Historische Siedlungsentwicklung In der Nähe des Ortes wird eine frühe Burgstätte des an der Klostergründung beteiligten und dann erloschenen Rheingrafengeschlechts vermutet. Ob eine Dorfsiedlung (Rheingrafenhausen?) bereits vorhanden war oder erst im Zusammenhang mit dem Kloster entstand, ist nicht geklärt. Vermutlich war zunächst nur der Ortsteil Grund am Elsterbach (auf den sich vielleicht frühe Erwähnungen eines Ortes Helisa, Elisa beziehen könnten), später auch Johannisgrund genannt, mit seinen dortigen Mühlen bewohnt. Das höhergelegene Dorf Johannisberg, volkstümlich auch als Flecken bezeichnet, wurde wahrscheinlich von Dienstleuten (Colonen) des Klosters besiedelt, die für Rodungsarbeiten herangezogen wurden. 1373 erscheint ein Gemeindesiegel. 1456 werden ein Dorf auf dem Berg und ein Dorf im Grund erwähnt. 1502 bezog die Abtei Zins aus 21 Häusern im Grund und 41 Häusern auf dem Berg. Die Einwohner unterstanden der Grundherrschaft des Klosters, während die hohe Gerichtsbarkeit beim Erzbischof lag. Das Rathaus wird 1516 erwähnt, ein Gerichtshaus (des Klosters?) dagegen schon 1489. Nachdem der Ort nach 1527 gerichtlich Winkel und Oestrich unterstellt worden war, erhielt er 1638 ein eigenes Gericht.
Erste Angaben zur Bevölkerung von 1420 nennen 69 Personen (Familien), die Klosterinsassen eingeschlossen. 1502 werden 41 Zinspflichtige (Familienvorstände) im Grund, 68 auf dem Berg gezählt. 1525 leben etwa 575 Personen in 115 Häusern. Insgesamt nimmt zwischen dem 16. und 18. Jh. die Bevölkerung ab, erst am Ende wieder zu. Sie steigt dann kontinuierlich von 610 im Jahr 1790 auf fast 2000 im Jahr 1960; heute (1999) sind rund 2700 Einwohner in Johannisberg ansässig. Von den Johannisberger Brunnennachbarschaften wird seit 1579 berichtet; es kommen eine Brunnengemeinschaft im Grund und zwei auf dem Berg vor.
Weinbau Wie in den anderen Rheingauer Vorhöhensiedlungen betrieben fast alle Einwohner, neben weiteren Tätigkeiten, eigenen Weinbau. Dieser war mit dem Zehnten an das Viktorstift in Mainz belastet. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahm der Weinbau über 60% der verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen ein; daraufhin wurde eine Flächenverringerung angeordnet. 1895 gab es etwa 100 Weinbaubetriebe, die ca. 80 ha in Johannisberg bebauten. Von großer Bedeutung für diesen arbeitsintensiven Landwirtschaftszweig waren hier seit je her die Tagelöhner.
Pionierarbeit leistete das traditionsreiche Kloster- und spätere Schlossweingut Johannisberg bei der Kultivierung der Rieslingrebe. Bei der Neuanlage der heruntergekommenen Weinberge pflanzte man nach 1716 fast ausschließlich Riesling. Einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung des Qualitätsweines stellte die Entdeckung der Spätlese 1775 dar, die dem Johannisberger Wein weltweit zu höchstem Ansehen verhalf. Auch die Kategorisierung in Güteklassen und weitere Methoden zur Qualitätssteigerung gehen auf Johannisberger Kellermeister zurück. Das seit dem 17. und 18. Jahrhundert zu beobachtende Bestreben zur Bildung größerer Weingüter setzte sich im 19. Jahrhundert verstärkt fort. 1822 erwarb Peter Arnold Mumm größere Flächen, nachdem er mit dem Vorab-Ankauf der 1811er Ernte von Schloss Johannisberg überaus erfolgreich gewesen war. Seine Firma zählte schon 1842 zu den großen Weinhandlungen des Herzogtums Nassau. Einige weitere Güter gehörten zu den größten des Rheingaues (heute: von Mumm, Prinz von Hessen mit je über 50 ha.). Von 115 ha Weinbergslage (1999; ein Fünftel der Geisenheimer Lagen), entfällt mit 35 ha die größte zusammenhängende Einzellage auf den Schlossberg im Besitz des Schlosses Johannisberg. Neben dem Weinbau spielte die sonstige Landwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle; die Fruchternten deckten nicht den Eigenbedarf. Wie in Geisenheim war der Viehbestand relativ hoch, um neben dem Beitrag zur Ernährung Dünger für den Weinbau zu liefern; daneben gab es einen großen Obstbaumbestand.
Die Industrialisierung begann 1846 mit der Gründung der Fabrik von Buchdruckschnellpressen durch Johann Klein und Johann Forst in der ehemaligen Krayer-Mühle im Ortsteil Grund. 1889 übersiedelte die expandierende Firma nach Geisenheim. Brauneisenstein und Manganerzförderung wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in geringem Umfang betrieben. Von fünf Mühlen im Ortsteil Grund arbeitete im Jahr 1900 nur noch die Schamarimühle. 1909 gehörte die Bevölkerung zum weitaus größten Teil dem Arbeiterstand an. (Struck S. 272) 1856 wurde die „Wasserheilanstalt-Gesellschaft zu Johannisberg“ zur Nutzung des Wassers des Schweizertalbrunnens (Wäschbrunnen) gegründet und errichtet ein Haus für den Kurbetrieb, der jedoch noch vor Ende des 19. Jahrhunderts zum Erliegen kam.
Historisches Ortsbild Die Dorfgemeinde entstand aus zwei zunächst getrennten Siedlungen. Während der Ortsteil Grund im Elsterbachtal als der ältere gilt, ging die kommunale Entwicklung von der größeren Siedlung auf dem Berg aus. Sie entstand in einer nach Südwesten geöffneten Talmulde. Die Ortsmitte bildete eine Wegekreuzung am Rathaus, die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Straße Im Flecken war die alte Hauptstraße, an der sich die Bebauung weitgehend orientierte. Reste einer Ortsbefestigung oder einer größeren befestigten Hofstätte zeichnen sich möglicherweise im Bereich der Unteren Brunnengasse ab. 1525 gab es in Johannisberg und Grund 118 Häuser, die 1559 einem Brand teilweise zum Opfer fielen. 1600 bestanden noch 68 Häuser, 1678 waren 60 Häuser in gutem Stand, ca. 20 ganz oder teilweise verfallen. 1685 standen von 76 aufgeführten Häusern 24 im Grund, 52 auf dem Berg.
Mit dem Ausbau der Chaussee Winkel-Johannisberg 1825-27 und der Straße nach Geisenheim wurde die weitere Ortsentwicklung gefördert. Im Flecken entstanden nach 1800 Baugebiete östlich des alten Ortskernes, als Parallelstraßen zur alten Hauptstraße bilden Neugasse (Rosengasse) und Vogelgasse (Poststraße) sowie die Verlängerung der Schulstraße Teile des rechtwinkligen Straßensystems in diesem Erweiterungsgebiet. Seit 1860 wurde die Poststraße, ab 1872 die Flur Am Sand bebaut. Nach 1945 entstand die Bebauung Im Vogelsang, ab 1963 die nordwestlich gelegene Siedlung Auf der Schlossheide. Während der Ortskern durch die ältere Baustruktur aus Hofreiten mit giebelständigen Wohnhäusern, ummauerten Höfen und Toren geprägt ist, zeigen die Straßenzüge des 19. Jahrhunderts relativ einheitliche wirkende, langgestreckte Traufenbauten mit Durchfahrt und parallel gestellte Scheunen.
Nicht erhaltene Bauten Ein Pfarrgut mit Pfarrhaus wurde 1665 gestiftet. Die Unterhaltung des Pfarrhauses hatte früher das Kloster zu besorgen. „Als um 1790 das Pfarrhaus sehr baufällig war, wohnte der Pfarrer im Schlosse. 1879 war das Pfarrhaus wieder in gutem Zustande.“(Zaun). 1830 ließ Fürst Metternich das alte Pfarrhaus in der Schulgasse auf Abbruch verkaufen. Es wurde ein neues Pfarrhaus erbaut, dazu kam der Pfarrgarten, vorher Schulplatz. Das Schulhaus von 1730 in der Schulstraße wurde 1844 auf Abbruch versteigert und durch den Neubau am Südende der Neuen Straße ersetzt. Ein Hirtenhaus wird 1705 genannt. Es gab zwei Backhäuser in Berg und Grund sowie eine Gemeindeschmiede. Die alte Gerichtslinde des Klostergerichtes, 1832 gefällt, stand in der Neugasse (Rosengasse).
Die vormaligen Gebäude der Maschinenfabrik auf dem Gelände einer ehemaligen Mühle im Grund wurden zum Teil Kelter- und Lagerhaus der Weinhandlung von Johann Klein und sind heute durch neuere Wohnbauten ersetzt. Die Villa Im Grund 1 am Ortseingang, aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit ausladendem Satteldach und Verandavorbau über der Südfront (nach Inventar 1965) wurde durch einen modernen Neubau (Weingut Prinz von Hessen) ersetzt. Die Brunnen spielten besonders am Berg eine wichtige Rolle. Die Leitung des Springbrunnens (Laufbrunnen) beim Rathaus wurde 1621 repariert, der Wäschbrunnen im Schweizertal bereits 1550 und 1625 renoviert. Weiter werden der Pfeiferbrunnen und der Kettenbrunnen mit den zugehörigen Brunnennachbarschaften genannt. Der Friedhof wurde von der Klosterkirche 1807 zunächst zum Flecken hin, dann um 1820 an den Weg nach Stephanshausen, kurz darauf vor das Metternich‘sche Hofhaus verlegt; 1832 wurde der heutige Friedhof am Kühweg angelegt.
Historisches Ortsbild Insgesamt zeigt Johannisberg in seinen Bebauungsbereichen eine starke Differenzierung in unterschiedliche, durch ihre jeweilige topographische Lage geprägten Siedlungsformen. Dem landschaftsbeherrschenden Solitär des Schlosses mit weiträumigem Weinberg und Park stehen im engen Bachtal das langgestreckte, straßendorfartige Band des Ortsteiles Grund und auf der Höhe der flächige, auf rechtwinkligem Raster aufgebaute Ortsteil Flecken gegenüber. Außerhalb der bebauten Lagen reihen sich im Bachtal punktuell einzelne Mühlenhöfe auf. Bevorzugte, aussichtsreiche Höhen- und Randlagen werden von großen Villen und Gütern eingenommen.
(Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2013/2020)
Literatur
Söder, Dagmar / Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH) (Hrsg.) (2013)
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen: Rheingau-Taunus-Kreis I. (Altkreis Rheingau). Wiesbaden.
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