser von 10,58 Meter (also ca. 7 Meter über dem Normalwasserstand) Teile von Riehl überflutet wurden. Die Ecke Riehler Straße / Boltensternstraße stand dadurch etwa einen Meter unter Wasser. Dieses Hochwasser ist sehr umfangreich durch Fotos dokumentiert, denn die in der Zeit in Riehl stationierten britischen Soldaten ließen viele Postkarten anfertigen, die sie in ihre Heimat versandten.
Durch die Höherlegung des Orts und der Kasernen waren dagegen diese Bereiche des neuen Riehls und der Kaserne Boltensternstraße geschützt. Die alte Höhenlage kann man heute noch an dem Grundstück der ehemaligen Gaststätte Monheimer Hof erkennen. Heute befindet sich hier bei der alten Höhenlage ein Neubau mit der Anschrift Riehler Straße 233 / Boltensternstraße 1. Damit die Soldaten und Menschen, die in Riehl lebten, während der Überflutung den jeweils anderen Teil des Ortes erreichen konnten, wurde zunächst ein Bootsverkehr über die Boltensternstraße eingerichtet, später bauten britische Soldaten, die in der Zeit in der Kaserne stationiert waren, Stege über das Wasser (vgl. Abbildungen).
Schon im Jahr 1926 wurde Köln wieder von einem noch höheren Wasserstand heimgesucht. Der Pegel maß am 1. Januar 1926 eine Höhe von 10,69 Meter.
Hochwasserschutz im Zuge des Baus der Mülheimer Brücke 1927-1929 Aus diesen beiden Hochwassern zog die Verwaltung der Stadt Köln Konsequenzen und errichtete im Zusammenhang mit dem im Jahr 1927 begonnenen Bau der Mülheimer Brücke 1929 ein Vorflutgelände auf der Riehler Seite und einen neuen Damm im Verlauf des Niederländer Ufers bis zum Molenkopf nach Niehl. Bei dieser Baumaßnahme wurde das Erdreich knapp über dem Rheinufer um ca. 3 Meter über eine Breite von ca. 180 Meter abgetragen und zu einem ca. 10 Meter hohen und 20 Meter breiten hohen Damm aufgeschüttet, der in Verlängerung des Niederländer Ufers bis zum Molenkopf in Niehl reichte. Dadurch war Riehl bei einem Hochwasser bis ca. 10 Meter (alter Pegel) geschützt. Durch das neu geschaffenen Vorflutgelände wurde Mülheim bei Hochwasser entlastet, weil sich das Wasser bis zum Damm in Riehl ausdehnen konnte. Durch diese Baumaßnahmen gingen aber große bebaute Flächen von Riehl verloren, wie z. B. das alte Schwimmbad an der Schiffbrücke und die Gaststätte Mülheimer Häuschen. Dieser Deich schützte nun ab 1929 Riehl und seither blieb der Stadtteil auch von weiteren Hochwasserereignissen verschont.
Weitere starke Eisgänge auf dem Rhein gab es 1929 durch langanhaltenden Frost bei -22 °C, dann nochmals im Jahr 1952 sowie mit vier Monaten Frost zum Jahreswechsel 1962/63, als bis zu 25 cm dicke Eisschollen den Schiffsverkehr erheblich behinderten (www.riehler-geschichten.koeln).
Jüngere Hochwasserschutzmaßnahmen In diesem Zusammenhang soll nicht unberücksichtigt bleiben, dass nicht nur das direkte Hochwasser in früherer Zeit eine Bedrohung für Riehl war. Auch das in der Folge steigende Grundhochwasser richtete Schäden an. Darüber können die Bewohner der etwas tiefer gelegenen Grundstücke im Viertel am Botanischen Garten ihr Leid klagen, weil sich das Wasser durch die Mauern der Kellergeschosse ins Haus drückte. Hier brachte erst die Pumpstation an der Amsterdamer Straße, die im Zusammenhang mit dem Bau der Zoobrücke (1962-1966) errichtet wurde, eine Linderung. Um 1978/1979 wurde im Zuge von Hochwasserschutzmaßnahmen auch endlich die westliche Fahrbahn der Riehler Boltensternstraße angehoben (vgl. Abbildung).
Nach den bedrohlichen Wasserständen von 1993 und 1995 mit Pegeln von jeweils über 10,60 Meter wurde das Hochwasserkonzept der Stadt Köln überarbeitet. Seitdem werden neben sowohl massiv verbauten wie auch mobil einsetzbaren Schutzwänden für niedrig gelegene Uferbereiche der Stadt auch insgesamt 35 Pumpanlagen zur Eindämmung der Hochwasser eingesetzt – darunter auch acht große Pumpwerke, wie die in der Merkenicher Straße und der Sankt-Leonardus-Straße in Niehl oder das am Bayenthaler Gustav-Heinemann-Ufer. Der heute maßgebliche (neue) Kölner Pegel befindet sich bei Stromkilometer 688 im 1951 neu erbauten Pegelhaus an der Frankenwerft (etwas nördlich der Deutzer Brücke). Sein Pegelnullpunkt befindet sich nach der letzten Festlegung vom 1. November 2019 auf einer Höhe von 35,038 Metern über Normalhöhennull (NHN).
Heute gelten ab einem Pegel von 6,20 Meter ü. NHN erste Einschränkungen für die Schifffahrt, die ab einem Pegelstand des Rheins von 8,30 Meter eingestellt wird. Ab 9,80 Meter wird der Rheinufertunnel geschlossen und ab einem Pegel von 10,70 Meter sieht der Kölner Hochwasserplan die Auslösung des Katastrophenalarms vor. Dank neuer Schutzmaßnahmen nach den Hochwassern von 1993 und 1995 wird die Altstadt erst bei 11,30 Metern überflutet und mobile Schutzwände sollen seither auch Riehl bis zu einem Hochwasser von 11,70 Metern schützen.
(Joachim Brokmeier, Bergisch Gladbach, 2021)
Quelle Broschüre „Riehl, ein Rundgang mit Tiefgang“ (Textredaktion Joachim Brokmeier), Stadt Köln 2019.
Internet www.steb-koeln.de: Stadtentwässerungsbetriebe Köln, Hochwasser-und Überflutungsschutz (abgerufen 19.04.2021) www.elwis.de: Wasserstände & Vorhersagen an schifffahrtsrelevanten Pegeln, Pegel Köln (abgerufen 19.04.2021) www.ksta.de: Veedelsgeschichte(n) – Die große Mülheimer Flutkatastrophe (Text Carl Dietmar, Kölner Stadt-Anzeiger vom 24.09.2012, abgerufen 23.04.2021) www.riehler-geschichten.koeln: Eis auf dem Rhein (Text Joachim Brokmeier, abgerufen 30.01.2023) de.wikipedia.org: Winter 1783/84 (abgerufen 19.04.2021) de.wikipedia.org: Pegel Köln (abgerufen 19.04.2021)
Köln-Riehl, Geschichte(n) aus dem Veedel. (Heimatarchiv.) Erfurt.
Brokmeier, Joachim (2008)
Köln-Riehl, ein Stadtteil mit langer Tradition. (Heimatarchiv.) Erfurt.
Dietmar, Carl (1991)
Die Chronik Kölns. Dortmund.
Thelen, Johann Leonhard (1884)
Ausführliche Nachricht von dem erschrecklichen Eisgange, und den Ueberschwemmungen des Rheines, welche im Jahre 1784 die Stadt Köln, und die umliegenden Gegenden getroffen. Einer alten Darstellung derselben aus dem Schreckensjahre selbst nacherzählt. Anhang: Nachrichten über Eisgänge und Ueberschwemmungen früherer Jahrhunderte. Mülheim am Rhein.
Rheinhochwasser und die Auswirkungen auf Riehl seit 1784
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