Geschichte des Fährstandorts
Prominente Fahrgäste: Neville Chamberlain und Konrad Adenauer
Jüngere Geschichte und aktuelle Situation
Quellen, Internet, Literatur
Geschichte des Fährstandorts
Da der Rhein nicht nur Grenzfluss zwischen verschiedenen Herrschaften war (u.a. Holdt 2008 und Janssen 2008), sondern auch seit jeher ein bedeutender Transportweg, gab es alleine zwischen Bonn und Königswinter gleich mehrere Transitzollstätten (Pfeiffer 2000). Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist eine ständige Fährverbindung zwischen Godesberg (bis 1925 noch ohne „Bad“) und Niederdollendorf nachgewiesen.
Zum 21. März 1908 wurde die bis heute bestehende Fährgesellschaft unter dem Namen Elektrische Fähre Godesberg–Niederdollendorf GmbH gegründet. Gesellschafter waren neben den Kommunen Godesberg, Nieder- und Oberdollendorf auch 50 Privatleute. Die am Abend des 5. Juli 1908 an der Godesberger Anlegestelle eingetroffene „Elektrische Fähre des Rheinstroms Godesberg-Niederdollendorf“ nahm nach Probefahrten in den Folgetagen am Samstag dem 11. Juli 1908 feierlich ihren Betrieb auf (virtuellesbrueckenhofmuseum.de). Das von der Duisburger Werft Berninghaus gebaute Schiff wurde auch „neue Ponte“ genannt. Das von der lateinischen Vokabel pons für Brücke hergeleitete Wort wurde häufig auch für Fähren verwandt.
Der Vorliebe des langjährigen Godesberger Bürgermeisters Anton Dengler (1852-1914) für die Elektrizität ist es geschuldet, dass „anstelle der rauchenden Dampfmaschinen“ eine elektrisch betriebene Fähre in Betreib genommen wurde. Dengler war nicht nur bereits seit 1888 Bürgermeister von Godesberg, sondern seit 1912 auch Hafenkommissar und ab 1913 Fährschultheiß. Die Akkumulatoren mit denen die Elektromotoren betrieben wurden, mussten jeweils beim Anlegen auf- bzw. nachgeladen werden. Zu transportierende (Kraft-)Fahrzeuge oder Pferdegespanne fuhren über beiderseits des Fährschiffs befindliche klappbare Auffahrrampen auf das Mitteldeck (vgl. die historischen Bilder unter virtuellesbrueckenhofmuseum.de).
„Der anfangs ertragreiche Betrieb fuhr in den 1920er-Jahren aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Zustände sowie dem Aufkommen von Wettbewerbern (darunter Motorbootgenossenschaften) hohe Verluste ein.“ (de.wikipedia.org)
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Godesberger Fährschiff Anfang März 1945 von deutschen Truppen versenkt um die Einnahme des Gebiets durch die Alliierten zu verhindern. Das Schiff erlitt damit ein ähnliches Schicksal wie die gleichzeitig zerstörte rund 13 Kilometer südlich gelegene Ludendorff-Brücke, die später verfilmte „Brücke von Remagen“.
Die US-Streitkräfte und die ihnen nachfolgenden Besatzungstruppen konnten sich jedoch provisorisch mit militärischen Pontonbrücken behelfen, bevor im März 1946 die Wiederaufnahme des Fährbetriebs zwischen Bad Godesberg und Niederdollendorf erfolgte bzw. wenige Jahre später die 1946-1949 auf den Pfeilern der am 8. März 1945 von der deutschen Wehrmacht gesprengten Alten Rheinbrücke errichtete Brücke Bonn-Beuel (die spätere Kennedybrücke) den Rhein querte.
Mit welchem Fährschiff der Betrieb nach dem Zweiten Weltkriegs wieder aufgenommen wurde, ist unsicher. Zum 9. April 1952 wurde jedenfalls ein neues Fährschiff „Christophorus“ in Betrieb genommen, das nun mit konventionellem Dieselantrieb fuhr (virtuellesbrueckenhofmuseum.de).
„1954 schlossen das Land Nordrhein-Westfalen als Inhaber des staatlichen Fährregals und die ASF einen Fährpachtvertrag ab, in dem das Land der ASF den Betrieb einer Fähre von Bad Godesberg nach Niederdollendorf gestattete.“ (de.wikipedia.org; ASF = Auto-Schnellfähre Bad Godesberg-Niederdollendorf GmbH)
Prominente Fahrgäste: Neville Chamberlain und Konrad Adenauer
Im September 1938 wurde die Fähre regelmäßig vom Premierminister des Vereinigten Königreichs Arthur Neville Chamberlain (1869-1940, britischer Premierminister 1937-1940) genutzt, der anlässlich der Sudetenkrise vom 22. bis 24. September 1938 in Bonn mit Adolf Hitler verhandelte und dabei versuchte, den Frieden in Europa zu sichern. Der Diktator des „Dritten Reichs“ residierte – wie schon zuvor häufig – in seinem Bonner Lieblingshotel, dem Rheinhotel Dreesen, während Chamberlain auf der anderen Rheinseite im damaligen Hotel Petersberg untergebracht war und jeweils mit der Fähre zu den Verhandlungen nach Godesberg übersetzte. Vermeintlich beigelegt wurde die Sudetenkrise dann wenige Tage später mit dem Münchner Abkommen vom 29./30. September 1938.
In der jungen Bundesrepublik nutzte dann Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876-1967) regelmäßig die Godesberger „Christophorus“. Er tat dies offenbar im Wechsel mit der nur rund drei Kilometer entfernt verkehrenden Rheinfähre Königswinter auf seinem Arbeitsweg vom Zuhause in Rhöndorf in das derzeit als Bundeskanzleramt dienende Palais Schaumburg.
Nach dem Tod Adenauers am 19. April 1967 wurde der Sarg des ersten Bundeskanzlers am 22. April 1967 mit einem Trauerzug nach Bonn überführt und seine sterblichen Überreste dabei mit der Godesberger Fähre über den Rhein gesetzt (vgl. Abbildung).
„Während des Übersetzens standen fünf Hubschrauber der Bundesgrenzschutz-Fliegergruppe aus Hangelar in 600 m Höhe über der Fährlinie.“ (virtuellesbrueckenhofmuseum.de)
Jüngere Geschichte und aktuelle Situation
Ein noch im Todesjahr des Altkanzlers 1967 in Dienst gestelltes Fährschiff wurde ihm zu Ehren auf den Namen „Konrad Adenauer“ getauft. Ein gleichzeitig verkehrendes zweites Fährschiff von 1966 erhielt den Namen „St. Christophorus II“. Beide Schiffe wurden in der im Hafen von Oberwinter ansässigen Schiffswerft Clausen gebaut.
Die Eröffnung der vier Kilometer rheinabwärts gelegenen Bonner Südbrücke im Jahr 1972 bedeutete für den Fährbetreib erhebliche Einbußen. Gleiches galt zwanzig Jahre später im Zuge der seit dem Hauptstadtbeschluss von 1991 bis 1999 erfolgten Verlegung des Bonner Regierungssitzes nach Berlin, mit der der Fortzug vieler Fährbenutzer einherging, die in Bonn in Diensten des Bundes standen.
Zu allem Überfluss kam dann im Jahr 2006 auch noch ein größerer Betrugsskandal ans Licht, bei dem zunächst die gesamte Besatzung unter Verdacht geriet und der Fährbetrieb zwischenzeitig komplett zum Stillstand kam. Letztlich sollen sieben Mitglieder der Crew über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten Fahrgästen keine Billets ausgehändigt bzw. weggeworfene Tickets erneut verkauft haben. Im Gerichtsverfahren wurden Einnahmeverluste in einer geschätzten Höhe von 1,5 Millionen Euro beziffert (General Anzeiger 2007).
Um 2010/2011 wurden im Betrieb mit dem hauptsächlich eingesetzten Fährschiff „Konrad Adenauer“ und der unterstützend fahrenden „St. Christophorus II“ jährlich rund 606.000 Personen (davon 300.000 als Fußgänger), 96.000 Fahrräder und 184.000 PKW bei insgesamt 65.000 Überfahrten transportiert.
Zuvor wurde im Jahr 2005 ein zwischenzeitlicher Tiefstand von lediglich rund 490.000 transportierten Personen bei 68.000 Rheinquerungen erreicht, der aber möglicherweise auf den vorab genannten Betrugsfall zurückzuführen ist (Zahlenangaben zuvor nach General Anzeiger 2009).
Gleichzeitig hatten im Verlauf von zehn Jahren Reparaturen und die Instandhaltung der beiden Schiffe etwa zwei Millionen Euro verschlungen, so dass ein zwischenzeitlich aufgekommener Plan zur Anschaffung einer neuen Fähre 2012/2013 verworfen werden musste. Stattdessen sollte die „Konrad Adenauer“ umfassend saniert und modernisiert werden, wofür 1,5 Millionen Euro veranschlagt wurden (ebd. 2012).
Da die bis 2014 zu 74,81% von der Stadt Bonn und zu 25,19% von der Stadt Königswinter getragene Fährgesellschaft jedoch nicht bereit war, die anfallenden Kosten zu tragen, wurden beide Fährschiffe auf Beschluss beider Stadträte im Juli 2014 an die Mondorfer Lux-Werft verkauft und der Betrieb mitsamt elf Mitarbeitern auf zunächst 20 Jahre an diese verpachtet.
Im März 2015 wurde die „St. Christophorus II“ ersetzt, die seitdem als Fährschiff auf der Mosel ihren Dienst verrichtet.
Das im Vergleich zu seiner Vorgängerin nur wenige Jahre jüngere neue Fährschiff „Christophorus“ wurde gebraucht erworben. Die heute als Hauptschiff verkehrende Fähre stand zuvor beim Wasser- und Schifffahrtsamt als Mess- und Arbeitsschiff „Bingerbrück“ zwischen Mittelrheintal und Rheingau im Dienst.
Neben dem Einsatz im Fährverkehr werden beide Godesberger Fährschiffe bei Bedarf auch für private Feiern, Betriebsausflüge, Filmaufnahmen, Ausstellungen oder sportliche Veranstaltungen vermietet.
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2018)
Quellen
- Mitarbeiter der Autoschnellfähre bestreitet Betrugsvorwürfe, General-Anzeiger vom 2. Februar 2007.
- Schlappe für Stadtwerke Bonn im Prozess um Fähre – Verdächtiger muss keinen Schadensersatz leisten, General-Anzeiger vom 23. März 2007.
- Fähre schippert in ruhigeres Fahrwasser, General-Anzeiger vom 9. Juni 2009.
- Koalition lässt Verkauf der Fähre prüfen, General-Anzeiger vom 11. Dezember 2010.
- Die „Konrad Adenauer“ wird 2013 saniert, General-Anzeiger vom 7. Oktober 2012.
- Mondorfer Lux-Werft als neuer Betreiber, General-Anzeiger vom 3. Juli 2014.
- Fährbetrieb in privater Hand, General-Anzeiger vom 9. Juli 2014.
- Neues und größeres Schiff fährt über den Rhein, General-Anzeiger vom 2. April 2015.
Internet
virtuellesbrueckenhofmuseum.de: Fähre Bad Godesberg – Niederdollendorf, Galerie mit 34 Bildern (abgerufen 19.06.2018)
www.lux-werft.de: LUX-Werft Mondorf (abgerufen 19.06.2018)
de.wikipedia.org: Rheinfähre Bad Godesberg–Niederdollendorf (abgerufen 11.06.2018)
de.wikipedia.org: Liste der Rheinfähren (abgerufen 11.06.2018)