Gasmotorenfabrik Deutz in Mülheim

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Denkmalpflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 57′ 13,04″ N: 6° 59′ 31,75″ O 50,95362°N: 6,99215°O
Koordinate UTM 32.358.975,61 m: 5.646.586,96 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.569.758,90 m: 5.646.956,18 m
  • Ausschnitt einer 1872 von Gottlieb Daimler verschickten Postkarte aus Köln, mit Blick von der Altstadt aus über die Hohenzollernbrücke in Richtung des nördlichen Deutz bzw. Mülheim, wo der Ingenieur sein damaliges Wohnhaus mit einem Stern markiert hat.

    Ausschnitt einer 1872 von Gottlieb Daimler verschickten Postkarte aus Köln, mit Blick von der Altstadt aus über die Hohenzollernbrücke in Richtung des nördlichen Deutz bzw. Mülheim, wo der Ingenieur sein damaliges Wohnhaus mit einem Stern markiert hat.

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  • Einer der von 1927-1930 in großen Stückzahlen am Fließband gefertigten Petroleummotoren "MA" der Kölner Deutz AG (in der LVR-Verbundausstellung "1914 - Mitten in Europa", 2014).

    Einer der von 1927-1930 in großen Stückzahlen am Fließband gefertigten Petroleummotoren "MA" der Kölner Deutz AG (in der LVR-Verbundausstellung "1914 - Mitten in Europa", 2014).

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    Franz-Josef Knöchel
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  • Gasmotorenfabrik Deutz (2017)

    Gasmotorenfabrik Deutz (2017)

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    Jürgen Gregori
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Die für die Technik- und die Wirtschaftsgeschichte bedeutendste Firma Kölns entstand 1864 in einer Ölmühle in der Servasgasse nahe dem Rheinufer. Dort gelang es dem Kaufmann Nikolaus August Otto, den neuen Zweitakt-Gasmotor von Étienne Lenoir zu verbessern. 1869 zog er aus dem beengten Köln in die nähe der Stadt Mülheim auf dem östlichen Rheinufer, um eine Motorenfabrik zu bauen. Dort folgten die entscheidenden Schritte auf dem Weg zum Weltruhm. Unter Leitung des Technikers und Zuckerindustriellen Eugen Langen verpflichtete die „Gasmotorenfabrik Deutz AG“ Gottlieb Daimler als technischen Direktor und seinen Freund Wilhelm Maybach als Chef des Konstruktionsbüros. Den Durchbruch erzielte Otto 1876 selbst: Sein Epoche machender Viertaktmotor setzte ein Gas-Luft-Gemisch in vier Arbeitstakten in Bewegung um: Ansaugen, Verdichten, Zünden und Ausdehnen sowie Ausschieben des Brennstoffs.

Daimler und Maybach gründeten bald eigene Firmen, Otto und Langen konnten das Werk erst um die Jahrhundertwende ausbauen. Nun produzierten sie Motoren für den stationären Einsatz, für Lokomotiven und Schiffe – auch den 1897 erfundenen Dieselmotor. 1907 verpflichteten sie den Ingenieur Ettore Bugatti für die kurzlebige Autoproduktion. 1923 übernahm der Stahlindustrielle Peter Klöckner den Vorsitz des Aufsichtsrats. Er fusionierte das Unternehmen 1930 mit der Maschinenbauanstalt Humboldt im benachbarten Kalk (Nr. 19), integrierte 1936 den Lkw-Hersteller Magirus und formte mit seinem Stahlwerk in Duisburg 1938 schließlich den Großkonzern „Klöckner-Humboldt-Deutz AG“. Die Firma spielte eine bedeutende Rolle in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft und lag nach massiven Bombardements zu mehr als zwei Dritteln in Trümmern.

Während des Wirtschaftswunders expandierte KHD kräftig. Die Produktion der Deutz-Traktoren boomte, Magirus-Deutz-Lastwagen mit luftgekühlten Dieselmotoren waren weltweit gefragt und die Fusion mit der Firma „Westwaggon“ eröffnete ein weiteres Marktsegment. Ausdruck des Erfolgs war das 1961-64 weiter südlich an der Deutz-Mülheimer Straße 111errichtete elegante neue Verwaltungshochhaus. Der Niedergang begann in den 1980er Jahren infolge eklatanter Managementfehler. Die Umstellung von der Dieselmotoren auf Wasser- oder Öl-Kühlung kam zu spät, riskante Investitionen in den USA und Bilanzmanipulationen der Tochterfirma Humboldt-Wedag führten an den Rand des Ruins. 2002 endete die Produktion an der Deutz-Mülheimer Straße. Heute konzentriert sich die Deutz AG in den Kölner Betriebsteilen Kalk und Porz auf den Bau von Dieselmotoren.

Aus der Gründungsphase stehen keine Bauten mehr. Die erhaltenen Gebäude auf beiden Seiten der Deutz-Mülheimer Straße bezeugen den Werksausbau ab etwa 1895. An der heutigen Hausnummer 137-139, links vom Haupteingang, entstand damals das neue Verwaltungsgebäude: ein schlichter, dreigeschossiger Backsteinbau, der seinen Mittelgiebel verloren hat. Im schmuckvoller gestalteten dritten Geschoss residierten vermutlich Direktion und Werksmuseum. Links hinter dem ebenfalls zurückhaltend gehaltenen Haupteingang steht das ältere Verwaltungsgebäude aus den 1880er Jahren. An der Straßenfront rechts vom Eingang schließt sich die imposante Fassade des Verwaltungs- und Sozialbaus von 1905 an. Das marmorverkleidete Treppenhaus ist von außen an den in Stufen angeordneten Fenstern erkennbar. Senkrechte, mehrfach gestufte Backsteinpfeiler gliedern die langgestreckte Fassade, ein Kassettenmuster lockert die Flächen unter den großen Fenstern auf.

Bei der Expansion auf die östliche Straßenseite entstand 1898 die Werkstatt für Kleinmotoren mit einem zweistöckigen Bürogebäude an der Front und einer Sheddachhalle dahinter. Daran schließen sich die Hallen für den Großmotorenbau von 1899-1900 an, als Eisenhütten und Kokereien Großmotoren zur Verwertung des anfallenden Gases orderten. Die Straßenseite des Baus prägen die Rundbögen mit kleinteiligen Metallsprossenfenstern und das tonnenförmige Dach des vorderen Hallenschiffs. Die Stirnwand in der Nebenstraße trägt noch die Inschrift „Klöckner-Humboldt-Deutz AG“. Daneben wurde um 1935 ein Anbau mit einer Durchfahrt für Eisenbahnwagen und einer eindrucksvollen, streng rechtwinklig gegliederten Schaufassade zur Stichstraße ergänzt.

Daran schließt sich eine 1900 erbaute Versandhalle an, hinter ihr verbirgt sich der Hallenkomplex des Kleinmotorenbaus. 1886 errichtet, wurde er in den Folgejahren mehrfach erweitert, denn Motoren mit einer Leistung um die 1,5 PS ersetzten in Kleinbetrieben sehr effizient die aufwändigen Dampfmaschinen. Der repräsentative Eingang liegt auf der Ostseite im Werksgelände: Eine höhere Halle mit Rundbögen über dem Tor und den Fenstern der Giebelseite. Auf beiden Seiten schließen sich Sheddachhallen an, die im Industriebau beliebt waren, weil der aufrecht stehende, verglaste Teil des Daches viel Licht herein ließ. Charakteristisch ist die Innenkonstruktion: Gusseiserne Stützen tragen die längs durch die Halle laufenden Bahnen für Laufkatzenkräne. Darüber liegen auf den Stützen Querträger auf, die das hölzerne Balkenwerk des Dachstuhls tragen.

Auf der westlichen Seite der Deutz-Mülheimer Straße errichtete das Unternehmen 1911 angrenzend an die Verwaltung die siebenschiffige Halle des Mittelmotorenbaus. Neben der dahinter liegenden Gießerei erhebt sich das architektonische Highlight, das durch seine Höhe das Werk dominierte und auch vom Rhein aus sichtbar war: Die Ausstellungshalle aus Stahlfachwerk von Reinhold Krohn und Bruno Möhring, ursprünglich bei der Düsseldorfer Kunst- und Gewerbeausstellung von 1902 die Nebenhalle eines Pavillons der Gutehoffnungshütte. Bauten aus Stahlfachwerk mit Ziegelausmauerung zwischen den Trägern waren um 1900 beliebt, weil man sie schnell auf- und umbauen konnte und weil der biegsame Stahl Erschütterungen durch den Betrieb schwerer Maschinen aufnahm, ohne Risse zu bilden wie herkömmliches Mauerwerk. Da Stahlkonstruktionen aber nicht als repräsentativ galten, verbarg man sie lange hinter massiven Mauern. Die originalen flankierenden Türme und das ausladende Dach über dem Eingang der Halle wurden in Köln nicht wieder aufgebaut, doch das riesige Bogenfenster im Westgiebel und die geschweiften Fensterprofile in der südlichen Längsseite sind erhalten. Im Inneren prägen außergewöhnliche bogenförmige Träger die Stahlkonstruktion. Der Bau bezeugt die zunehmende Wertschätzung des sichtbaren Stahlfachwerks, die sich schließlich in Möhrings vom Jugendstil inspirierter Maschinenhalle für die Zeche Zollern II in Dortmund und den Kubusbauten von Schupp und Kremmer auf der Zeche Zollverein in Essen niederschlug.

Zur Zeit wird für große Flächen der Gasmotorenfabrik und der angrenzenden Mülheimer Werksanlagen eine umfassende Neubebauung vor allem mit Wohnhäusern geplant. Ein Teil der alten Fabrikarchitektur soll mit neuen Nutzung einbezogen werden.

Hinweis
Das Objekt „Gasmotorenfabrik Deutz“ ist Bestandteil des historischen Kulturlandschaftsbereiches Deutz, Mülheim (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 353).

(Walter Buschmann, Matthias Hennies, Alexander Kierdorf / Rheinische Industriekultur e. V., 2018)

Internet
rheinische-industriekultur.com: Gasmotoren-Fabrik Deutz (abgerufen 26.11.2018)

Literatur

Buschmann, Walter; Hennies, Matthias; Kierdorf, Alexander (2018)
Via Industrialis. Entdeckungsreise Kölner Industriekultur. S. 81, Essen.

Gasmotorenfabrik Deutz in Mülheim

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Deutz-Mülheimer Straße 137-142 und 200-214
Ort
51063 Köln - Mülheim
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Denkmalpflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1869 bis 1872, Ende nach 1921

Empfohlene Zitierweise

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Walter Buschmann, Matthias Hennies, Alexander Kierdorf: „Gasmotorenfabrik Deutz in Mülheim”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-290062 (Abgerufen: 26. April 2024)
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