Historischer Stadtkern Rheinberg

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Rheinberg
Kreis(e): Wesel
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 32′ 44,74″ N: 6° 36′ 9,99″ O 51,54576°N: 6,60278°O
Koordinate UTM 32.333.779,71 m: 5.713.242,32 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.541.858,04 m: 5.712.536,29 m
  • Blick über den Marktplatz Rheinberg auf die Kirche Sankt Peter (2008).

    Blick über den Marktplatz Rheinberg auf die Kirche Sankt Peter (2008).

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  • Hörerlebnis zu "Historisches Rheinberg" in deutscher Sprache (Autor: Saskia Löbner, MP3-Audiodatei, 2'48 Minuten, 6,4 MB, 2017)

    Hörerlebnis zu "Historisches Rheinberg" in deutscher Sprache (Autor: Saskia Löbner, MP3-Audiodatei, 2'48 Minuten, 6,4 MB, 2017)

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  • Hörerlebnis zu "Historisches Rheinberg" in einfacher Sprache (Autor: Saskia Löbner, MP3-Audiodatei, 1'31 Minuten, 3,5 MB, 2017)

    Hörerlebnis zu "Historisches Rheinberg" in einfacher Sprache (Autor: Saskia Löbner, MP3-Audiodatei, 1'31 Minuten, 3,5 MB, 2017)

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Rheinberg erfuhr nach der mittelalterlichen Stadtbefestigung und dem neuzeitlichen Festungsausbau eine wechselhafte Geschichte. Die historische fortifikatorische Struktur ist im Stadtbild heute noch gut erkennbar.

Der Rhein als bestimmender Faktor
Vorstädtische Phase
Stadterhebung
Spätmittelalter
Frühneuzeitlicher Festungsausbau
Neuzeitliche Entwicklung nach der Entfestigung
Hinweis

Der Rhein als bestimmender Faktor
Die Siedlungsgeschichte Rheinbergs ist eng mit dem Rhein verbunden, der heute etwa zwei Kilometer östlich der Stadt in einem Bogen von Osten und Nordwesten vorbeifließt, aber ursprünglich bis 1715 unmittelbar an dem Stadtgebiet in einem nach Süden mäandrierenden Bogen in nordwestlicher Richtung vorbeifloss. Damit sind die natürlich aber auch anthropogen verursachten Stromverlagerungen von großem Einfluss auf die jeweilige Entwicklung aber auch Stagnation Rheinbergs.

Der heutige Stadtkern liegt auf einem halbinselartigen Niederterrassenstreifen von nordwestlicher Richtung nach Südosten in niedrigerem Alluvialland. Die städtische Vorläufersiedlung Rheinbergs ist vermutlich auf einer Rheininsel angelegt worden und gehörte wie Borth und Wallach zum rechtsrheinischen Dekanat Duisburg. Um 1600 verschob sich durch Eisgang und Überschwemmungen der Rheinlauf nach Nordosten und er ließ 1668 entlang dem Verlauf der Momm einen östlichen Seitenarm entstehen, der vollständig durch klevisch-brandenburgisches Gebiet verlief, woraus sich auch politische Auswirkungen ableiteten. Dieser östliche Seitenarm ist die hydrologische Voraussetzung für die preußische Entscheidung gewesen, den alten Flusslauf abzusperren und diesen östlichen Seitenarm schiffahrtsfähig auszubauen. Damit sollte der Rheinberger Zoll umgangen und der Handel der Kölner Enklave zum Erliegen gebracht werden.

Zwischen 1703-1714 wurde durch massive Flussregulierungen mit Anlage von Kribben und Versenkung von Schiffswracks die Stadt von der unmittelbaren Rheinnähe abgeschnitten. Dies führte schließlich zum wirtschaftlichen Niedergang Rheinbergs, dessen Rheinbezug nur in eingeschränktem Maße durch die Erweiterung und Schiffbarmachung des alten Rheinarmes um 1843 hergestellt werden konnte. Bei dieser Maßnahme sollte ein Hafen bei Hochwasser und Eisgang Schiffen Sicherheit bieten. Der Bereich ist heute noch als Jennekes Gatt im Gelände erhalten geblieben. Die Altrheinschleife ist sowohl im Relief als auch in den Karten noch gut erkennbar. Die Baumaßnahmen, die zunächst den Rheinverlauf verschoben haben und später eine Wiedernutzung herbeiführten sind denkmalwürdige anthropogene Bauten, bzw. es ist im Altrheinbereich mit Funden und Befunden dieser Zeitstellung zu rechnen.
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Vorstädtische Phase
Als Königshof und königliche Zollstätte wird Rheinberg erstmals 1003 genannt, ebenso verfügte auch der Kölner Erzbischof Heribert über Grundbesitz in „Berka“. Die fränkisch begründete vorstädtische Siedlung wird von Hohmann (Hohmann 1967, S. 8) im nordöstlichen Bereich der heutigen Altstadt vermutet, einschließlich der Bischofsburg. Daraus leitet der Autor eine Zweigliederung in der Genese und der Physiognomie von Rheinberg ab: ein unregelmäßiges nordöstlicher Siedlungsgrundriss im Nordosten und eine Stadterweiterung nach Verleihung der Stadtrechte südlich und südwestlich mit vorwiegend rechtwinkliger Wegeführung und der Gestalt eines unregelmäßigen Trapezes. Der als Berka bezeichnete Hof wird weiterhin 1123 in der Gründungsurkunde des Klosters Kamp als Hof des Kölner Erzbischofs Friedrich I. genannt. Das Zisterzienserkloster Kamp ist eng mit der Stadtgeschichte von Rheinberg verbunden, so betreute es über Jahrhunderte hinweg den Pfarrsprengel. Die Entstehung der Pfarrkirche Sankt Peter datiert vermutlich bereits in diese Frühphase als fränkisches Königsgut. 1107 wird die Kirche erstmalig anlässlich der Inkorporierung in das Kunibertsstift in Köln durch Erzbischof Friedlich I. erwähnt. Ein Neubau entstand vermutlich um 1200 als einschiffige romanische Anlage mit Westturm. Von diesem Bau sind heute der Turm und das Langhaus erhalten geblieben. In den Altkarten eingetragen und vermutlich bis in das Mittelalter zurückreichend, war die Pfarrkirche durch eine bis 1911 existierende Häuserzeile vom Großen Markt abgetrennt.
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Stadterhebung
Nachdem somit bereits vorstädtisch eine hochmittelalterliche Siedlung mit Pfarrkirche bestand, setzte mit der Verleihung der Stadtrechte der hochmittelalterliche städtische Ausbau ein. Der Kölner Erzbischof Heinrich von Molenmark verlieh 1232 darin unter anderem das Befestigungsrecht. Das in dieser Urkunde genannte Berck wurde damit zum Marktort und ein kurkölnisches Amt mit den Ortschaften Kamp, Hoerstgen, Issum und Alpen. Von der ehemaligen mittelalterlichen Stadtbefestigung sind heute lediglich noch die Wälle erhalten geblieben, sowie die Turmruine des Zollturms. Nach 1232 legte man zunächst eine hölzerne Befestigung an (Hohmann 1967, S. 8). Zwischen 1290-1356 wurde die Ringmauer errichtet. Das Casseltor wurde 1356 als zunächst letzte Baumaßnahme fertiggestellt. Die Stadtmauer aus Basalt besaß 21 Halbtürme und an drei Seiten mit vorspringenden Bollwerken verstärkte Stadttore. Die Bestätigung der Stadt-Privilegien erfolgte am 18. Oktober 1248 durch Erzbischof Konrad von Hochstaden, zusammen mit der Erweiterung der Zollfreiheit an allen kurkölnischen Zollstätten 1253 (Hohmann 1967, S. 3).

Das Straßennetz intra muros (innerhalb der Stadtbefestigung) wurde planmäßig gitterförmig angelegt und mit einem Zentrum mit Markt, Stadthaus und Schule ausgestattet. 1356 werden die Stadtgräben als fossata urkundlich genannt. Die Stadtmauern und der Stadtgraben orientierten sich hierbei an naturräumlichen Gegebenheiten der Hochwasserlinien zwischen Altrhein, Jennekes Gatt, Niepgraben und Moersbach. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erfolgten weitere Ausbauarbeiten.
Die Stadt hatte innerhalb der Umwallung eine Grundfläche von 24 Hektar und war in insgesamt vier Stadtquartiere aufgeteilt: Marktviertel, Orsoyer Viertel, Gelderviertel, Rheinviertel. Zwischen dem südlichen und nördlichen Tor beträgt die Entfernung 620 Meter, zwischen der östlichen und der westlichen Mauer 450 Meter.

Als Dank für die Unterstützung der Bürger bei der Schlacht von Worringen 1288 gewährte Erzbischof Siegfried von Westerburg der Stadt Zollrechte. Zum Schutz der Zollstätte ließ er 1292 ein kurfürstliches Schloss und einen Zollturm an der Nordost-Ecke der Stadt errichten. Das Schloss diente den Erzbischöfen als Jagdschloss und war beliebter Aufenthaltsort, bis es während der spanischen Belagerung 1598 zerstört wurde. Auch der ehemals 35 m hohe und mit vier Meter mächtigen Mauern zwischen 1292-1298 errichtete Zollturm, der die Stadtsilhouette im Mittelalter beherrschte, wurde später 1598 durch eine Explosion im Pulverlager zerstört. Der Zoll- bzw. Pulverturm ist obertägig östlich der Straßen Alte Rheinstraße/Innenwall heute noch sichtbar. Er bildete im Mittelalter das nördliche Rheinbollwerk des Kölner Gebietes und ist mit dem Weißen Turm in Andernach als südlichstem Turm ein wichtiges Relikt administrativer Funktion im Erzbistum Köln. Die Ruine hat heute noch eine Höhe von 7,20 Meter und einen Durchmesser von 16,70 Meter. Verwendet wurden Basaltsteine von etwa 40 Zentimeter Seitenlänge und Tuffsteine. Das Sockelgesims besteht aus Granitsteinen.
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Spätmittelalter
In der Stadtmitte zwischen dem Fisch- und Holzmarkt sowie Großem Markt steht das Rathaus. Der massive, dreigeschossige Backsteinbau ist im 15. Jahrhundert errichtet worden. Unter dem Doppelwappen am Turm befand sich ursprünglich eine Bauinschrift von 1449 als Jahr der Grundsteinlegung (Hohmann 1967, S. 21), allerdings deuten Urkunden auf einen Vorgängerbau hin, der vermutlich in der Nähe des heutigen Rathauses gestanden haben soll.
Im Verhältnis zu den Bevölkerungszahlen war das Stadtgebiet sehr groß dimensioniert und eine flächendeckende Besiedlung des Stadtgebietes erfolgte erst später, zunächst in einem Zentrum am Marktplatz und danach entlang einer spätmittelalterlichen Wachstumsachse Xantener- und Casselstraße (Rheinstraße, Orsoyer Straße), Leutstraße (Gelderstraße), Marktstraße und dem mittleren Abschnitt der Weberstraße (Kamper Straße).

In den Randbereichen der Stadt wurden die Burg, das Pastorat, die Deutschordenskommende und das Kloster Sankt Barbaragarten errichtet, in diesen Arealen wurde bis in das 20. Jahrhundert keine bürgerliche Wohnbebauung errichtet. Insgesamt war das mittelalterliche Rheinberg in vier Stadtviertel aufgeteilt:

  1. Rheinviertel (Marktviertel) - Markt, Kaiserstege, Kirchplatz, alter Rheinstraße, Goldstraße bis Ritterstraße, Kellnerei,
  2. Casselviertel (Orsoyer Viertel) - Ostseite Holzmarkt, Orsoyerstraße, Südseite Gelderstraße bis Beguinenstraße, Beguinenstraße,
  3. Leuthviertel (Gelderviertel) - Gelderstraße ohne Südseite bis Beguinenstraße, Kamperstraße bis Roßmühle ohne die Ostseite zwischen Marktstraße und Roßmühle, Südseite der Marktstraße,
  4. Xanterviertel (Rheinviertel) - Westseite Holz- und Fischmarkt, Rheinstraße, Wall zwischen Kellnerei bis Roßmühle, Roßmühle, Ostseite Kamperstraße bis Marktstraße, Nordseite Marktstraße, Entenmarkt, Goldstraße bis Ritterstraße.

1494 zerstören Stadtbrände ein Drittel aller Häuser, vorwiegend im Xanterviertel und den Kamperhof mit der Kapelle (Andernach 1982, S. 3).

Bereits im Spätmittelalter setzte die große militärische Bedeutung von Rheinberg ein, die sich in der Frühen Neuzeit als Festung noch verstärkte und neben vielen Zerstörungen und Stadtbränden auch zu charakteristischen Bebauungen intra muros führte, zum Beispiel in verbundenen Kellersystemen und Bauvorschriften einer Festungsstadt. Diese betrafen zum Schutz vor Bränden die Anlage breiter Straßenfluchten und großer Plätze, das Verbot von Strohdächern bei den überwiegend aus Ziegeln errichteten zweigeschossigen Wohnhäusern seit 1650 und miteinander baulich verbundenen Kellern, die mit einer Sand- und Lehmschicht abgedeckt waren. Ebenso datieren die Pumpennachbarschaften mit ihren Aufgaben bei der Feuerbekämpfung und Wasserversorgung bei Belagerungen in diese Phase.
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Frühneuzeitlicher Festungsausbau
Rheinberg wurde in der Frühen Neuzeit als Festung ausgebaut und war militärisch von Bedeutung, so dass es zwischen 1583 bis 1703 insgesamt 15 Belagerungen und Eroberungen erfuhr. Hierbei erlebte Rheinberg spanische, französische, niederländische und preußische Besetzungen. Die vielen gut erhaltenen historischen frühneuzeitlichen Stadtansichten geben das für die Phase typische Festungssystem nach italienischem und niederländischem Vorbild wieder.
Entscheidend war der Umbau der mittelalterlichen Stadtbefestigung zu einer frühneuzeitlichen Festung durch den Kommandanten Schenk von Nideggen seit 1555. Hierbei wurde das Festungssystem um einen Ring von 9 Bastionen und 10 Ravelins mit doppelten Gräben erweitert. 1585 begannen die Arbeiten zur Anlage eines zweiten Grabens und einem Ring von Bastionen und Vorwerken. Die mittelalterlichen Anlagen wurden durch die spanische Besatzung verstärkt, zwischen den Gräben auf dem Außenwall neue Erdwerke aufgeschüttet und flankenschützende Bastionen gebaut. Von dem Ausbau zur Festungsstadt war auch die Innenbebauung betroffen. Die mittelalterlichen Freiflächen intra muros wurden weiterhin von Bebauung freigehalten. In den Außenbezirken entstanden 1633 insgesamt 191 Soldatenbaracken.

Eine weitere Maßnahme, die zugleich eine wichtige Quelle darstellt, ist die Vermessung von Rheinberg 1660, allerdings ohne den Festungs- und Burgbereich. Hierbei wurden 375 Grundstücke, 251 Gärten und 330 Hausplätze gezählt. Rheinberg wurde bereits vor dem Ausbau als Festung und vor allem während der verschiedenen militärischen Auseinandersetzungen zerstört und Opfer verschiedener Stadtbrände. 1563 brannten das Kloster Sankt Barbaragarten und die Hälfte des Leuthviertels, 1567 insbesondere das Rhein- und Casselviertel aber auch Pfarrkirche, Pastorat und Rathaus, 1593 brannte die Deutschordenskommende ab, nach einem späteren Bericht aus dem Jahre 1643 sollen alle Häuser in Rheinberg, insgesamt 600-900 bis auf vier zerstört worden sein. Ein weiterer Brand 1657 betraf das Pfarrhaus. Daneben führten zwei Explosionen des als Pulverturm genutzten Zollturmes 1598 und 1636 zu Zerstörungen. Kennzeichnend für die neuzeitliche Entwicklung ist die fortifikatorische Nutzung. Unklar ist die ursprüngliche Bedeutung des 200 m südwestlich von der Stadtmauer gelegenen „Spanischen Vallan“, vermutlich ein Wachturm für die Beobachtung der Gebiete westlich und südlich der Stadt. Es handelt sich hierbei um einen 8 Meter hohen sechseckigen Turm.
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Neben der Struktur und dem Stadtgefüge sind auch einzelne Gebäude erhalten geblieben wie die 1573 errichtete Kellnerei, die als Getreidemagazin und Pferdestall diente. Die Kellnerei ist der letzte bauliche Rest des kurfürstlichen Schlosses. Sie diente als vorderstes Castell. Die Burg war gemeinsam mit dem Zollturm 1293 errichtet worden und diente zunächst als Jagdschloss. Während des Truchsesschen Krieges wurde eine Kaserne eingerichtet, die nach den Zerstörungen durch die Explosion des für die Lagerung von Schießpulver verwendeten Zollturms 1598 abgebrochen werden musste. Ein Turm wurde 1630 abgetragen.
Im Grundriss war das Schloss längsrechteckig errichtet mit Wassergräben auf der Süd- und Westseite.
Die Stadtburg lag unmittelbar an der Ecke der Stadtbefestigung und war durch einen weiteren Graben von der Stadt abgehoben, ein Standortmuster, das auch aus anderen Städten wie in Zons aus dieser Zeit bekannt ist. Nach Zerstörung des Schlosses wurde das Magazin und ehemalige Stallgebäude als Wohn- und Verwaltungssitz für den Schultheiß ausgebaut. Der Bau besteht aus Backsteinen und verfügt über einen Stufengiebel. Das Gebäude ist 55 Meter lang und 12 Meter breit mit Außenwänden von 1,25 Meter Stärke. Ursprünglich verfügte er über eine Renaissanceverzierung. Die Grundmauern des vollständig obertägig abgetragenen Schlosses wurden bereits 1831-1838 freigelegt (Hohmann 1967, S. 7).

Zwischen 1580-1702 war Rheinberg als Festungsstadt von großer militärpolitischer Bedeutung und durch Phasen kriegsbedingter Zerstörung und weiteren Ausbau geprägt, was auch die Bauweise intra muros stark geprägt hat. Herausragend ist der Ausbau 1601-1606 mit einer starken Befestigung. Rheinberg geriet in häufige kriegsbedingte Besitzerwechsel: 1583-1590 hielt sich der abgesetzte Erzbischof Gebhard und der Graf von Moers in Rheinberg auf bis 1597 spanische Besatzung unter dem Herzog von Parma erfolgte, danach eine kurze niederländische Besatzung, 1598 wiederum eine spanische Besatzung unter Mendoza mit erheblichen Zerstörungen durch die Explosion des als Pulverlagers genutzten Zollturms, 1601 Besatzung durch Prinz Moritz von Oranien mit Stationierung einer großen Garnison und Ausbau zu einer bedeutenden Festung mit weiteren Schanzen, 1606 Einnahme durch Spanier nach zweimonatiger Belagerung, 1633 Eroberung durch die Generalstaaten bis 1672 Ludwig der XIV. Rheinberg gewaltlos eroberte und es im gleichen Jahr an Kurköln übergeben wurde, 1702/03 belagerten während des Spanischen Erbfolgekrieges die Preußen die Festung Rheinberg, die diese nach der Eroberung bis zum Badener Frieden 1715 besetzt halten. In dieser Phase zwischen 1703-1715 werden die Festungswerke geschleift und der Rhein umgeleitet, was zu einem Verlust der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bedeutung Rheinbergs geführt hat.
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Südwestlich des historischen Stadtkernes verlaufen Reste der Fossa Eugeniana. Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen den Niederlanden und Spanien versuchten die Spanier unter der Statthalterin der spanischen Niederlande Isabel Eugeniana Clara nach fehlgeschlagenen militärischen Operationen die Niederlande durch wirtschaftliche Maßnahmen zu schwächen. Eine Maßnahme war die Unterbrechung des Rheinhandels der vormaligen spanischen Provinzen. Koordiniert mit Aktivitäten des Herzogtums Jülich zum Schutz vor niederländischen Angriffen planten die Spanier einen Rhein-Maas-Schelde-Kanal. Die Arbeiten am ersten 50 km langen Grabenabschnitt begannen 1626. Die Eckpunkte der Fossa Eugeniana sollten die Festungen Rheinberg und Venlo sein. Die baulichen Reste dieses begonnenen und nicht abgeschlossenen Projektes sind heute noch im Gelände bei Rheinberg erhalten. Somit ist die Entwicklung Rheinbergs eng mit seiner militärischen Funktion als Festung verbunden.
Dies wirkte sich auch auf die Hygienegeschichte mit verschiedenen Epidemien aus, die auch wiederum verschiedene bauliche Maßnahmen zur Folge hatten. 1615 trat am Niederrhein die Pest auf, so dass als vorbeugende Maßnahmen saubere Brunnen am Barbara-Kloster, auf der Goldstraße, Weber- und Orsoyerstraße und am Haus Krone angelegt wurden. 1630 erreichte die Pest Rheinberg, als Gegenmaßnahme wurden die Straßen gereinigt und gepflastert, es folgten 1633 und 1660 Pestjahre bis 1672 die Ruhr etwa 300 Opfer forderte.
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Neuzeitliche Entwicklung nach der Entfestigung
1780 hatte Rheinberg mit 2.085 Einwohnern in etwa die Größe wie Xanten. Die militärischen Auseinandersetzungen schwächten die wirtschaftliche Entwicklung Rheinbergs, das einen Aufschwung erst 1815 als preußische Kreisstadt der damaligen Kantone Moers, Rheinberg und Xanten erfuhr. 1823 folgte die Vereinigung der Kreise Rheinberg und Geldern. Dies führte zur Stärkung der regionalen zentralörtlichen Funktion. Diese Verwaltungsfunktion verlor Rheinberg 1856, als seitdem Moers Kreisstadt wurde. 1862 zählte Rheinberg 3.000 Einwohner, 1900 auf 2.468 Einwohner zurückgehend, ein weiterer Hinweis auf einen Bedeutungsschwund.

Im Rheinberger Gebiet befinden sich Tonerde-, Kies- und Sandlager. Zwischen Xanten und Rheinberg werden seit der Entdeckung 1897 Steinsalzlager und Steinkohle bei Rossenray abgebaut. Um 1800 gab es in Rheinberg kaum Gewerbe, selbst der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten war aufgegeben worden. Ein vorübergehender vorindustrieller Aufschwung ging von der Fertigstellung des Altrheinhafens 1846 aus und der in diesem Jahr erfolgten Gründung der Bitterlikörfabrik Underberg, die kontinuierlich expandierte und Weltruhm gelangte und von herausragender Bedeutung für Rheinberg wurde.
Im Rheinhafen wurden folgende Rohstoffe umgeschlagen: Kohlen, Kalkstein, Bauholz, Schiefer und Zement. 1860 produzierte eine Dachziegelbäckerei mit 3 Öfen 100.000 Stück jährlich. Die 1862 eröffnete Eisenbahnlinie Krefeld-Geldern-Kleve schnitt den Hafen vom Hinterland ab und führte zur Stagnation und schließlich Aufgabe als Umschlagplatz. Die Aufstellung von 70 Hauswebstühlen in Rheinberg durch die Krefelder Samt- und Seidenhersteller 1870-1900 hatte ebenfalls keine dauerhafte industrielle Expansion zur Folge, da ab 1900 mechanische Webstühle eingeführt worden sind. Entscheidend in der Ausprägung der Industriefunktion war die Entwicklung im 20. Jahrhundert, eingeleitet durch die Ansiedlung der Solvay-Werke 1905 und die Expansion der Firma Underberg (1900 mit 30 Beschäftigten, 1939 mit 250 Beschäftigten). Zeitgleich entstanden Handwerksbetriebe, 1903 waren es bereits 115. Nach 1905 siedelten sich im Raum mehrere Betriebe und Abbauunternehmen von Steinsalz an, so dass Rheinberg sich zu einer hochindustrialisierten Stadt entwickelte, die 1970 ca. 70 % der Erwerbstätigen im sekundären Sektor beschäftigte.
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Hinweise
Der Historische Stadtkern Rheinberg ist seit 1988 als Denkmalbereich „Rheinberg-Ortskern“ per Satzung geschützt. Das Objekt ist zugleich auch wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereichs Rheinberg (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Ruhr 032).

(Klaus-Dieter Kleefeld, LVR-Redaktion KuLaDig, 2014)

Literatur

Andernach, Norbert (1982)
Rheinberg. (Rheinischer Städteatlas, Lieferung VII, Nr. 40.) Köln.
Coopmann, Heinrich / Kreis Wesel (Hrsg.) (2004)
Ziegelbäcker in und um Rheinberg. In: Kreis Wesel Jahrbuch 2005, S. 70-77. Duisburg.
Groten, Manfred (2006)
Nordrhein-Westfalen. (Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Band 3.) S. 897 f., Stuttgart.
Hohmann, Karl-Heinz (1967)
Stadt Rheinberg. (Rheinische Kunststätten, Heft 1/2.) Neuss.
Hohmann, Karl-Heinz / Kreis Wesel (Hrsg.) (2004)
Die Baudenkmäler der Stadt Rheinberg (III). In: Kreis Wesel Jahrbuch 2005, S. 177-183. Duisburg.
Hohmann, Karl-Heinz / Kreis Wesel (Hrsg.) (2003)
Die Baudenkmäler der Stadt Rheinberg. In: Kreis Wesel Jahrbuch 2004, S. 179-186. Duisburg.
Kehrmann, Werner / Kreis Wesel (Hrsg.) (2004)
Der Spanische Vallan in Rheinberg. In: Kreis Wesel Jahrbuch 2005, S. 160-167. Duisburg.
Küsters, Ludwig (1940)
Die kurkölnische Festung Rheinberg. Rheinberg.
Pick, Richard (Hrsg.) (1883)
Die Stadt und das ehemalige Amt Rheinberg. (Materialien zur Rheinischen Provinzialgeschichte, Band 1, Heft 1.) o. O.
Wittrup, Alois (1979)
Aus Rheinberg vergangenen Tagen. Rheinberg (3. Auflage).

Historischer Stadtkern Rheinberg

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Ort
47495 Rheinberg
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1232 bis 1248

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