Renaturierung eines Altrheinarms bei Geisenheim

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Naturschutz
Gemeinde(n): Geisenheim, Oestrich-Winkel
Kreis(e): Rheingau-Taunus-Kreis
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 49° 59′ 3,31″ N: 7° 58′ 37,23″ O 49,98425°N: 7,97701°O
Koordinate UTM 32.426.661,98 m: 5.537.381,34 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.426.707,77 m: 5.539.156,92 m
Anlass
Im Rahmen einer landespflegerischen Kompensationsmaßnahme für den sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 643 zwischen dem Autobahndreieck Mainz (A 60) und dem Autobahnkreuz Wiesbaden-Schierstein (A 66) samt Neubau der Schiersteiner Rheinbrücke wurde im Zeitraum von 2013 bis 2015 in der Rheinaue bei Geisenheim ein ehemaliger Altarm des Rheins renaturiert. Trotz der Entfernung von rund 20 Kilometern zum Eingriffsraum des Straßenausbauvorhabens, das sich innerhalb des FFH-Gebietes „Rettbergsaue bei Wiesbaden“ bewegt und sich negativ auf dieses auswirkt, sollten die Ausgleichsmaßnahmen in den „Rheinwiesen“ bei Geisenheim erfolgen, da dieses Gebiet großes Aufwertungs- und Entwicklungspotenzial besitzt. Es befindet sich innerhalb des Vogelschutzgebietes „Inselrhein“.

Geschichte
Der ehemalige Rheinarm im Bereich zwischen Oestrich-Winkel und Geisenheim verlandete im 19. Jahrhundert im Zuge einer umfassenden Rheinregulierung. Dabei wurden unter anderem Buhnen errichtet sowie die großflächige Verfüllung mit Material, dass im Rahmen der Rheinausbaggerung „Binger Loch“ anfiel, durchgeführt. Folglich wurde die ehemalige Insel „Schönborn'sche Aue“, die heute landwirtschaftlich und als Standort für Kleingärten genutzt wird, an das Rheinufer angebunden.

Konzept
Im Zuge der Kompensation wurde das Flussbett des ehemaligen Altarms durch Ausbaggerung wiederhergestellt, sodass der Rhein dieses Gebiet auf einer Länge von circa 1,2 Kilometern dauerhaft durchströmt und die Schönborn'sche Aue wieder als Insel besteht. Das Bett weist eine Sohlenbreite von 6 Metern und ein gleichmäßiges Gefälle vom Rheinzufluss bis zur Mündung in den Hauptstrom auf. Gegenüber dem früheren Niveau wurde es um 3 bis 4 Meter eingetieft. Die Ausbaggerungsarbeiten sowie die Flutung des Geländes wurden im Jahr 2015 abgeschlossen.
Ziel der Renaturierung war und ist dabei in erster Linie die Wiederbelebung natürlicher auendynamischer Prozesse und die Aufwertung des Rheins gemäß den Vorgaben und Zielen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Zudem wirkt sie sich positiv auf das Natura 2000-Gebiet „Inselrhein“ und das Abflussregime des Rheins aus. Hochwasserspitzen können reduziert werden.
Die unmittelbar an den Altarm anschließenden Flächen werden regelmäßig überflutet, so dass sich hier mit der Zeit eine Röhrichtzone entwickeln soll. Im Anschluss sollen, je nach Höhenlage und damit verbunden Überflutungshäufigkeit, Weich- und Hartholzauen entstehen. Somit wird insgesamt die Entstehung eines Auwaldes angestrebt - ein Biotoptyp, der im Mittelrheingebiet nach den Rheinregulierungsmaßnahmen des 19. Jahrhunderts selten geworden ist.
Eine standortgerechte Vegetation soll sich dabei durch natürliche Sukzession ansiedeln, auf Bepflanzungen wird also weitestgehend verzichtet und die Aue in ihrer Entwicklung sich selbst überlassen.
Die Anbindung der Schönborn'schen Aue, die nun wieder eine Insel darstellt, an das Rheinufer erfolgt über zwei Brückenbauwerke, die insbesondere den Weg Leinpfad fortführen. Der stark genutzte Rad- und Gehweg ermöglicht somit außerdem die Erlebbarkeit der renaturierten Flächen und der Auenlandschaft für Bürger und Besucher. Die Allee aus alten Pappelbeständen, die zuvor den Verlauf des ehemaligen Altarms markierte, wurde erhalten und in das Konzept integriert.

Bilanz
Insgesamt konnte der Freizeit- und Erholungswert der Fläche durch das Projekt gesteigert werden. Außerdem begünstigt der reaktivierte Altarm neben der Entwicklung eines standortgerechten Auwaldes und der Schaffung seltener Biotope das Hochwasserverhalten des Rheins. Schäden und daraus folgende Kosten für die von Hochwassern Betroffenen können somit gesenkt werden. Aufgrund der eigenständigen Entwicklung des Auwaldes durch Sukzession fallen Pflege- und Unterhaltungskosten ebenfalls gering aus. Die Renaturierungsmaßnahme lässt sich somit nicht nur als ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial nachhaltig beschreiben.

(Elena Simon, Carolin Biergerl, Helena Engfeld, Hochschule Geisenheim University, 2017)

Internet
www.schiersteinerbruecke.de: Hessen Mobil-A 643 Neubau Schiersteiner Brücke - Renaturierung eines Altrheinarms (abgerufen 25.11.2017)
www.web.archive.org: Rheingau Center Nachrichten - Planfeststellung für Brücke tangiert Rheingau (abgerufen 20.11.2017)

Renaturierung eines Altrheinarms bei Geisenheim

Schlagwörter
Ort
65366 Geisenheim
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Naturschutz
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 2013 bis 2015

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„Renaturierung eines Altrheinarms bei Geisenheim”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-274554 (Abgerufen: 21. März 2025)
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