Die frühen Jahre: Von der „Spielwiese“ zum „Sport- und Volkspark“
Die „Bonner Fußballbühne“ des Bonner FV und des Bonner SC
Die kickenden Politiker des FC Bundestag als „Botschafter des Parlaments“
Das langsame Ende des Sportparks Gronau
Lage und Objektgeometrie
Quellen, Internet, Literatur
Die frühen Jahre: Von der „Spielwiese“ zum „Sport- und Volkspark“
In seinem Standardwerk zu den frühen Fußballstadien in Deutschland führt der Stadionhistoriker Werner Skrentny aus, dass sich im Bereich des späteren Sportparks in der damals überwiegend landwirtschaftlich genutzten Gronau bereits eine „Spielwiese“ befunden habe, die dann im Jahr 1908 zum Schauplatz der „Vaterländischen Spiele“ wurde und 1910 zum 50-jährigen Jubiläum des 1860 gegründeten Bonner Turnvereins (BTV) genutzt wurde. Die Stadt ließ das Gelände dann 1926/27 mit einem Spielfeld samt 500-Meter-Laufbahn (aber noch ohne Zuschauertribünen) zum „Sport- und Volkspark“ ausbauen:
„Auf dem höher gelegenen Teil des Stadionrunds verlief ein Weg mit Kiesbelag, den Bäume säumten, wodurch er einen alleeartigen Charakter erhielt und die Bezeichnung ‚Volkspark' rechtfertigte.“ (Skrentny 2015, S. 30)
Ohne echte Zuschauerränge erschien die Anlage für die Bonner Fußballvereine allerdings zu unattraktiv, so dass der Sportpark mit dem Stadion und drei Aschenplätzen daneben zunächst überwiegend für den Schul- und Hochschulsport genutzt wurde. „In der Gronau“ - damals war damit längst noch nicht der heutige Stadtteil, sondern ausschließlich die Sportanlage und der Park gemeint - fanden seit den 1920ern die zentral veranstalteten Reichsjugendwettkämpfe (später Bundesjugendspiele) der Bonner Schulen statt.
Zu der „Bundesfeier der deutschen Jugend und des deutschen Sports“ fanden sich am 24. und 25. September 1949 rund 20.000 Besucherinnen und Besucher im seinerzeit „Gronau-Kampfbahn“ genannten Stadion ein, was als „einsamer Rekord“ gilt (ga.de, 2013); laut der Wochenschau „Welt im Film“ sollen es sogar 30.000 gewesen sein.
Die große Sportbegeisterung der Bonner Bevölkerung und das rasante Wachstum des seit 1949 den „provisorischen“ Regierungssitz der Bundesrepublik beherbergenden Ortsteils Gronau, führten schließlich zum Ausbau der damaligen Gronau-Kampfbahn zu einem städtischen Sportzentrum. Als Vorteil für diesen Standort im Bonner Süden wurde auch die Möglichkeit angeführt, den Wassersport auf dem Rhein in die Vorhaben einbeziehen zu können („Gronaustadion - Bonner Sportzentrum“, General-Anzeiger vom 9. November 1950). Seinerzeit grenzte unmittelbar zum Rhein hin noch das Strandbad Gronau an den Sportpark.
Jetzt wurde u.a. der hohe Wall im Westen der Anlage (an der heutigen Kurt-Schumacher-Straße) mit Rängen ausgebaut. Was dem nunmehr größten Stadion der Stadt Bonn mit einem Fassungsvermögen von 20.000 aber immer noch fehlte, war eine überdachte Tribüne:
„Unterhalb des Stadions-Rundwegs gab es Sitzplätze auf Holzbänken, bis zum oberen Stadionrand dann terrassierte Stehplätze. ... Die Sportstätte erhielt die damals übliche ovale Form, zumal eine Laufbahn bereits vorhanden war.“ (Skrentny 2015, S. 30)
Als weitere Großveranstaltungen im Volkspark Gronau werden für die frühen Jahre u.a. genannt:
- Reichsjugendwettkämpe der höheren Schulen, die hier im Rahmen der „Vaterländischen Festspiele“ vom 26. Juni bis 3. Juli 1927 in Bonn stattfanden,
- in den Jahren 1936, 1949 und 1982 die Deutschen Leichtathletik-Hochschulmeisterschaften,
- im Juli 1950 der Kölner Diözesan-Katholikentag mit Erzbischof Josef Kardinal Frings und 20.000 Teilnehmer*innen,
- 1950 ein DFB-Jugend-Länderspiel gegen Polen (3:1), und
- 1956 die „Bannerwettkämpfe“ der rheinischen höheren Schulen.
Die „Bonner Fußballbühne“ des Bonner FV und des Bonner SC
Der Aufschwung der Gronau erfolgte ab 1956, als der Bonner Fußball Verein (BFV) hierhin umzog. Dessen vormaliges, nur gut 500 Meter entferntes BFV-Stadion an der Dottendorfer Straße musste seinerzeit zugunsten des beginnenden Ausbaus des Regierungsviertels weichen.
Als Heimspielstätte des BFV wurde das Stadion nun zumindest für einige Jahre zur „ersten Adresse für den Bonner Fußball“ und zur großen „Bonner Fußballbühne“ (Skrentny 2015). Spiele des Bonner FV, der zwischen 1959/60 und 1962/63 der damals zweithöchsten deutschen Spielklasse der 2. Oberliga West (auch II. Division) angehörte, lockten regelmäßig große Zuschauermassen an. 1959 fanden sich zu einem Freundschaftsspiel des BFV gegen den 1. FC Köln (2:5) stolze 12.000 Schlachtenbummler ein.
Auch in den späten 1960er-Jahren zogen die vielen Fußball-Lokalderbys des 1965 gegründeten BFV-Nachfolgevereins Bonner Sport-Club 01/04 e. V. (Bonner SC) in der Verbands- und Regionalliga noch lange beachtliche Zuschauerzahlen von bis zu 12.000 an. In dieser Zeit dachte man seitens des SC sogar über die Errichtung eines überdachten Stadions mit einem Fassungsvermögen von über 30.000 Zuschauern nach (www.bonner-sc.de).
Im Jahr 1967 trat in der Gronau sogar einmal das Starensemble des großen FC Bayern München gegen den SC an - und verlor sensationell mit 1:3, wobei „ein gewisser Doppeltorschütze Horst Koep aus Kessenich den großen Franz Beckenbauer tunnelte.“ (ga.de, 2013)
In der letzten vom SC in der Gronau ausgetragenen Regionalliga-Saison 1968/69 wurden im Schnitt immerhin 5.700 Zuschauer bei den Heimspielen gezählt. Das letzte hier ausgetragene Punktspiel gewann der SC am 11. Mai 1969 mit 5:1 gegen Preußen Münster (Skrentny 2015, S. 31).
Die kickenden Politiker des FC Bundestag als „Botschafter des Parlaments“
Fast zwei Jahrzehnte lang residierte eine ganz besondere Fußballmannschaft in der Gronau: Erstmals am 12. April 1961 trat eine Auswahl deutscher Bundestagsabgeordneter in einem Benefizspiel für soziale Zwecke gegen eine Prominentenauswahl aus Politik, Presse und Fernsehen an. Zur Sicherheit hatten sich die MdBs dazu mit dem Weltmeister-Kapitän von 1954 Fritz Walter (1920-2002) verstärkt.
Nach einigen weiteren Spielen erfolgte 1967 auf Initiative des SPD-Politikers Adolf Müller-Emmert (1922-2011) die dauerhafte Einrichtung einer fraktionsübergreifend besetzten parlamentarischen Fußballmannschaft FC Bundestag, die sich fortan regelmäßig zum gemeinsamen Training traf (und die bis heute besteht). Zur Begründung sagte der sportbegeisterte Müller-Emmert, Bundestagsabgeordneter von 1961 bis 1987, „Fußball ist unsere einzige Freude, die wir in Bonn haben.“ (ga.de, 2013)
Der FC Bundestag spielte seitdem regelmäßig „nicht immer hochklassig, aber stets für einen guten Zweck und zuweilen verstärkt durch Gastspieler wie Wolfgang Overath“ in der Gronau. Ein erstes „Länderspiel“ der mit Genehmigung des DFB in den offiziellen Trikots der deutschen Nationalmannschaft antretenden Abgeordneten fand 1971 gegen Schweizer Parlamentarier statt.
Unter den kickenden Politikern finden sich durchaus berühmte Namen, u.a. der „als Linksaußen die Linie rauf und runter flitzende“ spätere Außenminister der Grünen Joseph „Joschka“ Fischer, die SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Franz Müntefering, der SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der mehrfache SPD-Bundesminister Horst Ehmke, die CDU-Verteidigungsminister Manfred Wörner und Franz Josef Jung, der CSU-Finanzminister Theodor Waigel und die CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble. Sogar der CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl trug sich einst als Mitglied des FC Bundestag ein, absolvierte aber nie ein Spiel (ebd., www.bundestag.de und www.fc-bundestag.de).
Der FC Bundestag war es auch, der am 5. Oktober 1989 in dem unmittelbar vor dem Abriss stehenden Gronaustadion ein letztes Abschiedsspiel gegen eine Bonner Presseauswahl ausrichtete. Die Parlamentarier konnten dieses mit 2:1 für sich entscheiden - die Ehre des letzen Tors in der Gronau gebührte allerdings dem GA-Redakteur Hartmut Eickenberg (ga.de, 2013).
Die MdB-Mannschaft existiert bis heute, sie trainiert seit dem Umzug des Bundestags nach Berlin im dortigen Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark.
Das langsame Ende des Sportparks Gronau
Als vom Bund immer mehr Flächen für den Ausbau des Parlaments- und Regierungsviertels benötigt wurden, erfolgte 1966 der Beschluss, die Sportanlagen in der Gronau durch den Ausbau des vormaligen Jahn-Sportplatzes in der Bonner Nordstadt durch den neuen Sportpark Nord zu ersetzen.
Die Stadt Bonn verkaufte dem Bund das Gronaugelände 1967 für 98 Millionen Mark, ein Teil des Erlöses sollte den Ausbau des Sportparks Nord finanzieren. Dieser konnte nach rund drei Jahren Bauzeit am 23. September 1970 eröffnet werden und der Bonner SC zog aus der Gronau dorthin.
Nach dem Umzug des SC in den neuen Sportpark liefen dieser und ab 1975 die Sportanlage „Wasserland“ in Kessenich (heute genutzt vom SC Fortuna Bonn) dem alten Gronaustadion langsam, aber sicher den Rang ab (ga.de, 2013).
Das Stadion im Schatten des ab 1966 erbauten Abgeordnetenhochhauses „Langer Eugen“ wurde noch einige Jahre von unterklassigen Fußballmannschaften, der Rugbyabteilung des SC, für American Football der Bonner Jets (inzwischen Troisdorf Jets), von Bogenschützen und für den Breitensport genutzt (u.a. für das Erlangen des Sportabzeichens).
Ein Teil der früheren Sportflächen wurde in den Rheinauenpark einbezogen, als dieser anlässlich der Bonner Bundesgartenschau 1979 als Freizeit- und Erholungspark ausgebaut wurde. Mit Baubeginn für den Schürmann-Bau auf dem Areal des Stadions wurde dieses zum Ende seines „schleichenden Tods“ schließlich Ende 1989 abgerissen (ga.de, 2013). Im Jahr 1996 erfolgte der Beschluss zur Errichtung des Hochhauses „Post-Tower“ der Deutschen Post AG in der Gronau, mit dem schließlich zwischen 2000 und 2002 das letzte Grundstück des einstigen Gronau-Sportparks überbaut wurde.
Lage und Objektgeometrie
Sowohl die historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1801-1828), wie auch die Blätter der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme und der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) zeigen das zwischen dem 1874/75 erbauten Alten Wasserwerk und dem zwischen 1869 und 1919 genutzten Eisenbahntrajekt gelegene Areal des späteren Sportparks Gronau noch gänzlich unbebaut.
In den topographischen Karten TK 1936-1945, denen auch die hier eingezeichnete Objektgeometrie folgt, ist dann vor Ort ein „Sp.Pl.“ mit umgebenden Sportgelände eingezeichnet (vgl. Kartenansicht).
Unter landkartenarchiv.de weist der Stadtplan von 1926 ebenfalls noch nichts Entsprechendes aus, erst der auf 1930 datierte Plan zeigt dann „Sportplätze“ westlich der später kriegszerstörten Bonner Stadthalle. Die Luftbilder unter stadtplan.bonn.de zeigen die Sportanlagen erstmals 1930 und nachfolgend bis 1980; im Jahr 1992 ist das Gelände dann weitestgehend überbaut.
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2022)
Quellen
Freundliche Hinweise von Herrn Klaus Rick und zahlreiche Zeitungsartikel des Bonner General-Anzeigers aus dessen Sammlung, 2022.
Internet
landkartenarchiv.de: Stadtplan von Bonn 1:11.000, Februar 1926 (abgerufen 10.03.2022)
landkartenarchiv.de: Stadtplan von Bonn 1:20.000, 1930 (abgerufen 10.03.2022)
stadtplan.bonn.de: Online-Stadtplan und Straßenverzeichnis der Bundesstadt Bonn, Luftbilder 1930-1992 (abgerufen 10.03.2022)
ga.de: „Viel Ramba-Zamba in der Gronau: Hinter dem Langen Eugen schlug das Herz des Bonner Sports“ (Text Rolf Kleinfeld, General-Anzeiger vom 05.05.2013, abgerufen 10.03.2022)
www.bundestag.de: Pressemitteilung „12. Benefiz-Fußballturnier des Deutschen Bundestages 2015“ (12.06.2015, abgerufen 14.03.2022)
www.fc-bundestag.de: Der FC Bundestag - „Botschafter des Parlaments“ (abgerufen 14.03.2022)
www.bonner-sc.de: Bonner SC, Historie (abgerufen 14.03.2022)
www.scfortunabonn.de: SC Fortuna Bonn 1904/50 e.V. (abgerufen 14.03.2022)
de.wikipedia.org: Gronaustadion (abgerufen 14.03.2022)
de.wikipedia.org: Adolf Müller-Emmert (abgerufen 14.03.2022)