Die Neolithisierung - Einführung von Ackerbau und Viehzucht
Die Jungsteinzeit in Schleswig-Holstein
Megalithgräber in Dithmarschen
Frühe Besiedelung der Dithmarscher Geest
Verbreitung von Megalithen
Bauweise
Dolmen und Ganggräber
Experimente zum Bau der Großsteingräber
Funktionen
Erhaltung und jüngere Nutzung
Die Neolithisierung - Einführung von Ackerbau und Viehzucht
Die Einführung von Ackerbau und Viehzucht, die sogenannte Neolithisierung, begann im Vorderen Orient vor ca. 12.000 Jahren. Die frühesten Anzeichen einer Domestikation von Pflanzen und Tieren lassen sich weltweit in dieser Region nachweisen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass es sich hierbei um einen allmählichen, evolutionären und vielfältigen Prozess (prä)historischer Veränderungen handelte. Veränderte Klima- und Umweltbedingungen am Ende der letzten Eiszeit sowie soziokulturelle Entwicklungen sind nach aktueller Forschungsmeinung als Ursachenkomplexe für diese weltweite Entwicklung von neuen Wirtschaftssystemen zu nennen. Gruppen von Jägern und Sammlern begannen im Vorderen Orient damit, Kulturpflanzen und Haustiere planmäßig aus Wildformen zu züchten. Die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln und die daraus folgende Bevölkerungszunahme führten zu umfassenden ökonomischen, technischen und geistigen Veränderungen: Der Mensch wurde sesshaft, der jahreszeitlich bedingte Rhythmus von Ackerbau und Viehzucht prägte den Lebensstil. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung begann sich zu entwickeln. Spezialisiertes Handwerk und Tauschhandel waren typische Merkmale dieser neuen Zeit. Der zunehmende Wohlstand schuf aber auch Konflikte und zwang teilweise zum Schutz des erstmals als solchen wahrgenommenen Besitzes.
Die Jungsteinzeit in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein wird die Jungsteinzeit in drei die Hauptperioden - Früh-, Mittel- und Spätneolithikum - mit jeweiligen Unterabschnitten eingeteilt. Der Begriff des Neolithikums entstammt aus dem Griechischen von „neo“ = neu / jung, und „lithos“ = Stein. Für das Früh- und größere Abschnitte des Mittelneolithikums ist die auf Grund ihrer typischen Keramik so benannte „Trichterbecherkultur“ von prägender Bedeutung. Zu den heute nachweisbaren Spuren der Menschen in dieser Zeit gehören:
- die namengebende Keramik (Trichterbecher),
- verschieden Formen von als Arbeitgerät oder als Waffe genutzte Steinbeile aus Flint (erstmals bei einigen Artefakten geschliffen) oder Felsgestein
- und die beeindruckenden Megalithgräber.
Die Großsteingräber sind in das ausgehende Frühneolithikum und vor allem in das frühe Mittelneolithikum zu datieren und wurden als Bestattungsplätze für ganze Siedlungsgemeinschaften genutzt. Sie sind die ältesten erhaltenen und auch heute teilweise noch das Bild der Landschaft prägenden Anlagen aus der frühen Geschichte unserer Region sowie darüber hinaus in ganz Mitteleuropa. Für ihre Anlage scheint eine Hangsituation wichtig gewesen zu sein bzw. anders gesagt: Anhöhen und Niederungen wurden offensichtlich gemieden. Im Verbreitungsbild der Großsteingräber in Dithmarschen bilden die Albersdorfer Rechteck- und Polygonaldolmen durch ihre Zahl und Erhaltung bzw. moderne Wiederherstellung einen eindrucksvollen Schwerpunkt.
Frühe Besiedelung der Dithmarscher Geest
Trotz der eindeutigen Nachweisbarkeit der Dithmarscher Geest als wichtige jungsteinzeitliche Siedlungsregion sind aber bisher nur sehr wenige, eindeutig als Wohnplätze anzusprechende Fundstellen, wie z. B. von der Ochsenkoppel bei Schafstedt oder von einem wohl frühneolithischen Platz bei Tensbüttel-Röst, bekannt. Klar erkennbare Hausgrundrisse konnten bislang in Dithmarschen noch nicht entdeckt werden. Es ist aber auch hier zu vermuten, dass die neolithischen Menschen schnell begannen, ihre Siedlungsräume in die erhöht gelegenen, trockenen Geestgebiete im Landesinneren auszuweiten. Ein besonderer Fundplatz ist nördlich von Albersdorf bei Pahlen entdeckt worden; auf Grund der Fundzusammensetzung ist hier wohl ein „Rodungscamp“ im damaligen auf einer Anhöhe und weit vom Wasser entfernt gelegenen Wald angetroffen worden, in dem vor allem Flintbeile z. B. nach einer Beschädigung der Schneide nachgeschlagen und nachgeschliffen wurden.
Verbreitung von Megalithen
Die Großsteingräber sind eine Erscheinung, die sich entlang der Atlantikküste bis in den mediterranen Raum hinein nachweisen und sich im mittel- und osteuropäischen Binnenland nicht finden lassen. Auch scheinen sie nicht weiter als 400 Kilometer von der Küste entfernt im Landesinneren errichtet worden zu sein. Das wesentlich ältere westeuropäische Megalithikum, das insgesamt reicher und vielgestaltiger ist, scheint generell betrachtet die Ursprungsregion für die Verbreitung der megalithischen Idee nach Mitteleuropa gewesen zu sein. In Norddeutschland stammen die meisten Großsteingräber aus den mittleren Abschnitten des Neolithikums von ca. 3.600 v. Chr. bis 3.200 v. Chr. Innerhalb Schleswig-Holsteins zeichnet sich der Ostseeküstenbereich als primäres Ausgangsgebiet für die Verbreitung der Anlagen ab. Nur hier finden sich die älteren, so genannten Urdolmen, die für die Bestattung lediglich einer Person gedacht waren.
Bauweise
Ihr wissenschaftlicher Name „Megalith“ stammt aus dem Griechischen (megas: groß; lithos: Stein) und erklärt sich durch ihre Bauform: Sie bestehen aus großen, senkrecht stehenden Stand- oder Tragsteinen und waagerecht aufgelegten flachen Decksteinen, die zusammen eine Kammer bilden. Die vom Gletschereis glatt geschliffenen Seiten der Steine weisen immer zum Kammerinneren hin. Für intentionelle Bearbeitung der Findlinge eines Megalithgrabes durch seine Erbauer gibt es bisher nur einen einzigen Nachweis, wo ein – misslungener - Spaltversuch an einem Steinblock unternommen wurde. Die Grabkammern sind zumeist mit einem Eingang versehen, die – wie bei einer Gruft – für wiederholte Bestattungen geeignet waren. Sie wurden auf dem Erdboden errichtet und überhügelt oder aber auch (seltener) in den Boden eingetieft.
Dolmen und Ganggräber
In der archäologischen Fachterminologie unterscheidet man grundsätzlich zwischen „Dolmen“ (aus dem Bretonischen für „Steintisch“), die ihren Eingang an der Schmalseite haben und die im holsteinischen Raum die überwiegende Zahl aller Anlagen darstellen, sowie „Ganggräbern“, die meist größer und durch einen unterschiedlich langen Gang an der Längsseite gekennzeichnet sind. Ganggräber wurden noch nicht – wie die Dolmen – in der Anfangsphase des Mittelneolithikums errichtet und weisen als die Kammer überdeckende Hügelform zumeist Rund- oder auch Langhügel auf. Nur bei den polygonalen Ganggräbern, die immer einen Rundhügel besitzen, gibt es einen nachweisbaren Formenzusammenhang zur Überhügelung. In den meisten Fällen weisen die Eingänge nach Osten oder Süden und in die dazwischenliegenden Richtungen. Über den inneren Aufbau dieser Anlagen sind wir durch die Untersuchung einzelner Gräber auch in unserer Region verhältnismäßig gut unterrichtet. So wurden die Leerräume zwischen den Steinen mit Trockenmauerwerk aus flachen Feldsteinen geschlossen. Der Fußboden bestand zumeist aus einem Steinpflaster mit einer Deckschicht aus Stampflehmestrich und/oder weiß gebranntem, krakelierten Flint. Nach der Fertigstellung der Steinkammer wurde darüber ein Hügel aus Lockermaterial, meist Sand, aufgeschüttet, der maximal bis zur Oberkante der Decksteine reichte und heute meist aberodiert ist. Einfassungen aus kleinen Findlingen oder aus größeren Steinkonstruktionen, die für die Langbetten typisch sind, grenzten den Grabhügel von der Umgebung ab.
Experimente zum Bau der Großsteingräber
Zur Errichtung der Großsteingräber waren Hilfsmittel wie Rollen und Hebel sowie der koordinierte Einsatz von Mensch und Zugtier nötig, um die tonnenschweren Steinblöcke bewegen zu können. Für die Errichtung des Großsteingrabes von Kleinenkneten bei Wildeshausen in Niedersachsen wurde der Arbeitsaufwand mit Hilfe von Computermodellen berechnet: Bei diesem ca. 50 Meter großen, rechteckigen Langbett waren rund 110.000 Arbeitsstunden zur Errichtung der aus elf Tragsteinen und drei, maximal 42 Tonnen schweren Decksteinen bestehenden Grabkammer sowie des Grabhügels erforderlich. Die Anlage hätte also von 100 Menschen bei täglich zehn Stunden Arbeit in etwa dreieinhalb Monaten gebaut werden können – wobei unklar bleiben muss, wie dieser Arbeitsprozess organisiert gewesen ist: War die gesamte regionale Population beim Bau eingebunden, waren nur ausgewählte Bevölkerungsteile dabei oder waren „Berufsgrabhügelbauer“ am Werk? Unzweifelhaft ist in jedem Fall allein für die Koordination der Arbeit das Vorhandensein einer zentralen Autorität, die theokratisch legitimiert gewesen sein dürfte. Jüngere und überregionale Ergebnisse zeigen dabei immer klarer, dass diese Anlagen durchaus nach konkreten Bauplänen errichtet wurden und dass spezialisierte Baumeister bzw. sogar wandernde Bautrupps von Handwerkern die Arbeiten durchgeführt haben müssen, da sich die Existenz von fast identischen Anlagen in einzelnen Regionen sonst kaum erklären ließe.
Funktionen
Die Großsteingräber hatten verschiedene Formen und vermutlich auch verschiedene Funktionen als Bestattungsorte, Kultanlagen und territoriale Kennzeichnung eines Siedlungsgebiets. Sie liegen zumeist auf den Hangzonen der Grund- oder Endmoränen, nur selten direkt auf einer Anhöhe. In den bisher mit Sicherheit nachweisbaren Befunden liegen die Siedlungen der damaligen Menschen und die Großsteingräber wie im Falle von Flögeln ca. 400 Meter und im Falle von Büdelsdorf knapp einen Kilometer voneinander entfernt und damit vermutlich am Rande der hauptsächlich zur Viehweide genutzten halboffenen Wirtschaftsfläche in der Umgebung der Siedlung. Sie können schon zur Zeit Ihrer originären Nutzung eine komplizierte interne Bau-, Um- und Ausbaugeschichte aufweisen. In Schleswig-Holstein sind mehrere hundert Anlagen bekannt, ca. 120 stehen unter Denkmalschutz.
Erhaltung und jüngere Nutzung
Viele Großsteingräber sind im Mittelalter beim Kirchenbau, vor allem aber im späten 19. Jahrhundert unter anderem wegen des zunehmenden Bauholzmangels durch die damalige Übernutzung der Wälder als regelrechte Steinbrüche zur Fundamentierung von Haus-, Straßen- und Brückenbauten sowie für den Uferschutz genutzt worden. Einzelne Steine wurden auch zur Errichtung von Denkmälern oder als Feld- oder Einfahrtsmarkierungen benutzt. Außerdem dienten Megalithgräber vielfach auch als Sand- und Erdentnahmestellen. Ein Großteil der teilweise mehr als 5.000 Jahre alten Anlagen wurde auf diese Weise im Zuge der zunehmenden Industrialisierung und Mechanisierung des ländlichen Raums zu großen Teilen oder sogar vollständig zerstört.
(Rüdiger Kelm, Archäologisch-Ökologisches Zentrum Albersdorf, erstellt im Zuge des Projektes „Megalithic Routes in Schleswig-Holstein“, gefördert von der Bundesbeauftragen für Kultur und Medien im Zuge des Europäischen Kulturerbejahres 2018+1 „Sharing Heritage“, 2019)