Kurort Bad Neuenahr

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Bad Neuenahr-Ahrweiler
Kreis(e): Ahrweiler
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 32′ 32,74″ N: 7° 08′ 12,32″ O 50,54243°N: 7,13676°O
Koordinate UTM 32.367.979,56 m: 5.600.600,77 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.580.622,62 m: 5.601.362,23 m
  • Kurort Bad Neuenahr - Postkarte

    Kurort Bad Neuenahr - Postkarte

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    Bad Neuenahr 1850 und heute

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  • Ausschnitt aus der Preußischen Uraufnahme 1843-1878

    Ausschnitt aus der Preußischen Uraufnahme 1843-1878

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    Kurhaus Bad Neuenahr (2009)

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  • Kurgartenbrücke mit Kurhotel Bad Neuenahr (2013)

    Kurgartenbrücke mit Kurhotel Bad Neuenahr (2013)

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    Kurhaus mit Spielbank Bad Neuenahr (2013)

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    Großer Sprudel im Kurpark von Bad Neuenahr (2013)

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    Willibrordus-Sprudel im Kurpark Bad Neuenahr (2013)

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    Beethoven-Flötenuhr in Bad Neuenahr (2013)

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    Uferlichter in Bad Neuenahr (2015)

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    Uferlichter in Bad Neuenahr (2015)

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  • Martin Luther Kirche in Bad Neuenahr (2015)

    Martin Luther Kirche in Bad Neuenahr (2015)

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    Kurpark Bad Neuenahr

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    Kurpark Bad Neuenahr

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    Kurpark Bad Neuenahr - Kuranlagen mit Wandelhalle

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Georg Kreuzberg war die entscheidende Persönlichkeit, der in erster Linie die Entstehung des Badebetriebs in den drei zur Gemeinde Wadenheim gehörenden Dörfern Wadenheim und Hemmessen links und Beul rechts der Ahr zu verdanken ist.

Ab 1852 arbeitete Georg Kreuzberg darauf hin, neben seinem Mineralwasserhandel auch einen Kur- und Badebetrieb in der Gemeinde Wadenheim zu etablieren.

Vom Brunnen zum Bad
Entwicklung Bad Neuenahrs und des Tourismus im Ahrtal ab den 1860er Jahren
Die Verkehrserschließung des Unteren Ahrtals als Voraussetzung für die weitere Entwicklung Bad Neuenahrs
Der Ausbau und die Blüte Bad Neuenahrs 1875-1914/18
Der erste Strukturwandel: Bad Neuenahr und seine kleinen Imitatoren 1919-1945
Bad Neuenahrs Dominanz 1948-1982
„Wellness“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Der vierte Strukturwandel: Das städtische Heilbad Bad Neuenahr seit 2013
Quellen, Literatur

Vom Brunnen zum Bad
So spektakulär dieses Engagement Georg Kreuzbergs ab 1853 im Mineralwasserhandel schon war, seine zweite Initiative im Jahr 1852 sollte hinsichtlich des Tourismus im Ahrtal eine noch viel größere Auswirkungen erlangen. Der Vermutung des Geologen und Chemikers Karl Gustav Bischof, der Apollinaris Brunnen sitze auf einem äußeren Quellarm und eine wesentlich wärmere Quelle müsse in der Nähe liegen, ging Kreuzberg noch im Sommer 1852 nach. Von Südwesten nämlich, also vom Neuenahrer Berg her, lief wärmeres Wasser in den Quellschacht des Apollinaris Brunnens. Dass es im rechts der Ahr am Fuß des Neuenahrer Berges gelegenen Beul eine Reihe von Mineralquellen gab, muss schon lange bekannt gewesen sein, wie ein Vermerk des Gemeindevorstehers von 1820 zeigt. Ebenso bekannt war, dass die Brunnen bereits bei geringer Tiefe warmes Wasser lieferten. Zudem besaß das Gebiet des heutigen Kurgartens den Flurnamen „auf der Brunnenwies“, so dass Kreuzberg durch seine lokalen Kenntnisse, aber auch Bischof genügend Hinweise hatten, wo man mit Bohrungen ansetzen könnte. Nur war das Gelände, das unmittelbar an einer in vielen Armen und zwischen Sandbänken verlaufenden Ahr lag, klein parzelliert und landwirtschaftlich genutzt. Mit welchem Bauern sollte man sich einigen? Es traf sich günstig, dass die Höfe eines Brüderpaars aneinander grenzten und just in ihrem Brunnen immer warmes Wasser nachströmte, wenn man zum Spülen von Weinfässern zuvor größere Wassermengen entnommen hatte. Am 29. Juni 1852 schloss Kreuzberg mit diesen Brüdern einen Nutzungsvertrag (RITTER 2008a, Folge 24), hier nach „Mineralwasser u. heißen Quellen, jedoch auf seine Kosten zu suchen, und im Falle sich solche vorfinden, übertragen wir Herrn Georg Kreuzberg das alleinige Recht der Benutzung respective Ausbeutung derselben. - Dagegen verpflichtet sich Herr Georg Kreuzberg uns von dem daraus zu erzielenden Nutzen zu einem Drittel zu betheiligen u. gilt dieses für unsere Entschädigung. Sollte sich bey drey Jahren den Nachforschungen ein ungünstiges Resultat heraus stellen, so ist Georg Kreuzberg verpflichtet alles in den alten Zustand wieder herzustellen. - Ueberhaupt trifft bei der ganzen Speculation die Winzer Heinr. Jos. Steinborn und Bert. Steinborn kein Anteil an den Auslagen, sondern sind sie lediglich an dem möglicher Weise zu erzielenden Nutzen, d.h. Netto Gewinn für ein Drittheil betheiligt. Die übrigen zwei Drittel sind Antheil des Herrn Georg Kreuzberg, insofern denselben alle Auslagen treffen und er die Speculation übernimmt, und steht ihm auch allein das Recht zu die Art und Weise derselben zu bestimmen.“ Bevor Kreuzberg mit Bohrungen beginnen konnte, musste der Gemeinderat von Wadenheim, der auch für das benachbarte Beul zuständig war, seine Genehmigung erteilen, die dann vom Landrat noch zu bestätigen war, bei der Suche nach „´Mineralquellen jeder Art` auch ´unter den Gemeindewegen hergraben` und etwa gefundenes Quellenwasser auf ein ihm gehörendes Grundstück leiten sowie auch ´eventuell beim Abfluß unter den Gemeindewegen hergehen zu dürfen`. Diese Konzession war an die Zusicherung Kreuzbergs geknüpft, jene Wege nicht zu beschädigen und, wenn es zur Fassung von Quellen kommen sollte, den Eingesessenen die Wasserentnahme für den eigenen Gebrauch zu bestimmten Zeiten zu gestatten“ (FRICK 1958, S.19). Das geschah am 11. und 15. Juli, sowie 1. August 1852, so dass Versuchsgrabungen zur genaueren Eingrenzung eines Bohrpunktes nach dem 20. August 1852 begannen. Hält man sich vor Augen, dass er gleichzeitig mit dem Aufbau des Apollinaris Brunnens beschäftigt war, wird deutlich, in welchem Maße er hier ein unternehmerisches Risiko einging, das noch dadurch erhöht wurde, dass er nicht der Einzige war, der jetzt in Beul Thermalwasser suchte. FRICK (ebda.) zitiert einen Bericht des Landrats vom 2. Oktober 1852 an die Koblenzer Regierung: „In dem Dorfe Beul, Bürgermeisterei Ahrweiler, ist man mit dem Aufsuchen warmer Quellen beschäftigt, und wäre es sehr wünschenswert, wenn dieses Unternehmen von einem Erfolg gekrönt würde, wodurch die fast verarmte Ahr wieder etwa(s) in Flor geraten würde. Die Versuchsarbeiten werden bis jetzt von zwei Gesellschaften getrennt betrieben, deren wünschenswerte Vereinigung bis jetzt noch nicht hat erzielt werden können.“
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Aber auch unabhängig von der sogenannte Ahrkorrektion, der Begradigung der Ahr im heutigen Stadtgebiet Bad Neuenahr-Ahrweilers, hatten Kreuzberg und Bischof bis 1856 über 100 Parzellen, die ziemlich zusammenhingen, in ihr Eigentum gebracht. Das setzte Kreuzberg auch in die Lage, seine bäuerlichen Vertragspartner vom 29. Juni 1852, denen er ja ein Drittel des Gewinns zugesagt hatte, regelrecht auszutricksen: Als sich abzeichnete, dass eine Bohrung auf ihrem Grundstück tatsächlich erfolgreich sein würde, ließ er davon ab und bohrte mit Erfolg auf einem ihm inzwischen gehörenden unmittelbar benachbarten. Aber es bedurfte trotzdem eines dreijährigen langen Atems, ehe Kreuzberg und Bischof 1856 von fünf gefundenen Quellen drei auch mit Fassungen versahen und durch den örtlichen Arzt auf ihre Tauglichkeit für Heilzwecke überprüfen ließen, von denen schließlich zwei 1858 am Beginn des Kurbetriebs standen. Ihr Wasser sei dem von Ems und wegen des höheren Kohlensäuregehalts eher noch Vichy vergleichbar, urteilten damalige Fachleute. Doch bevor es so weit war, den Kurbetrieb aufzunehmen, mussten weitere Probleme gemeistert werden. Bischof, der mit den erschlossenen Quellen und dem inzwischen erworbenen Grundbesitz den Schlusspunkt seines Engagements sah und das gesamte Objekt wieder zu Geld machen wollte, fügte sich nach längerem Zaudern nur unwillig in die Absicht Kreuzbergs, eine Aktiengesellschaft zu begründen. Schließlich gab er aber im März 1857 gegen eine Abfindung seine Anteile an eine Kommanditgesellschaft ab. Deren Vorsitz übernahm bis 1863 Kreuzberg als erster Kurdirektor, der umgehend mit Anzeigen in Köln und anderen großen Städten erfolgreich Kapital für den infrastrukturellen Ausbau eines Badebetriebs einwarb. Genau das war eben zur gleichen Zeit „Heilbronn“ im Brohltal und Sinzig nicht gelungen. Der als Kaufmann und Weinhändler erfahrene Kreuzberg mit seinen Beziehungen zu Persönlichkeiten mit Einfluss und Kapital war da seinen Konkurrenten wohl deutlich überlegen. Außer ihm selbst gehörten dem Verwaltungsrat der Kommanditgesellschaft nur Kräfte an, die nicht aus dem Ahrtal stammten: Justizrat Adams (Koblenz), Graf Fürstenberg-Stammheim (Stammheim), Landrat Anton Fonck (Adenau), Landrat Wilhelm Alexander Freiherr von Hövel (Ahrweiler), Dr. Velten (Aachen) und Freiherr von Waldbott-Bassenheim-Bornheim (Koblenz). KEßLER (1975, S.112) betont aber auch Kreuzbergs Probleme, in einem noch nicht entwickelten deutschen Bankenwesen an Kredite zu gelangen, und begründet so seine relativ vorsichtige Investitionsstrategie, nach und nach die für einen Badebetrieb notwendigen Gebäude zu errichten.
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Entwicklung Bad Neuenahrs und des Tourismus im Ahrtal ab den 1860er Jahren
Für Wadenheim, Beul und Hemmessen ist der Effekt von Kreuzbergs Impulsen auch statistisch an den Einwohnerzahlen messbar. Vergleicht man diese Dörfer, in der folgenden Tabelle als „Neuenahr“ zusammengefasst, mit Altenahr, Ahrweiler, Heimersheim, Bodendorf, Sinzig und Remagen, erkennt man die Dynamik des jungen Bades mit einem Zuwachs von circa 30% zwischen 1840 und 1867 gegenüber dem ruhigeren Wachstum Ahrweilers (15%) und selbst des Zentrums der Ahr-Romantik Altenahr (15%). Das unmittelbar neben Wadenheim liegende Dorf Heimersheim verzeichnete mit 13% Zuwachs kaum weniger. Dagegen stagnierte Sinzig, und Bodendorf verlor sogar 10%. Nur Remagen konnte sich mit dem entstehenden Bade Neuenahr messen, denn im Gefolge der Rheinromantik profitierte es von seiner Schiffsanlegestelle, der neuen Apollinariskirche als spektakulärem Bau sowie dem Eisenbahnanschluss seit 1858 und wuchs um 37%. Die Bedeutung des Fremdenverkehrs für den Bevölkerungszuwachs gerade in diesen Orten war auch dem amtierenden Ahrweiler Landrat, Rudolf Felix August Edler von Groote zu Kendenich klar, der in der „Statistik des Kreises Ahrweiler“ (1863, S.10) „… von der großen Masse der Reisenden (sprach), welche in der schönen Jahreszeit in den Gasthöfen zu Rolandswerth, Remagen, Bad Neuenahr, Altenahr und Ahrweiler vorübergehend, jedoch einander ablösend, sich aufhalten und der ganzen Gegend eine veränderte Physiognomie verleihen …“

Aber bis 1885 erlebte allein Neuenahr erneut einen ungewöhnlich starken Zuwachs (55%), während Sinzig um ca. 40% und die anderen lediglich um die 7-20% wuchsen. Bis 1905 bekommt wieder Neuenahr den bisher überhaupt stärksten Zuwachs (67%), gefolgt von Ahrweiler (30%), Heimersheim (26%), Sinzig (22%), Remagen (18%), Altenahr (9%) und Bodendorf (1%). Zweifellos strahlte das durch den Tourismus induzierte Wachstum Neuenahrs auf die unmittelbaren Nachbarn Ahrweiler und Heimersheim aus. Remagen und Sinzig erlebten im Gefolge einer bescheidenen Industrialisierung einen gewissen Aufschwung. Nur Bodendorf, zwischen den Wachstumspolen Neuenahr und Rheinstädte gelegen, stagnierte: Sein Weinbau litt schwer unter Reblausbefall, Tourismus gab es nicht, und Viele suchten Beschäftigung außerhalb, sei es am Rhein, sei es in Neuenahr.

Tabelle: Ausgewählte Einwohnerzahlen an Mittel- und Unterahr 1828-1905
1828
1840
1867
1885
1905
Altenahr
611
674
780
874
957
Ahrweiler
2.989
3.395
3.814
4.346
5.664
Neuenahr1
1.030
1.005
1.300
2.025
3.386
Heimersheim2
1.108
1.179
1.328
1.588
2.006
Bodendorf
460
597
539
577
583
Sinzig
1.542
1.832
1.865
2.581
3.154
Remagen
1.689
2.027
2.783
3.223
3.806
1 Wadenheim, Beul, Hemmessen
2 inclusive Heppingen und Ehlingen
Quellen: v. Restorff 1830, S.655; Topogr. stat. Übers. Reg.bez. Coblenz 1843; Die Gemeinden und Gutsbezirke d. Rheinprov. 1874; Gemeindelexikon 1888; Gemeindelexikon 1908
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Nicht zuletzt auf dem Hintergrund der politisch angespannten Jahre von 1864 bis 1871, in denen Preußen mehrfach Kriege (Dänemark, Österreich, Frankreich) führte und ein deshalb nervöser Kapitalmarkt dem Kreditbedarf der Aktiengesellschaft entgegenstand, schritt der tatsächliche Wandel der drei Bauerndörfer zu einem Badeort langsamer voran als das neue Selbstbewusstsein des Gemeinderats. Die Kurgästezahlen reagierten auf die Kriegsjahre mit deutlichen Einbrüchen. Allerdings unterscheiden die Quellen nicht durchgängig präzise zwischen Kurgästen und „Passanten“, so dass letztere durchaus zum Teil in den Kurgastzahlen enthalten sein können, wie ein Blick auf die Zahl der ausgegebenen Kurkarten nahelegt. Vielleicht erklärt sich die Differenz aus Kurgästen und Kurkarten auch aus dem Umstand, dass nur Nutzer der Einrichtungen der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr Kurkarten erhielten, andere jedoch nicht. Die Gästezahlen insgesamt sind nicht bekannt. Bedenkt man, dass während der Kriege (1866, 1870/71) Hotels als Ersatzlazarette dienen mussten und danach viele Soldaten vor allem in wegen der Kosten einfacheren Quartieren ihre Verletzungen auskurierten, wird klar, dass sich in den Kurgästezahlen einige Jahre lang eine Veränderung der Gästestruktur verbirgt. Die zahlungskräftige Klientel ist stärker zurückgegangen, als es die undifferenzierten Gästezahlen zeigen. In den Quellen differieren die Zahlen etwas, in der Größenordnung stimmen sie jedoch überein.

Seit dem 9. Juni 1875 hießen Wadenheim, Beul und Hemmessen „Gemeinde Neuenahr“ mit einem eigenen Bürgermeister. Sie hatten damit die Abhängigkeit vom „Bürgermeistereiverband Ahrweiler“ beendet und sich voll zu ihrer neuen Identität bekannt.
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Am Ende der Amtszeit (30. Juni 1863) des Badbegründers, des ersten Vorsitzenden der Aktiengesellschaft und damit ersten Kurdirektors, Georg Kreuzberg, konnte der bald 67-Jährige eine stolze Bilanz ziehen:
  • Ein florierender Apollinaris Brunnen, den er auch weiterhin leitete;
  • ein wachsender Kurbadebetrieb mit ergiebigen Quellen, zwei Badehäusern, einem Kurhaus und großem Parkgelände mit Promenaden in einem Bereich der Ahr, der noch zehn Jahre zuvor von wilden Armen, Kiesbänken, einigen Wiesen und Äckern geprägt war;
  • eine Vielzahl durch sein Engagement ausgelöster privater Folgeinvestitionen ins Unterkunftsgewerbe, Geschäftsleben und medizinische Angebot. Von kleinsten Anfängen 1858/59 ausgehend boten nur fünf Jahre später, 1863, 14 Hotels und 7 Privatpensionen über 600 Gästebetten an.
Georg Kreuzberg war nicht im wörtlichen Sinne der „Entdecker“ des Apollinaris Brunnens und der Heilquellen des Bades Neuenahr in Beul gewesen, denn die Existenz von Quellen war längst bekannt, diese nur nicht verwertet. Erst der „Kaufmann“ Georg Kreuzberg, der auch mit Wein zu handeln verstand, hat die Mineral- und Thermalquellen vor Ort im echten Sinne „in Wert gesetzt“, den Apollinaris Brunnen industriell, die Heilquellen touristisch.

Das entlang der begradigten Ahr gelegene, für den Ausbau zum Kurort vorgesehene Areal zwischen Wadenheim und Beul durfte sich ab dem 27. Oktober 1857 offiziell „Bad Neuenahr“ nennen, während die drei Gemeinden Wadenheim, Beul und Hemmessen zusammen diesen Namen ohne „Bad“- Zusatz erst 1875 annahmen und seit 1927 auch mit „Bad“ führen dürfen. Mit neuem Kapital im Rücken hatte die Kommanditgesellschaft schon im September 1857 aus Privatbesitz weitere beträchtliche Flächen im Anschluss an das Quellgebiet erworben und dann noch mit der Gemeinde Wadenheim am 8. November 1857 einen umfangreichen Kauf- und Sicherungsvertrag geschlossen. Dieser regelte eine Besitzübertragung der früheren Kiesbänke auf annähernd einem Kilometer Länge durch die Gesellschaft, die sich infolge der Flussbegradigung an beiden Ufern in nutzbares Gelände umwandeln ließen. 1859 erfolgte durch erneuten Zukauf eine Verlängerung um weitere hundert Meter. Die Gesellschaft würde nicht alles selber brauchen, aber, so urteilt KEßLER (1975, S.113), „die Idee vom Reserveflächenkauf (erwies sich als) genial und weitsichtig. Der Landkauf des zusammenhängenden Gemeindelandes an der Ahr wirkt bis in die Gegenwart entwicklungsfördernd.“ „Damit stand also der Gesellschaft ein ganz erheblicher Teil jenes Geländes zur Verfügung, das später für den Kurgarten, das Kurviertel um das Kurhotel sowie für die Alleen beiderseits der Ahr mit ihren Wiesen und anderen Anlagen gebraucht wurde“ (FRICK 1958, S.14). Der Potsdamer Generalgartendirektor Peter Josef Lenné selbst hatte die Pläne für umfangreiche Parks entworfen. Nach 1861 wurde nicht benötigtes Land mit erheblicher Wertsteigerung als Bauland für Hotels weiterverkauft. Der Bereitschaft der Gesellschaft, die Kosten der Ahrbegradigung und eines neuen Brückenbaus zu übernehmen, stand die Zusicherung der Gemeinde gegenüber, selbst nicht nach Quellen zu suchen und niemand anderem derartiges zu ermöglichen. Trotzdem mussten sich Kreuzberg und ab 1863 sein Nachfolger August Lenné, weitläufig mit dem Generalgartendirektor verwandt, von 1858 bis 1865 mit den zwar widerrechtlichen, aber erfolgreichen Bohrungen eines erneuten Konkurrenten (Dr. med. Carl Constantin Praessar) unmittelbar neben den eigenen Quellen, darunter der 1861 neu erbohrte „Große Sprudel“, herumschlagen, bis auch dieser nur durch fehlenden rechtlichen Quellenschutz mögliche Wettbewerber gegen eine hohe Abfindung ausgeschaltet werden konnte.
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Als am 28. Juli 1858 „die Weihe der Heilquellen von Neuenahr“ im Beisein hoher Repräsentanten der Regierung und des Adels durch „Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin von Preußen“, das heißt Augusta, die Frau des späteren Kaisers Wilhelm I., vorgenommen worden ist, geschah das auf einer mit Girlanden, Fahnen und Baumzweigen kaschierten Baustelle, die trotz aller Bemühungen nicht so weit vollendet war, wie man das gerne gewollt hätte (FRICK 1958, S.6-10). Dennoch war es äußerst wichtig für das neue Bad Neuenahr gegenüber der etablierten Bäderszene gewesen, sich mit möglichst hohem aristokratischem Glanz auf den Markt der Eitelkeiten zu begeben, der zwar noch eher Ausdruck des Anspruchs war, den man sich gestellt hatte, als dass man diesem tatsächlich entsprochen hätte. Die Trinkhalle war fertig geworden, jedoch befanden sich Badehaus und Gasthaus noch im Bau, so dass erst im Folgejahr am 31. Mai 1859 der eigentliche Kurbetrieb begann. Und auch dann hatte man noch erhebliche Probleme, die 197 Kurgäste der Saison angemessen in Wadenheim oder Beul unterzubringen, was aber angesichts zu weniger Quartiere nicht gelang und weshalb das benachbarte Ahrweiler, mit stündlicher Kutschanbindung tagsüber, aushelfen musste. In der zweiten Saison, 1860, kamen schon 505 Kurgäste und fanden Unterkunft rechts der Ahr in Beul im jetzt fertigen „Kurhotel“ und dem „Hotel zum Mariensprudel“ von Kreuzbergs Konkurrenten Dr. Praessar, links der Ahr in Wadenheim im „Gasthof zur Krone“ und „Hotel zum goldenen Pflug“ sowie vier Privatlogis, eins in Beul, zwei in Wadenheim und eins in Heimersheim. Drei Ärzte, die in dem jungen Bad praktizierten, waren schon vor 1858, dem Jahr der Quellenweihe, in Ahrweiler ansässig gewesen und blieben auch dort tätig. Bezeichnend für das Schicksal des unterlegenen „Bad Sinzig“ wollte der dortige leitende Arzt vor Beginn der zweiten Saison, also 1860, ebenfalls Praxisräume im Bade Neuenahr anmieten. 1862 und 1863 stieß jeweils ein von weiter auswärts stammender Arzt hinzu. Beide eröffneten ausschließlich im Bade Neuenahr ihre Praxen. Im September 1860 endlich erfolgte die Umwandlung der Kommandit- in eine Aktiengesellschaft, was die künftige Kapitalbeschaffung wesentlich erleichterte und den weiteren Ausbau des Bades mit Parkanlagen und einem zweiten Badehaus sicherte. Zu den Anteilseignern gehörten „der Landadel des Hinterlandes, ein Aachener Arzt, der Kanzler des Kölner Erzstifts, der Landrat des Kreises Ahrweiler und Kreuzberg“ (KEßLER 1975, S.112). 1861 kamen 792 Kurgäste und „mehrere tausend Vergnügungsreisende“ (FRICK 1958, S.39), so dass erneut Ahrweiler bei der Unterbringung aushelfen musste. Dennoch waren Gäste mangels Quartier nach Ems und anderen Badeorten abgereist. Das ließ private Investoren nicht mehr ruhen. Von 1861 auf 1862 entstanden 10 große Betriebe mit etwa 200 Zimmern, und weitere Bauten wurden begonnen. Sowohl einheimische als auch von auswärts stammende Bürger investierten in das Gastgewerbe. Hinzu kamen ein erstes Café, verbunden mit einer Conditorei, und ein Manufaktur- und Modewarengeschäft. Der Fürst zu Solms-Braunfels, der das Bad Neuenahr zum zweiten Mal zur Kur aufsuchte, ließ auf die benachbarten Berge Landskrone und Neuenahrer Berg auf seine Kosten bequeme Wege zu den Gipfeln anlegen. 1862 belohnten 977 Kurgäste dieses Engagement, 1863 waren es 1297 (mehr).
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Die Verkehrserschließung des Unteren Ahrtals als Voraussetzung für die weitere Entwicklung Bad Neuenahrs
Die Nord-Süd-Achse des Rheins und der ihn begleitenden Straße als Linie des Hauptverkehrs im Westen des Deutschen Bundes, bzw. Deutschen Reichs liegen tangential zum Ahr- und Eifelraum. Die Unterahr mit Neuenahr und mit Abstrichen auch noch die Mittelahr befinden sich unweit dieser Tangente und würden von allen Veränderungen der Verkehrsbedingungen auf der Hauptachse betroffen sein. Das hatte man bereits durch den Ausbau der Chausseen und das Aufkommen der Dampfschifffahrt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt, die untrennbar mit der Rhein- und eben auch Ahr-Romantik verbunden sind. Um die Jahrhundertmitte und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Bau der Eisenbahnen überall die maßgebliche Innovation, auch für den Tourismus. Die Hauptlinien entstanden alle noch zu Zeiten des Deutschen Bundes, also von Land zu Land sehr unterschiedlich finanziert. Die Nebenstrecken, die auch den Binnenraum erschlossen, entsprangen meist ökonomischen oder militärischen Raumvorstellungen des Deutschen Reichs. Delkeskamps Ahr-Panorama verbildlicht den Begriff „Tangente“ im Zusammenhang mit der Eisenbahn vorzüglich und ist zugleich die älteste Darstellung dieser neuen Errungenschaft für die Region: Ganz am unteren Rand des Panoramas taucht die als „Rheinische Eisenbahn“ bezeichnete Trasse geradlinig zwischen Sinzig und Remagen auf und berührt damit die Region „Ahrtal/Hocheifel“ ähnlich wie der Rhein tangential. Zugleich dokumentiert die Abbildung, wie aktuell Delkeskamp 1859 war, denn die Eisenbahnlinie war erst seit dem 17. August 1858 zwischen Remagen und Sinzig bis Nettehaus in Betrieb. Seit dem 15. November 1858 war die gesamte Eisenbahn-Strecke zwischen Köln und Koblenz für jedermann in Betrieb, bevor am 15.12.1859 in Bingerbrück der Netzschluss des norddeutschen mit dem süddeutschen Bahnnetz erreicht wurde. Es hatte lange 15 Jahre gedauert, bis diese Strecke vollendet war, denn von Köln aus war Bonn schon ab dem 15. Februar 1844 erreichbar gewesen. Dann vergingen 12 Jahre, bis man bis Rolandseck weiterfahren konnte (21.01.1856), das auf die Initiative vieler wohlhabender Villenbesitzer aus Köln und Bonn im vom Rheinromantik-Tourismus geschätzten Umfeld des Rolandsbogens, Nonnenwerths und Siebengebirgsblicks bis Sommer 1858 einen besonders aufwendigen Bahnhof mit Restauration erhielt. Aber da konnte man schon bis Remagen weiterfahren (21.01.1858). Zum Zeitpunkt der Quellenweihe (28.07.1858) war das junge Bad Neuenahr über Remagen durch acht Zugpaare allein wochentags schon gut von Norden aus erreichbar, aber erst zur zweiten Kursaison 1860 auch aus süddeutschen Gebieten. Vom Bahnhof Remagen aus boten Fahrposten (im Sommer dreimal täglich) und Mietkutschen die Verbindung ins Ahrtal bis Altenahr an, wie es bisher ohnehin üblich gewesen ist, wenn man per Dampfschiff in Remagen oder Linz angekommen war. Die Anbindung an die Rheinschiene bedeutete eine beträchtliche Ausweitung des Kundenpotentials in den wachsenden Städten am Niederrhein für einen Ausflug an die Ahr, wenn nicht sogar eine Kur.
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Aber natürlich wünschte man einen baldigen Bahnanschluss des Seitentals, der Ahrweiler und die Dörfer des Hinterlandes möglichst direkt anband. Mineralwasserversand und Fremdenverkehr boten für das junge Bad Neuenahr gleich doppelten Grund für dieses Ansinnen. 1862 schlug Ahrweiler eine Trasse von Remagen über Ahrweiler als Teil einer großen Strecke von Köln nach Trier vor, was aber von der staatlichen Aufsichtsbehörde zugunsten einer Linie von Düren, seit 1841 an Köln und Aachen angebunden, nach Trier verworfen wurde, die 1871 fertiggestellt und 1875 von Euskirchen auch direkter mit Köln verbunden wurde. Gut 10 Jahre nach der Eröffnung der „Rheintangente“ für die Unterahr bestand damit - wie in römischer Zeit mit der Straße zwischen Trier und Köln - auch eine „Eifeltangente“ für die Junge Ahr im Raum Blankenheim. Die herrschenden Verkehrsbedürfnisse forderten jedoch eine Aufschließung des Ahrtals vom Rhein her, während sich eine Erschließung von Blankenheim her kommend ökonomisch verbot. 1865 begann man mit Vorarbeiten zum Bau einer Bahnlinie von Euskirchen nach Bonn mit einem Abzweig in Rheinbach oder Meckenheim über Gelsdorf und Ringen auf einer Stelzenbrücke hangabwärts zu einem gemeinsamen Haltepunkt für Ahrweiler und Neuenahr genau zwischen ihnen und dann weiter unmittelbar auf der linken Ahrseite auf einem zwei Meter hohen Damm vorbei an den Kuranlagen des Bades Neuenahr nach Sinzig. Diese aus heutiger Sicht abenteuerliche Linie fiel allerdings 1876 Protesten aus Neuenahr wegen Gefahren bei Hochwasser und 1879 aus Ahrweiler und Walporzheim wegen des abseits gelegenen Bahnhofs zum Opfer. Andere Varianten hatten Bahnhöfe in Hemmessen und Heppingen vorgesehen. Noch heute dokumentiert der weite Bogen nach Süden der 1880 vollendeten Bonn - Euskirchener Strecke diese Idee in der Kulturlandschaft. Erst 1879 setzte sich, unter vorläufigem Verzicht einer Fortsetzung Richtung Meckenheim, die baulich einfache und damit preiswerte Linie vom Rhein nach Ahrweiler durch, wobei nur die Anknüpfung strittig war, Sinzig oder Remagen. Sinzig hatte seit 1864 für diesen Knoten gekämpft, aber letztlich gegen Remagen verloren, weil die Verkehrsbindungen der Ahrtalbevölkerung Richtung Niederrhein orientiert waren, was sich durch die stärkere Nutzung der Kutschen von Ahrweiler nach Remagen, auch infolge der Dampferstation, erwiesen hatte, während die Kutschlinie Ahrweiler - Sinzig 1868 als unrentabel eingestellt worden war. Am 18. September 1880 fuhr der erste Zug von Remagen nach Ahrweiler auf der bis 1909/13 eingleisigen Ahrstrecke. Die Postkutschen fielen weg und zahllose Esel, welche bisher die Krüge des Apollinaris Brunnens nach Remagen zur Verschiffung getragen hatten, wurden arbeitslos. Als dann noch die Fortsetzung der Bahn nach Altenahr am 1. Dezember 1886 und nach Adenau am 15. Juli 1888 in Betrieb gegangen war, war innerhalb von nicht einmal 10 Jahren eine Erschließungsachse vom zentralen Raum der Rheintagente über die touristischen Ziele Neuenahr an der Unterahr und Altenahr an der Mittelahr in die Peripherie der Oberahr und Hocheifel mit ihrem Zentrum Adenau geschaffen worden: Weite Teile des Ahrtals und der Hocheifel hatten „Anschluss an die Welt“ gefunden. Für das Verständnis der Ausbau- und Blütezeit Neuenahrs genügt es, die Fortschritte im Eisenbahnnetz an Rhein und Ahr bis 1888 zu kennen.
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Der Ausbau und die Blüte Bad Neuenahrs 1875-1914/18
Der Blick im vorherigen Kapitel auf die Entwicklung der Einwohnerzahlen (Tabelle) hat schon zuvor das ungewöhnlich hohe Wachstum Neuenahrs in seinen Gründungsjahren gezeigt, das sich nicht nur fortsetzte, sondern noch verstärkte und um die Jahrhundertwende seinen größten Schub erhielt. Der Zuzug in den Ort entwickelte sich parallel zum Gästestrom und infrastrukturellen Ausbau. „Bad Neuenahr hat sich unter den mittelrheinischen Bädern am schnellsten entwickelt“, urteilt SCHNABEL (1925, S.44).

Bei allem Respekt vor Neuenahrs rasantem Aufstieg, gegenüber seinen großen Konkurrenten im Rheinland, Wiesbaden und Ems, muteten seine Verhältnisse zunächst doch bescheiden an. Wiesbaden war schon 1840 von Frankfurt her an die Eisenbahn angebunden, Ems seit 1858 an die Lahnlinie zwischen Koblenz und Limburg. Abgesehen von der damit besseren Erreichbarkeit waren beide Orte inzwischen mit mondänen Kurhäusern, Badeanlagen, Theatern, Geschäften und weitläufigen Parks ausgestattet und beide besaßen zudem Spielbanken, ein Vorteil, der reichsweit am 31.12.1872 mit dem gesetzlichen Verbot des Glücksspiels sein Ende fand. Neuenahr hat davon profitiert, alle Bäder mit Spielbanken erlebten dagegen herbe Einbrüche der Gästezahlen. Aber vor dem Hintergrund des sozialen Wandels der gesamten Gesellschaft im Gefolge der Industrialisierung kam seit der Reichsgründung 1871 ein Faktor immer mehr zum Tragen, der bis dahin nur vermögenden Eliten vorbehalten, von da an aber breiteren Gruppen vergönnt war, bezahlter Urlaub (SPODE 2003, S.68): „Zunächst für Beamte eingeführt, wird die alljährliche Freistellung von der Arbeit bei fortlaufenden Bezügen auch für Angestellte üblich. In Deutschland wurden seit 1873 reichsweite Urlaubsregelungen für Staatsdiener erlassen. (…) Bis zum Ersten Weltkrieg erhielten fast alle Beamte und zwei Drittel der Angestellten einen jährlichen Urlaub von ein bis zwei Wochen, in Spitzenpositionen sogar sechs Wochen. (…) Die Teilhabe am Tourismus wurde ein Statussymbol jener Gruppen, die durch Geld und/oder Bildung Teil der bunt gemischten Schicht waren, die man ´Bürgertum` nannte“. Die bürgerlichen Zeitgenossen hatten keine Probleme mit dem Widerspruch, dass die meisten Industriearbeiter keinerlei Urlaubsansprüche besaßen, als ob sie nicht erholungsbedürftig seien, dagegen Beamte und Angestellte sehr wohl. SPODE (ebda. S.71) zitiert den Sozialhygieniker Max Rubner (1898): „Die geistige Anstrengung und Arbeitsleistung, der sich ein Theil der Städter unterzieht, hat das Unangenehme vor der gewöhnlichen körperlichen Arbeit voraus, dass sie weit längere Ruhepausen erforderlich macht als letztere.“ SPODE (ebda. S.71/72) analysiert treffend: „Man könnte ja meinen, der gesundheitliche Regenerationsbedarf hätte die Reiseströme nun überwiegend in ärztlich betreute Sanatorien gelenkt. Dem war keineswegs so. Zwar nahmen die Gästeziffern auch in den binnenländischen Kurbädern rasant zu, doch war dieser Anstieg im Ganzen nicht größer als in der wachsenden Zahl anderer Touristenorte, sodass die relative Bedeutung der Kurorte vielmehr abnahm. Zudem war bei den Kurorten das Wachstum in jenen ´mondänen` Bädern am stärksten, in denen die Medizin die geringste Rolle spielte: es ging nicht um Heilung, sondern um das ´Flair`, um Roulette, Theater, Tennis und andere Vergnügungen.“ Und dieses Urlaubserlebnis wollte das Bürgertum im Familienkreis teilen. Für das Kleinbürgertum und die Arbeiter ersetzte „der Ausflug“ den Urlaub.

Sicherlich waren in dieser Phase Neuenahr und die Mittelahr, wie überhaupt der Mittelrhein, von ihrer Lage gegenüber den massiv wachsenden Industriestädten an Niederrhein und Ruhr begünstigt. Das gleiche Großbürgertum, das sich am Rande Kölns, in Bonn, Godesberg, Honnef, Rolandswerth, Remagen und Breisig als Wochenend-, Sommer- oder Alterssitz niederließ und mit dem in den großen Städten in Handel und Industrie verdienten Geld seine Villen am Rhein baute, traf sich in Neuenahr, dem nächstgelegenen Bad, zur Kur, meist nicht, weil man krank, sondern weil man es seinem Stande schuldig war. „Godesberg (…) hatte (…) mehr Bedeutung als Rentner- und Pensionärsort, für Erholungsreisende bzw. - modern gesprochen - Kurzurlauber, denn als eigentlicher Badeort“, beurteilt HÖROLDT (1989, S.339) den Konkurrenten: „Bedauerlich war (…), dass die Gemeinde im Kurpark nicht wie andere Bäder der Zeit ein stattliches Kurhaus, sondern nur ein hölzernes Restaurationsgebäude erbaute, später Kulturscheune genannt …“
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Reisten nach Neuenahr die einen mit der Eisenbahn in der „Ersten Klasse“ zur Kur an, saßen im gleichen Zug in der „Dritten Klasse“ die Ausflügler nach Altenahr, wenn man es zugespitzt ausdrücken möchte. Mit Eröffnung der Ahrtalbahn 1880 gab es an allen Sonntagen sogar einen durchgehenden Zug von Köln nach Ahrweiler und zurück: Abfahrt in Köln: 11 Uhr, Ankunft in Ahrweiler 13.05 Uhr; Abfahrt in Ahrweiler: 21.00 Uhr, Ankunft in Köln 23.22 Uhr. Die relativ schwache Entwicklung der Gästezahlen Neuenahrs zwischen 1870 und 1890 deutet an, dass es nach dem stürmischen Aufschwung der beiden Gründungsjahrzehnte trotz des starken Zuzugs von Neubürgern mit dem Ausbau des Badeortes zunächst langsamer weiter ging. Aktiengesellschaft und Gemeinde waren mit dem Bau einer Verbindungsstraße zwischen dem Kurgelände und den alten Siedlungskernen, Ausdehnung von Parkanlagen, Erweiterung des Kurhotels u.ä. beschäftigt; neue Läden, einige Hotels und Pensionen siedelten sich an. Die Finanzlage der Aktiengesellschaft war 1882 so angespannt, dass die Gemeinde ihren Kauf erwog, dann aber doch davor zurückschreckte.

Wie in der Gründungsphase Georg Kreuzberg und Gustav Bischof, prägten erneut zwei herausragende Persönlichkeiten in den Jahren von 1893 bis 1914, durch den Ersten Weltkrieg abrupt beendet, die Entwicklung Neuenahrs: Felix Rütten, der dritte Kurdirektor, und Bürgermeister Otto Faulhaber. Mit Energie ging Felix Rütten an den Ausbau der eigentlichen Kuranlagen heran. Unter seiner Direktion entstanden die großen Bauten, die das Bild des Kurortes geprägt haben: 1899 der Ostbau des Kurhotels und ein neues Thermal-Badehaus mit 100 Badezellen; 1903-04 der repräsentative Bau des Kurhauses mit Theater- und Konzertsälen, Restaurationsräumen, Lese- und Spielsälen; 1913-14 der Westbau des Kurhotels. Im Jahre 1906 ließ Felix Rütten den Willibrordussprudel in einer Tiefe von 375 Metern erbohren.
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Die Gemeinde sorgte gleichzeitig für eine Wasserleitung (1893), ein neues Rathaus (1896), Gas und Elektrizität (1899), zwei weitere Brücken und eine Schule (1907) und trieb die Ahrregulierung nach dem Jahrtausend-Hochwasser 1910 voran (FRICK 1933, S.LV). 1906 wurde ein neues Postgebäude eröffnet, und die „elektrische gleislose Bahn“ nahm ihren Betrieb zwischen Walporzheim und dem Neuenahrer Bahnhof auf.  Nach der kleinen evangelischen Kirche 1872 und der Synagoge 1901 war 1907 auch der große katholische Kirchenneubau endgültig fertig (FAULHABER 1908, S.127 ff). Der ganze Stolz über die vielen erreichten Fortschritte drückt sich in der Festschrift zur 50-Jahr-Feier der Gründung des Bades Neuenahr aus, die als Leistungsbericht der Gemeinde über die vorangegangenen fünf Jahrzehnte konzipiert ist (FAULHABER 1908). Der Festschrift ist ein Stadtplan 1:7.000 und die vom „Verschönerungsverein für Bad Neuenahr“ herausgegebene „Wegekarte durch den Neuenahrer Wald“ im Maßstab 1:12.500 beigelegt, in der alle Straßen- und Wegenamen, die Kuranlagen und -parks, Schutzhütten und selbst jede Ruhebank an den Spazierwegen innerhalb des Ortes und Waldes markiert sind. FAULHABER (ebda. S.118) hielt fest: „Zu erwähnen wäre die Aufstellung von 2 Pavillons auf der Augusta- bezw. Viktoria-Höhe im Jahre 1894/1895. (…) Besonderer Wert wurde auf die Aufstellung von Ruhebänken und die Herstellung von Waldwegen gelegt. 1899 trat man auch der Herstellung einer Wegekarte näher. (… Es sollen) Ankäufe von Waldparzellen bei jeder sich darbietenden Gelegenheit im Verein mit der Gemeinde und Aktien-Gesellschaft Bad Neuenahr (getätigt werden). Auf die Pflege und Erhaltung neuer Spazierwege im Walde wird grosser Wert gelegt.“
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Der Neuenahrer Arzt Dr. Paul Unschuld bilanzierte 1908 als Festredner des Bad-Jubiläums die vergangenen Jahrzehnte (Ahrweiler Zeitung 30. Juli 1908, zitiert nach RITTER 2008b, S.10): „… es sind jetzt 41 Jahre, dass ich unter Aufgabe einer schönen Stadt- und einer dankbaren Spitalpraxis es wagte, meine Existenz und meine weitere Zukunft einem neuen, noch in den Windeln liegenden Badeorte anzuvertrauen. Damals gab es hier zwölf Gasthäuser, von denen sich die Hälfte bereits Hotel nannte, dann acht Privathäuser und drei Aerzte. 20 Jahre später gab es bereits 30 Hotels, ebenso viele Logierhäuser und 10 Aerzte. Nochmals 20 Jahre später 50 Hotels, darunter sogar Grand-Hotels, 75 Logierhäuser und daneben zwei große konfessionelle Anstalten zur Aufnahme von Gästen und ca. 20 Aerzte. Damals, als ich hierher kam, gab es im Dorfe keinen Bäcker und Metzger, heute gibt es 6 Konditoren. Damals eine katholische Kirche, heute 2 katholische, eine evangelische und eine Synagoge. Damals nur 2 Einwohner, die Einkommensteuer bezahlten, heute eine ganze Menge. Der Gegensatz zwischen damals und heute ist groß: damals Armut, jetzt Wohlstand, damals Einfachheit, heute Luxus, damals keine Straßenbeleuchtung, heute einigermaßen Bürgersteige und gute Gasbeleuchtung. Aber am augenfälligsten tritt mir der Kontrast in der Kirche entgegen. Zu jener Zeit sah man die Frauen in Kopftüchern und die Mädchen in ihrem natürlichen Haarschmuck. Heute sieht man eine Musterausstellung sämtlicher europäischer Damenhüte. Damals sah man Männer und Junggesellen in ihrer gewöhnlichen Dorftracht, jetzt überall Stehkragen und Lackschuhe. Obgleich letzteres meinem Geschmack nicht imponiert, so muss man es doch als ein Zeichen des Aufblühens eines elenden Eifeldorfes ansehen und all dies zeugt von der Entwicklung Neuenahrs…“

Im Jahr 1913 erreichte die Gesamtzahl der Gäste Neuenahrs mit 27.997 und ebenso die Zahl der Kurgäste mit 15.226 (davon 3.209 Ausländer) den bisherigen Höhepunkt in der Geschichte des Bades, der quantitativ erst über 40 Jahre später übertroffen werden sollte. Da hatte sich aber die Zusammensetzung der Gästeschar vollkommen verändert. Wer Neuenahr vor dem Ersten Weltkrieg als Kurgast besucht hat, der gehörte überwiegend zu den vermögenden Schichten. Nur 10 bis 15 % der Kurgäste waren Angehörige der Militärversicherungsanstalt, der Landesversicherungsanstalten Westfalen und Rheinland, der Angestelltenversicherung und der Ruhrknappschaft. Ansonsten gaben sich Adel und Großbürgertum ein Stelldichein, Internationalität bestimmte das Bild: „Nächst dem Holländischen ist zur Zeit Russisch wohl die am meisten zu hörende fremde Sprache (…) Neuenahr ist mitten in die Reihe der Weltbäder eingerückt und seine ersten Hotels sind oft in Verlegenheit, wie und wo sie die sich meldenden Fremden unterbringen sollen“, hieß es in der Ahrweiler Zeitung am 7. August 1907 (zit. n. RITTER 2008a, Folge 10).
Politische Instabilität und Revolutionsversuche in Russland hatten viele Adlige und Großbürgerliche verschreckt, die dann in den Sommermonaten gediegene Zuflucht in mittel- und westeuropäischen Bädern suchten. Neuenahr gehörte dazu und freute sich über diese zahlungskräftige Klientel: Zwischen 1905 und 1912 kamen allein aus Petersburg 2.115 Gäste, aus Moskau 1.396, Warschau 643, Lodz 299, Ekaterinoslaw 212, Kiew 253, Riga 191, Charkow 160, Odessa 153 usw. Selbst aus Taschkent, weit jenseits des Ural, waren 22 gekommen. Den 176 Seiten starken „Führer für Kurgäste“ von Lenné, 1902 erschienen, gab es in drei Varianten: Deutsch, Englisch und Französisch.

Es war Neuenahrs Blütezeit. Das „Rheinische Karlsbad“, wie man es seit der Jahrhundertwende häufig nannte, hatte Ems, das 1910 nur noch 11.076 Gäste insgesamt zählte, inzwischen übertrumpft. Hinsichtlich der Sozialstruktur der Gäste war man Ems ebenbürtig. Der Kurbetrieb im benachbarten Godesberg, seit 1902 wieder in städtischen Besitz, hatte weniger als die Hälfte der gesamten Gästezahl Neuenahrs und ein Fünftel der Kurgäste mit einer nur geringen Bedeutung ausländischer Besucher. Insgesamt empfanden manche den Tourismus im Mittelrheintal seit einigen Jahren rückläufig, was jedoch weniger für die Quantität der Besucherzahlen gelten dürfte, als vielmehr für ihre soziale Zusammensetzung. Denn „die Rheinreise“ verlor ihre Exklusivität für wohlhabende Gäste, während der Ausflugsverkehr zunahm. Aber das Bad im Ahrtal war nicht mehr zu übersehen. Dazu trug wohl auch eine für damalige Zeiten recht aggressive Werbung in Zeitungen der Herkunftsgebiete der Gäste bei, was sich tatsächlich für Neuenahr in größerem Zuspruch auszahlte, aber für andere Bäder Verluste bedeutete. Dass 1906 das berühmte, altehrwürdige böhmische Karlsbad überhaupt Notiz von diesem Emporkömmling Neuenahr nahm, durfte man hier schon als Adelung verstehen. Im „Karlsbader Tagblatt“ hieß es (zitiert nach RITTER 2002, S.42): „Der Optimismus war bei den Neuenahrern von jeher stark ausgeprägt, und wenn sich derselbe anlässlich der Erschließung einer neuen Quelle wieder kräftiger äußert, so wird das niemanden Wunder nehmen. Dass es aber mit unseren Quellen niemals in eine ernste Konkurrenz treten kann, können wir schon heute behaupten. Neuenahr versteht es meisterhaft, die Reklametrommel zu rühren, und das ist es auch. Gewiss hat sich schon mancher von unseren Kurgästen dadurch verleiten lassen, es einen Sommer einmal mit Neuenahr zu versuchen, statt nach Karlsbad zu gehen, weil ja, wie man in Neuenahr behauptet, die dortigen Quellen, beziehungsweise deren Wasser den unseren kongenial sein sollen. Aber die meisten haben es bei einem Versuche bewenden lassen, sie sind wieder hübsch nach Karlsbad zurückgekehrt, und in Aerztekreisen gilt es heute schon als feststehende Tatsache, dass, wer heuer nach Neuenahr zur Kur geht, umso sicherer im nächsten Jahr zu dem gleichen Zwecke nach Karlsbad kommt. Also wird es wohl nicht so geschwind gehen, dass Neuenahr unseren Kurort überflügelt.“ Das Weltbad Neuenahr nahm es gelassen zur Kenntnis!
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Der erste Strukturwandel: Bad Neuenahr und seine kleinen Imitatoren 1919-1945
Wie ein Seismometer zeigt sich in der jährlich dokumentierten Anzahl der ausgegebenen Kurkarten in Neuenahr, seit dem 18. Februar 1927 offiziell „Bad Neuenahr“, das Auf und Ab in seinem Kurbetrieb an. Die bei BOTH (1958, S.57) veröffentlichten, lückenlos vorliegenden Daten von der ersten Saison 1859 bis 1957 erfassen zwar nicht die eher wenige Tage verweilenden „Passanten“, die auf Kuranwendungen verzichten, aber dafür vor allem die hier meist mehrere Wochen anwesenden und deshalb wirtschaftlich besonders wichtigen echten Kurgäste. Das Verhältnis der Gäste- zur Kurgästezahl erschließt sich durch die Angaben BÖTTCHERs (1951), dessen Zahlen ansonsten erkennen lassen, dass sich während der Jahre der Weimarer Republik Gäste- und Kurgästezahlen relativ parallel bewegen, aber in der NS-Zeit die Gästezahl deutlich stärker wächst als die der Kurgäste, also mehr Passanten den Badeort besuchen. Die Kurkarten-Zahlenreihe gehört zu den eher seltenen Quellen der Tourismusgeschichte im Rheinland, da sie, ohne selbst die Erhebungsgrundlage zu verändern, über die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche jener Jahrzehnte hinwegreicht und deswegen prägnante Indizien für die Schwankungen im Fremdenverkehr liefert. Sieht man nur die Quantität der Gäste- und Kurgästezahl im Vergleich zur Blütezeit vor dem Ersten Weltkrieg, mutet Bad Neuenahrs Situation nicht so problematisch an. Aber die Zusammensetzung der Gästeschar hatte sich grundlegend verändert, wie der Chronist Heinz Welter für 1921 festhielt (LINDLAHR 1992, S.48): „Die neue Zeit hatte den Charakter Neuenahrs von Grund auf umgewandelt. Neuenahr war nicht mehr nur Badeort, sondern auch Fremdenort geworden.“ Und das hatte Folgen (Verwaltungsbericht Kreis Ahrweiler 1924, S.32): „Bei dem allgemein geringen Besuch der Bäder waren auch die allgemein wirtschaftlichen Verhältnisse von Bedeutung, sodass die tatsächlich erschienenen Gäste ihre persönlichen Auslagen auf das geringste Maß beschränkten.“ Noch präziser (ebda 1927, S.29): „Leider steht der Quantität im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit auch hier die Qualität der Besucher ungleich gegenüber. Wie überall, so zeigte es sich auch hier, dass während der Saison 1927 jeder Besucher nur das Allernotwendigste ausgab, sodass die Geschäftsleute trotz der größeren Besucherzahl sehr klagten. Die erhöhte Zahl der Kurgäste setzte sich zum größten Teil aus der wenig begüterten Bevölkerung, und zwar hauptsächlich aus den von den Kassen gesandten Sozial-Versicherten zusammen. So sehr die Möglichkeit begrüßt wird, auf diese Weise auch den wenig Bemittelten die Kur zu ermöglichen, so bedauerlich sind die geschilderten Verhältnisse für diejenigen Gewerbetreibenden, die auf den Verdienst des Sommers überwiegend angewiesen sind.“

Welters Chronik von Bad Neuenahr ist natürlich subjektiv gefärbt und durchgängig in dem Bewusstsein geschrieben, dass die Verhältnisse während der Kaiserzeit ungleich besser gewesen seien als in seiner Zeit. Aber untypisch für jene Jahre ist sie nicht, decken sich doch seine Aussagen häufig mit anderen Quellen, z.B. den jährlichen Verwaltungsberichten des Kreises Ahrweiler. Das schließt nicht aus, dass man manche Vorgänge und Bemühungen um eine Wiederbelebung des Fremdenverkehrs durchaus als Belege eines dennoch optimistischen Zeitgeistes deuten kann, zumal Welter im Rückblick und nicht als unmittelbarer Zeitzeuge schrieb. Wenn er 1933 seine Chronik verfasste, wusste er ja, dass die Verhältnisse trotz aller Bemühungen schlechter wurden, und so dokumentierte er Jahr für Jahr den Kampf gegen den fühlbaren Niedergang des Bades und die neuen Rückschläge, deren Ausmaße die Zahlen nur ahnen lassen, aber sich 1930 folgendermaßen äußerten (LINDLAHR 1992, S.81): „Der gewaltige Abbau der Industrie, der immer mehr um sich greifende Verfall aller sozialen, politischen und kulturellen Einrichtungen unseres Vaterlandes ging an unserem Badebetrieb nicht spurlos vorüber. Der Aufwand unserer Badeeinrichtungen, unserer Hotels und Privathäuser wurde wegen der geringen Zahl der Kurfremden keinesfalls belohnt. Hotels, Privathäuser und alle Gewerbe-treibenden litten darunter und verschuldeten sich immer mehr. Manches Hotel, das jahrelang redlich am Aufbau unseres Bades teilgenommen hatte, ging in die Hände von Versicherungsorganisationen über. Andere Hotels standen leer, weil sie die Betriebskosten nicht mehr aufbringen konnten. Mancher biedere Gewerbetreibende stand vor dem Ruin …“
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Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte es in Neuenahr einige Häuser von Betriebskrankenkassen und Versicherungsgesellschaften gegeben (Militärversicherungsanstalt, Landesversicherungsanstalt Westfalen und Rheinland, Anstalten der Angestelltenversicherung und Ruhrknappschaft), die etwa 10-15% des Kurgastaufkommens an sich banden. Jetzt stieg ihr Anteil auf 25-30%. Der Badeort an der Ahr stand mit diesen Problemen nicht allein. Auch die anderen Bäder, seien sie nah oder fern, kleiner oder größer, waren von diesem Wandel schwer getroffen. Überall galt es, neue Gästegruppen zu erschließen, damit man die aufwändige spezielle Infrastruktur der Orte erhalten konnte: Repräsentative Hotels und Badehäuser, Theater und Cafés, ungewöhnlich viele Arztpraxen, Geschäfte für Luxusbedarf, gepflegte Parks, leichte Spazierwege in die nahe Umgebung und vieles mehr. Angesichts der geschrumpften Nachfrage, die nur langsam wieder etwas stieg, bald aber erneut sank, ging es in fast allen Badeorten weniger um Neubauprojekte und Ausbau, sondern um den Versuch, den Vorkriegsstand zu bewahren.
Hinsichtlich der touristischen Inwertsetzung der Kulturlandschaften bedeutete dies in den meisten Fällen Stagnation und auch Rückgang, weil infolge der allgemeinen politischen Umstände und wirtschaftlichen Krise in Gesellschaft und Staat das Kapital für entsprechende Investitionen fehlte. Die Neuenahrer Chronik liefert bezeichnende Belege aus dem Jahr 1926 (LINDLAHR 1992, S.69/70): „Viele Reparaturen, die während der schweren Inflationsjahre verschoben worden waren, standen nunmehr dringend an. Zur finanziellen Unterstützung wurden 2,5 Millionen Mark unter die besetzten Badeorte Ems, Wiesbaden und Neuenahr verteilt. Neuenahr erhielt auf drei Jahre verteilt einen Bäderkredit von 585.000,- Mark. Ebenso wurde die Rückforderung der in der Zeit des Rhein- und Ruhrkampfes geleisteten Mittel reduziert. Mit diesen Mitteln konnte Bad Neuenahr Ende April die Saison mit guten Hoffnungen beginnen. Die Anlagen waren unter großen Mühen instandgesetzt und renoviert worden. Der Kaiser-Wilhelm-Park war erneuert worden. Durch den Kur- und Verkehrsverein wurden Ruhebänke aufgestellt. Neuenahr hatte in den letzten Jahren, insbesondere aus Wettbewerbsgründen, großstädtische Allüren angenommen. Außer dem schönen Kurtheater und dem Kino gab es auch Tanzdielen, Gartenkonzerte, Kabarettvorstellungen und ähnliche Genüsse. Die Erwartungen, die man an die großzügige Reklame geknüpft hatte, wurden in keiner Weise erfüllt. Daher hatte sich der Propagandaausschuss mit größerer Energie betätigen müssen, um durch persönliche Kontakte Kurgäste nach Neuenahr zu holen.“
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Natürlich bedeuteten die nach dem Krieg eingerichteten drei Besatzungszonen entlang des Rheins für den Fremdenverkehr Beeinträchtigungen, die jedoch nur während des Krisenjahres 1923 vor allem durch Schikanen im Eisenbahnverkehr, die galoppierende Inflation und Auswüchse des rheinischen Separatismus größere Ausmaße erreichten. Nach Räumung der Zone I (Köln) ab 1. Dezember 1925 wäre Neuenahr theoretisch entlang der Provinzialstraße geteilt gewesen, die nördlich gelegenen Weinberge waren frei, der südlich liegende Ort lag in Zone II (Koblenz) (LINDLAHR 1992, S.67), „jedoch war von einer Besatzung nichts mehr zu merken. Allerdings ließen sich immer noch viele Fremde aus Angst vor dem besetzten Gebiet vom Besuch Neuenahrs abhalten.“ Konkrete Zahlen nennt die Zeitschrift „Der Nürburg-Ring“ (1927, Hf.6, S.19), die für 1926 das Ausbleiben von 60% der Besucher aus dem unbesetzten Gebiet im Vergleich zu 1913 belegen, von dem Verlust von 90% der ausländischen Besucher ganz zu schweigen. Vier Jahre später, am 30. November 1929, wurde auch die Zone II geräumt, was man hier mit einem „stattlichen Lichterzug“ feierte, und am 30. Juni 1930 folgte mit der Räumung von Zone III der „Tag der Rheinlandbefreiung“ von der französischen Besatzung, den man (LINDLAHR 1992, S.80) „festlich und in aufrichtiger Freude (beging. …) Ein imposanter Fackelzug trug die Freudenfeuer einer aufatmenden Bevölkerung durch die Straßen Bad Neuenahrs zu der eigentlichen Feier vor dem Kurhaus“.

Den in den 1920er Jahren stark schwankenden und dann sinkenden Zustrom der Kurgäste suchte Neuenahr durch eine Vielzahl von regelmäßigen Kongressen und gesellschaftlichen wie auch sportlichen Großveranstaltungen auszugleichen, z.B. das Reit- und Fahrturnier, das internationale Tennisturnier, das Hockeyturnier, das Turnier im Wurftauben- und Scheibenschießen, das Automobilturnier des Mittelrheinischen Automobilclubs, die sich zahlreicher Kurzbesucher erfreuten. 1928 wurden im neuen Lennépark die ersten sechs Tennisplätze, das Terrassencafé und 1929 das große „Strandbad, Licht- und Luftbad“ eröffnet.

Die „Notzeiten in Neuenahr“, wie LINDLAHR 1992 die Chronik Welters betitelt, bedeuteten also nicht, dass der Badeort gänzlich sein gesellschaftliches Leben verloren oder es keinerlei Investitionen im Ortsbild gegeben hätte. Man bemühte sich intensiv um neue Besucherschichten, wie man ebenso im Blick auf diese Klientel investierte. Nur war jetzt alles anders als vor dem Ersten Weltkrieg. Es stand nicht mehr der mondäne Charakter im Vordergrund, es wurden weder prägende Großbauten errichtet noch wurde die umgebende Landschaft weiter touristisch erschlossen. Statt flanierenden Adels und Großbürgertums bevölkerten jetzt Tausende Tages- und Kurzbesucher attraktive Großveranstaltungen und Turniere. Bad Neuenahrs innerer Wandel spiegelte sich nicht deutlich in einem entsprechenden Wandel der Kulturlandschaft, die weiterhin touristisch inwertgesetzt blieb, jetzt aber überwiegend durch weniger vermögende Sozialgruppen als in der Vergangenheit. Da auch der Abriss von leerstehenden Hotels noch nicht in Betracht gezogen worden ist, schlägt sich kein Aspekt dieser Notzeiten im Bild der Topographischen Karten nieder.
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Bad Neuenahrs Dominanz 1948-1982
Als das Bad Neuenahr 1858 seinen Kurbetrieb aufnahm, hatte es mit Neid auf Ems und Wiesbaden geschaut, die sich seit langem des gesellschaftlichen Glanzes und der überaus lukrativen Einnahmen ihrer Spielbanken erfreuten. Auch in Godesberg hatte man zuvor erlebt, welche Geldquelle man mit einer solchen Stätte des Glücksspiels zum Sprudeln gebracht hatte. Das alles war 1947 Geschichte, aber nicht vergessen. Das Kriegsgeschehen 1939 - 1945 brachte es mit sich, dass manche zeitweise deutschen Gebiete im Osten verloren gingen. Dazu gehörte auch das mondäne Seebad Zoppot an der Danziger Bucht, das ebenfalls ein florierendes Casino zu seinen Attraktionen gezählt hatte. Den dortigen Konzessionär, Richard Foerster, verschlug es ins Rheinland, wo er nach einem neuen Casino-Standort Ausschau hielt und im Frühjahr 1947 auf Bad Neuenahr stieß. Angesichts einer aufgrund des zusammengebrochenen Kurbetriebs leeren Stadtkasse erkannte dessen Amts- und Gemeindebürgermeister sowie vorübergehender Kurdirektor, Wilhelm Bloser, die Chance, diese Situation nachhaltig zu verändern. Bürgerschaft und Gemeinderat zeigten sich zunächst wenig angetan von der Idee, hier eine Spielbank im Kurhaus aufzunehmen, ließen sich aber, von den erwarteten Einnahmen gelockt, schließlich auf eine Zustimmung ein. Das junge Land Rheinland-Pfalz respektierte den Wunsch Bad Neuenahrs, einerseits wegen des Kurbetriebs auf die Ansiedlung von Industrie zu verzichten, andererseits aber Einnahmequellen für die Wiederbelebung des Tourismus zu erschließen, was erhebliche Investitionen in Renovierungen und Neubauten der städtischen und Kur-Infrastruktur voraussetzte. Die Landesregierung erteilte der „Kasino Bad Neuenahr Foerster & Co. KG“ am 25. August 1948, gerade mal zwei Monate nach der Währungsreform, die Konzession zum Betrieb einer Spielbank, die der Kommune schon im ersten Geschäftsjahr etwa die Hälfte des gesamten örtlichen Steueraufkommens einbrachte und zusätzlich den gleichen Betrag an die Aktiengesellschaft Bad Neuenahr (AGBN) abführte. Das junge Unternehmen expandierte schnell und gründete 1949 die Spielbanken in Westerland/Sylt und Bad Dürkheim. Offensichtlich war auch in Zeiten, in denen es für die meisten Menschen noch Lebensmittelbewirtschaftung, Benzinrationierung und Grenzkontrollen zwischen der französischen und englischen Zone gab, die Zahl derer erfreulich groß, die reichlich Kapital zum Wohle Bad Neuenahrs an zunächst sieben Roulette- und drei Baccara-Tischen verlieren konnten, bestens betreut von 60 ehemals Zoppoter Croupiers und weiteren 80 Angestellten. Neun Monate später begrüßte man den 100.000. Gast der Spielbank und nach 37 Jahren 1986 den zehnmillionsten. Von 1949 bis 1997 sind 87% des Bruttospielergebnisses, das sind 1,6 Milliarden Mark, von den Spielbanken Bad Neuenahr und Bad Dürkheim an das rheinland-pfälzische Finanzministerium geflossen und zu einem guten Teil als Zuweisungen an den Badeort und die Region zurückgeflossen. 1969 erwarb die Spielbank mit 52,5 % die Aktienmehrheit der AGBN, während die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler seit 1974 27,4 % davon hielt.
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Zu dem komplexen Geflecht gesellschaftlicher Kräfte, die hinter der touristischen Inwertsetzung der Kulturlandschaft im Raum Bad Neuenahrs zu beachten sind, gehört also in wachsendem Maße der Staat. Während der Weimarer Republik war es der Kreis Ahrweiler mit seinen Werbekampagnen für den Weinabsatz und den Besuch Bad Neuenahrs gewesen, in der NS-Zeit kam die Kommune hinzu. Noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland förderte das Bundesland Rheinland-Pfalz den Tourismus des Bades im Ahrtal exklusiv mit der Spielbank-Konzession. Und seit der Gründung der Bundesrepublik profitierte der Badeort von einer Fortsetzung und weiteren Ausdehnung (1957) einer überaus „kurfreundlichen“ Gesundheitspolitik, die „Sozialkuren“ auf Kosten der Krankenkassen finanzierte. So gelangte ab 1949 erhebliches Kapital nach Bad Neuenahr, das damit umgehend Stadt und Kureinrichtungen modernisieren und erweitern konnte, angefangen von der Ausbesserung der Straßendecken und Anlage eines neuen Wasserwerks bis zum Bau eines großen Frei-Schwimmbades und einer neuen Ahrbrücke, die beide anlässlich der Verleihung der Stadt-rechte am 27. Mai 1951 eingeweiht wurden. Der sich schon in der Weimarer Republik abzeichnende Strukturwandel in der Zusammensetzung des Gästeaufkommens wurde jetzt von der AGBN gegen manche Widerstände konsequent betrieben:

1951Wiedereröffnung des Kursanatoriums
1956Eröffnung der Kurklinik „Jülich“
1957Umbau des Hauses Hochstraße 6 in Kurheim „Willibrordus“, Kauf des Kurheims „Hubertus“
1958Eröffnung der Kurklinik „Landgraf“
1961Eröffnung der Kurklinik „Are“
1963Eröffnung des Anbaus der Kurklinik „Jülich“
1965Inbetriebnahme der Kurklinik „Hochstaden“
1967Bau der Kurklinik „Kurköln“
1969Erweiterung und Renovierung der Kurklinik „Jülich“
1971Erweiterung und Renovierung der Kurklinik „Landgraf“
1974Erweiterung der Kurklinik „Hochstaden“
1981Kauf der Kurklinik „Saffenburg“
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Im Jahr des 100-jährigen Bestehens des Bades, 1958, schätzte BOTH den Anteil der aufgrund der Sozialversicherung hier verweilenden Kurgäste schon auf etwa 50% an der Gesamtzahl der Kurgäste und ihr Anteil stieg in den folgenden Jahren weiter. Denn acht neue Kurkliniken in der Trägerschaft der AGBN zusätzlich zu den Häusern der Knappschaft und Versicherungen vergrößerten das Bettenangebot Bad Neuenahrs erheblich, das sich seit 1948 ebenfalls strukturell veränderte. Den 2.444 Gästebetten von 1938 standen 1949 zwar zunächst nur 1.307 gegenüber, aber fast alle Hotel-, Pensions- und Privatzimmerbetriebe des Jahres 1949 waren auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg im Fremdenverkehrsangebot zu finden. Es bestand nicht nur eine sehr große Kontinuität im Gastgebergewerbe, sondern auch die Verteilung der Gästebetten auf die drei Betriebstypen blieb bis 1951 beinahe gleich. Im Verlauf der folgenden Jahre verringerte sich von 1951 bis 1960 die Zahl der Hotels von 36 (= 63,5% aller Gästebetten) auf 21 (= 35,5% aller Gästebetten). Viele der aufgegebenen Häuser fielen bald dem Abriss anheim. Die Pensionen, von denen es vor dem Krieg 36 gegeben hatte, konnten seit 1951 in 22 Betrieben ihre Position während der 1950er Jahre behaupten. Dagegen stieg die Zahl der Anbieter von Zimmern mit Frühstück von 20 (1938 = 6,5% aller Gästebetten) auf 25 (1951=10%) und 82 (1960=31,5%). An dieser Struktur änderte sich bis etwa 1970 nichts, obwohl die absolute Zahl der Betten wuchs. Noch 1980 boten 82 Privathäuser Gästebetten an, deren Zahl aber bald drastisch sank. Der Stadtteil Bad Neuenahr stellte 1986, vier Jahre nach dem 1982 eingeleiteten dritten Strukturwandel, insgesamt 3.479 Gästebetten. Davon befanden sich allein in den Kurkliniken und Sanatorien 1.186 Betten.
Ausführliche Betten-, Gäste- und Übernachtungszahlen für Bad Neuenahr-Ahrweiler, Sinzig (-Bad Bodendorf) und Remagen 1951 – 2008 finden sich bei HAFFKE 2009, S. 200/201. Daraus wird ersichtlich, dass der Anteil Ahrweilers bei den Gästezahlen von etwa einem Drittel 1951 bis 1965 auf ungefähr die Hälfte des Aufkommens von Bad Neuenahr stieg und seitdem wieder unter ein Drittel sank. Die am Weintourismus orientierte Struktur des Ahrweiler Fremdenverkehrs zeigt sich jedoch eindeutig bei den Übernachtungszahlen, wie sich Bad Neuenahrs Erfolg mit einer Verlängerung der Aufenthaltszeiten ebenfalls in den Zahlen spiegelt: Von 1951 zunächst rund 20 % der Übernachtungszahlen Ahrweilers gegenüber Bad Neuenahr sank der Anteil der Rotweinmetropole 1968 auf 5 %. Bad Neuenahr expandierte durch weitere Neubauten der AGBN:

1967Einweihung des Kurhotel-Mittelbaus, Renovierung des Kursanatoriums und Kurhaus-Restaurants, Aufstockung des Badehauses in der Kurverwaltung
1972Bau des medizinischen Thermal-Bewegungsbades
1974Neubau des Kurpark-Cafés und -Restaurants
1981Eröffnung des „Hauses am Kurpark für Freizeit und Gesundheit“
1982Bau eines Pavillons im Lennépark, der Brunnenanlage vor der Kurverwaltung und der Panorama-Parkanlage im Kurpark
1983Neubau des „Café-Restaurants Lenné-Schlößchen“ im Lennépark
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Zudem übernahm die AGBN 1978 das Kurparkhotel und Kurhaus-Restaurant in Bad Dürkheim in Pacht und modernisierte diese im Folgejahr. Neben den Aktivitäten der AGBN ist der deutliche Wandel im Stadtbild zu beachten, der sich im Gefolge der Stadtsanierung seit 1968, durch Abriss alter Hotels und größere Neubauten einstellte. Die stark wachsenden Einwohnerzahlen belegen die Attraktivität der Badestadt, die seit 1969 gemeinsam mit der Rotweinmetropole und alten Kreisstadt Ahrweiler ein Mittelzentrum bildet. Die seit 1975 das Untere Ahrtal bei Bad Neuenahr auf einer bis zu 55 Meter hohen, circa 1,5 Kilometer langen Brücke querende Autobahn 61 dominiert das Landschaftsbild negativ und brachte dem Badeort einerseits Lärm und Abgase, die es durch bewussten Verzicht auf Industrie nie haben wollte, andererseits dem gesamten östlichen Teil des Kreises Ahrweiler einen verbesserten Verkehrsanschluss an die Quellgebiete seines Gästestroms, wie sich dadurch auch Ansiedlungsmöglichkeiten für Industrie und Gewerbe und ein vergrößerter Pendlereinzugsbereich für seine Einwohner ergaben. Überdimensionierte Auf- und Abfahrten zur A 61 von beiden Seiten der Brückenenden ins Tal wie auch Anschlüsse an die Querverbindung (B 266) zur rheinparallelen B 9 haben seitdem den landschaftlichen Charakter des Talbodens schwer beeinträchtigt. Zwar lag der Schwerpunkt all dieser Investitionen und damit der touristischen Inwertsetzung innerhalb der Siedlung, aber auch die umgebende Landschaft erfuhr Wertschätzung durch das Engagement der AGBN, der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und einiger Vereine z.B.

1956Schaffung einer Klima-Kurstation auf der waldigen Höhe des Steckenberges
1958Erweiterung des Kurparks
1965Einrichtung des Segelflugplatzes Bengener Heide, in den 1970er Jahren zum Sportflugplatz ausgebaut
1973Einweihung eines neuen Aussichtsturms auf dem Neuenahrer Berg
ab circa 1975Ausweisung mehrerer „Medizinischer Kurwanderwege“ im weiteren Umfeld Bad Neuenahrs (KEYSERS 1983, S.27 f)
1982Einweihung des Golfplatzes „Köhlerhof“
1982Die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler verfügt über 25 Hektar städtischer Parklandschaft, 300 Kilometer ausgeschilderter Wanderwege sowie 500 Kilometer Wirtschaftswege, 48 Hütten, 9 Aussichtstürme
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Die Liste ließe sich ergänzen und fortsetzen. Das Bad Neuenahr jener zweiten Blütezeit 1949-1975 bot von seinem baulichen und landschaftlichen Bild und auch von seinem gesellschaftlichen Leben her alle Merkmale einer von Fremdenverkehr geprägten Kulturlandschaft. Zudem profitierten Bad Neuenahr und die Mittelahr von ihrer Nähe zur (provisorischen) Bundeshauptstadt Bonn, die ihnen, abgesehen von zahllosen Tagungen, Arbeitsessen und Besuchen von Ministerien, Diplomaten und Verbänden, auch den Glanz einiger Bundespressebälle (1951-1958) bescherte. Weit über das Rheinland hinausstrahlend wurde Bad Neuenahr jeden zweiten Sonntag im September zum Ziel mehrerer Sonderzüge der Bahn und vieler Busse: Von 1953 bis 1972 erfreuten 20 „Dahlienfeste“ mit ihrem großen Blumenkorso zigtausende Besucher, die dem Ruf des Kur- und Verkehrsvereins der Stadt gefolgt waren.

Bad Neuenahrs erste Blüte, das Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg, war weitgehend privaten Investitionen und der Initiative der AGBN wie auch dem Engagement der Gemeinde zu verdanken gewesen, die ein die Interessen des Großbürgertums und Adels ansprechendes Angebot geschaffen haben. Bad Neuenahrs zweite Blüte 1949 - 1975 kam durch massive staatliche Einflussnahme vor allem auf Landes- und Bundesebene zustande, die mit Spielbank und Sozialkuren zwei in Zeiten des „Wirtschaftswunders“ überaus wirksame Faktoren einbrachten, die von AGBN, Stadt und Privatleuten beherzt, konsequent und mit großem Erfolg aufgegriffen und entfaltet worden sind. Wie man 25 Jahre lang von diesem staatlich angefachten Rückenwind profitieren konnte und sich kaum mehr vorzustellen vermochte, dass es auch mal Gegenwind oder sogar Sturm geben könnte, musste man sich an die Erkenntnis gewöhnen, dass allgemeine konjunkturelle Einbrüche in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls nicht wirkungslos an Bad Neuenahr vorbeiziehen. Es war deshalb eigentlich nicht überraschend, dass die Rezession im Gefolge der ersten Ölkrise 1973 bald Spuren im Tourismus überhaupt wie auch im speziellen Fall in Bad Neuenahr hinterlassen würde (1975/1976), die noch einmal bewältigt werden konnten.
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„Wellness“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler
„Die Kur in Deutschland ging baden!“, stellte der Kurdirektor der AGBN, Rainer Mertel, 1999 fest und setzte verstärkt den „Strukturwandel vom ´Klinikkonzern` zum Kompetenzzentrum für Gesundheit und Wohlbefinden“ (2008) fort. Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht in Bad Neuenahr zu suchen, sondern in einer veränderten Einstellung der Gesundheitspolitik und mancher Zweige der Medizin zur Kur als therapeutisches Mittel, so dass fast alle Kur- und Badeorte Deutschlands von verschiedenen „Gesundheitsstrukturreformen“ 1982, 1989, 1997 getroffen worden sind. Die AGBN, der in der Hauptsache die Kureinrichtungen gehören, hatte schon seit Mitte der 1980er Jahre versucht, mit freien Kuren und gesundheitsbewusstem Urlaub neue Gästegruppen anzusprechen. Die Anteilseigner der AGBN waren 2007: Interessengemeinschaft von Aktionären der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr mit 54,002 % (darunter die Spielbank Bad Neuenahr mit über 50 %), Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler 27,36 % und Streubesitz 18,638 %. Zwischen Stadt, Spielbank und AGBN bestand ein kompliziertes Geflecht von gegenseitigen Verbindungen durch Beteiligungen, Steuerzuflüsse gemäß dem rheinland-pfälzischen Spielbankgesetz von 2002 und Mietverhältnisse. Mit dem Bau der aufwändigen „Ahr-Thermen“ (1993, 2005 Erweiterung der Saunaanlage), dem Programm „Sinfonie der Sinne“ im grundlegend sanierten Thermal-Badehaus (1998), dem Bau des „Wellengangs“ (2008/09), eines unterirdischen Verbindungsgangs zwischen Steigenberger-Kur- und Thermal-Badehaus und den Ahr-Thermen, und der Inbetriebnahme eines Zentrums für „Medical Fitness“ im Thermal-Badehaus (2008) hat die AGBN auf engem Raum ein Angebot geschaffen, das sie künftig unter dem Begriff „Ahr-Resort“ vermarkten möchte. Damit vollzog die AGBN einen „Paradigmenwechsel“ weg vom „Klinikgeschäft“. Bereits 2002 stieg die AGBN als Betreiber der „Villa Sibilla“, einer Anlage mit 144 Komfort-Wohnungen und Service „auf höchstem Niveau“ für ältere Menschen, in ein neues Geschäftsfeld ein, das bald den größten Teil des Umsatzes der Gesellschaft ausmachte. Bei einem Umsatz der Kur AG von 12,7 Millionen Euro im Jahr 2007 entfielen auf den Geschäftsbereich „Villa Sibilla“ 4,9 Millionen Euro, den Kur- und Badebetrieb 1,2 Millionen Euro, das Kurparkhotel Bad Dürkheim 3,7 Millionen Euro und der Rest von ca. 2,8 Millionen Euro auf zum Beispiel Mieten und Pachten.
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Mit diesem Paradigmenwechsel der AGBN ging einher, dass sich die gesamte Region des Kreises Ahrweiler im Gefolge der Deutschen Einheit 1990 nach dem Bonn-Berlin-Beschluss 1991 unter Druck sah, sich nach außen und innen neu orientieren und präsentieren zu müssen. Von 1987-1994 verstand man sich als das „Bäder-, Wein- und Wanderland Rhein, Ahr, Eifel“, seitdem will man, stark unterstützt aus Bundesmitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichsvertrags, unter dem Leitbild einer „Gesundheits- und Fitnessregion“ alle wirtschaftlichen, touristischen und gesellschaftlichen Kräfte des Landkreises in einem aufeinander abgestimmten Konzept bündeln. Dazu gehört das Bestreben, z.B. im Bereich der Medizin tätige Unternehmen und Forschungseinrichtungen anzusiedeln, Studienfächer an der aus Mitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichsvertrags 1998 vollendeten Abteilung der Fachhochschule Koblenz, dem „RheinAhrCampus“ in Remagen, entsprechend mit Schwerpunkten in Sport, Medizin und Gesundheits- und Sozialwirtschaft einzurichten, das Thema „Wein und Gesundheit“ wissenschaftlich zu begleiten („Studien- und Informationszentrum Gesundheit, Lebensqualität und Wein“ der Deutschen Weinakademie, gefördert mit Mitteln des Bonn-Berlin-Ausgleichsvertrags, seit 1999 in Bad Neuenahr, Qualitätsoffensiven in Landwirtschaft und Obstbau zu unterstützen und seit 2003 den Aufbau eines „Nordic Fitness Parks“ zu fördern. Die Gründung eines großen Kletterparks 2008 im Bereich der bewaldeten Hänge Bad Neuenahrs rechts der Ahr fügt sich nahtlos in dieses Konzept. Der in Deutschland erstmalige, ebenfalls mit Mitteln aus dem Bonn-Berlin-Ausgleichsvertrag finanzierte Versuch, die gesamte Vermarktung des touristischen Angebots städtischer und regionaler Institutionen im Kreisgebiet in einer Einrichtung zu konzentrieren, führte 2000 zum Zusammenschluss des städtischen „Kur- und Verkehrsvereins Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V.“ (KVV) mit der auf Betreiben des Landkreises seit 1987 für das ganze Kreisgebiet zuständigen, sich später „Touristik-Service Ahr, Rhein, Eifel e.V.“ (TOUR) nennenden Vereinigung und einem gemeinsamen Standort für die neue „Tourismus & Service GmbH Ahr Rhein Eifel, Bad Neuenahr-Ahrweiler“ (TSG) im direkten Umfeld der AGBN. Nach wenigen Jahren gingen 2005 die Wege wieder auseinander, weil die Differenzen zwischen den Interessen des hinsichtlich der gesamten Betriebsstruktur und des Gästeaufkommens dominanten Bad Neuenahr-Ahrweiler und der deutlich kleineren übrigen Orte zu groß wurden. „Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler e.V.“ tritt wieder eigenständig neben der „Ahr Rhein Eifel, Tourismus & Service GmbH“ auf.

Von der Nähe zur Bundeshauptstadt Bonn hatte Bad Neuenahr-Ahrweiler und das gesamte Ahr-Eifel-Gebiet lange profitiert. Der Strukturwandel Bonns infolge der Verlegung des Regierungssitzes nach Berlin, der in der Hauptsache 1999 vollzogen worden ist, hat dennoch Investoren nicht entmutigen können, in den Tourismus Bad Neuenahrs zu investieren, wie etwa 1997 die Eröffnung eines großzügigen Kongresszentrums im neuen Dorint-Hotel beweist, wenn auch manches „Arbeitsessen“ für die gehobene Gastronomie der Region weggefallen ist. Obwohl die AGBN 2009 auch die Beteiligung am Kurhaus von Bad Dürkheim aufgegeben hatte, stand sie 2012 vor erheblichen finanziellen Problemen, weil sich vor allem der Betrieb der „Ahr-Thermen“, von denen man sich eigentlich den neuen Aufschwung für Bad Neuenahr erhofft hatte, mangels ausreichender Besucherzahlen von Beginn an als höchst defizitär erwiesen und auch der „Wellengang“ die in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht hatte. Hinzu kam, dass sich das Volumen der Spielbankabgabe, die einen wesentlichen Posten zur Aufrechterhaltung des traditionellen Kurortcharakters darstellt, aufgrund gesetzlicher Neuregelung (2008), konjunktureller Schwäche und Konkurrenz anderenorts mehr als halbiert hatte.
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Der vierte Strukturwandel: Das städtische Heilbad Bad Neuenahr seit 2013
Mit dem 1. Januar 2013 ging ein großer Teil des Grundbesitzes aus den Gründungsjahren der AGBN nach über 150 Jahren in das Eigentum der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler über. Das bedeutet nicht, die Arbeit an einem zeitgemäßen und ökonomisch tragfähigen Konzept für einen Badeort der Zukunft sei abgeschlossen. Aber der tiefgreifende Wechsel in den Eigentumsverhältnissen führt zu einer grundlegenden Veränderung bei den verantwortlichen Akteuren. Auch dieser Umstand rechtfertigt es, nunmehr von einem „vierten Strukturwandel“ zu sprechen. Im Mai 2012 hatte die AGBN den Kurpark mit der Heilwasserquelle und allen Gebäuden, den Lennépark, die Grün- und Wegeflächen entlang der Ahr wie auch umfangreichen Waldbesitz für 4,86 Millionen Euro an die Stadt verkauft. Im April 2013 folgte ein Verkaufsangebot der zudem sanierungsbedürftigen „Ahr-Thermen“. Weitere Grundstücksverkäufe an private Interessenten brachten der AGBN im Oktober 2013 2,7 Millionen Euro ein. Die Stadt deutete die Verkäufe als Rückzug der AGBN aus dem Kurbetrieb, gründete im November 2013 selbst eine „Heilbad GmbH“ und setzte beim Land Rheinland-Pfalz ihren künftigen Anspruch auf die Spielbankabgabe durch. Zur allgemeinen Überraschung gab der designierte neue Kurdirektor noch im Oktober 2013 bekannt, keineswegs werde die AGBN künftig den Kurbetrieb völlig aufgeben, und präzisierte im Dezember, man wolle das Geschäftsfeld „Telemedizin“ entwickeln und ein „Medical Center“ aufbauen. Zum Jahresende 2013 stellte die AGBN den Betrieb der „Ahr-Thermen“ ein. Im Januar 2014 folgte die Drohung, noch im Februar mit ihrem Abriss zu beginnen, wenn sich nicht umgehend ein neuer Betreiber fände. Das monatelange öffentliche Hin und Her um den Verkauf der Anlage bewirkte nicht allein einen beträchtlichen Imageschaden, sondern auch einen spürbaren Einbruch in der Tourismusstatistik. Erst im August 2014 öffneten die „Ahr-Thermen“ wieder ihre Tore, jetzt aber als Betrieb der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Am 15. Mai 2014 hatte der Rat der Stadt mit nur zwei Gegenstimmen den Kauf der Anlage für 3 Millionen Euro von der AGBN beschlossen. Hinzu kommen in den nächsten Jahren mindestens 7,2 Millionen Euro für die notwendige Sanierung und Attraktivitätssteigerung. In der Öffentlichkeit hatte es auch Stimmen gegeben, die gegen eine städtische Übernahme eintraten. Im Eigentum der AGBN verblieb zunächst der engere „historische“ Kurbezirk mit Kurhaus, Kurhotel, historischem Thermal-Badehaus und einigen weiteren Gebäuden. Dieser wechselte schließlich 2017 seinen Besitzer und ging an eine Eigentümergemeinschaft aus der Region unter der Führung der alteingesessenen Firma Brogsitter.
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Die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler übernahm die Verantwortung für das Erscheinungsbild des Badeortes, der noch immer durch zahlreiche Elemente seiner ersten Blütezeit geprägt ist. Die aristokratischen Gebäude, Kurhaus, Kurhotel, Badehaus, die großzügigen Parks, der durch zahlreiche Spazierwege erschlossene Wald des Neuenahrer Berges, das Fehlen von Industriebetrieben, sie alle dokumentieren die Kur-Vorstellungen einer Gesellschaft, die es schon lange nicht mehr gibt. Wie soll man im 21. Jahrhundert mit diesem Erbe umgehen?

Musealisierung kann kein Konzept sein, aber eine Weiterentwicklung, welche einerseits den Wert des überkommenen Bestandes würdigt, andererseits jedoch Anpassungen an die Bedürfnisse der Gegenwart nicht generell verbietet und darüber hinaus Neuerungen erlaubt, erschien als Leitschnur für die Zukunft sinnvoll. Die für das Jahr 2002 in Bad Neuenahr-Ahrweiler geplante Landesgartenschau wurde dabei als Chance gesehen, den Prozess des Wandels zu prägen und zu beschleunigen. Die Corona-Pandemie 2020 bis 2022 und die Flutkatastrophe im Ahrtal am 14./15. Juli 2021, von der auch Bad Neuenahr-Ahrweiler schwer getroffen war, haben den darniederliegenden Tourismus zu einer Neuorientierung gezwungen. Die zunächst auf 2023 verschobene Landesgartenschau fiel ganz aus. Sie soll 2030 den erfolgreichen Wiederaufbau im Ahrtal demonstrieren. In Bad Neuenahr-Ahrweiler empfängt das große Steigenberger Hotel nach dem flutbedingten Wiederaufbau seit dem 1. Juni 2024 wieder Gäste. Das Seta-Hotel wurde im Spätsommer 2024 abgerissen. Im Februar 2025 machte die Nachricht die Runde, das bei der Flutkatastrophe stark beschädigte Dorint-Hotel solle wiederaufgebaut und Ende 2026 wiedereröffnet werden. Dann seien dort wieder Tagungen und Kongresse mit bis zu 800 Teilnehmern möglich. Hatte es 2019, also vor der Corona-Pandemie und der Flutkatastrophe, noch 1,4 Millionen Übernachtungen in der Region Ahr gegeben, waren es 2022 noch 434.000 und 2023 immerhin 624.000. Durch Flutschäden hatte sich die Bettenzahl von etwa 8.400 auf inzwischen 5.600 Betten verringert. Ein „Nachhaltiges Tourismuskonzept Ahrtal 2025“, das der Verein Ahrtaltourismus im Februar 2024 vorgestellt hat, bildet die Grundlage einer Tourismusstrategie für das gesamte Ahrtal.
Vorgeschlagen sind fast 70 Einzelprojekte, nicht allein auf Bad Neuenahr-Ahrweiler konzentriert, sondern bis in die Hocheifel zur Hohen Acht und den Freilinger See nahe Blankenheim ausgreifend. Da ist von „Leuchtturmprojekten“ die Rede, zum Beispiel einer Hängebrückenverbindung zwischen AhrSteig und Rotweinwanderweg bei der „Bunten Kuh“/Walporzheim, neuen nachhaltigen Ahr-Thermen in Bad Neuenahr und der touristischen Nutzung von Tiny-Houses, die man bei der Bewältigung der Flut kennen gelernt hat. Welche Projekte davon umgesetzt werden sollen, ist noch offen. Die „Ahrtal und Bad Neuenahr-Ahrweiler Marketing GmbH“ hat im April 2024 zur ersten Lenkungsgruppensitzung geladen (Vertreter der Gesundheitswirtschaft, des Tourismus, des Einzelhandels, der Weinwirtschaft usw.), um ein ganzheitlich betrachtetes Kurortentwicklungskonzept für den Gesundheitsstandort Bad Neuenahr-Ahrweiler zu erarbeiten, das wettbewerbsfähig mit anderen Kurorten ist.
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(Jürgen Haffke, Bonn, 2025)

Quellen
Ritter, Hans-Jürgen (2008): Bad Neuenahrer Impressionen, Folgen 10, 24. In: Stadtzeitung Bad Neuenahr-Ahrweiler
Zeitschrift „Der Nürburg-Ring“, 1927, Heft 6, S. 19

Literatur

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Der Fremdenverkehr des Rheinlands 1929-1949. Dissertation. Köln.
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Die Gemeinde Neuenahr 1857-1907. Aus Anlass der Feier des fünfzig-jährigen Gedenktages der Gründung des Bades Neuenahr. Neuenahr.
Frick, Hans (1958)
Die Quellenweihe vor 100 Jahren und die elfjährige Gründungsgeschichte des Bades Neuenahr. Bad Neuenahr.
Frick, Hans (1933)
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Keßler, Margit / Otremba, Erich et al. (Hrsg.) (1975)
Bad Neuenahr - Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten in der Dynamik einer Stadt. In: 25 Jahre Forschung und Lehre im Wirtschafts- und Sozialgeographischen Institut der Universität zu Köln, (Kölner Forschungen zur Wirtschafts- und Sozialgeographie 21.) S. 101-140. Wiesbaden.
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Königliches statistisches Bureau (Hrsg.) (1888)
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Hochfürstlich eröffnet - königlich in die Zukunft. In: 150 Jahre Kur- und Heilbad Bad Neuenahr. 150 Jahre Plachner Verlag, S. 3-16. Höhr-Grenzhausen.
Ritter, Hans-Jürgen / Landkreis Ahrweiler (Hrsg.) (2002)
Aus dieser Quelle trinkt die Welt. Vor 150 Jahren begann der Siegeszug des Neuenahrer Wassers. In: Heimat-Jahrbuch Kreis Ahrweiler 2002, S. 125-128. Monschau.
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Topographisch statistische Übersicht des Regierungsbezirks Coblenz. Coblenz.
(o.J.)
Verwaltungsberichte des Kreises Ahrweiler 1924. Ahrweiler.

Kurort Bad Neuenahr

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Ort
53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler - Bad Neuenahr
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung

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„Kurort Bad Neuenahr”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-355974 (Abgerufen: 21. Mai 2025)
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