Ratskapelle St. Maria in Jerusalem

vormalige mittelalterliche Synagoge mit Mikwe

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 56′ 16,96″ N: 6° 57′ 30,47″ O 50,93804°N: 6,95846°O
Koordinate UTM 32.356.561,75 m: 5.644.919,71 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.567.414,35 m: 5.645.191,79 m
  • Ausschnitt des Plans der Stadt Köln von Arnold Mercator von 1571 mit u.a. dem Rathaus, dem Alter Markt und der Judengasse (im Kartenbild ist oben Osten).

    Ausschnitt des Plans der Stadt Köln von Arnold Mercator von 1571 mit u.a. dem Rathaus, dem Alter Markt und der Judengasse (im Kartenbild ist oben Osten).

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    Arnold Mercator
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  • Ansicht des Kölner Rathausplatzes von Südosten mit der Pforte zur Ratskapelle an der Portalsgasse, dem Vereinslokal des Central-Dombauvereins und dem Spanischen Bau (undatiert, vor 1873).

    Ansicht des Kölner Rathausplatzes von Südosten mit der Pforte zur Ratskapelle an der Portalsgasse, dem Vereinslokal des Central-Dombauvereins und dem Spanischen Bau (undatiert, vor 1873).

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    gemeinfrei / Grafische Sammlung Kölnisches Stadtmuseum, A I 3/786
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  • Blick auf die Baustelle des MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln von Süden her (2024).

    Blick auf die Baustelle des MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln von Süden her (2024).

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    Jakobs, Michael / MiQua-LVR / CC BY-SA 3.0
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    Michael Jakobs
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  • Historische Aufnahme der Altstadt von Köln und der gegenüberliegenden Rheinseite am Ende des Zweiten Weltkriegs (24. April 1945).

    Historische Aufnahme der Altstadt von Köln und der gegenüberliegenden Rheinseite am Ende des Zweiten Weltkriegs (24. April 1945).

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    Jack Clemmer
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  • Das Becken der Mikwe (jüdisches Ritualbad) in der der Archäologischen Zone Köln (2011).

    Das Becken der Mikwe (jüdisches Ritualbad) in der der Archäologischen Zone Köln (2011).

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    Archäologische Zone Köln / CC BY-SA 3.0 de
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Nach der Judenvertreibung von 1424 wurde deren vormalige Synagoge gegenüber dem Kölner Rathaus nach Umbauten in eine christliche Kirche für den Rat umgewandelt und auf den Titel St. Maria in Jerusalem geweiht.

Synagoge (Beginn 11. Jahrhundert bis 1424)
Ratskapelle (1424 bis 1795/99)
Aufhebung und spätere Nutzungen der Kapelle
Quellen, Internet, Literatur

Die mittelalterliche Judengemeinde in Köln lebte seit dem 11. Jahrhundert bereits seit rund 400 Jahren mitten im Herzen der Stadt, als der Kölner Rat im Jahr 1423 beschloss, ein bis Oktober 1424 befristetes Aufenthaltsrecht für die Juden nicht mehr zu verlängern und diese aufforderte, dass sie binnen Jahresfrist up ewige tzyden („auf ewige Zeiten“) die Stadt zu verlassen hätten.
Zuvor war die bereits seit dem Jahr 321 n. Chr. bezeugte jüdische Gemeinde eine der ältesten und bedeutendsten nördlich der Alpen (miqua.lvr.de). Die Mikwe des mittelalterlichen Judenviertels, das jüdische Ritualbad, datiert in ihrer ersten Bauphase aus dem 8. Jahrhundert.

Synagoge (Beginn 11. Jahrhundert bis 1424)
Die wohl bereits zwischen 1012 und 1040 auf den Ruinen des römischen Statthalterpalasts entstandene Synagoge der Kahal Kolonia (von hebräisch Kehillah für jüdische Gemeinde) wurde auch als „Judenschule“ bezeichnet, so etwa in der Koelhoffschen Chronik als die Joeden schole tzo Coellen.

Nach den Judenverfolgungen und (Pest-) Pogromen zur Zeit des Schwarzen Todes im 14. Jahrhundert wurde das Gebäude erneuert. Offenbar war das Gotteshaus während der „Kölner Bartholomäusnacht“ vom 23. auf den 24. August 1349, als es zu Morden, Plünderungen und Brandstiftungen im jüdischen Viertel kam, in Mitleidenschaft der Zerstörungen gezogen worden.
Die Synagoge bestand danach bis zu der 1424 abgeschlossen Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt. Anschließend wurde der Bau zu einer dem Rat vorbehaltenen Kapelle umgewandelt. Die topographische Bezeichnung für die direkt am Rathaus gelegene Judengasse (eine Fortsetzung der Bürgerstraße) existierte danach weiter.
Nach der Vertreibung aus der Stadt bildeten verbliebene Juden im seinerzeit noch eigenständigen rechtsrheinischen Deutz eine kleine Gemeinde, wo eine erste Synagoge 1426 erstmals erwähnt wird.
In der Domstadt selbst konnten sich Juden erst wieder ab 1798 während der Franzosenzeit niederlassen.

Das vormalige jüdische Viertel gilt heute als das archäologisch am besten untersuchte in Europa. Der Befund der Synagoge, die Mikwe - eines der besterhaltenen monumentalen jüdischen Ritualbäder des Mittelalters - und weitere jüdische Gemeindebauten werden künftig ein zentraler Bereich des neu entstehenden Museums MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln sein.
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Ratskapelle (1424 bis 1795/99)
Vor der Umwandlung der Synagoge nutzten die im ab etwa 1330 errichteten Rathaus residierenden Kölner Ratsherren für ihre Gottesdienste die über der Marktpforte eingerichtete Michaelskapelle, wie für die Jahre 1329 und 1341 belegt ist. „Wohl wegen des beengten Raumes hatte der Rat schon 1393/94 den Bau einer eigenen Kapelle geplant und um eine entsprechende Genehmigung von höchster kirchlicher Stelle nachgesucht.“ (zitiert nach de.wikipedia.org, St. Maria in Jerusalem)
Die nunmehrige Ratskapelle mit dem Namen Sacellum B. Virginis in Jerusalem ante curiam („Kapelle der Heiligen Jungfrau in Jerusalem“) wurde um 1423/24 eingerichtet und im Jahr 1426 zum Festtag Mariä Geburt geweiht, der üblicherweise am 8. September gefeiert wird.

Die Vorgänge zur Entstehung der Ratskapelle und zu deren weiterer Geschichte sind in den Jahrbüchern des 15. Jahrhunderts und über die Kölner Schreinsbücher überliefert und wurden von der historischen Forschung teils unterschiedlich gedeutet. Während etwa die Kölner Historiker und Archivare Johann Jakob Peter Fuchs (1782-1857) oder Leonard Ennen (1820-1880) die Abläufe um 1424 im Sinne einer Umwandlung der vormaligen Synagoge in einen Kirchen- bzw. Kapellenbau interpretierten, wurde um 1928/30 durch den von 1933 bis 1948 als Konservator der Stadt Köln amtierenden Hans Vogts (1883-1972) auch ein möglicher Neubau der Ratskapelle erwogen. Diese Annahme wurden aber über weitere Forschungen und durch Befunde aus jüngeren archäologischen Grabungen widerlegt (Gechter und Schütte 1998, S. 140, und Reuter 2024, S. 3).

Das kleine Kirchengebäude befand sich im Bereich der Kölner Pfarrei St. Laurenz (Hegel 1992) und diente fortan über fast vier Jahrhunderte bis zu seiner Profanierung als Gotteshaus für die täglichen Andachten der Ratsherren des benachbarten Rathauses und für Messfeiern. Im Jahr 1474 erfolgte der Bau einer Sakristei.
Im unmittelbaren Umfeld entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten allmählich der seinerzeit meist einfach nur „Platz“ genannte heutige Rathausplatz oberhalb der Judengasse zu einer größeren Freifläche, die auch als „der lange Saal“ oder „die Hofstadt der Herren“ bezeichnet wurde.

Als besonderes Ausstattungsstück der Ratskapelle ist der „Altar der Stadtpatrone“ zu nennen, der einst die steinerne Mensa zierte. Der dreiteilige Flügelaltar (Triptychon) wurde 1445 von Stefan Lochner (um 1400/10-1451) geschaffen, der als „Meister Stefan“ als der bedeutendste Künstler der Kölner Malerschule gilt. Heute befindet sich der Altar in der Marienkapelle des Kölner Doms.
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Aufhebung und spätere Nutzungen der Kapelle
Während der Zeit der französischen Besetzung (1794-1814/15) erfolgte im Zuge der Säkularisation (die seinerzeit allgemeine Einziehung kirchlicher Besitztümer) die Profanierung der Kapelle zum 15. Juli 1799, dem 27. Messidor des Jahres VII im französischen Revolutionskalender (Vogts / Clemen 1930; bei Wilhelm 2008 wird hingegen das Jahr 1795 für die Entweihung genannt).

Nachfolgend diente das Gebäude der Stadt zu rein praktisch-weltlichen Zwecken. Zunächst wurde die Kapelle als Magazin und Depot für Kunstschätze genutzt, darunter solchen aus der Sammlung des bedeutendsten Kunstsammlers der Domstadt Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824). Später wurde hier das im Jahr 1844 unter dem Kölner Stadtbaumeister Johann Peter Weyer (1794-1864) auf dem Gelände des Stifts Sankt Cäcilien freigelegte 7,06 mal 6,80 Meter große „Philosophenmosaik“ aus der Römerzeit untergebracht, das sich heute im Römisch-Germanischen Museum Köln befindet.
Im Jahr 1847 wurde zunächst das Kapellengebäude und im Folgejahr die Sakristei auf Kosten der Stadt renoviert, ebenfalls im 19. Jahrhundert wurden die Giebelseiten erneuert.
Von 1862 bis 1875 diente die Ratskapelle als Domizil des Kölner Männergesangvereines, bevor sie wieder für kirchliche Zwecke genutzt wurde. Zwischen 1877 und 1907 beherbergte sie die altkatholische Gemeinde Kölns und von 1931 bis zum Kriegseintritt der Engländer 1939 die anglikanische St.-Georgs-Gemeinde. Anschließend diente das vormalige Gotteshaus erneut als Magazin.

Der Bau wurde - wie während des Zweiten Weltkriegs rund 90 % der Kölner Altstadt - im Jahr 1942 fast vollständig zerstört. Nur wenige Reste der Ausstattung der Ratskapelle konnten geborgen werden, darunter die Glocke. Diese wurde später in den Turm der ebenfalls 1942 zerstörten, aber 1952 vereinfacht wieder hergestellten Hospitalkapelle St. Maria Magdalena und Lazarus auf dem Melatenfriedhof verbracht: „Die dortige Kapelle - ebenfalls eine Marienkirche - könnte in ihrer Baugestaltung mit dem östlichen Choranbau, der seitlichen Fensteranordnung, ihrem Dachreiter sowie ihren in etwa gleichen Maßen ein Zwilling von St. Maria in Jerusalem sein.“ (de.wikipedia.org, St. Maria in Jerusalem)

Das Gotteshaus am Kölner Rathaus wurde nach dem Krieg weder als Ratskapelle noch als Synagoge wieder aufgebaut. Lediglich der Grundriss wurde in der Pflasterung des Rathausplatzes nachgebildet (Wilhelm 2008) und ein dortiges Bronzemodell stellte das jüdische Viertel dar. Beides ist im Zuge der MiQua-Neubauten aktuell nicht mehr erkennbar.

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2025)

Quellen
  • Cronica van der hilliger stat van Coellen bis 1499, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Band 14 / Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Band 3, Cöln, Leipzig 1877, S. 641-1007 (online unter www.archive.org, abgerufen 10.01.2025)
  • Die Cronica van der hilliger Stat van Coellen (Koelhoffsche Chronik) (online unter diglib.hab.de, abgerufen 10.01.2025)

Internet
miqua.lvr.de: Das mittelalterliche jüdische Viertel (abgerufen 10.01.2025)
de.wikipedia.org: St. Maria in Jerusalem (abgerufen 14.01.2025)
de.wikipedia.org: Jüdische Geschichte in Köln (abgerufen 10.01.2025)
de.wikipedia.org: St. Maria Magdalena und Lazarus Köln (abgerufen 10.01.2025)
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Literatur

Brisch, Carl (1973)
Geschichte der Juden in Cöln und Umgebung aus ältester Zeit bis auf die Gegenwart. Zwei Bände, unveränderter Neudruck der Ausgabe von 1879-1882. Walluf.
Gechter, Marianne; Schütte, Sven (1998)
Die Ratskapelle. In: Köln: Das Gotische Rathaus, hrsg. von Walter Geis und Ulrich Krings, Köln.
Geis, Walter; Krings, Ulrich (Hrsg.) (1998)
Köln: Das Gotische Rathaus und seine historische Umgebung. (1. Auflage). (Stadtspuren - Denkmäler in Köln, Band 26.) Köln.
Hegel, Eduard (1992)
Das mittelalterliche Pfarrsystem und seine kirchliche Infrastruktur in Köln um 1500. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, IX.1.) S. 24, Köln.
Planitz, Hans; Buyken, Thea (1937)
Die Kölner Schreinsbücher des 13. und 14. Jahrhunderts. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, 46.) Weimar.
Pracht, Elfi (1997)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.1.) Köln.
Reuter, Ursula (2024)
Köln - eine Stadt ohne Juden? Nach der Vertreibung von 1424. In: Kalonymos, Beiträge zur deutsch-jüdischen Geschichte aus dem Salomon Ludwig Steinheim-Institut an der Universität Duisburg-Essen, 27. Jahrgang 2024, Heft 4, S. 1-6. o. O.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 56, Bonn.
Vogts, Hans (1928)
Rathaus zu Köln. (Deutsche Kunstführer an Rhein und Mosel, Bd. 8.) Augsburg.
Vogts, Hans / Clemen, Paul (Hrsg.) (1930)
Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln. Die profanen Denkmäler. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 2.4.) S. 263 ff., Düsseldorf.
Wilhelm, Jürgen (Hrsg.) (2008)
Das große Köln-Lexikon. S. 365, Köln (2. Auflage).
Ziwes, Franz-Josef (2002)
Jüdische Niederlassungen im Mittelalter. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.7.) Köln.

Ratskapelle St. Maria in Jerusalem

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Rathausplatz / Judengasse
Ort
50667 Köln - Altstadt-Nord
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Auswertung historischer Fotos, Geländebegehung/-kartierung, Archäologische Grabung
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1424, Ende 1942

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„Ratskapelle St. Maria in Jerusalem”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-355832 (Abgerufen: 30. April 2025)
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