Standortvorteile bildeten der leistungsfähige Braunkohletagebau Agnes sowie wahrscheinlich die genannte 110-kV-Stromleitung, die Riesa mit Lauchhammer verband. So baute man das Kraftwerk in Nähe der Grube und der bestehenden Brikettfabrik Agnes (seit den 1950er Jahren Bkf. 63) an der Reichsbahnstrecke auf einer Gesamtfläche von etwa 6 ha.
Die modulare Konzipierung der Kraftwerksanlage ermöglichte seit Baubeginn eine spätere Leistungserweiterung, die bis zum Fünffachen geplant war, aber nie vollständig realisiert wurde. In der ersten Ausbauphase wurden der erste Kraftwerksabschnitt, der Verwaltungstrakt, die Schaltanlage, der Kühlturm I und der Schornstein I errichtet. Nach einer Bauzeit von knapp einem Jahr ging das Kraftwerk im April 1927 mit drei Kesseln und einer 8-MW-Turbine in Betrieb. Bereits 1928 kam eine zweite Turbine mit 10 MW Leistung hinzu, ebenso der Kühlturm II. 1929/1930 erfolgte eine Erweiterung des Maschinen- und Kesselhauses, der Außenbunkeranlage mit Kohleförderung und anderer Nebenanlagen, sodass 1930 ein vierter Kessel und die dritte Turbine mit einer Leistung von 16 MW den Betrieb aufnehmen konnten.
In einer dritten Ausbauetappe von 1936 bis 1942 wurde, unter einer erneuten Erweiterung von Maschinen- und Kesselhaus und Wasseraufbereitungsanlage sowie dem Bau eines zweiten, 120 m hohen Schornsteins und eines neuen Kühlturms, die Gesamtleistung des Kraftwerks durch Aufstellung einer vierten Turbine von 20 MW Leistung auf 54 MW erhöht, wodurch das Kraftwerk sein maximales Ausmaß erreichte.
Im Laufe der 1950er bis 1970er Jahre erfolgten verschiedene substanzerhaltende Wartungs- und Modernisierungsmaßnahmen, ohne dass dadurch die Konfiguration der Anlage aus den später 1930er Jahren verändert wurde. Somit sind die baulichen und technischen Anlagen umfassend erhalten und bilden einen Gesamtkomplex, der äußerlich durch eine einheitliche rote Klinkerfassade sichtbar wird. Der Erhaltung wurden durch den Rückbau von zwei Kühltürmen, einigen technischen Anlagen sowie die insgesamt morbide Bausubstanz Lücken zugeführt.
Als herausragendes Zeugnis der industriellen Entwicklung der Region besitzt das Kraftwerk im Kontext der Braunkohleverstromung nicht nur überregionale Bedeutung, sondern ist eines der ältesten Braunkohlekraftwerke in Europa, das noch in seiner ursprünglichen Bausubstanz erhalten ist. Das betrifft sowohl das äußere Erscheinungsbild, das durch eine sehr qualitätvolle Industriearchitektur der 1920er Jahre geprägt ist, als auch die Technologie, die durch die umfangreich vorhandene technische Ausstattung hervorragend dokumentiert wird. Bereits zur Produktionszeit wurde das Kraftwerk daher 1985 unter Denkmalschutz gestellt. Eine erneute Denkmalbegründung erfolgte im Zuge der Novellierung des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes 2004.
Die Bedeutung von Architektur und Technik sowie deren Symbiose waren Anlass, das Braunkohlekraftwerk Plessa als Denkmal der Industrie und Technik im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land teilsanieren und für eine denkmalverträgliche Nachnutzung entwickeln zu lassen. Als eines von zehn herausragenden Industriemonumenten der Lausitz ist es zudem Bestandteil der Industrie-Route Lausitzer Industriekultur, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung entwickelt wurde. Zu hoffen bleibt, dass das Kraftwerk nach aktueller Schließung bald wieder für den Publikumsverkehr geöffnet sein wird.
Datierung:
- Gründung: 1926
- Inbetriebnahme: 1927
- Erweiterung: 1929-1930
- Erweiterung: 1936/1942
- technische Erneuerung: 1950/1973
- Erweiterung: 1987
- Stilllegung: 1992
- Sanierung: 1998
Quellen/Literaturangaben:
- Bernhard Leisering: Kraftwerk Plessa. Geschichte, Gegenwart, Zukunft. Dokumentation zur Baugeschichte, zum gegenwärtigen Zustand und den Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung des Kraftwerkes Plessa [unveröff. Dokumentation], Berlin 1998, o.S.
- 20 Jahre Elektrizitätsverband Gröba 1910-1930, Festschrift, o.O. [1930].
- 40 Jahre Kraftwerk Plessa 1926-1966, Festschrift, o.O. [1966].
- Baxmann, Matthias: Verstromte Braunkohle. Das Kraftwerk Plessa, in: Brandenburgische Museen für Technik, Arbeit und Verkehr e.V. (Hg.): Technische Denkmäler in Brandenburg, Berlin 2002, S. 134-139.
BKM-Nummer: 32002243
(Erfassungsprojekt Lausitz, BLDAM 2023)