Ernest Solvay und das Solvay-Verfahren
Unternehmensgeschichte in Rheinberg
Aktuelle Situation
Internet, Literatur
Ernest Solvay und das Solvay-Verfahren
Das Solvay-Verfahren (auch Ammoniak-Soda-Verfahren) ist ein chemischer Prozess zur synthetischen Herstellung des seit alters her für die verschiedensten Anwendungen genutzten Natriumcarbonat (Na2CO3, umgangssprachlich „Soda“). Das Verfahren wurde um 1860/65 von dem belgischen Chemiker Ernest Gaston Joseph Solvay (1838-1922) entwickelt und löste das bis dahin zur Gewinnung von Soda verwendete Leblanc-Verfahren – benannt nach dem französischen Chemiker Nicolas Leblanc (1742-1806), der es 1791 entwickelt hatte – ab und revolutioniere die Chemieindustrie.
„Mit der zunehmenden Industrialisierung im 18. Jahrhundert reichten die natürlichen Sodavorkommen … nicht mehr aus. … Solvay gelang es, das so genannte Ammoniak-Soda-Verfahren, bei dem die Nebenprodukte des Leblanc-Verfahrens nicht anfallen, zur Produktionsreife zu entwickeln. Das eingesetzte teure Ammoniak konnte er dabei zurückgewinnen und in den Produktionskreislauf zurückführen.“ (www.route-industriekultur.ruhr)
Solvay gründete zusammen mit seinem Bruder Alfred im Jahr 1863 im belgischen Charleroi (nahe Brüssel) den Solvay-Konzern.
Die erste deutsche Niederlassung von Solvay & Cie. war eine 1880 in Wyhlen (heute Landkreis Lörrach, Baden-Württemberg) gegründete Sodafabrik.
Unternehmensgeschichte in Rheinberg
Aufgrund der großen Salzvorkommen in den Orten Borth und Wallach entschloss sich die Deutsche Solvay GmbH 1904 zum Bau einer Sodafabrik westlich des Orsoyer Altrheinarmes auf der Rhyynnberckse Grind (auf Rheinberger Gebiet, unmittelbar an der Grenze zur seinerzeit noch selbständigen Gemeinde Ossenberg). Das 1906/1907 in Betrieb genommene Werk begann zugleich in Borth Steinkohle und in Wallach Steinsalz zu fördern. 1908/1910 erfolgte die Niederbringung von vier Salzschächten in Borth nach dem seinerzeit neuartigen Gefrierschachtverfahren. 1926 wurde das Steinkohlebergwerk Borth auf Steinsalzgewinnung umgerüstet und die Schachtanlage Wallach stillgelegt (Groten u.a., HbHistSt NRW 2006).
Die Ossenberger Bevölkerung wuchs durch die Industrieansiedlung der Solvay-Werke in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg stark an. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte bereits im Herbst 1945 die Produktion in Rheinberg und Borth wieder aufgenommen werden.
Die Produktpalette des Rheinberger Werks wurde stetig erweitert:
- Im Jahr 1933 wurde die Produktion von Siedesalz aufgenommen,
- ab 1958 Produktion des Kunststoffs PVC (Polyvinylchlorid),
- ab 1967 Herstellung von „gefälltem“ Calciumcarbonat (synthetisches Calciumcarbonat oder PCC, precipitated calcium carbonate),
- ab 1971 Produktion von Allylchlorid (3-Chlorpropen), Epichlorhydrin, Glycerin und Chlor und
- ab 1973 Vinylchlorid.
Ausgangsstoff für die meisten Solvay-Produkte ist nach wie vor Salz, das teils in gelöster Form über eine Soleleitung ins Werk gelangt. Der ebenfalls benötigte Kalkstein wird per Bahn aus Belgien angeliefert. Die Erzeugnisse der sich stets wandelnden Produktpalette werden unter anderem benötigt für Glas, Wasch- und Reinigungsmittel, Tierfutter, Lebens- und Arzneimittel, Fensterscheiben und -rahmen, Elektrogeräte, Rohre, für Rotorblätter von Windkraftanlagen, ferner für die Rauchgasreinigung und für die medizinische Blutwäsche (nach www.solvay.de).
Aktuelle Situation
Das Werk in Rheinberg ist der größte deutsche Produktionsstandort der belgischen Solvay AG mit insgesamt knapp 27.000 Beschäftigten. Davon arbeiten etwa 2.000 bis 2.500 Mitarbeiter an den zehn deutschen Solvay-Standorten.
In Rheinberg sind etwa 400 Mitarbeiter bei Solvay Chemicals GmbH Deutschland tätig und zahlreiche weitere bei angeschlossenen Gemeinschaftsunternehmen: noch einmal ca. 400 bei der westlich der Xantener Straße angesiedelten INOVYN Deutschland GmbH („Solvay-West“) und weitere 30 bei der IMERYS Minerals GmbH sowie rund 40 Auszubildende.
Bei Partnerfirmen im Bereich des Solvay-Werks, das sich in jüngster Zeit immer mehr zu einem Industriepark entwickelt hat, sind weitere 350 Mitarbeiter tätig, darunter die Kemira Chemie GmbH und die Praxair Deutschland GmbH.
Ziel dieser regionalen Konzentration ist laut Konzern eine „Verbundwirtschaft, die Nebenstoffe so weit wie möglich an Ort und Stelle für die Herstellung neuer Stoffe verwendet und dazu beiträgt, die Entstehung von Abfallstoffen zu vermindern.“ (www.solvay.de)
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2017)
Internet
www.route-industriekultur.ruhr: Solvay (abgerufen 15.11.2017)
www.solvay.de: Firmenhomepage von Solvay Deutschland (abgerufen 15.11.2017)
www.solvay.de: Solvay Deutschland, Werk Rheinberg (abgerufen 15.11.2017)
www.solvay.de: Informationsflyer Solvay in Deutschland (PDF-Datei, 550 KB, abgerufen 15.11.2017)
de.wikipedia.org: Ernest Solvay (abgerufen 15.11.2017)
de.wikipedia.org: Solvay GmbH (abgerufen 15.11.2017)
de.wikipedia.org: Solvay (abgerufen 15.11.2017)