Strukturen des historischen Weinhandels und -transports im Rheingau

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Denkmalpflege, Landeskunde
  • Oestricher Kran aus östlicher Richtung fotografiert (2020).

    Oestricher Kran aus östlicher Richtung fotografiert (2020).

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Aufkommen eines überregionalen Weinhandels
Seit Jahrhunderten sind Weinbau und Weinhandel im Rheingau aufs Engste verflochten – und es war der Handel mit Rheingauer Weinen nach Nah und Fern, der den Ruhm dieser Kulturlandschaft begründete.

Ab dem 12. und 13. Jahrhundert entwickelte sich im Rheingau ein zunehmend aktiver und überregionaler Weinhandel. Die Region war darauf angewiesen, Wein als ihr wichtigstes Wirtschaftsgut auf den Märkten in Köln und am Niederrhein zu verkaufen, um die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern durch Einfuhren aus anderen Gebieten sicherzustellen. Es waren zunächst vorwiegend Kölner und Mainzer Händler, die den Wein aufkauften und handelten. Im 14. Jahrhundert kamen Frankfurter Weinhändler hinzu, die den Wein bis nach Bremen verkauften. Unterhielten auswärtige Adelige und kirchliche Konsumenten zuvor häufig eigene Weingüter, um ihren Bedarf an Wein zu decken, war dies durch die Möglichkeit des Kaufes von Wein auf dem Markt fortan nicht mehr nötig.

Ab dem Mittelalter und der frühen Neuzeit entstanden in vielen Rheingauer Ortschaften Weinmärkte - so in Lorch ab 1274, in Flörsheim um 1250 oder in Mittelheim ab 1599. Um die gesamten Bestände des Weines verkaufen zu können, wurde das Prinzip der „Gabelung“ eingeführt: Der Kauf des besten Weines verpflichtete zum gleichzeitigen Kauf des schlechtesten Weines, der Kauf des zweitbesten Weines zum Kauf des zweitschlechtesten und so weiter.

Der Transport mit dem Schiff
Über Jahrhunderte hinweg war der Rhein der wichtigste Transportweg und bereits im 8. und 9. Jahrhundert herrschte ein reger Schiffsverkehr - nur in den Wintermonaten war er wegen Eisgang oder Eisstau und anschließenden Überschwemmungen häufig nicht befahrbar. Schon unter Otto dem Großen (936-973) wurde deutscher Wein von Mainz, Worms und Straßburg bis nach England exportiert.

Die Beförderung zu Wasser hatte Vorteile gegenüber dem Transport an Land, der deutlich mühsamer vonstatten ging: Um ein Fuder (Maß für den Inhalt eines Fasses, im Rheingau ca. 1000 Liter) Wein zu transportieren, sollen je nach Wetterbedingungen und Zustand der Wege zwischen sechs und 12 Pferde nötig gewesen sein.

Die Weinfässer und andere Waren wurden auf Schiffe verladen, welche stromabwärts nach Köln oder stromaufwärts nach Frankfurt verkehrten. Bis zum Aufkommen der Dampfschifffahrt auf dem Rhein im Jahr 1818 war der Transport stromabwärts deutlich einfacher als stromaufwärts: flussabwärts folgten die Schiffe unter Zuhilfenahme von Segeln der Strömung. Entgegen der Strömung musste ein Schiff an langen Leinen von Pferden auf Uferwegen, den Leinpfaden, gezogen (getreidelt) werden. Die Fahrt von Frankfurt bis Straßburg konnte 26 bis 30 Tage dauern, da Pferde nur bis Speyer seitlich vor das Schiff gespannt werden konnten. Dann wurde das Ufergelände für Pferde zu sumpfig und damit unzugänglich. Den Rest des Weges musste das Schiff von Schiffsknechten an Ziehketten gezogen werden. Aber auch stromabwärts nach Köln barg die Schifffahrt durch die Stromschnellen des Binger Lochs und an der Loreley große Gefahren, die durch ortskundige Lotsen und Steuerleute umschifft wurden.

Weitere Transportinfrastrukturen
Transport und Handel erforderten eine eigene Infrastruktur: die Weinabfüllung, Lagerung und schließlich der Handel mit Wein erfolgte in Fässern, erst ab 1775 wurde der Wein in Johannisberg in Flaschen abgefüllt. Küfer stellten Holzfässer her, Schröter transportierten den Wein vom Keller zum jeweiligen Transportmittel, insbesondere zu den bereits erwähnten Pferdefuhrwerken und Schiffen. Bis zum Bau befestigter Kaianlagen und dem Aufkommen feststehender Landkräne brachten Flößer die Fässer vom Ufer an den ortseigenen Schwimmkran, der diese auf die größeren Schiffe verlud. Die meisten größeren Weinbauorte am Rhein verfügten ab Anfang des 15. Jahrhunderts über einen solchen Schiffskran.

Zudem waren hafennahe Lagerhäuser notwendig. Das Kloster Eberbach unterhielt mit Schloss Reichartshausen einen eigenen Umschlag- und Stapelplatz am Rheinufer. Hier wurden die Weinfässer, das wichtigste Handelsgut des Klosters, für den einmal jährlich stattfindenden Transport nach Köln gelagert. Neben eigenen Schiffen setzte das Kloster hierfür bei Bedarf auch gemietete Schiffe ein. So wie die jährliche Kölnfahrt ein zentrales Ereignis des Wirtschaftsjahres von Kloster Eberbach war, so war auch die Ankunft der Rheingauer Weine für Köln von großer Bedeutung. Kloster Eberbach gehörte zu den wichtigsten Weinlieferanten der Stadt und verfügte in Köln über einen eigenen Stadthof (Eberbacher Hof) als Umschlagplatz für seine Weine, der durch eine Pforte direkte Anbindung an den Rhein hatte. Dieser Stadthof war gleichzeitig Zentrum des Kölner Weinhandels: Hier wurde der Wein an Großhändler verkauft, welche diese in den nordeuropäischen Raum exportierten.

Die privilegierte Stellung des Klosters Eberbach ist auch daran zu erkennen, dass seine Transporte, anders als die anderer Lieferanten, per kaiserlicher Urkunde von Zöllen befreit waren. Zölle wurden an Zollstationen entlang des Rheins erhoben und führten zu einer erheblichen Verteuerung des Weines. Dienten sie zunächst der Instandhaltung der Infrastruktur, wie der Befestigung des Ufers und des Leinpfads und der Bereitstellung von Treidelpferden, so wandelten sie sich im Laufe des Mittelalters zunehmend zu einer lukrativen Einnahmequelle der Zollherren ohne Gegenleistung. Zahlreiche Territorialherren entlang des Rheins begannen diese einfache Einnahmequelle für sich zu nutzen, wodurch die Anzahl an Zollstationen erheblich wuchs. Bis 1749 bestanden zwischen Germersheim und Rotterdam 53 Zollstationen. So erhob auch die Burg Ehrenfels, zwischen Rüdesheim und Assmannshausen, von den vorbeifahrenden Schiffen Zölle.

Der Frachtschiffverkehr reduzierte sich nach dem verstärkten Ausbau der Landwege im 19. Jahrhundert auf einen reinen Durchgangsverkehr, da Waren nun vermehrt auf dem Landweg transportiert wurden.

Landwege
Über ein historisches Wegenetz im Rheingau ist wenig bekannt. Reste alter Hohlwege sind noch vereinzelt im Gelände erkennbar. Über den (historisch jedoch nicht nachweisbaren) Kaufmannsweg zwischen Rüdesheim und Lorch sollen Waren an Land an dem gefährlichen Binger Loch vorbei transportiert worden sein. Ab 1802 wurde die einfache Landstraße von Biebrich nach Rüdesheim besser ausgebaut. Nach 1830 war sie eine durchgehende Uferstraße, mit welcher der Fernverkehr nun nicht mehr ausschließlich auf dem Wasser stattfand. 1856 wurde die Eisenbahnverbindung zwischen Wiesbaden und Rüdesheim fertiggestellt. Mit dem Bau der B42 ab 1956 wurde die Uferlinie des Rheingaus durch Höherlegung komplett verändert. Uferorte (mit Ausnahme von Walluf und Eltville) wurden vom Rhein abgetrennt, alte Wegebeziehungen gekappt und das Erscheinungsbild des ufernahen Bereichs mitsamt seiner früheren Auwälder, Weiden und Landsitze inmitten großer Parks und dem Leinpfad entlang des Rheins entscheidend verändert und teilweise zerstört.

Weinhändler und Weinhandlungen
Lag der Handel mit Rheingauer Weinen zunächst weitgehend in der Hand auswärtiger Händler aus Köln oder Frankfurt, kamen im 19. Jahrhundert im Rheingau ansässige Weinhändler hinzu, die aber auch international agierten. Sie verfügten über große Kellereianlagen und weitreichende Handelsbeziehungen. So wurde der Weinhandel ein immer wichtigerer und ausschlaggebender Wirtschaftsfaktor für die Region, was sich an der steigenden Zahl der Weinhandlungen ablesen lässt: 1869 betrug ihre Zahl noch 45, im Jahr 1900 existierten bereits 156 Weinhandlungen im Rheingaukreis.

Winzergenossenschaften
Im Gegensatz zu den wenigen Großbesitzern litt die Vielzahl kleiner Winzerbetriebe und Nebenerwerbswinzer unter den strukturellen Veränderungen, die die Industrialisierung mit sich brachte. Die Lage der Kleinbetriebe verschlechterte sich zudem mit den Ernteausfällen nach dem Aufkommen der Reblaus. Um ihre Situation zu verbessern, wurden neue Marktformen gesucht und Ende des 19. Jahrhunderts erste Winzergenossenschaften gegründet.

(Barbara Bernard, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020)

Literatur

Kalinke, Helmut / Gesellschaft für Geschichte des Weines (Hrsg.) (1969)
Der Rheingau, Weinkulturzentrum gestern, heute und morgen. (Schriften zur Weingeschichte Nr. 20.) Wiesbaden.
Söder, Dagmar / Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH) (Hrsg.) (2013)
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen: Rheingau-Taunus-Kreis I. (Altkreis Rheingau). Wiesbaden.

Strukturen des historischen Weinhandels und -transports im Rheingau

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Fachsichten
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Barbara Bernard, „Strukturen des historischen Weinhandels und -transports im Rheingau”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-323050 (Abgerufen: 20. April 2024)
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