Für den Aufbau des Braunkohlenwerkes zu Beginn der 1920er Jahre der Aufschluss des Tagebaus Böhlen begann am 1. April 1921 bildete der Bereich der Zentralen Werkstätten und der daran anschließenden Transportinfrastruktur (Gleissystem) den Nukleus der Betriebsentwicklung. Noch bevor in einer ersten Aufbaustufe 1924 bis 1925 die Brikettfabrik und das Gegendruckkraftwerk entstanden, bildeten einzelne Werkstattgebäude die frühesten Bauten des in den folgenden Jahren und Jahrzehnten entwickelten Werkes. Sie wurden auf Höhe des südlichsten Punktes der Aufschlussform, neben dem vom Bahnhof Böhlen kommenden Anschlussgleis und seiner Verästelung im Werksgleissystem, angelegt. Nachdem Finanzierungsschwierigkeiten infolge politischer Unruhen und inflationärer Entwicklung die Bautätigkeit lähmten, gelang es 1923 mit der Gründung der Aktiengesellschaft Sächsische Werke (ASW) durch Aufnahme von Anleihen die Werksentwicklung voranzutreiben, sodass 1924 die erste Braunkohle gewonnen werden konnte. Eine im selben Jahr aktualisierte topografische Karte der Landesaufnahme Sachsen lokalisiert zwei Großgebäude jeweils am Ende zweier Bahngleise. Auf der Südseite der Gebäude führen schmalspurige Werksgleise die Infrastruktur in den Bereich der im Entstehen begriffenen Brikettfabrik fort. In verändertem Grundriss ist das Gebäude der Hauptwerkstatt bis heute erhalten und damit der älteste bestehende bauliche Sachzeuge des Werkes Böhlen. In den 1930er und 1940er Jahren wird der Bereich der Zentralen Werkstätten zunehmend verdichtet: Die komplexer werdende Struktur wird durch von der Werkstraße abzweigende Straßen erschlossen. Neben den expandierenden Gleisanlagen werden weitere Gebäude westlich und östlich der Hauptwerkstatt errichtet. Der Bereich nördlich davon zwischen Werkstraße und Gleisharfe wird in den 1940er Jahren bebaut und im folgenden Jahrzehnt mit der Errichtung des Lehrwerks weiter verdichtet. Ebenfalls in den 1950er Jahren wird das Gelände mit Betrieben der »Bautechnischen Instandhaltung« auf den Bereich unmittelbar westlich der Werkstraße und nördlich des Lehrwerks ausgedehnt.
Die zentrale Bedeutung des Instandhaltungswesens innerhalb der Tagebau- bzw. Veredlungsbetriebe sowie der Kraftwerke kommt in der relativen Eigenständigkeit der Werkstätten in der Betriebsorganisation zum Tragen: Wurde bis 1945 im Werk Böhlen neben den Hauptabteilungen Bergbau, Chemie, Kraftwerke und der kaufmännischen Abteilung die Unterabteilung »Werkstätten, Maschinen und Betriebsgeräte« eingerichtet, so wurden die »Zentralen Werkstätten und Rationalisierungsmittelbau« ab 1946 als Hauptabteilung innerhalb der Kombinatsstruktur geführt. Die sowohl im mechanischen als auch elektronischen Bereich tätigen Werkstätten spielten vor allem aufgrund der hochspezialisierten Bergbaumaschinen und Verarbeitungsanlagen sowie ihrer starken Beanspruchung eine entscheidende Rolle. Nicht nur musste ein umfangreiches Ersatzteillager vorgehalten werden, sondern lagen besonders auch Handarbeit und Einzelteilanfertigung in der Zuständigkeit der Werkstätten. Insbesondere nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren die betriebseigenen Werkstätten für die Aufrechterhaltung der Kohlengewinnung und -Verarbeitung bei mangelhaftem Zustand der Produktionsanlagen von größter Bedeutung und mussten individuelle Lösungen (Umschmiedearbeiten, Aufarbeitung nicht mehr brauchbarer Teile) gefunden werden. Seit den 1950er Jahren stand die Erhöhung der Werkstattkapazitäten und Ausbildungstätigkeit im planerischen und wirtschaftspolitischen Fokus der DDR. Bis 1964 waren insgesamt etwa 27 500 Beschäftigte in den Werkstätten der Braunkohlenindustrie beschäftigt.
Die Zentralen Werkstätten des Werkes Böhlen waren sowohl grundlegend für den Aufbau des Werkes als auch für die Aufrechterhaltung des Tagebaus sowie der verarbeitenden Industrien und sind somit von betriebs- und wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung.
(Isabell Schmock-Wieczorek, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2023)
Datierung:
- Erbauung 1922–1990
Quellen/Literaturangaben:
- LMBV Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hg.): Instandhaltung im Braunkohlenbergbau - Werkstätten und Tagesanlagen; Wandlungen und Perspektiven 26. Senftenberg 2014, S. 1-4.
- VEB „Otto Grotewohl“ Böhlen (Hg.): Fernsprechverzeichnis VEB „Otto Grotewohl“ Böhlen, S. 33, 42-45.
- Sachsen, Archivwesen: Sächsisches Staatsarchiv, 20632 ASW (Aktiengesellschaft Sächsische Werke), Braunkohlen- und Großkraftwerk Böhlen. URL: https://www.archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?oid=09.03&bestandid=20632&_ptabs=%7B%22%23tab-einleitung%22%3A1%7D&syg_id=8829#einleitung (17.05.2022).
Bauherr / Auftraggeber:
- Bauherr: Aktiengesellschaft Sächsische Werke (GND: 355314-0)
- Bauherr: Kombinat Otto Grotewohl (Böhlen) (GND: 2049916-4)
BKM-Nummer: 30500219