Die Mariensäule ist keineswegs „nur“ ein Denkmal der Frömmigkeit und Marienverehrung des 19. Jahrhunderts. Die Spannungen in der Domstadt im zeitlichen Kontext des „Kulturkampfes“ manifestieren sich in der Geschichte ihrer Errichtung, ihres zunächst vorgesehenen Standorts wie auch in ihrer äußeren Gestalt. In den Auseinandersetzungen des Kulturkampfes verfestigten sich vor allem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend die Gegensätze zwischen der Bevölkerung der traditionell katholischen Stadt Köln und der seit 1815 protestantisch geprägten preußischen Stadtverwaltung.
Entstehungs- und Vorgeschichte
Bezug zum Kulturkampf in Köln
Standort und Einweihung
Beschreibung
Denkmal
Quellen, Internet, Literatur
Entstehungs- und Vorgeschichte
Mit Datum vom 8. Dezember 1854 hatte der römisch-katholische Papst Pius IX. (1792-1878, eigentlich Giovanni Maria Mastai Ferretti, amtierte ab 1846) in seiner Bulle Ineffabilis Deus („Der unaussprechliche Gott“) den bereits über Jahrhunderte hin gegenwärtigen Glaubensgrundsatz der „unbefleckten Empfängnis“ (lat. immaculata conceptio) der im Neuen Testament genannten Mutter Jesu als Dogma verkündet. Demnach sei Maria als „hochheilige Jungfrau ... mit ihrer wunderbaren Heiligkeit und ... Gottesmutter“ als einziger Mensch „unbefleckt“ und somit frei von der Erbsünde geblieben:
„Die Lehre, daß die allerseligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis auf Grund einer besonderen Gnade und Auszeichnung vonseiten des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers der ganzen Menschheit, von jeder Makel der Erbsünde bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und muß deshalb von allen Gläubigen fest und unabänderlich geglaubt werden.“
In der Folge führte die Bulle nicht nur in Köln zu einer verstärkten Marienverehrung, die sich in der kirchlichen Liturgie, mit Fest- und Feiertagen und über die Errichtung von Mariendenkmalen niederschlug.
In der Domstadt gab es bereits „am Tage der Proclamation des Dogma's“ eine erste Feier und schon im April 1855 gründete sich ein Verein zur Errichtung eines Standbildes Maria Immaculata. Dieser Zusammenschluß war im Folgejahr dann auch an einer „grossartige[n] Schlussfeier“ der Marienfeierlichkeiten beteiligt, welche „am zweiten Pfingsttage die ganze Stadt in freudige Bewegung setzte.“
Ebendort wird angeführt, dass „desshalb auch der Plan, zur Erinnerung an die feierliche Proclamation des Dogma's ein bleibendes Denkmal, eine Mariensäule zu errichten, allgemeinen Beifall [fand]. Der Entwurf zu diesem Denkmal ist vom Architekten V. Statz, dessen Leistungen im gothischen Style sich schon an so vielen Orten geltend gemacht haben, so dass von ihm nur ein wahres Kunstwerk, seiner Bestimmung ganz entsprechend, erwartet werden durfte.“
Der vorab zitierte Bericht entstammt dem „Organ für christliche Kunst“, einer als „Kampfblatt der Neugotiker“ (Lauer und Puls 1980) geltenden Kölner Zeitschrift (ebd. 1855, Nr. 10, S. 127-128). Diese erschien seit 1851 in 14-tägigem Turnus bis sie 1873 im Zuge des Kulturkampfs ihr Erscheinen einstellte.
Bezug zum Kulturkampf in Köln
Der fromme Plan für eine kölnisch-katholische Mariensäule war indes nicht unumstritten, was im zeitlichen Kontext auch als Ausprägung des Kulturkampfes betrachtet werden muss, d.h. den andauernden Auseinandersetzungen zwischen preußischem Staat und katholischer Kirche im 19. Jahrhundert.
In der Domstadt war auf dem Höhepunkt einer frühen Phase des Konflikts („Kölner Wirren“ bzw. auch „Kölner Ereignis“ genannt) der seit 1835 amtierende Erzbischof Clemens August II. Droste zu Vischering (1773-1845) wegen angeblich „revolutionärer Bestrebungen“ im November 1837 von der preußischen Obrigkeit verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Trotz scharfer Proteste bis hin zum Papst, wurde der als „Bekennerbischof“ unter den Katholiken populäre Clemens August erst im April 1839 wegen seines schlechten Gesundheitszustandes entlassen.
Unter ähnlichen Umständen wurde 1874/75 Erzbischof Paulus Ludolf Melchers (1813-1895, amtierte 1866-1885) mehrfach verhaftet, wobei er sogar einige Monate Haft im damaligen Kölner Gefängnis Klingelpütz verbringen musste. Nach seiner Flucht ins niederländische Exil wurde Melchers 1876 aufgrund der „Maigesetze“ der preußischen Kulturkampfgesetzgebung seines Amtes enthoben, versuchte jedoch von dort aus, das Erzbistum Köln zu leiten.
Zwischen 1842 und 1880 schritt in Köln zugleich auch die Fertigstellung des Doms voran, welche die Preußen als „nationale Aufgabe“ zu einer „pompöse[n] Selbstdarstellung des protestantischen Hohenzollernhauses“ für sich vereinnahmten (vgl. hier). Und gleichzeitig bemühte sich ein weiteres Komitee um die Erstellung des eher preußenfreundlichen Denkmals der „dankbaren Rheinlande“ für König Friedrich Wilhelm III. im Stil des Klassizismus (das heutige Reiterstandbild am Heumarkt).
Standort und Einweihung
Schon die Diskussion um die Standorte für das Reiterdenkmal für den preußischen König als weltlichem Schutzherr und die neugotische Säule für Maria als religiöse Beschützerin der katholischen Stadt und des Erzbistums offenbarte die Gegensätze beider Seiten und die politische Brisanz der Vorhaben: Beide Bauten sollten ihren Platz auf dem Alter Markt und damit in unmittelbarer Nähe zum Rathaus finden.
Als alternatives Symbol der tätigen Marienverehrung wurde zwischenzeitig anstelle des Bildwerks einer Säule der Bau eines entsprechend gewidmeten Krankenhauses vorgeschlagen.
Der Kölner Stadtrat entschied sich schließlich - schiedlich-friedlich - für die Aufstellung eines im politischen Sinne unverfänglichen Brunnendenkmals auf der Mitte des Alter Markt, das dem Volkshelden Jan von Werth gewidmet wurde. Für den Preußenkönig Friedrich Wilhelm und die Gottesmutter Maria mussten andere Orte gefunden werden.
Als Standort für das bewußt kirchenpolitische Mariendenkmal wurde letztlich ein Platz vor dem erzbischöflichen Palais auf dem Mittelstreifen der selbst für das damalige Köln ungewöhnlich breiten und besonders vornehmen Gereonstraße gewählt. Ein auf das Jahr 1900 datierter Plan von Köln lässt deutlich zwei langgezogene Streifen mittig auf der Straße erkennen, zeigt aber nicht präzise den damaligen Standort der Säule (landkartenarchiv.de). In einem Stadtplan in Meyers Konversations-Lexikon von 1896 ist der Standort der „Marien S.“ hingegen recht präzise vor dem „Erzbischöf. Palais“ eingezeichnet (vgl. Abb.; hier die kleinere Objektgeometrie östlich). Der spätere Standort wird in diesem Plan als „Driesch“ ausgewiesen.
Mit dem fortschreitenden Ausbau der Kölner Straßenbahn zu Beginn des 20. Jahrhunderts musste die Mariensäule den neuen Gleisanlagen weichen. Sie wurde 1901 an die Südseite des Platzes Gereonsdriesch verlegt (Signon 2006), seitdem weist die ursprüngliche Ostseite der Säule nach Norden.
Der Name des früher unbebauten Platzes an der Kirche St. Gereon (und bis 1803/06 auch der Kirche St. Christoph) geht auf den alten Begriff „Driesch“ zurück, der in der Landwirtschaft einen Acker bezeichnet, der einige Jahre brach liegt, um sich erholen zu können (vgl. dat-portal.lvr.de).
Die Feier zur Grundsteinlegung für den Bau der Mariensäule fand am 2. Juni 1857 unter Teilnahme von 25.000 Menschen statt, was etwa einem Viertel (!) der damaligen Einwohnerschaft Köln entsprach.
Die Einweihung der im Mai 1858 fertiggestellten Säule erfolgte am 8. September 1858 anlässlich der 10. Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands durch den Kölner Erzbischof Johannes von Geissel (1796-1864, amtierte ab 1845). Die Festrede hielt der Generalvikar des Erzbischofs und Weihbischof Johann Anton Friedrich Baudri (1804-1893), ihr gesamter Wortlaut findet sich im Organ für christliche Kunst 1858 wiedergegeben. Der während des Kulturkampfs als einer der führenden Köpfe der katholischen Zentrumspartei geltende Politiker August Reichensperger (1808-1895) betonte bei der Feier die Bedeutung des Denkmals als „Sinnbild der katholischen Einheit“.
Beschreibung
Ein bereits 1855 im Organ für christliche Kunst veröffentlichter erster architektonischer Gesamtentwurf des Kölner Architekten und Diözesanbaumeisters Vincenz Statz (1819-1898) unterschied sich offenbar noch von der schließlich umgesetzten Version. Eine Abbildung dieses Entwurfs ist im Digitalisat leider ebenso verdeckt wie eine Zeichnung von 1857, als die Fundamentierungsarbeiten bereits abgeschlossen waren (vgl. ebd. 1855, S. 225 und 1857, S. 109).
Der denkmalartige Pfeiler des Monuments aus Sandstein ist insgesamt 13,5 Meter hoch und misst an seinen breitesten Stellen 2,5 Meter Breite. Drei ineinander übergehende Geschosse erheben sich über dem polygonförmigen Grundriss und tragen die Marienfigur:
- An der heutigen Nordseite des unteren Geschosses (ursprünglich die Ostseite) befindet sich ein Tabernakel, die drei anderen Seiten tragen als steinerne Reliefs die Wappen von Papst Pius IX., der Stadt Köln und des Erzbischofs von Geissel.
- Im zweiten Geschoss befinden sich in vier üppig verzierten Nischen sitzend dargestellte Figuren der alttestamentarischen Propheten, die jeweils Schriftrollen und Spruchbänder in den Händen halten: „Isaias gegen Osten, Jeremias gegen Süden, Ezechiel gegen Westen und Daniel gegen Norden ... in kolossalen Dimensionen“ (so 1858 das Organ für christliche Kunst für die ursprüngliche Ausrichtung der Säule vor dem Umzug 1901; vereinzelt finden sich auch davon abweichende Angaben, etwa mit Moses oder David als dargestellte Propheten).
- Krönende Baldachine über den Prophetendarstellungen und kleine abgestufte Türmchen (Fialen) umschließen das dritte Geschoss der Säule. Die schlanke und gebündelte Säule trägt den Sockel der Marienskulptur. Ihr oberer Abschluss wird durch einen Kranz von vier geflügelten Engelsköpfen gebildet.
- Die Marienfigur auf der Spitze war bereits früher vollendet und wurde im Mai 1858 auf die noch im Bau befindliche Säule gesetzt. Die Skulptur hatte zuvor vorübergehend Platz in St. Maria im Kapitol gefunden. Die aufrecht stehende Immaculata-Marienfigur ist 2,67 Meter hoch und mit einer vor ihr zertretenen Schlange als Symbol der Erbsünde sowie einer Mondsichel zu ihren Füßen dargestellt. Die Hände sind segnend nach unten ausgebreitet und über dem Kopf ist ein metallener Heiligenschein mit 16 Sternen angebracht: „Mit unvergleichlicher Engelsmilde im Gesichte wie in der Körperhaltung, die reinste Jungsfräulichkeit und tiefste Demuth atmend ...“. Bereits zur Einweihung wurde die ursprüngliche, „ans Rohe gränzende, missverstandene Goldeinfassung des Gewandes“ kritisch getadelt - man tröstete sich aber damit, dass dieser „Fehler ... jedoch Wind und Wetter allgemach ausmerzen werden.“ (ebd.)
Die Marienfigur wurde von „Jungfrauenkongregationen“ finanziert (d.h. Frauenklöstern entsprechender Marienorden) und die Prophetenfiguren von Kölner Handwerkern. Das in den 1980ern nach dem alten Vorbild erneuerte schmiedeeiserne Zaungitter um die Mariensäule herum war ursprünglich eine Stiftung der Kölner Schlosserinnung.
Während der architektonische Gesamtentwurf der Mariensäule von dem damaligen Werkmeister der Kölner Dombauhütte Vincenz Statz stammt, wurden die Figuren der Propheten vom Dombildhauer Peter Fuchs (1829-1898) ausgeführt, der „seinem Talent alle Ehre“ machte und ein Schüler des nachfolgend genannten Gottfried Renn war (Organ für christliche Kunst 1858). Die Prophetenfiguren gehen auf Zeichnungen des österreichischen Malers Edward von Steinle (1810-1886, auch Eduard) zurück, von dem auch die Entwürfe für die Marienfigur stammen. Diese wiederum wurde persönlich von dem ebenfalls aus Österreich stammenden, aber überwiegend in Deutschland arbeitenden Bildhauer Gottfried Renn (1818-1900) realisiert.
Der neugotische Architekturstil der Säule lässt diese bis heute „wie ein Stück vom Dom“ erscheinen. Der Baustil entsprach dem romantischen Zeitgeschmack und betonte dabei gleichzeitig „mit dem Rückgriff auf das vorreformatorische Mittelalter einen ‚katholischen' Stil für ein originär katholisches Denkmal“ (de.wikipedia.org).
Die Kölner Säule entspricht mit ihrem Figurenprogramm der segnenden Maria über den vier Propheten der ersten nach der päpstlichen Bulle erbauten „Säule der Unbefleckten Empfängnis“ (italienisch Colonna dell'Immacolata) auf dem Spanischen Platz in der Papststadt Rom, der Piazza di Spagna.
Zugleich erinnert die Gestaltung der Säule - und dies offenbar ganz bewusst - auch an das auf einen Kölner Erzbischof des 14. Jahrhunderts zurückgehende Bonner Hochkreuz.
Denkmal
Mit Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Köln vom 1. Juli 1980 wurden die in städtisch-öffentlichem Eigentum stehenden Objekte „Mariensäule, Baujahr 1858“ und „Platzanlage Gereonsdriesch“ als Denkmale geschützt (Nrn. DE_05315000_A_0045 und DE_05315000_A_0046, www.stadt-koeln.de).
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2024)
Quellen
- Organ für christliche Kunst, 5. Jahrgang 1855, Köln (Verlag DuMont-Schauberg), Nr. 10, S. 127-128, Nr. 17, S. 208-210 und Nr. 18, S. 225 (Online-Volltext unter www.digitale-sammlungen.de, abgerufen 17.06.2024).
- Organ für christliche Kunst, 7. Jahrgang 1857, Köln (Verlag DuMont-Schauberg), Nr. 9, S. 97-109 (Online-Volltext unter www.digitale-sammlungen.de, abgerufen 17.06.2024).
- Organ für christliche Kunst, 8. Jahrgang 1858, Köln (Verlag DuMont-Schauberg), Nr. 18, S. 205-209 (Online-Volltext unter www.digitale-sammlungen.de, abgerufen 17.06.2024).
- Feierabendspaziergang des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) am 11. Juni 2024, Referent Georg Mölich: „Vom Königsdenkmal zur Mariensäule - Beziehungsgeschichte in Kölner Denkmälern“.
Internet
www.stadt-koeln.de: Interaktive Denkmalkarte Köln (abgerufen 17.06.2024)
www.stjosef.at: Deutscher Text der Bulle „Ineffabilis Deus“ zur Erklärung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis Mariens (Papst Pius IX., 8. Dezember 1854, abgerufen 17.06.2024)
landkartenarchiv.de: Plan von Köln (1900), Verlag von Paul Neubner, Köln (abgerufen 17.06.2023)
de.wikipedia.org: Mariensäule Köln (abgerufen 17.06.2023)
de.wikipedia.org: Organ für christliche Kunst (abgerufen 17.06.2023)
commons.wikimedia.org: Bilder zur Mariensäule (abgerufen 17.06.2024)
dat-portal.lvr.de: Dat Portal, Sprache im Rheinland, Suche nach „Driesch“ (abgerufen 17.06.2023)