Franzosen und Preußen in der Mülheimer Heide
Militärische Nutzung
Nutzung nach dem Ersten Weltkrieg
Nutzung durch die Riehler Heimstätten
Heutige Nutzung und bemerkenswerte Bauten
Internet, Literatur
Franzosen und Preußen in der Mülheimer Heide
Der auch „Mülheimer Heide“ genannte Rheinbogen - in etwa die Fläche zwischen der heutigen Boltensternstraße und dem Rhein - wurde ab 1795 während der Besetzung des linksseitigen Rheinufers während der Franzosenzeit in Köln (1794-1814) für Militärübungen genutzt. Sie bauten u.a. eine Schanze im Bereich der heutigen Straße ‚An der Schanz'.
Nach der Franzosenzeit übernahm ab 1818 das preußische Militär das Gelände zu Übungszwecken und errichteten hier 1844 die ersten Schießstände. Diese sind in den historischen Karten der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme als „Schiess-stand“ im Nordwesten des „Exercier-Platz“ in der „Mühlheimer Heide“ eingetragen (vgl. die entsprechende Kartenansichten). Die älteren Kartenblätter der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1801-1828) zeigen das Terrain zwischen dem linksrheinischen „Mauspfad“ (dessen klassischer Verlauf eigentlich rechtsrheinisch liegt), dem „Stammelerweg“ in Richtung Stammheim (heutige Stammheimer Straße) und dem „Chemin de Mulheim“ noch fast vollständig ungenutzt und unbebaut.
Damit die Soldaten der Kölner Kasernen nicht jeden Abend wieder in ihre Unterkünfte zurückmussten, wurde 1890 fünf Baracken in der Höhe der heutigen Hittorfstraße errichtet, die als „Inf. Baracken“ (Infanteriebaracken) auf den Karten der 1891-1912 erarbeiteten Preußischen Neuaufnahme eingezeichnet sind (vgl. Kartenansicht).
Die Militärverwaltung plante ab 1905 die Aufgabe des Exerzierplatzes Mülheimer Heide zugunsten einer Kasernenanlage (Zander 1944). Ab 1906 wurde nach der Aufgabe des Exerzierplatzes schließlich auf der Mülheimer Heide die Kasernenstadt Boltensternstraße errichtet. Bevor die Baumaßnahmen beginnen konnten, musste das ganze Gelände um zwei Meter angeschüttet werden, um es hochwassersicher zu machen. Auf dem 25 Hektar großen Areal wurden ca. 80 Häuser errichtet, von denen 14 als Mannschaftsgebäude für ca. 2.600 Soldaten dienten. Der Schießstand nördlich der Anlage wurde auf 26 Bahnen in unterschiedlichen Längen ausgebaut, was ebenfalls auf den Karten der Preußischen Neuaufnahme gut zu erkennen ist.
Militärische Nutzung
Alleine in Riehl wurden zwischen 1893 und 1914 fünf Kasernen gebaut, darunter 1893-1895 die Barbarakaserne an der Amsterdamer Straße (www.ksta.de).
„Die sogenannte Kasernenstadt auf der Mülheimer Heide wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg angelegt. Dazu gehörten an der Boltensternstraße die Infanteriekaserne (1909-1912) und die Pionierkaserne (1907/08) sowie die Kasernen an der Slabystraße (1913/14).“ (de.wikipedia.org, Riehl).
In Riehl waren über 2.900 Soldaten stationiert, denen lediglich 2.150 zivile Anwohner gegenüberstanden (ebd.), der Ort wurde durch die Kasernen zu einem der größten Militärstandorte Kölns.
Stationiert waren hier:
- das Pionier Bataillon Nr. 24 (ab 1908),
- das Pionier Bataillon Nr. 7 (ab 1909),
- das Infanterie-Regiment 65 (ab 1910),
- das Pionier-Regiment 7 (ab 1914),
- das Pionier-Regiment 24,
- die Maschinengewehrabteilung des Infanterie-Regiments 65 (ab 1910),
- die Maschinengewehrabteilung der Festungsabteilung (ab 1914),
- die Scheinwerferabteilung nebst Kaserne (ab 1914) sowie
- eine Funkstation (ab 1914).
Ferner entstanden am Rhein zwei Pionierhäfen.
Nutzung nach dem Ersten Weltkrieg
Im Zuge der Entmilitarisierung Deutschlands wurden die Kölner Bataillone nach dem Kriegsende im November 1918 zunächst nach Köln zurückverlegt und dann ab Dezember demobilisiert. In den ersten Jahren der der alliierten Rheinlandbesetzung (1918-1930) infolge des Friedensvertrags von Versailles wurde die gesamte Kaserne zwischen 1918 und dem 31. Januar 1926 durch britische Soldaten genutzt (unser-quartier.de).
Zwischen 1926 und 1945 wurde die Kasernenanlage der 24er Pioniere durch die Polizei genutzt und von 1950 bis 2010 als Versorgungsamt.
Nutzung durch die Riehler Heimstätten
Die restlichen Anlagen, insbesondere das Gelände südlich der Barbara- und der Fischerkaserne, wurden ab 1926/27 durch die in diesen Jahren als „Alten- und Siechenheim“ begründeten Riehler Heimstätten genutzt (Wilhelm 2008, S. 378). Nach ihrer Fertigstellung 1934 waren diese die größten Sozial- und Wohlfahrtseinrichtungen im Deutschen Reich.
Im Bereich des heutigen Riehl hatte es bereits im 17. Jahrhundert ein Siechenhaus gegeben (eine Art Hospital für an Seuchen wie etwa Lepra erkrankte Menschen), u.a. zeigt dies eine Karte von 1663 des niederländischen Kartografen und Kupferstechers Joan Blaeu (1596-1673).
Durch Kriegsereignisse im Zweiten Weltkrieg wurden 40% der Häuser zerstört oder beschädigt. Nach Kriegsende erfolgte jedoch ein zügiger Wiederaufbau, so dass bereits im Juli 1945 wieder etwa 200 Menschen in den Heimstätten untergebracht werden konnten. Die Riehler Heimstätten sind heute als Einrichtung der Sozial-Betriebe-Köln gGmbH (SBK) die größte Senioren- und Behindertenwohnstätte der Stadt.
Heutige Nutzung und bemerkenswerte Bauten
1963 verzichtete die Militärverwaltung endgültig auf die Kaserne und die Anlage ging in den Besitz der Stadt über. In den Folgejahren wurde viele der Gebäude, die sich nicht für die Zwecke der Altenpflege eigneten, abgerissen und durch Neubauten ersetzt.
Auch die ehemaligen Exerzierplätze wurden im Laufe der Zeit überbaut. Dennoch sind einige bemerkenswerte Bauten der alten Kasernenanlagen erhalten geblieben:
- ein Beamtenwohnhaus (An der Schanz 5),
- das Mannschaftsgebäude der 24er Pioniere bzw. ehemalige Versorgungsamt (Boltensternstraße 10),
- drei von ehemals vier Familienwohnhäusern (Boltensternstraße 14),
- das Mannschaftsgebäude der 7er Pioniere, heute Altenwohnhaus B (Boltensternstraße 16),
- das Mannschaftsgebäude des Infanterie-Regiments 65, heutiges Haus E (Boltensternstraße 16) und
- die Maschinengewehrabteilung der Festungsabteilung, heutiges Haus Linde (Boltensternstraße 16).
(Joachim Brokmeier, Bergisch Gladbach, 2019/2022)
Internet
www.joachim-brokmeier.de: Private Homepage zu Köln-Riehl (abgerufen 01.07.2019)
unser-quartier.de: Die englischen Soldaten verlassen Köln (Text Joachim Brokmeier, 28.01.2022, abgerufen 31.01.2022)
sbk-koeln.de: SBK Sozial-Betriebe-Köln gemeinnützige GmbH, Hauptsitz Köln-Riehl (abgerufen 01.07.2019)
www.ksta.de: Kölns geheimnisvollste Orte: „Alte Riehler Kaserne ist heute Gewerbehof“ (Kölner Stadt-Anzeiger vom 04.02.2019, abgerufen 12.08.2020)
de.wikipedia.org: Riehl (Köln) (abgerufen 01.07.2019)
de.wikipedia.org: Riehler Heimstätten (abgerufen 01.07.2019)