1820-28 erhielt Rees nach preußischen Vorgaben den bis heute im Stadtbild dominanten Kirchenbau. Nach teilweise Niederlegung der Befestigung erweiterte sich die Stadt im späten 19. Jahrhundert im Zuge der allgemein voranschreitenden gewerblichen und industriellen Entwicklungen. Gewerbeschwerpunkte bildeten sich in der Tabakindustrie, Pfeifenherstellung, Getreide- und Futtermittelvertrieb, Milchverarbeitung, Herstellung von Krankenhaus- und Anstaltseinrichtungen, Margarinefabrikation und Ziegelfabrikation. Im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört, orientierte sich der Wiederaufbau am historischen Grundriss und an der verlorenen Substanz. Rees, lange Zeit selbst Kreisstadt, gehört seit 1975 zum Kreis Kleve.
Der Stadtkern ist ein weitgehend harmonisches städtisches Gefüge aus Ziegel- und Putzbauten, um Markt und Kirchplatz konzentriert, mit der Breitseite und im dicht bebauten städtischen Kern nach Süden zum Fluss gerichtet.
Der Wiederaufbau des Stadt ist zurückhaltend einfach in der Architektur, traditionell und weist eine typische niederrheinische Bauweise in entsprechenden Baukörperproportionen, in charakteristischer Formensprache und in dem unverputzten Ziegelstein schlichte backsteinsichtige Baukörpern, deren Proportionen die Kleinteiligkeit der historischen Bebauung aufnehmen, jedoch einheitlicher als der verlorene Ortskern und mit einer deutlichen Betonung der Ortsmitte in Höhe und pointierter Gestaltung an städtebaulich exponierten Stellen.
Der Marktplatz belegt in seiner Ausdehnung die Bedeutung des Handels für die Stadt. An der östlichen Schmalseite setzt das Rathaus städtebaulich ein markantes Zeichen. Hier grenzt rückwärtig, diagonal leicht versetzt, an den Marktplatz der Kirchplatz mit dem mächtigen Kirchenbau der katholischen Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt, der mit weiter Fernwirkung über den Stadtkörper hinweg das die Stadtsilhouette zum Rhein hin bestimmt.
Insgesamt ist der Stadtkern ein detailreiches und vielschichtiges Abbild der Stadtgeschichte und als solches von besonderem Aussagewert für die Siedlungsbildung und die Siedlungsentwicklung am Niederrhein. Stadtentstehung, Stadtentwicklung, auch Anlage, Ausdehnung und die Form der Stadt sind eng auf den Rhein bezogen. Die bauliche Gestalt spiegelt die geschichtliche Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte, eng verzahnt mit den landschaftlichen Gegebenheiten und akzentuiert den Landschaftsraum an der Mäanderschleife des Rheins. Ein eigener Wert wird dem Wiederaufbau der Stadt zugesprochen, denn er nimmt der Merkmale der verlorenen Stadt auf und setzt sie als kontinuierliche Entwicklung in eine zeitgemäße Formensprache ohne große Brüche und ohne zu deutliche Kontraste um.
Der klassizistische Bau der Kirche beherrscht nicht nur den Kirchplatz, sondern ist auch dominanter Bau im Stadtkörper, der insbesondere in der Stadtansicht über den Rhein erlebbar ist. Weitere städtebauliche Festpunkte sind: das Rathaus, das zu beiden Plätzen eine Schauseite hat, die evangelische Kirche und das Krankenhaus.
Die Ortsgeschichte lässt sich an Hand von konkreten Merkmalen, die die bauliche Substanz als städtische Gesamtheit auszeichnen, nachvollziehen: im Ortsgrundriss, in der aufgehenden Bausubstanz, in der Dachlandschaft, in den historischen Freiflächen, in Einzelbäumen und in historisch begründetem Bewuchs, in ortsinneren Blickbezügen auf zusammenhängende städtische Elemente (Straßenzüge, Straßenräume), in der Wahrnehmung der Stadtsilhouette. Eine Denkmalbereichssatzung mit diesen Inhalten wäre das geeignete Instrument zur Erhaltung der historischen Werte im Stadtgefüge.
(Elke Janßen-Schnabel, LVR Amt für Denkmalpflege im Rheinland, 2020)
Grundlage des Gutachtens
Denkmalliste der Stadt Rees, LVR-ADR Karin Herzfeld, Elisabeth Rüber-Schütte 1994 (Erfassung 1991), hierin vor allem: Geschichte und Charakteristik zum Denkmalbereich Rees.
Quellen
- 1823 Urkataster, Gemeinde Rees, Flur III, Stadt Rees, M 1:1250
- 1899 Bebauungsplan der Stadt Rees von Stübben
- 1899 Bebauungsplan der Stadt Rees von Stübben, Rees 1985, von Foto übertragen durch Hoffmann
- 1932 Plan der Stadt Rees, Katastertechniker Hardenberg, verkleinerte Wiedergabe, M. Hoffmann, 1988
- 1953 Durchführungsplan für den Bereich Markt-, Kirchplatz sowie Wasserstraße
- Anfang der 1950er Jahre Ideenwettbewerb zur Gestaltung des Rathauses, einschließlich der gesamten Markt-, Kirchplatzbebauung
- Fotosammlung von Ulrich Paßlick, 1984-1992 Leiter des Bauamtes der Stadt Rees
- Michael Hoffmann: Rees - Der historische Stadtgrundriss, 1986 (unveröffentlicht)
- Anlage 1 zum Gutachten Rees, Denkmalbereich: Dr. Claus Weber, Archäologie und Bodendenkmalpflege in Rees. LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Januar 2020