In Deutschland gibt es insgesamt etwa 2.800 Campingplätze, davon 238 im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW). Mit Stand 2023 wurden für das Camping in NRW rund 940.000 Gästeankünfte und 2,5 Millionen Übernachtungen gezählt (www.it.nrw). Die Kurve steigt an, was darauf schließen lässt, dass der durch die Corona-Krise ab 2020 ausgelöste Trend zu dieser Form des Urlaubs offenbar noch anhält.
Der Campingplatz in Rodenkirchen
Ältester Campingplatz Deutschlands
Das Areal auf historischen Karten
Landschaftsschutzgebiet
Quellen, Internet, Literatur
Der Campingplatz in Rodenkirchen
Der mittlerweile in der vierten Generation familiengeführte und - abgesehen von einer Pause zwischen Heiligabend und Neujahr - ganzjährig betriebene Campingplatz bietet auf seiner gut fünf Hektar großen Fläche insgesamt rund 250-300 Stellplätze für den Campingaufenthalt mit Zelt, Wohnmobil oder Caravan, wovon 125 als Touristen- und Durchgangsplätze ausgewiesen sind.
Im Klassifizierungssystem des Bundesverbands der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) und dem Deutschen Tourismusverband e. V. (DTV) ist der Platz mit vier von fünf möglichen Sternen ausgezeichnet. Dies bedeutet „Erstklassig in der Gesamtausstattung bzw. im Gesamteindruck, mit gehobenem Komfort, Einrichtungen in gehobener und gepflegter Qualität“. Zur Ausstattung des Platzes gehören heute u.a. ein Kinderspielplatz, ein Ladengeschäft, ein Kiosk, Bar und Restaurant „Haus Berger“ mit Sonnenterasse und Biergarten „Herbert'z Garten“, sowie eine hauseigene Boot-Slipanlage. Benachbart liegt ein Minigolfplatz und unmittelbar an dem Platz residieren gleich mehrere Wassersportvereine.
Neben der vorab genannten Gastronomie entwickelte sich der Campingplatz im Laufe der Zeit über weitere Einrichtungen und Gebäude. Moderne Wasch-, Dusch- und Toilettenanlagen, zeitgemäße Koch- und Spülgelegenheiten, Strom- und WLAN-Versorgung etc. ermöglichen einen zunehmend luxuriöseren Campingurlaub.
Der Stadtkern Kölns liegt rund 8 Kilometer nördlich und ist über fußläufig entfernte Bus- und Straßenbahn-Haltestellen gut erreichbar. Die Lage unmittelbar am Rhein und dem „Weißer Rheinbogen“ lädt zu ausgedehnteren Spaziergängen, Wanderungen oder Fahrradtouren ein. Während der Saison besteht von März bis Oktober über die Rheinfähre von Weiß nach Zündorf eine Verbindung zur rechtsrheinischen Flussseite. Der besondere Charme des Platzes ist laut Betreiber dadurch begründet, „dass wir so nah an der Stadt gelegen sind, aber gleichzeitig auch direkt an ein Landschaftsschutzgebiet grenzen.“ (www.come-on.de, 2024)
Die unmittelbare Nähe zum Rhein bringt jedoch auch die Gefahr von Hochwassern mit sich. Ab einem Stand von 6,80 Meter Kölner Pegel steht das Gelände unter Wasser und muss geräumt werden. Ab 8,56 Meter erreicht die Flut die Rezeption, in der bei den Jahrhunderthochwassern an Weihnachten 1993 und im Januar 1995 das Wasser sogar bis unter die Decke stand (www.ksta.de, 2020; vgl. Abb.).
Einzig zu Beginn der Corona-Krise 2020 wurde der Campingplatz sechs Wochen lang geschlossen.
Ältester Campingplatz Deutschlands
Nach eigenen Recherchen der Familie soll der Rodenkirchener Campingplatz der älteste in Deutschland sein. Dies kann hier mangels Alternativen weder bestätigt noch widerlegt werden - also wird's natürlich geglaubt!
Das längst aus dem Englischen eingedeutschte Camping (vom lateinischen campus für „Feld“) im heutigen Sinne wurde Anfang des 20. Jahrhunderts über mehrtägige Wander-, Fahrrad- oder (Falt-) Bootstouren immer populärer. Naturfreunde und -freundinnen zogen es dabei meist vor, nicht etwa in den ab um 1910 entstehenden Jugendherbergen oder gar einem teuren Hotel zu nächtigen, sondern gleich im Grünen und damit auch die Kosten für Übernachtungen einzusparen. Im Jahr 1931 wurde der Wohnwagen als „Reisewagen“ erfunden.
Der einsetzende Boom wurde durch die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Statt Wanderreise, Camping und Zelt gab es nun Eroberungsmärsche und an den Fronten militärische Feldlager mit Biwak in frostigem Matsch.
Als sich die Menschen nach Ende des Krieges und mit dem beginnenden Wirtschaftswunder wieder Urlaub leisten konnten, entstanden dann zunehmend eigens dafür eingerichtete Campingplätze. Diese stellten als „Hotel des kleinen Mannes“ die für einzelne Übernachtungen, aber auch für längere Aufenthalte notwendige Infrastruktur bereit.
Der Rodenkirchener Campingplatz geht hingegen bereits auf die Vorkriegszeit zurück: Jakob Berger, der Urahn der heutigen Betreiberfamilie, war selbst passionierter Kanufahrer und hatte zuvor seit einigen Jahren das Bootshaus des „Arbeiter-Wassersport-Vereins“ verwaltet. Er eröffnete zunächst ein heute nicht mehr erhaltenes Bootshaus an Rheinkilometer 681 (im Bereich des heutigen Restaurants). Das Gelände lag in dem anfangs noch recht sumpfigen Terrain eines totgefallenen Rheinarms, im örtlichen Regiolekt „Düvelskall“ genannt („Teufelsrinne“, vgl. Honnen 2003). Die zunächst noch eher kleine Wiese wurde in der Folge schnell erweitert und zum 5. Mai 1931 wurde der Campingplatz samt einem Imbissstand offiziell eröffnet.
„Nach dem Zweiten Weltkrieg lässt Jakob Berger die Auenlandschaft mit Kriegsschutt verfüllen und ebnet den Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft. Die Wirtschaft brummt, die Menschen suchen das Weite. Aus dem ‚Bootshaus Berger' wird ein Campingplatz, den auch immer mehr Reisende mit dem Auto ansteuern. Aus einem kleinen Kiosk wird eine Gastronomie, zu der sich später ein Hotel gesellt. Aus Zelten werden Wohnwagen, aus Wohnwagen Wohnmobile. Mitarbeiter werden eingestellt.“ (www.ksta.de, 2020)
An Jakob Berger erinnert vor Ort heute eine große Holzstatue, die an der Rezeption neue Gäste begrüßt. Bergers Porträt ziert auch das Emblem des hauseigenen Biers.
Das Areal auf historischen Karten
Die auf 1829 datierte Rheinansicht von Delkeskamp u. Helmsauer zeigt im Bereich zwischen dem heutigen Campingplatz und den gegenüberliegenden Orten Westhoven und Ensen noch eine Insel im Rhein, während dieser Bereich auf den historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1801-1828) bereits verlandet erscheint (vgl. Abb. und die hiesigen Kartenansichten).
Dass die deutlich ältere, auf 1663 datierte Karte von Joan Blaeu Descriptio Agri Civitatis Coloniensis Insel und Rinne nicht zeigt, lässt annehmen, dass die vorab genannte „Düvelskall“ im Zuge der zahlreichen Veränderungen des Rheinlauf nur zeitweise Bestand hatte. Auch die die Situation um 1789 darstellenden Karten im Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz zeigen hier keine Insel - im Gegensatz etwa zur Rheininsel der heute zum Hafen ausgebauten „Zündorfer Groov“ (Fabricius 1894).
Die Preußische Neuaufnahme (1891-1912) lässt dann erkennen, dass der Flussabschnitt zwischen Rodenkirchen und dem Weißer Rheinbogen mittlerweile über gut 2,5 Kilometer mit zahlreichen rechtwinklig zum Uferverlauf ins Wasser ragenden Buhnen versehen wurde. Diese dienten der Befestigung des Ufers gegen die Strömung wie auch zum Schutz von Badenden.
Die touristische Karte Relief-Panorama des Rheines von um 1929 zeigt hier neben einem „Strandbad“ gleich fünf, teilweise nur im Sommer betriebene Fähren zwischen Rodenkirchen und Sürth. In den topographischen Karten der TK 1936-1945 wie auch dem Meßtischblatt in den 1950ern findet sich hier eine „Badeanst.[alt]“ ausgewiesen (vgl. Kartenansicht und www.landkartenarchiv.de).
Seinerzeit war es durchaus noch üblich und verbreitet, im damals noch sauberen Wasser des Rheins zu Baden und zu Schwimmen (vgl. etwa die Badeanstalten in Köln-Riehl, das Strandbad „Lido“ in Köln-Langel oder entsprechende in Bäder in Bonn.
Landschaftsschutzgebiet
An das vorab genannte Landschaftsschutzgebiet grenzt der Campingplatz nicht nur an, sondern liegt „quasi mittendrin“. Es handelt es sich um das LSG Rhein, Rheinauen und Uferbereiche von Rodenkirchen bis Langel rechtsrheinisch (LSG-5107-0030), das seit 1991 mit einer ausgewiesenen Fläche von insgesamt 1.229,78 Hektar (1,23 Millionen Quadratmeter) inkraft ist.
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2024)
Quellen
- Stolzenbach, Kathy: „Wir leben da, wo andere Urlaub machen“, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 03.08.2023, S. 28 (online unter www.camping-berger.koeln, abgerufen 31.10.2024)
- Vielhaber, Christiane: „Wir sind hier alle gute Freunde“, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 23./24.07.2022, S. 31 (online unter www.camping-berger.koeln, abgerufen 31.10.2024)
Internet
www.camping-berger.koeln: Camping Berger (mit zahlreichen historischen Aufnahmen, abgerufen 31.10.2024)
www.haus-berger.koeln: Haus Berger (abgerufen 31.10.2024)
herbertz-garten.de: Herbert'z Garten (abgerufen 31.10.2024)
www.camping.de: Camping Berger (abgerufen 31.10.2024)
www.it.nrw: NRW: Steigende Gebühren und Übernachtungszahlen auf den Campingplätzen (Pressemitteilung 212 / 24 vom 09.07.2024, abgerufen 31.10.2024)
www.ksta.de: Erster Campingplatz Deutschlands. In Rodenkirchen müssen die Gäste zeitweise fliehen (Text Tobias Christ, Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.08.2020, abgerufen 31.10.2024)
www.come-on.de: Campingplatz in NRW gibt es seit über 90 Jahren - er ist der älteste in Deutschland (Text Annika Ketzler, 31.10.2024, abgerufen 31.10.2024)
www.landkartenarchiv.de: Relief-Panorama des Rheines, Kleine farbige Taschen-Ausgabe, um 1929 (abgerufen 04.11.2024)
www.landkartenarchiv.de: Wahn im Rheinland, Topographische Karte 1:25.000 (5108), 1951 (abgerufen 04.11.2024)
www.wms.nrw.de: LSG-Rhein, Rheinauen und Uferbereiche von Rodenkirchen bis Langel rechtsrheinisch (LSG-5107-0030) (abgerufen 04.11.2024)
www.protectedplanet.net: LSG-Rhein, Rheinauen und Uferbereiche von Rodenkirchen bis Langel rechtsrheinisch (WPDPA ID 555558584) (abgerufen 04.11.2024)