Preußische Rheinregulierung bei Geisenheim

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Raumplanung, Landeskunde, Naturschutz
Gemeinde(n): Geisenheim, Oestrich-Winkel, Rüdesheim am Rhein
Kreis(e): Rheingau-Taunus-Kreis
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 49° 58′ 56,26″ N: 7° 58′ 20,48″ O 49,98229°N: 7,97235°O
Koordinate UTM 32.426.325,32 m: 5.537.168,04 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.426.370,97 m: 5.538.943,54 m
  • Blick auf die Buhnen vor der Schönborn'schen Aue (2017)

    Blick auf die Buhnen vor der Schönborn'schen Aue (2017)

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  • Blick auf den Rhein vor Geisenheim (2017)

    Blick auf den Rhein vor Geisenheim (2017)

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  • Preußische Rheinregulierung bei Geisenheim

    Preußische Rheinregulierung bei Geisenheim

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Der Rhein bei Geisenheim wurde insbesondere im Rahmen der Tulla'schen Rheinbegradigung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts reguliert. Die Maßnahmen prägen bis heute den Naturhaushalt und das Landschaftsbild um Geisenheim in erheblichem Maße.

Rheinregulierung im Allgemeinen
Rheinkorrektur im Streckenabschnitt von Mainz bis Geisenheim
Pläne stoßen auf Widerstand
Kompromissfindung
Auswirkungen heute
Rheinregulierung bei Geisenheim heute
Internet / Literatur

Rheinregulierung im Allgemeinen
Als Rheinregulierung oder auch Rheinbegradigung oder Rheinkorrektur bezeichnet man die künstliche Veränderung des Flusslaufes zum Zwecke der Verkürzung und Begradigung des Rheins als Voraussetzung für die Schifffahrtstauglichkeit. Sie wurde in Deutschland vor allem im Zeitraum von 1817 bis 1876 aktiv vom badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770-1828) und seinen Nachfolgern vorangetrieben, aber auch zuvor und danach wurden immer wieder Arbeiten am Rhein zur Regulierung des Stroms durchgeführt. Tullas Maßnahmen betrafen jedoch erstmals den Fluss auf seiner gesamten heute schiffbaren Strecke.
Vor Errichtung der Baumaßnahmen zog sich der Oberrhein in ausladenden Schlingen mit vielen Flussarmen und kleinen Inseln durch die Landschaft. Durch seinen unberechenbaren Charakter gab es immer wieder Überschwemmungen großer Siedlungsgebiete. Um dies zu verhindern und gleichzeitig das Flussbett für die Schiffbarmachung des Rheins zu vertiefen, wurden sogenannte Durchstiche durchgeführt. Die Flussschlingen wurden somit vom Strom abgetrennt, der Flussverlauf begradigt und das Flussbett auf circa 200 bis 250 Meter eingeengt und vertieft. Ebenso wurden vielfach Dammanlagen zum Schutz vor Überschwemmungen angelegt, die wiederum eine Tiefenerosion des Flusses bewirkten. Die ehemaligen Flussschlingen verlandeten mit der Zeit, wurden zugeschüttet oder sind heute noch als Nebenarme beziehungsweise Stehgewässer vorhanden.
Insgesamt sorgten die Durchstiche der Mäander für eine Verkürzung des Oberrheins von Basel bis Bingen um 81 Kilometer. Außerdem kam es durch die Regulierungsarbeiten zu einer deutlichen Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit.
Neben den Vorteilen für die Schifffahrt brachte die Rheinkorrektur aber auch negative Folgen hervor. Durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit kam es zu einer stärkeren Eintiefung des Flussbettes als erwartet, was eine Absenkung des Grundwasserspiegels hervorrief. Dies wirkte sich negativ auf die landwirtschaftliche Nutzung der angrenzenden Flächen aus und führte teilweise zum Absterben von Auwäldern und zur Zerstörung wertvoller Naturlandschaften. Außerdem mussten vielerorts Brunnen vertieft werden, um die Wasserversorgung trotz des gesunkenen Grundwasserspiegels weiterhin gewährleisten zu können. Auch die Fischerei nahm Schaden.
Die Gefahr von Überschwemmungen wurde letztlich nicht beseitigt, sondern auf die Gebiete weiter flussabwärts verlagert und - durch die höhere Fließgeschwindigkeit - hier sogar verstärkt.
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Rheinkorrektur im Streckenabschnitt von Mainz bis Geisenheim
Im Jahre 1854 stellte eine technische Kommission Maßnahmen für die Fortführung der am Oberrhein begonnenen Rheinkorrektur für den Abschnitt von Mainz bis Bingen auf. Für die Strecke zwischen Niederwalluf und Geisenheim existierten seit Anfang des Jahres 1863 erste Pläne zur Rheinkorrektion. Ziel war auch hier die Beseitigung von Hindernissen für die Schifffahrt sowie das Erreichen einer besseren Berechenbarkeit des Flusses durch Festlegung einer Normalbreite von 450 Metern. Bis zum Jahre 1866 sollten einige Auen abgetrieben und die Ufer mit Parallelwerken aus Steinwürfen größtenteils befestigt werden.
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Pläne stoßen auf Widerstand
Die Umsetzung der Maßnahmen traf auf harten Widerstand bei der Rheingauer Bevölkerung. Man wollte den natürlichen, „seeartigen“ Charakter des Rheins, der die Landschaft wesentlich prägte, nicht verlieren und befürchtete zudem, dass einige Orte wie Hattenheim, Eltville oder Winkel nicht mehr vom Rhein aus erreichbar wären. Unter anderen sprach sich Heinrich Eduard von Lade aus Geisenheim gegen die Rheinkorrektur aus. Er war auch der Wortführer einer Petition an den preußischen König und den preußischen Ministerpräsidenten (Geisenheim war zu dieser Zeit Teil des preußischen Regierungsbezirkes Wiesbaden). Darin erläuterte er seine Sorge, dass durch die Flussbegradigung vor den Rheingaugemeinden große Sumpfgebiete und folglich Stechmückenplagen entstehen würden. Zudem würden Tourismus und die Weinbaukultur Schaden nehmen.
Die Rheingauer übersandten die Denkschrift außerdem dem Reichskanzler in Berlin, der daraufhin eine Kommission einsetzte, die sich mit den Beschwerden auseinandersetzen sollte. Die Bewohner der Region kritisierten insbesondere die Korrektionswerke aus Steinwällen, die die Strömung regulieren und bei Niedrigwasser das Wasser in der Fahrrinne halten sollten, sodass auch unter diesen Umständen die Schifffahrt möglich war. Sie befürchteten, dass sich Sand-, Kies- und Schlickpartikel, die sich in Ufernähe ablagern und zu einer Verlandung führen könnten, gesundheitsschädlich und zudem negativ auf das Landschaftsbild und die Weinkultur auswirken würden. Der Bau der Steinwälle zwischen Mainz und Geisenheim wurde in den Jahren 1854 bis 1863 angesetzt und war teilweise bereits umgesetzt. Zum Zeitpunkt der Petition war das linke Ufer so fast vollständig bearbeitet, am rechten Ufer fanden sich nur teilweise und in geringer Höhe ausgeführte Bauwerke. Die eingehenden Klagen der Bevölkerung führten schließlich dazu, dass der preußische Landtag 1875 zunächst die vorläufige Einstellung der Strombauten beschloss.
Die Kommission führte allerdings später an, einige der bereits entstandenen Verlandungen in der Region seien nicht auf die Anlage der Bauwerke zurückzuführen, sondern gingen auf einen früheren Zeitabschnitt zurück. Der eigentliche Nachteil für die Bevölkerung des rechten Rheinufers läge vielmehr in der Verlegung der Schifffahrtsstraße in Höhe von Eltville bis Oestrich an das linke Ufer durch die Schließung des rechten Stromarmes.
Die Rheingauer Vertreter der Kommission ließen sich zunächst weiterhin nicht von ihrer Überzeugung abbringen, dass die bereits entstandenen Werke zur Korrektur des Flusses entfernt werden müssten, ließen sich letzten Endes nach langen Verhandlungen aber doch umstimmen. Sie sahen ein, dass der Bau der Steinwälle die beste Lösung war, um der Schifffahrt zur nötigen Wassertiefe zu verhelfen. Das Interesse am Ausbau des Rheins zur Schifffahrtstraße und damit verbunden der wirtschaftliche Bedeutung für die Region war letztlich größer als die Sorgen und Bedenken. Einzig Generalkonsul Eduard von Lade bestand bis zuletzt noch von seinem Krankenbett in der Villa Monrepos bei Geisenheim auf seinen Forderungen, die Korrektionswerke zu beseitigen. Sein Vorschlag, die nötige Tiefe der Fahrrinne stattdessen durch den Bau eines Stauwerkes an der bereits angelegten Fahrrinne Binger Loch zu gewährleisten, fand bei den Sachverständigen der Kommission allerdings keine Unterstützung.
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Kompromissfindung
Trotz der Entscheidung für die Wiederaufnahme der Regulationsarbeiten sollten die Korrektionswerke stets im Einvernehmen mit der Bevölkerung errichtet werden. Auch die Sachverständigen der Kommission wollten schließlich nicht, dass die Rheingauer Weinkultur durch die Einschränkung des Wasserspiegels beeinträchtigt werde und zwischen der natürlichen, breiten Ausdehnung des Rheins und der Entwicklung der Weintraube sahen sie durchaus einen Zusammenhang. Trotz der Notwendigkeit der Bauwerke für die Schifffahrt sollte der natürliche Charakter des Flusses mit einem ausgewogenen Verhältnis an Sand- und Wasserflächen daher weitestgehend unverändert erhalten bleiben.
Man einigte sich schließlich auf den Kompromiss, die Fahrrinne weiterhin auszubauen, dabei aber alle neuen Korrektionswerke (Parallelwerke und Buhnen) in einer so niedrigen Höhe zu errichten, dass sie das gewöhnliche Mittelwasser nicht überragten und somit die Schönheit der Landschaft nicht beeinträchtigten. Neue Verlandungen sollten möglichst verhindert werden. Zudem hatte von Lade trotz der am Ende fehlenden Unterstützung erreicht, dass auf der Strecke von Rüdesheim bis Geisenheim keine Regulierungswerke am rechten Ufer errichtet und die bereits angefangenen Steindämme zwischen Geisenheim und dem Rüdesheimer Hafen wieder entfernt wurden.
Im Jahre 1890 legte die Kommission schließlich ihren Abschlussbericht vor. Auf diesem Bericht gründete 1894 ein Staatsvertrag zwischen dem Königreich Preußen und dem Großherzogtum Hessen, welcher ausdrücklich die Erhaltung des Wasserspiegels im Rhein garantierte. Dennoch kamen auch hier Beschwerden auf. Man kritisierte den Verlust an Fischreichtum und die Verunstaltung des Landschaftsbildes bei Niedrigwasser durch das Hervortreten der Korrektionswerke und kahler Sandbänke. Außerdem fühlten sich die anliegenden Ortschaften vom Fährverkehr abgeschnitten.
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Auswirkungen heute
Der Widerstand gegen die ersten Pläne der Rheinkorrektur für den Streckenabschnitt zwischen Mainz und Bingen sorgte letztlich dafür, dass der Abschnitt als „Inselrhein“ bis heute einen besonderen Charakter bewahren konnte. Anders als in anderen Rheinabschnitten wurden hier im Zuge des Flussausbaus mehrere Flussinseln (Auen) erhalten, die mit ihren Auwäldern heute häufig auch Naturschutzgebiete sind.
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Rheinregulierung bei Geisenheim heute
Heute befinden sich auf Höhe der Schönborn'schen Aue und östlich des Rüdesheimer Hafens mehrere Buhnenbauwerke, die der Rheinregulierung dienen.
Die Rheinufer sind zudem größtenteils durch Steinmauern befestigt. Eine Ausnahme stellt der Bereich des renaturierten Altarms vor der Schönborn’schen Aue dar. Hier soll eine natürliche Auendynamik ermöglicht werden. Die Ufer können sich daher durch Abtrag und Sedimentation ständig ändern. Außerdem soll sich eine Röhrichtzone und ein standortgerechter Auwald entwickeln können. Durch die Renaturierung wird außerdem das Hochwasserverhalten des Rheins positiv beeinflusst, sodass die Anwohner zukünftig mit weniger Schäden rechnen müssen.

(Elena Simon, Carolin Biegerl, Helena Engfeld, Hochschule Geisenheim University, 2017)
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Internet
de.wikipedia.org: Rheinbegradigung (abgerufen 24.11.2017)
www.schiersteinerbruecke.de: Hessen Mobil-A 643 Neubau Schiersteiner Brücke - Renaturierung eines Altrheinarms (abgerufen 24.11.2017)

Literatur

Struck, Wolf-Heino (1972)
Geschichte der Stadt Geisenheim. S. 383. Frankfurt am Main.
Zehler, Christoph (2012)
Rheinregulierung war voller Klippen – Ausbau der Wasserstraße im 19. Jahrhundert wurde nach Kämpfen korrigiert. In: Jahrbuch Rheingau-Taunus-Kreis 2012, o. O.

Preußische Rheinregulierung bei Geisenheim

Schlagwörter
Ort
65366 Geisenheim
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Raumplanung, Landeskunde, Naturschutz
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1863 bis 1894

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Empfohlene Zitierweise
„Preußische Rheinregulierung bei Geisenheim”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-274543 (Abgerufen: 25. April 2024)
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