Die Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) bzw. die spätere Deutz AG ist beispielhaft für Industrieunternehmen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, deren rasanter Aufstieg während der Gründerzeit dank ihrer revolutionären Neuheiten ganze Regionen geprägt hat. Zusammen mit der Chemischen-Fabrik-Kalk (CFK) ist die KHD prägend verantwortlich für die Entwicklung von Kalk.
Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) Konzerngeschichte
Gründung, Etablierung der Standorte und Bauten Die Klöckner-Humboldt-Deutz AG gehört zu den bedeutendsten rheinischen Unternehmen und war bis in die 1970er Jahre der größte in Köln ansässige, überregional situierte Konzern. Abgekürzt als KHD ist er bis heute, besonders in Köln noch im Gedächtnis der Menschen verankert. Formell erfolgte die Gründung des breit diversifizierten Maschinenbaukonzerns unter diesem Namen erst im Jahr 1938 bzw. 1959 als die Vereinigten Westdeutschen Waggonfabriken AG in Köln-Deutz, die bereits seit 1953 einen Organvertrag mit der KHD besaßen, fusionierten. Wesentliche Schritte auf diesem Weg waren schon durch die sechs Vorgängergesellschaften zurückgelegt worden. Sie waren zwischen dem Beginn der Industrialisierung in Deutschland 1845 und der Zeit der „Zweiten Industriellen Revolution“ 1892 gegründet worden. Um die Jahrhundertwende erblühte neben der chemischen und elektrotechnischen Industrie vor allem der Maschinen-, Motoren- und Fahrzeugbau in Deutschland. Zu den innovativen Unternehmen der Branche gehörten die frühere Wagen- und Chaisenfabrik Gastell, Harig und Berdellé in Mainz Mombach (1845 gegründet, seit 1892 Waggonfabrik Gebr. Gastell GmbH), die 1846 in Deutz bei Köln etablierte Waggonfabrik van der Zypen & Charlier und die Maschinenfabrik für den Bergbau von Sievers & Cie. in Kalk bei Köln (seit 1856). Sie firmierte seit 1871 als Maschinenbau AG Humboldt. Neben diesen unterschiedlich strukturierten Gesellschaften trat später noch die 1864 gegründete C. D. Magirus in Ulm hinzu, zudem die 1864 vom Erfinder des Otto-Motors gegründete Nikolaus August Otto & Cie. in Köln, die spätere Deutz AG, und die seit 1892 bestehende Motorenfabrik W. Seck & Cie. in Oberursel im Taunus.
Die Initiative zum sukzessiv durchgeführten Zusammenschluss ging auf den Eisen- und Stahlhändler Peter Klöckner (1863-1940) und den A. Schaaffhausen'schen Bankverein in Köln zurück, der auf das industrielle Anlage- und Gründungsgeschäft spezialisiert war. Der Bankverein brachte den aus Koblenz stammenden Klöckner als Berater mit der Zuckerindustriellen-Familie Langen (Pfeifer & Langen), den Hauptaktionären der Gasmotorenfabrik Deutz AG, zusammen. Nachdem Klöckner 1906 in den Aufsichtsrat gelangte, erwarb er bis 1924 von den Langens die Aktienmehrheit und wurde Aufsichtsratsvorsitzender. Schon bei den Vorgängerunternehmen war Geheimrat Klöckner engagiert gewesen, hatte er sich doch als „Sanitätsrat für kranke Werke“ bereits überregional einen Namen gemacht - heute würde man ihn vermutlich einen begnadeten Unternehmenssanierer und Konzernbauer nennen.
Als zweitgeborener Sohn eines Koblenzer Werftbesitzers hatte er zunächst eine kaufmännische Lehre bei einem der größten deutschen Eisen- und Stahlhändler, Carl Spaeter, in Koblenz absolviert. Dann verband er bei der Luxemburger Bergwerks- und Eisenhütten AG in Burbach seine kaufmännischen Kenntnisse mit praktischer Arbeit auf der Hütte. Zu Carl Spaeter 1888 zurückgekehrt, wurde er für die neue Filiale Duisburg zuständig und stieg 1908 als Teilhaber ein. Doch bereits 1906 hatte er sich nebenbei mit seinem Bruder als Eisen- und Stahlhändler selbständig gemacht. Aus diesem Engagement ging die heutige Klöckner & Co. als breit diversifizierte Handelsgesellschaft hervor. Schon zuvor hatte Klöckner seit 1898 Aktienanteile verschiedener, zumeist kleinerer oder mittelgroßer Eisen- und Stahlwerke in Lothringen, im Ruhrgebiet und am Mittelrhein erworben. Diese sah er nicht nur als Anlage, sondern stieg in die Unternehmensführung als Vorstand, bisweilen auch als Berater im Aufsichtsrat ein und befasste sich intensiv mit Sanierung, Konsolidierung und Ausbau der Unternehmen. Seit 1898 leitete er z.B. das Hasper Eisen- und Stahlwerk bei Hagen, zwei Jahre später war er zusammen mit August Thyssen Mitbegründer eines Edelstahlwerks in Krefeld. Er gründete 1917 aus drei kleineren Unternehmen die Lothringer Hütten- und Bergwerksverein AG als konsolidierten weiteren Konzern, nachdem er im Auftrage des Schaaffhausen'schen Bankvereins in den Aufsichtsrat des Lothringer Hütten-Vereins Aumetz-Friede eingetreten war.
Die Eisen- und Metallverarbeitung war aber schon lange vor dem Engagement Klöckners ein Schwerpunkt von Industrie und Gewerbe in Köln gewesen. Ein Hauptprodukt war der Motorenbau, wo die Motorenfabrik Deutz AG und die Maschinenfabrik Humboldt AG eine prominente Rolle einnehmen sollten. Die 1856 in Kalk bei Köln (1910 eingemeindet) gegründete Maschinenfabrik für Bergbau von Sievers & Cie. war ein Unternehmen, das sich im Verlauf der Jahrzehnte zum Branchenprimus in Köln entwickelte. Hatten die Gründer Martin Gottfried Neuerburg, Wimmar Breuer und der Namensgebende Hermann Dietrich Sievers mit Produkten wie den Backenbrechern, u.a. für das Zerkleinern von Gestein, begonnen, so folgten Kohlenwäschen und Verladeanlagen für den aufblühenden deutschen Bergbau. Daneben machte sich das florierende Unternehmen mit seinen 2.000 Beschäftigten einen Namen mit Lokomotiven, Traktoren, Industrieausstattungen aller Art und bemerkenswerten Stahlkonstruktionen für den Hochbau. Der 1871 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte, nun als Maschinenbau-AG Humboldt firmierende Betrieb war schon vor 1900 berühmt für seine großen Fabrikhallen. Die Halle Kalk an der Neuerburgstraße ist ein gutes Beispiel dafür. Unter Generaldirektor Richard Zörner (in dieser Funktion 1902-1921 tätig) entstand an der Dillenburger Straße ein großer Hallenkomplex für die Spezialgießerei mit Elektroöfen und den Bau von Aufbereitungsmaschinen, dessen Formensprache deutlich vom Deutschen Werkbund beeinflusst war. Heutzutage befinden sich in einem Teil der Anlage die AbenteuerHallen mit Kletterwänden und Skatereinrichtungen.
In weiteren Bauten im Viertel (Dillenburger Straße) steht der „Schlepperbau“. Dies ist eine weitere interessante, während des Zweiten Weltkriegs entstandene Halle, die seit 1946 für die Produktion von Deutz-Traktoren genutzt wurde. Heute dient sie nach Umbau als „Technikhof Kalk“ und wird von verschiedenen Kleinfirmen als Mietobjekt genutzt. Außerdem wurden in der Neuen Eisenkonstruktionswerkstätte (1906), die in der Nachbarschaft liegt, wesentliche Teile der Kölner Rheinbrücken produziert. Die Halle wurde im Zweiten Weltkrieg allerdings stark beschädigt und nur in vereinfachter Form wieder errichtet.
Für die Humboldt AG begann 1906 mit dem Eintritt Peter Klöckners in den Aufsichtsrat eine neue Ära. Eine rege Bautätigkeit auf dem Werksgelände war die Folge. Eine Reihe neuer Produktfelder, wie der Lokomotivbau, die Ausstattung von Zement- und Chemiefabriken, Eismaschinen für die Lebensmittel- und Getränkeproduktion, Luftkühlanlagen, Dampfturbinen, der Bau von Maschinen für die Brikettfabrikation im Braunkohlenbergbau, die Fertigung von Schaufelradbaggern (seit 1916) und die Herstellung von Traktoren wurde aufgenommen und ausgebaut. Vielfach exportiert, fanden die Produkte einen so großen Absatz, dass das Werksgelände mehrfach erweitert werden musste. Um die Jahrhundertwende arbeiteten schon circa 5.000 Beschäftigte, zumeist aus dem noch dörflichen Umland stammend, auf dem 200 Morgen großen Gelände. Von entscheidender Bedeutung war dabei auch der Anschluss an das stetig wachsende Eisenbahnnetz, denn Maschinenbau und Eisenbahnexpansion bedingten sich hier gegenseitig in einem anhaltenden Push- und Pull-Prozess.
Dies galt auch für die 1864, also nur wenige Jahre später entstandene N.A. Otto & Cie. Das kleine Start-up wurde vom Erfinder und Kaufmann Nikolaus August Otto (1832-1891) und dem Ingenieur und Zuckerfabrikanten-Sohn Eugen Langen (1833-1895) gegründet. Dieses Pionierunternehmen kann industrie- und technikgeschichtlich als wichtigstes Unternehmen in Köln gelten. Denn sie war die erste Motorenfabrik der Welt und entwickelte sich rechtsrheinisch - auch Dank des zehnjährigen Engagements (1872 bis 1882) von Gottlieb Daimler (1834-1900) und Wilhelm Maybach (1846-1929) - zu einem der bedeutendsten Kölner Großunternehmen. Daimler und Maybach machten sich 1883 nach einem Zerwürfnis mit Otto in Stuttgart-Cannstadt selbständig, die Ursprünge der heutigen Daimler AG. In den Jahren 1867 und 1876 war Otto & Cie. auf den Weltausstellungen in Paris mit neu entwickelten Motoren präsent. Dank des rasch einsetzenden internationalen Absatzes musste das Firmengelände bald vergrößert werden. Daher zogen Langen und Otto mit einem weiteren Kompagnon (Roosen) auf ein direkt am Rhein und einer Verbindungsstraße gelegenes Gelände zwischen Deutz und Mülheim, das noch Erweiterungspotential bot.
Im Jahr 1872 mit Hilfe der Familien Langen und Pfeifer in eine Aktiengesellschaft, die Gas-Motorenfabrik Deutz AG mit einem Kapital von 300.000 Mark umgewandelt, wuchs das kleine Unternehmen rasant an. Bis 1886 waren bereits über 20.000 Motoren bei Deutz produziert worden. Während Otto und Langen zusammen an der Entwicklung des revolutionären Verbrennungsmotors arbeiteten, war Langen später für den nicht weniger innovativen Bau der Wuppertaler Schwebebahn mit verantwortlich. Im Jahr 1912 folgte eine weitere Innovation, denn das Unternehmen konnte den Kunden den ersten Dieselmotor mit direkter Einspritzung präsentieren. Dies trug zur weiteren Expansion bei. Das nun in Motoren-Fabrik Deutz AG umbenannte Unternehmen besaß entsprechend eine beeindruckende Werksarchitektur entlang der Deutz-Mülheimer-Straße. Beispielsweise wurde die architektonisch bedeutsame Ausstellungshalle auf dem Werksgelände (heute Möhring-Halle) von Bruno Möhring und Reinhold Krohn 1902 für die große Kunst- und Gewerbeausstellung Düsseldorf entworfen, bevor sie nach Köln gelangte. Sie diente als Vorbild für die Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV in Dortmund. Buschmann (2013, S. 111) stuft sie als „einer der Pionierbauten der Moderne“ ein.
Zu den weiteren Bauten auf dem Werksgelände zählen die Halle des Großmotorenbaus, weitere Hallen für den Klein- und Mittelmotorenbau, Sozial- und Verwaltungsgebäude und die Gießerei. In der Nachbarschaft befinden sich auch die Bauten einer anderen Vorgängergesellschaft der KHD, nämlich der bereits 1845 gegründeten Waggonfabrik Van der Zypen & Charlier. Sie baute die Wagen für die Wuppertaler Schwebebahn nach den Erfindungen von Eugen Langen seit Beginn der 1890er Jahre. Auf dem Werksgelände befinden sich u.a. entsprechend die „Schwebebahnhallen“ mit Resten der damaligen Probestrecke und das beispielgebende Zentralmagazin von 1910.
Rationalisierung der Zwischenkriegszeit und Kriegswirtschaft In der frühen Nachkriegszeit nach dem Ersten Weltkrieg lief die Nachfrage nach Fahrzeugen und Motoren nur langsam wieder an. Die Besatzungsproblematik im Rheinland, politische Unruhen, schwacher Absatz und Hyperinflation 1923 bildeten den sozioökonomischen Hintergrund, vor dem die Motorenfabrik Deutz AG mit der Motorenfabrik Oberursel AG im Taunus eine Interessengemeinschaft einging. Nach der Übernahme der Aktienmehrheit an der Deutz AG 1924 erhielt Peter Klöckner als Hauptaktionär auch den Vorsitz im Aufsichtsrat. Schon seit 1915 war er Vorsitzender der Maschinenbauanstalt Humboldt AG in Köln-Kalk gewesen und entschied 1924, dass sie sich stärker fokussieren und auf neue Produkte, wie Ackerschlepper, setzen sollte. Der zuvor wichtige Lokomotivbau wurde von der Lokomotivfabrik Hohenzollern AG in Düsseldorf übernommen, die frei werdenden Hallen in Kalk dienten nun tatsächlich der Produktion von Ackerschleppern, die mit neu entwickelten Dieselmotoren ausgestattet wurden. Die Komplettierung der LKW-Produktion wurde durch den von Klöckner initiierten Kauf der C.D. Magirus AG in Ulm erreicht. Sie produzierte neben Feuerwehrfahrzeugen (der Gründer Conrad Magirus war Kommandant der Feuerwehr Ulm gewesen) auch LKW und konnte die Deutz-Motoren für den Antrieb ihrer Fahrzeuge bestens einsetzen. Durch Fusion entstand, wiederum auf Initiative Klöckners, im Jahr 1930 aus der Humboldt AG, der Deutz AG und der Maschinenfabrik Oberursel die Humboldt-Deutzmotoren AG, was wohl Synergieeffekte und Rationalisierung in den schwierigen Jahren der Weltwirtschaftskrise (1927-1932) ermöglichen sollte.
Der umtriebige Klöckner baute seinen Konzernbesitz immer weiter zielbewusst aus. Zwar wurden die Klöcknerschen Eisen- und Stahlwerke sowie die beiden seit 1910 im Besitz des Lothringer Hütten-Vereins befindlichen Steinkohlengewerkschaften Victor und Ickern im Ruhrgebiet nach dem schweren Verlust der bedeutenden lothringischen Besitzungen am Ende des Ersten Weltkrieges erst 1923 zur Klöckner-Werke AG Rauxel-Berlin zusammengefasst, doch war dies nur der dritte Baustein in Klöckners Konzernimperium. Dies bestand nach 1938 aus der bedeutenden Handelsgesellschaft Klöckner & Co., der Eisen- und Stahlproduzentin Klöckner-Werke AG, in die auch vor- und nachgelagerte Produktionsstufen wie Steinkohlegruben und Walzwerke integriert waren, und der Maschinenbau-Größe KHD. Es umfasste somit alle Produktions- und Absatzstufen, allerdings an dezentral gelegenen Standorten.
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 ergab sich durch die Arbeitsbeschaffung für Binnenschiffer eine verstärkte Nachfrage nach Schiffsmotoren, die dazu führte, dass die metallverarbeitende Branche schon 1934 wieder von Kurzarbeit zur 48-Stunden-Woche übergehen konnte. Die Übernahme der Fahrzeugfabrik Magirus fiel mit dem Beginn des nationalsozialistischen Vierjahresplans 1936 zusammen, der die deutsche Kriegsfähigkeit bis 1940 herstellen sollte. Die gesamte Maschinenbau-Branche, insbesondere aber der Motorenbau, stand seitdem unter hohen rüstungswirtschaftlichen Anforderungen. Im Jahr 1938 wurde die Humboldt-Deutz-Motoren AG an die Klöckner-Werke AG angeschlossen und erhielt nun den Namen KHD. Eines ihrer Spitzenprodukte war der Kleinmotor, der im „Dritten Reich“ starke Nachfrage erfuhr. So wurde z.B. 1939 der 200.000ste liegende Kleinmotor ausgeliefert (100.000 davon wurden seit 1935 produziert). Die Beschäftigtenzahl betrug 1940 ca. 10.000 und sollte während des Krieges noch weiter ansteigen.
Dagegen konnte ein anderer Bereich des Konzerns, die Vereinigte Westdeutsche Waggonfabriken AG in Köln-Deutz, aufgrund der NS-Autarkiepolitik und der schwindenden Exporte nicht so stark vom Beginn der NS-Herrschaft profitieren. Noch 1935 konnten im Kölner Bezirk bei der Waggonherstellung nur 30 % des ursprünglichen Beschäftigungsstandes erreicht werden. Daher wurden Behördenaufträge für das Überleben dringend bis zum Anziehen der Rüstungskonjunktur 1937 benötigt. In der Zwischenzeit versuchte das Unternehmen auch in anderen Bereichen, z.B. mit Holzgasgeneratoren und Steinkohleschwefelanlagen, Fuß zu fassen.
Seit Kriegsbeginn kam es zu weiteren Einschränkungen, da auch die Metallbranche mit Kontingentierungen und Benzinmangel zu kämpfen hatte. Wie bei den Kölner Fordwerken konnten auch bei KHD keine Probe- und Ablieferungsfahrten stattfinden, dies galt selbst für Wehrmachtsbedarf. Nach dem Tod Klöckners im Jahr 1940 blieb der Konzern bis weit in die Gegenwart unter der Führung der Familie: zunächst übernahm sein Schwiegersohn Günter Henle (1899-1979), später seine Enkel das Ruder. Zeitweise wurde Henle im Nationalsozialismus entmachtet, konnte aber später wieder die Leitung der Konzernunternehmen übernehmen.
Im Winter 1944/45 musste die Reichsbahn in Köln fast den gesamten Nah- und Fernverkehr aufgrund von Bombardierungen einstellen. Für viele Unternehmen bedeutete der Luftkrieg auch Stilllegung oder Verlagerung in weiter von der Front entfernte Gebiete. Im Winter 1944 wurde auch bei der KHD mit der Verlagerung von Maschinen und Beschäftigten in das Bergische Land begonnen, um weiter produzieren zu können. Noch im Herbst 1944 wurde überlegt, ob die KHD nicht in den lukrativen Markt für Flugzeugmotoren einsteigen sollte, schließlich hatte man schon Einspritzpumpen für diese Motorenart produziert, was aber u.a. aufgrund der nahenden Front unterblieb.
Der Konzern kämpfte aufgrund der steigenden Rüstungsanforderungen, deren genauer Umfang bislang noch nicht ausreichend erforscht ist, während des Krieges wie andere Unternehmen mit der hohen Zahl der Einberufenen, fehlendem Personal im Allgemeinen und Facharbeitermangel im Speziellen. Auch durch verstärkte Einstellung von Hilfskräften, Frauen und im Ausland angeworbenen Arbeitskräften (sogenannte „zivile Fremdarbeiter“) war diesem Engpass nicht beizukommen. Allein in Köln sank die Zahl der Beschäftigten in den KHB-Betrieben um knapp über 7 % von rd. 12.450 Mitte 1939 auf 11.550 Mitte 1943. Fast 35 % der Arbeitskräfte (rund 4.350) waren zum Kriegsdienst einberufen worden. Als anerkannter Rüstungsbetrieb konnte die KHD daher auf die Zuteilung ausländischer „ziviler Fremdarbeiterinnen“, aber auch auf Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter rekurieren. Die freiwillige Anwerbung im Ausland war - wie schon im Ersten Weltkrieg - von keinem großen Erfolg gekrönt gewesen. Bei der KHD soll der Anteil der Zwangs- und sogenannten Fremdarbeiter bis zu einem Viertel der Beschäftigten betragen haben (Soénius in van Eyll 1997, S. 157). Da die Kölner Werke für Waffenproduktion und Motorenbau für Flugzeuge und U-Boote prädestiniert waren, wurden sie bis zu den schweren Bombardierungen der Stadt und der innerstädtischen Industrieanlagen auf diesem Gebiet als „Musterbetrieb“ im Sinne der Deutschen Arbeitsfront (DAF) tätig.
Zerstörung und Wiederaufbau Die Zerstörung der Werksanlagen der KHD gestaltete sich in den einzelnen Betrieben durchaus unterschiedlich. Insbesondere die Deutzer Werkshallen waren zu über 75 % zerstört, die vorgenommenen Demontagen schädigten den Bestand noch weiter. Doch bald sollte die Produktion von Bergbaumaschinen und der Brückenbau wieder starten. Schon 1946 wurden der Bau von 500 Traktoren genehmigt, 1948 wurde die Produktion von Dieselmotoren wieder aufgenommen. Schon 1951 stiegen sowohl Produktion als auch Umsatz auf das Vorkriegsniveau an.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde zudem im Rahmen der von den Alliierten vorgenommenen Entflechtung, insbesondere der Montankonzerne, auch der Klöckner-Konzern aufgesplittet. Grundlage dafür war das Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission. In diesem Zuge wurde die KHD 1951 verselbständigt. Aus der ehemaligen Klöckner AG wurden die Geisweider Eisenwerke AG in Geisweid, und die Zechen Königsborn und Werne in neue Gesellschaften ausgegliedert. Nach einer Zwischenlösung, bei der das Restvermögen der Klöckner-Werke in der Nordwestdeutschen Hütten- und Bergwerksverein AG in Duisburg mit einem Kapital von 210 Millionen DM und weiteren Tochtergesellschaften bis 1954 untergebracht wurde, wurden unter der Klöckner-Werke AG mit einem erhöhten Grundkapital von 250 Millionen DM (1957) wieder Steinkohlezechen sowie Eisen- und Stahlwerke betrieben. Zudem firmierte der Stahl- und Eisenhandel weiter als Klöckner & Co.
Beim Fahrzeugbau gestalteten sich Produktionsbeginn und Exportaufnahme nach dem Kriegsende sehr schwierig. Material- und Arbeitskräftemangel beschäftigten die Branche auch in Köln noch mehrere Jahre nach Einstellung der Kampfhandlungen. Erst ab etwa 1952 während des Koreakrieges und der damit anziehenden internationalen Nachfrage verbesserte sich die Lage. Zunächst wurde mit der LKW-Produktion begonnen, was KHD zugute kam. Der Absatz privater Pkw stieg dann aber erst mit dem fortschreitenden sogenannten „Wirtschaftswunder“ zu Beginn der 1960er Jahre langsam an.
Wirtschaftswunder und Ausbau In den Boomjahren seit dem Koreakrieg (1950-1953) entwickelte sich das Geschäft der KHD blendend. Bis zur Mitte der 1980er Jahre begann eine beispiellose Expansion, denn die Nachfrage nach qualifizierten Maschinen und verstärkte Investitionen setzten am Ende der 1950er Jahre fast zeitgleich ein. Der KHD-Konzern wurde mit weltweit über 30.000 Beschäftigten (1964) einer der größten, international absetzenden Konzerne des Motoren-, Fahrzeug- und Maschinenbaus. Dazu trug auch der internationale Ausbau der kapitalintensiven Mineralölindustrie bei, zudem erwarb KHD 1964 den Landmaschinenhersteller Fahr und die amerikanische Allis Chalmer Corp. für den Absatz auf überseeischen Märkten.
Nach Bildung einer Interessengemeinschaft mit den Vereinigten Westdeutschen Waggonfabriken (Westwaggon) erfolgte 1959 die Fusion mit diesem in der Produktion von rollendem Material so erfolgreichen, bereits 1845 gegründeten Unternehmen. Daher behielt die KHD einen großen Klang in der deutschen Nachkriegswirtschaft. Der Standort Köln wurde durch den Bau einer neuen Hauptverwaltung 1964 mit einem Hochhaus an der Deutz-Mülheimer Straße in Köln-Deutz aufgewertet. Als sichtbarer Ausdruck für die erfolgreiche Wiederaufbauzeit entstand das moderne Gebäude an einer südlich weit nach Köln vorgerückten Position. Das 60 Meter hohe Scheibenhochhaus nach Entwurf von Hentrich, Petschnigg und Partner formulierte das Selbstwertgefühl eines der großen Kölner Unternehmen, das noch mitten im „Wirtschaftswunder“ pünktlich zur Fertigstellung der neuen Hauptverwaltung das 100jährige Jubiläum des Deutzer Werkes feiern konnte.
Erst 1969 kam es handelsrechtlich zu einer entscheidenden Änderung: einige Zechen, die zum Klöckner-Konzern gehört hatten, wurden Teil der Ruhrkohle AG (RAG). Im Gegenzug erhielt die Klöckner-Werke AG eine Beteiligung an der RAG. Zudem wurde die eigene Rohstoffversorgung durch ein seenahes Hüttenwerk in Nordenham an der Unterweser verbessert. Während die Handelsgesellschaft Klöckner & Co. 1973 einen Außenumsatz von 5 Milliarden. DM erzielte, belief sich der KHD-Umsatz auf 2,4 Milliarden DM. Der Teilkonzern verfügte zu diesem Zeitpunkt neben den rheinischen Werken in Köln noch weiterhin über die Betriebe in Ulm, Mainz, Oberursel, Isselburg und Voerde, in denen unter anderem Dieselmotoren, Ackerschlepper, LKW, Omnibusse, Gasturbinen und Industrieanlagen produziert wurden. Die private PKW-Nachfrage und damit auch der Bedarf an Motorenproduktion steigerte sich eindrucksvoll und anhaltend erst in den 1970er Jahren. Dies kam auch KHD in Köln zugute.
Restrukturierung, Konzentration auf das Kerngeschäft und Konzernumbau Bis in die 1980er Jahre gelang ein stetiger Ausbau des Konzerns. Der Höchststand war wohl 1970 mit über 32.000 Beschäftigten erreicht. KHD war mit dieser enormen Zahl an Arbeitskräften lange Jahre der Hauptarbeitgeber im Kölner Raum, ehe die Ford-Werke diese Position übernahmen. Denn schon Mitte der 1980er Jahre setzte eine erste Trendwende mit Umsatzverlusten (erstmals 1987) ein. Sanierung und Konzentration auf das Kerngeschäft waren die in der Maschinenbau-Branche durchaus übliche Antwort auf die notwendige Restrukturierung des Konzerns nach den ersten tiefen Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit (erste und zweite Ölkrise 1973/74 und 1979-81). Zunächst wurden 1986 2.000 Stellen abgebaut, 1987 bereits weitere 6.000 Beschäftigte entlassen. Dies lag im Rahmen des für den deutschen Maschinenbau in dieser Zeit zunächst üblichen Nachfragerückgangs, der sich durch den wachsenden internationalen Wettbewerb mit den sogenannten Billiglohnländern und sinkender Inlandsnachfrage verschärfte. Weitere Turbulenzen in den 1990er Jahren sorgten für das Ende des Traditionskonzerns. Bereits 1992 erreichte die Beschäftigtenzahl einen Wert von unter 10.000. Der Konzern zerfiel in mehrere Teilunternehmen unter anderem mit den immer noch klangvollen Namen „Deutz AG“ für das Kerngeschäft Motorenbau (seit 1997) und „Iveco Magirus AG“ in Ulm. Die Landtechnik-Fabrik wurde dagegen an die italienische SAME-Gruppe verkauft, damit wurde ein traditionsreicher Produktionsbereich aufgegeben.
Internationalisierung und Globalisierung Zwar gab es mit den beiden ausländischen Gesellschaften im Maschinenbau zwei große internationale Töchter. Aber insgesamt ist festzustellen, dass eine tiefgreifende Internationalisierung oder gar Globalisierung der KHD unterblieb. Dagegen wurde im Klöckner-Konzern insbesondere das Handelsgeschäft früh internationalisiert, weshalb die Klöckner & Co. auch am Ende der 1980er Jahre über ein spekulatives Rohöl-Termingeschäft ins Straucheln kam. Die Familie schied im Zuge des Einstiegs der Deutschen Bank zur Rettung des Unternehmens aus, es wurde in eine Aktiengesellschaft unter Führung der VIAG umgewandelt und gelangte später in die Hände verschiedener Eigner. Seit 2006 ist es an der Börse durch Streubesitz gekennzeichnet. Eine Phase der Expansion und Internationalisierung setzte ein, die bis heute (2020) noch nicht abgeschlossen ist. Auch die Modernisierung des Handelsgeschäfts mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz wird weiter konsequent fortgesetzt, so dass ein Teil des Konzerns auch in der Gegenwart weiter prosperiert.
Im Rheinland, insbesondere in der Stadt Köln, erfahren die teils rückgebauten oder sanierten Werkshallen und Bauten der KHD und ihrer Vorgängergesellschaften in unterschiedlichen Formen bisher leider nur teilweise eine neue, attraktive Nutzung, nachdem die Deutz AG nur noch kleinere Flächen in Porz-Eil im Vergleich zur einstmaligen Ausdehnung benötigt. Dazu zählen „Technikhof“ und AbenteuerHallen in Kalk, anders als die denkmalgeschützten Teile alter Fabrikhallen und gründerzeitlichen Backsteinbauten im ehemaligen Werk in Köln-Deutz bzw. Köln-Mülheim, die noch einer langfristigen neuen Nutzung harren.
Hinweis Das Objekt „Klöckner Humboldt-Deutz AG (KHD)“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Deutz, Mülheim (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 353).
(Stefanie van de Kerkhoff, Universität Mannheim/Krefeld, 2021)
Quelle Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln: 50 Jahre Maschinenbauanstalt Humboldt, Köln 1856-1906, RWWA XIVe 346.
Literatur
Aders, Gerhard / Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches e.V. (Hrsg.) (1989)
Die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz AG im Zweiten Weltkrieg Teil 2: Vom Sommer 1942 bis zum Kriegsende. In: Rechtsrheinisches Köln, Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde 15, S. 129-176. Köln.
Aders, Gerhard / Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches e.V. (Hrsg.) (1988)
Die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz AG im Zweiten Weltkrieg Teil 1 (1938 bis 1942). In: Rechtsrheinisches Köln, Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde 14, S. 89-143. Köln.
Bilz, Fritz (2008)
Zwischen Kapelle und Fabrik. Die Sozialgeschichte Kalks von 1850 bis 1910. Köln.
Buschmann, Walter (2013)
Kölner Industriekultur. Bedeutung und Überlieferung. In: Buschmann, Walter: Zwischen Rhein-Ruhr und Maas. Pionierland der Industrialisierung - Werkstatt der Industriekultur, S. 107-119. Essen.
Fings, Karola; Reuter, Ursula (2001)
Zwangsarbeit in Köln. Ein Ausstellungs- und Publikationsprojekt des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln. In: Informationen zur modernen Stadtgeschichte, Heft 2, S. 16-20. o. O.
Kraft für die Welt. 1864-1964 Klöckner-Humboldt-Deutz AG. Düsseldorf.
Klein-Meynen, Dieter; Meynen, Henriette; Kierdorf, Alexander (1996)
Kölner Wirtschafts-Architektur von der Gründerzeit bis zum Wiederaufbau. Köln.
Klöckner & Co AG (Hrsg.) (2006)
Milestones. 100 Jahre Klöckner & Co. (1906-2006). Festschrift. Duisburg. Online verfügbar: www.kloeckner.com, abgerufen am 21.12.2021
Libor-Dörstel, Tatjana (2001)
Industrie und Stadt im Umbruch - Industrieunternehmen und städtische Wiederaufbauplanung nach 1945 als Faktor für die Stadtentwicklung im rechtsrheinischen Köln (Dissertation). Köln. Online verfügbar: Kölner UniversitätsPublikationsServer, urn:nbn:de:hbz:38-5476, abgerufen am 06.06.2018
Meynen, Henriette (1990)
Köln: Kalk und Humboldt-Gremberg, mit Beiträgen von Sabine Czymmek. (Stadtspuren - Denkmäler in Köln, Band 7.) Köln.
Muthesius, Volkmar (1959)
Peter Klöckner und sein Werk. Essen.
Reuß, Hans-Jürgen / Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches e.V. (Hrsg.) (1977)
Die Entwicklung der Klöckner-Humboldt-Deutz AG von 1930 bis 1964. In: Rechtsrheinisches Köln, Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde 3, S. 173-178. Köln.
Reuter, Ursula (2001)
Zwangsarbeit in Köln 1939-1945. In: RheinReden. Zeitschrift der Melanchthon-Akademie, Heft 1, S. 48-54. o. O.
Roeseling, Gereon (2003)
Zwischen Rhein und Berg. Die Geschichte von Kalk, Vingst, Humboldt/Gremberg, Höhenberg. Köln.
van Eyll, Klara (1997)
Die Geschichte der unternehmerischen Selbstverwaltung in Köln 1914-1997. Köln.
Werk Humboldt der Klöckner-Humboldt-Deutz-AG (Hrsg.) (1956)
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.