„Die Uferansichten der Mosel waren längs dieser Fahrt höchst mannigfaltig; denn obgleich das Wasser eigensinnig seinen Hauptlauf von Südwest nach Nordost richtet, so wird es doch, da es ein schikanöses gebirgisches Terrain durchstreift, von beiden Seiten durch vorspringende Winkel bald rechts, bald links gedrängt, so daß es nur im weitläufigen Schlangengange fortwandeln kann. Deswegen ist denn aber auch ein tüchtiger Fährmeister höchst nötig; der unsere bewies Kraft und Gewandtheit, indem er bald hier einen vorgeschobenen Kies zu vermeiden, sogleich aber dort den an steiler Felswand herflutenden Strom zu schnellerer Fahrt kühn zu benutzen wußte. Die vielen Ortschaften zu beiden Seiten gaben den muntersten Anblick; der Weinbau, überall sorgfältig gepflegt, ließ auf ein heiteres Volk schließen, das keine Mühe schont, den köstlichen Saft zu erzielen. Jeder sonnige Hügel war benutzt, bald aber bewunderten wir schroffe Felsen am Strom, auf deren schmalen vorragenden Kanten, wie auf zufälligen Naturterrassen, der Weinstock zum allerbesten gedieh.“ (Johann Wolfgang von Goethe, Kampagne in Frankreich, Oktober 1792)
Die Mosel ist der größte Zufluss des Rheins. Sie entspringt in Frankreich am Col de Bussang in den Vogesen. Mit 544 Kilometern Länge ist sie knapp halb so lang wie der deutsche Teil des Rheins, 242 Kilometer ihres Flusslaufes liegen in Deutschland. Auf 36 Kilometern bildet sie die Grenze zwischen Deutschland und Luxemburg, dieser Teil ist staatsrechtlich eine Besonderheit, wird der Fluss doch hier von beiden Ländern gemeinsam verwaltet und bildet ein gemeinschaftliches Deutsch-Luxemburgisches Hoheitsgebiet.
Die Mosel ist die zweitwichtigste Wasserstraße für die Binnenschifffahrt in Deutschland. 1956 wurde der Moselvertrag zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg unterzeichnet, in dem der Ausbau und die Kanalisierung für die Großschifffahrt vereinbart wurden. Seit 1979 ist das System von Koblenz bis Neuves Maisons in Frankreich fertiggestellt, 28 Staustufen erhöhen und regeln seitdem den Wasserstand auf einer Länge von 394 Kilometern, überwinden einen Höhenunterschied von 161 Metern und sorgen für eine durchgängige Wassertiefe von mindestens 3 Metern in der Fahrrinne. Die Planung der Moselkanalisierung fiel in die Gründungsphase der heutigen Europäischen Union und war eines der ersten grenzüberschreitenden Projekte, die die früheren Kriegsgegner gemeinsam organisiert haben, ein Symbol für den Wunsch, in Zukunft friedlich zusammen zu leben.
Doch mit nüchternen Zahlen allein kann man die Mosel nicht beschreiben, sie weckt Emotionen und Schwärmerei bis hin zur genießerischen Weinromantik. Schon der römische Dichter Ausonius konnte ein Lied davon singen, „Mosella“ genannt: „Über Klippen und Fels zieht sich der erhabene Gipfel jähe hinauf, und die sonnige Höhe, den Abhang, das Tal, den ganzen Schauplatz bedeckt das Gewächs der Rebe ...“ Die Römer haben den Weinbau entwickelt, seitdem gab es kein Jahr ohne Moselweine. Winzer, Bauern, Klöster – alle haben sich um den Weinbau gekümmert und die Ufer in eine unvergleichliche Kulturlandschaft verwandelt. Edle Tropfen kommen von hier, aber die Trauben fallen dem Winzer nicht in den Schoß. Der Fluss hat steile Hänge aus dem Gebirge geschnitten, die die Wärme der Sonne einfangen, die aber das Ernten zu einer Knochenarbeit machen.
Die Moselschleife bei Bremm umschließt flache Lagen auf einer Halbinsel, doch am Prallhang finden sich die steilsten Lagen Europas mit mehr als 75 Grad Neigung – nur ein kleines Gebiet im Bühlertal in Baden-Württemberg kann da mithalten. Die Sonne liefert die Wärme, der Boden aus Schiefer mit Quarzit und Sandstein die irdischen Bestandteile – die Rieslingsorten, die hier wachsen, müssen zwar in schwerer Handarbeit geerntet werden, doch sie werden international geschätzt. Seit 2002 führt durch den steilen Hang, der zum Massiv des Calmont gehört, ein Klettersteig für Wanderer, einzigartig im Moselland. Hier muss man kein Alpinist sein, wer schwindelfrei ist und sich nicht scheut, gelegentlich über eine Leiter zu steigen, kann sich die Schönheit des Moseltals auf eindrückliche Weise erwandern, stets die Moselschleife im Blick. Als Ziel lockt auf der Höhe in einer Straußwirtschaft das Getränk, das die Mosel auf der ganzen Welt berühmt gemacht hat.
(Paul-Georg Custodis, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2017)
Literatur
Ausonius, Decimus Magnus (1895)
Die Mosella des Decimus Magnus Ausonius. mit beigegebenem Grundtext, übertragen von Richard Eduard Ottmann. Trier.
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