Mit dem Aufstieg des Kurortes Bad Neuenahr und der damit einhergehenden Zunahme der Zahl der Kurgäste kam es auch dazu, dass sich Gäste ansagten, die eher als Patienten zu werten waren und die sorgsamster Pflege bedurften, die die privaten Vermieter beziehungsweise das Personal in Hotels nicht leisten konnte. Da es an einer Pflegeanstalt beziehungsweise an Pflegekräften mangelte, wurden diese schwer kranken Patienten, die sich im Kurort Bad Neuenahr von den Heilquellen Genesung beziehungsweise Besserung versprochen hatten, anfangs nicht angenommen.
Doch man war sich bewusst, auch für solche Patienten in Zukunft eine Unterkunft bieten zu wollen. Im Herbst 1879 wandte sich Pastor Pliester an den Vorsitzenden des Provinzialausschusses für Innere Mission und teilte ihm die Notwendigkeit zur Errichtung eines solchen Kur- und Pflegehauses mit. Pastor Pliester, zu dessen Gedenken eine Bronzetafel rechts des Eingangs der Martin-Luther-Kirche hängt, schaffte es, durch sein großes Verhandlungsgeschick das Gremium zu überzeugen. Ein Jahr später folgte bereits der Aufruf zur Unterstützung der Errichtung eines Kur- und Pflegehauses auf Grundlage christlicher Hausordnung. Dieser hatte Erfolg, Spenden flossen und der noch fehlende Geldbetrag wurde bei der Bank aufgenommen. So konnte die Unterkunft, welche sich in nächster Nähe zu dem Kurhaus und den Kuranlagen befand, über ca. 40 Zimmer, einen großen Speisesaal, einen schattigen Garten und optimalen Ausblick in alle Richtungen verfügte, im Jahr 1880 eröffnet werden. Name dieses Hauses war „Walburgisstift“ zur Erinnerung an die letzte Gräfin aus dem Hause Neuenahr, Anna Walburga von Neuenahr (* 1522; † 1600), die die Witwe des Admirals Graf von Hoorn († 1568) war. Mit Hinblick auf die christliche Hausordnung wurden den dort verweilenden Kurgästen täglich einmal morgens in der Martin-Luther-Kirche eine Morgenandacht und abends im Haus selbst eine Andacht vom Pastor Pliester angeboten. 1885 wurde aufgrund des starken Zustroms bereits ein erster Anbau nötig und ein Jahr später musste auch die Küche vergrößert werden. Mit der Zeit kaufte das Stift immer mehr Parzellen der umliegenden Felder, um zum einen Platz für Gartenanlagen zu gewinnen und zum anderen aber auch um Neubauten zu dicht am Stift zu verhindern. Mit dieser Erweiterung des Grundstückes war es möglich einen Gemüsegarten anzulegen, um den Kurgästen saisonale, selbst angebaute Ware anbieten zu können und auch eigene Schweine zu halten, die nach einer gewissen Zeit dann auch auf dem Teller der Kurgäste landeten.
Im Jahr 1907 ging Pastor Pliester in Ruhestand und damit endete auch die Zeit eines Hausgeistlichen im Walburgisstift. Drei Jahre später konnte das Stift das Gästehaus „Zur Stadt Köln“ erwerben, da der Besitzer verstorben war. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurde das Stift zum Lazarett umfunktioniert. Nach der Währungsreform 1948 kam es in Bad Neuenahr zu zahlreichen Investitionen und in Deutschland zu einer Umgestaltung der Krankenversicherung, sodass das Walburgisstift zum ersten Mal feststellen musste, dass es in seiner bisherigen Form nicht mehr zeitgemäß war. Hierauf reagierte der Vorstand des Walburgisstifts mit einem Zusatz in der Satzung, bei dem die Unterhaltung eines evangelischen Mädcheninternats festgelegt wurde. Damit leistete man auch dem nach dem Krieg eröffneten Are-Gymnasium, welches in unmittelbarer Nähe, damals noch im Gebäude des „Hotel Kaiserhofs“ (Kreuzung Berg- und Hauptstraße, heute: Teil des Kaufhauses Moses in Bad Neuenahr) lag und als „Staatliches Pädagogium für Mädchen“ ausgewiesen wurde, Hilfe bei der Unterbringung der Schülerinnen. Ab 1953 fungierte das Gymnasium dann als staatliches Aufbaugymnasium mit Internatsangebot ab Klasse 8 für Jungen und Mädchen. Unter ihnen befanden sich damals auch Schüler, die aus der sogenannten „Sowjetischen Besatzungszone“ Richtung Westen geflüchtet waren. So bot das Stift mehr als 20 Jahre lang eine Unterkunft für 110 Schülerinnen. 1965 kam es zum Umzug des Are-Gymnasiums in die Mittelstraße 110, wo man es bis heute (2016) findet unter der neuen Bezeichnung „Are-Gymnasium-Aufbaugymnasium“. Doch 1974 wurde das Are-Gymnasium dann zu einem Vollgymnasium und somit auch immer mehr ein Angebot für Schülerinnen und Schüler aus der Stadt und der näheren Umgebung, die eine Unterbringung in einem Internat nicht mehr brauchten.
1975 machte das Walburgisstift nun ein weiteres neues Angebot, indem es für das kommende Schuljahr als Internat für Schülerinnen, aber auch Schülern ab 10 Jahren aller Schulen in Bad Neuenahr fungieren wollte. Hierauf kam jedoch kaum Resonanz, sodass man sich letztendlich im gleichen Jahr dazu entschloss, das Walburgisstift zu schließen und zu verkaufen. Ein Käufer war mit der Kur-AG schnell gefunden, die das Gebäude im Jahr darauf nach 95 Jahren abreißen ließ.
Ahr-Thermen
Heute findet man auf dem Gelände des ehemaligen Walburgisstifts die Ahr-Thermen, welche im Mai 1993 nach einer knapp zweijährigen Bauzeit eröffnet wurden und 43 Millionen Mark kosteten. Gespeist werden zwei der vier Wasserbecken mit dem Heilwasser der Walburgisquelle, die 1973 als dritter Sprudel nach dem sogenannten Kleinen Sprudel und dem sogenannten Großen Sprudel erbohrt wurde. Das Wasser, welches 32°C warm und sehr kohlensäurereich ist, steigt ohne Dazutun des Menschen aus einer Tiefe von 359 Metern auf. Zudem ist die Quelle sehr reich an Natrium, Magnesium, Hydrogencarbonat (auch Bicarbonat genannt) und Fluor. Durch das natürlich warme und mineralreiche Wasser wird das Bindegewebe gelockert, die Durchblutung gestärkt und der Stoffwechsel angeregt (vgl. ahr-thermen.de (20.04.2016)). Neben den vier Wasserbecken, wovon zwei mit Thermalwasser gefüllt sind, findet man in den Ahrthermen noch vier Whirlpools und fünf Saunen.
Am 31. Januar 2009 kam es dann auch zur Eröffnung eines unterirdischen 138 m langen sogenannten „Bademantelgangs“, durch den ehemaligen Kurdirektor Rainer Mertel und den damaligen Wirtschaftsminister Hendrik Hering. Der Gang verbindet die Ahrthermen mit dem Thermalbadehaus und dem Kurhotel von Bad Neuenahr zum sogenannten Ahr-Resort. Die Kosten für diese Verbindung lagen bei insgesamt 2,8 Millionen Euro, wovon 2,2 Millionen vom Land Rheinland-Pfalz bereitgestellt wurden und der restliche Teil wurde von der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr aufgebracht. Bedingung für den hohen Zuschuss des Landes war, dass der Gang mindestens 20 Jahre, also bis 2029 genutzt werden soll.
Im August 2014 übernahm die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler die Therme von der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr für knapp 3 Millionen Euro.
(Vanessa Bindarra, Universität Koblenz-Landau, 2016 / LVR-Redaktion KuLaDig, 2022)
Im Zuge der Flutkatastrophe vom Juli 2021 kam es zu schweren Schäden an den Ahr-Thermen, die daraufhin geschlossen werden mussten. Inzwischen hat der Rat der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler den Abriss der Ahr-Thermen beschlossen (Wochenspiegel 29/2022).
Internet
- general-anzeiger-bonn.de: Rote Zahlen im Schwarzbuch (Abgerufen 29.02.2016)
- de.wikipedia.org: Anna Walburga von Neuenahr (Abgerufen 02.03.2016)
- de.wikipedia.org: Philippe de Montmorency, Graf von Hoorn (Abgerufen 02.03.2016)
- aw-wiki.de: Ahr-Thermen Bad Neuenahr (Abgerufen 13.08.2024)
- www.ahrtal.de: Ahr-Thermen (Abgerufen 13.08.2024)
Quelle
Wochenspiegel Ahrtal 29 - 23.07.2022, S. 9 - Abriss der Ahr-Thermen