Stadt Idar-Oberstein

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Idar-Oberstein
Kreis(e): Birkenfeld (Rheinland-Pfalz)
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 42′ 6,75″ N: 7° 21′ 11,26″ O 49,70187°N: 7,35313°O
Koordinate UTM 32.381.247,94 m: 5.506.786,39 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.597.654,79 m: 5.508.128,92 m
  • Blick von der Burg Bosselstein auf die Stadt Idar-Oberstein (2021)

    Blick von der Burg Bosselstein auf die Stadt Idar-Oberstein (2021)

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  • Historische Fotografie mit dem Blick von der Burg Bosselstein auf Oberstein (1929)

    Historische Fotografie mit dem Blick von der Burg Bosselstein auf Oberstein (1929)

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    Stadtarchiv Idar-Oberstein
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  • Historisches Video zur Stadt Idar-Oberstein - Teil 1 (1920)

    Historisches Video zur Stadt Idar-Oberstein - Teil 1 (1920)

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  • Historisches Video zur Stadt Idar-Oberstein - Teil 2 (1920)

    Historisches Video zur Stadt Idar-Oberstein - Teil 2 (1920)

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  • Historische Fotografie (coloriert) mit dem Blick auf die Fabriken an der Nahe im Stadtteil Oberstein (1906)

    Historische Fotografie (coloriert) mit dem Blick auf die Fabriken an der Nahe im Stadtteil Oberstein (1906)

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  • Historische Fotografie (coloriert) mit dem Blick auf die Fabriken an der Nahe im Stadtteil Oberstein (1906)

    Historische Fotografie (coloriert) mit dem Blick auf die Fabriken an der Nahe im Stadtteil Oberstein (1906)

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  • Historische Fotografie mit dem Blick auf Idar (um 1840)

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  • Historische Fotografie einer Straße in Idar (1906)

    Historische Fotografie einer Straße in Idar (1906)

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  • Historische Fotografie aus dem Stadtteil Idar mit der Straßenbahn (1905)

    Historische Fotografie aus dem Stadtteil Idar mit der Straßenbahn (1905)

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  • Historische Fotografie (coloriert) mit Blick auf Oberstein, das Schloss und die Felsenkirche (1911)

    Historische Fotografie (coloriert) mit Blick auf Oberstein, das Schloss und die Felsenkirche (1911)

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  • Historische Fotografie mit dem Blick von der Burg Bosselstein auf Oberstein (1911)

    Historische Fotografie mit dem Blick von der Burg Bosselstein auf Oberstein (1911)

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  • Historische Fotografie alter Häuser in Oberstein unterhalb der Felsenkirche (1950er Jahre)

    Historische Fotografie alter Häuser in Oberstein unterhalb der Felsenkirche (1950er Jahre)

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  • Historische Fotografie mit dem Blick den Stadtteil Idar (um 1939)

    Historische Fotografie mit dem Blick den Stadtteil Idar (um 1939)

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Die Stadt Idar-Oberstein liegt im oberen Nahebergland zwischen Hunsrück und Westrich am Rande des Nationalparks Hunsrück-Hochwald. Sie umfasst die Stadtteile Oberstein, Idar, Tiefenstein, Algenrodt, Enzweiler, Georg-Weierbach, Göttschied, Hammerstein, Kirchen-, Mittel- und Nahbollenbach, Regulshausen und Weierbach. Mit knapp 30.000 Menschen ist sie die bevölkerungsreichste Kommune des Landkreises Birkenfeld.

Das Erscheinungsbild Idar-Obersteins ist geprägt durch seine besondere Lage: Idar in einem flachen Talkessel des Idarbachs und Oberstein im schmalen Tal der Nahe, eingeengt von steilen Felshängen. Aus den topographischen Gegebenheiten ergab sich ein L-förmiges Siedlungsband, welches sich aufgrund des Platzmangels im Laufe des 20. Jahrhunderts immer mehr auf die umgebenden Höhen und die umliegenden Gemeinden bzw. Stadtteile ausbreitete. Wahrzeichen Idar-Obersteins ist das Ensemble der beiden Burgen oberhalb Obersteins, der Felsenkirche in dem sich steil verjüngenden Felsen und der darunterliegenden Nahe.

Die Herrschaft Oberstein
Unter Oldenburgischer Herrschaft
Wirtschaftlicher Aufstieg
Erster Weltkrieg und Besatzung
Die Städte Oberstein und Idar vor der Machtergreifung
Drittes Reich
Nachkriegszeit und Militärstandort
Weitere Entwicklung ab Mitte des 20. Jahrhunderts
Internet

Die Herrschaft Oberstein
Die Besiedlung von Idar kann durch archäologische Funde in die Jungsteinzeit bzw. Bronzezeit datiert werden. Oberstein hingegen ist aus einer relativ jungen Siedlung im Tal unterhalb der beiden Burgen der reichsunmittelbaren Herrschaft Oberstein hervorgegangen. Die Herren vom Stein wurden erstmals 1075 erwähnt, der Sitz ihrer Herrschaft Burg „Stein/Steyna“ (heute bekannt als „Altes Schloss“ oder „Burg Bosselstein“) dürfte Ende des 12. Jahrhunderts entstanden sein (Dotzauer 2001, S.369). Genaueres über die Abstammung der Herren von Stein, ihren Herrschaftsanspruch und den Bau der Burg ist nicht bekannt. Mit den Brüdern Eberhard und Werner vom Stein entstanden die Teillinien der Eberharde und Bossel, die zunächst gemeinsam „Burg Bosselstein“ bewohnten. Durch eine Heirat 1235 gelangte die Hälfte der Herrschaft Oberstein an das Haus Daun. Als Vorlage für die berühmte Sage der Erbauung der Felsenkirche diente wohl die Ermordung Wirichs II. von Daun-Oberstein durch Eberhard Bossel vom Stein 1329. Im Folgejahr endete die gemeinsame Nutzung der alten Burg durch die Bossel und Daun-Obersteiner mit dem Einzug der Herren von Daun in die neue Burg (heute auch „Neues Schloss“ genannt). 1346 erhielt Burg Bosselstein das Frankfurter Stadtrecht. Wann Stadtmauer und -graben entstanden, ist unklar. Ein Gebück (eine dichte Hecke) ist für das Jahr 1414 belegt. Den Herren von Daun-Oberstein gelang es, die von Werner begründete Linie aus der Herrschaft zu verdrängen: Im Jahr 1435 verzichteten die Bossel endgültig auf alle Anrechte an der Herrschaft Oberstein. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, unter Wirich IV. von Daun-Oberstein, begann man, im Steinkaulenberg nach Achaten zu graben. Handelsbeziehungen mit italienischen Handelsleuten brachten die Kunst der Steinverarbeitung nach Oberstein, erste Schleifen entstanden entlang des Idarbachs. Auch der Bau der Felsenkirche erfolgte auf die Initiative Wirich IV. Sein Nachkomme Philipp Franz erließ 1609 eine Zunftordnung für Achatschleifer und schuf somit eine Grundlage für die Entwicklung der künftigen Schmuckindustrie. Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts erloschen die Häuser Falkenstein, Oberstein, Daun-Oberstein und Leiningen-Dagsburg-Falkenstein. Folglich kam es ab 1766 zu einem vielschichtigen Auflösungsprozess der Herrschaft. Im Ersten Koalitionskrieg (Napoleonischen Krieg) 1792-1797 annektierte die Französische Republik die Gebiete links des Rheins. Oberstein und Idar gehörten fortan zum neugeschaffenen „Département de la Sarre“. Die Besitztümer der ehemaligen Herrschaften wurden als Nationaleigentum versteigert.
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Unter Oldenburgischer Herrschaft
Die napoleonische Regierung bestand 15 Jahre. Infolge des Wiener Kongresses fiel der nördliche Teil des Département de la Sarre im Juni 1815 an das Königreich Preußen, wobei Teile des Gebiets als Entschädigung an kleinere Herrschaften vergeben wurden. Der Herzog von Oldenburg, der von napoleonischen Truppen aus seinem Lande vertrieben worden war, sollte als Ersatz zusätzlich zu seinen Stammlanden ein Gebiet mit 20.000 Einwohnern erhalten. Anstelle des eigentlich gewünschten Ostfrieslands wurde aus dem ehemaligen Kanton Birkenfeld (mit Idar und Oberstein) sowie Teilen der Kantone Herrstein, Hermeskeil, Wadern, St. Wendel und Rhaunen ein Gebiet mit 20.000 Einwohnern geschaffen und am 9. April 1817 an Oldenburg übergeben. Im Gegensatz zum benachbarten Fürstentum Lichtenberg, das an das Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld ging und schon nach wenigen Jahren wieder an Preußen verkauft wurde, war das Fürstentum Birkenfeld in das Herzogtum Oldenburg integriert. Die Einkünfte aus dem Fürstentum sollten nur für dessen eigenen Belange verwendet werden und nicht nach Oldenburg abfließen. Das Gebiet wurde in die drei Ämter Nohfelden, Birkenfeld und Oberstein eingeteilt. Nachdem die Amtsverwaltung in Oberstein ihren Sitz zunächst in dem 1765 erbauten Rathaus auf dem Marktplatz in Oberstein hatte, wurde im Jahr 1826 ein Amtshaus am rechten Naheufer gebaut. Damit setzte die Bebauung rechts der Nahe ein: 1839/40 ein Schulhaus, 1856/57 die Pfarrkirche, 1857 das evangelische und 1858 das katholische Pfarrhaus (Salomon 2019, S.56). Schon von Anfang an gab es auch Kritik an der neuen Herrschaft. Es fehlten eine Verfassung und eine Volksvertretung. Im Revolutionsjahr 1848 fanden in Oberstein und Birkenfeld die größten Aufstände des Herzogtums Oldenburg statt (Brandt 2002, S.67). Sowohl Arbeiter als auch Bürgertum forderten liberale Rechte und Mitbestimmung. Die neue Oldenburger Staatsverfassung 1852 brachte dann größere Freiheiten für die Bürger.
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Wirtschaftlicher Aufstieg
Idar behielt bis ins 19. Jahrhundert einen dörflichen, landwirtschaftlich geprägten Charakter. Die enge Tallage, der stellenweise hohe Tongehalt des Bodens sowie das kühle und regenreiche Klima waren dabei schlechte Bedingungen für eine landwirtschaftliche Nutzung. Im Jahr 1679 standen in Idar nur 14 Häuser mit 40 BewohnerInnen (Weber-Karge 1993, S.294). Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts veränderte sich durch den Abbau von und Handel mit Edelsteinen allmählich die Gewerbestruktur. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden entlang der Nahe und des Idarbachs immer mehr Edelsteinschleifen. Da sich der Idarbach als besser geeignet erwies, konzentrierten sich die Schleifen in Idar. In Oberstein wurde die Metallverarbeitung ansässig. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erlebten die edelsteinverarbeitende und die metallverarbeitende Industrie einen enormen Aufstieg in den Nachbarstädten. Dadurch wurde Oberstein 1830 und Idar 1850 größer als die Residenzstadt Birkenfeld. Einen weiteren Aufschwung erlebte das Gebiet durch den Bau der Rhein-Nahe-Eisenbahn ab 1857. Auch hier erwiesen sich die landschaftlichen Gegebenheiten in Oberstein und auf dem Streckenabschnitt bis Neubrücke als problematisch. Die Baukosten verdoppelten sich aufgrund der hohen Zahl der benötigten Tunnel und Brücken. Wegen Platzmangels musste der Obersteiner Bahnhof außerhalb der damaligen städtischen Bebauung errichtet werden.
Das stetige Wachstum führte dazu, dass das Oldenburger Staatsministerium Idar und Oberstein am 23. Dezember 1865 zu Stadtgemeinden erhob. Den Status einer eigenen Stadtbürgermeisterei erhielten Oberstein und Idar schließlich 1902 bzw. 1909. Fortan konnten die beiden Städte ihre kommunalen Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln, Idar hatte seine Loslösung von Oberstein erreicht. Andererseits führte der anhaltende Aufschwung zu einem städtebaulichen Zusammenwachsen und einer stärkeren kommunalen Zusammenarbeit der beiden Nachbarstädte. Gemeinsame Projekte waren der Bau der Realschule Oberstein-Idar (Göttenbach) 1872, des Gaswerks 1878 und des Oberstein-Idarer Elektrizitätswerks (OIE) 1899. Die Stromversorgung ermöglichte die Einrichtung einer Straßenbahnlinie zwischen dem Obersteiner Bahnhof und dem Idarer Alexanderplatz. Die hiesige Industrie erlangte um die Jahrhundertwende mit dem Import von Steinen aus aller Welt sowie dem Export von bearbeiteten Steinen und fertigem Schmuck eine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt (Salomon 2019, S.71). Infolgedessen wies Idar das höchste Pro-Kopf-Einkommen innerhalb des Deutschen Reiches auf. In diesem „goldenen Zeitalter“ entwickelten sich „die zunächst als Gewerbe mit viel Handarbeit tätigen Unternehmen […] zu großen Betrieben“ (Weber 2002, S. 61), die auf Maschinen setzten.
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Erster Weltkrieg und Besatzung
Das „goldene Zeitalter“ der Nachbarstädte endete mit dem Ersten Weltkrieg. Die Kriegsjahre waren geprägt von Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften und Nahrungsmitteln sowie Beschlagnahmungen für den militärischen Bedarf. Fabriken mussten angesichts fehlender Arbeitskräfte den Betrieb einstellen oder stark reduzieren. Da die Nachfrage nach bestimmten Produkten, insbesondere nach Luxusgütern, einbrach, stellten v.a. die metallverarbeitenden Firmen in Oberstein auf Kriegsproduktion um. Nachdem am 9. November 1918 die Republik ausgerufen worden war, dankte der Oldenburgische Großherzog Friedrich August am 11. November ab. Aus dem Großherzogtum wurde der Freistaat Oldenburg, aus dem Fürstentum die Provinz Birkenfeld. Nur eine kurze Episode blieben die Arbeiter- und Soldatenräte. Wohl inspiriert von entsprechenden Vorgängen in Saarbrücken wurden sie nach Anstoß von SPD-Mitgliedern im November 1918 in Oberstein und Idar gebildet. Dabei beanspruchte der Obersteiner Rat die Zuständigkeit für die ganze Provinz Birkenfeld. Insbesondere die Verteilung der nach dem Krieg äußerst knappen Lebensmittel machte man sich zur Aufgabe. Am 6. Dezember 1918 marschierten französische Besatzungstruppen ein, die Räte wurden daraufhin aufgelöst. Folge der Besatzung waren zahlreiche Beschlagnahmungen von öffentlichen und privaten Räumen, was den bereits bestehenden Wohnungsmangel verstärkte. Die Stadtverwaltungen versuchten diesem durch kommunalen Wohnungsbau entgegenzuwirken: In Oberstein wurde auf der Struth großangelegt neuer Wohnraum geschaffen und auch im benachbarten Nahbollenbach wurden Arbeiterwohnungen errichtet. Weil die Reichsregierung 1922 mit der Zahlung der Reparationen in Rückstand geraten war, marschierten am 11. Januar 1923 französische und belgische Truppen im Ruhrgebiet ein, um sich die dortigen Kohlevorkommen als Gegenleistung zu sichern. Die deutsche Reichsregierung rief angesichts dessen zum passiven Widerstand auf. Aufgrund dieser Auflehnung wiesen die französischen Besatzungstruppen zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens aus dem linksrheinischen Gebiet aus, darunter auch den Obersteiner Bürgermeister Ludwig Bergér und den Idarer Bürgermeister Dr. Ernst Engel. Die französische Besatzungszeit endete schließlich am 30. Juni 1930.
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Die Städte Oberstein und Idar vor der Machtergreifung
Am 1. Oktober 1930 fusionierten aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen die beiden Orte Idar und Tiefenstein. Tiefenstein war 1909 aus dem Zusammenschluss der Dörfer Hettstein und Obertiefenbach entstanden. Die dort ansässigen Unternehmen hatten durch die Lage am Idarbach vom Aufschwung der Edelsteinindustrie profitiert und erhofften sich durch die Angliederung an Idar geschäftliche Vorteile. Durch die Weltwirtschaftskrise 1929 brachen die Inlandsnachfrage und der Export von Schmuckstücken ein, die Nationalsozialisten erlebten einen immer größer werdenden Zuspruch, v.a. in Idar. Bei der letzten freien Gemeinderatswahl am 29. November 1931 in Idar-Tiefenstein erhielt die NSDAP mehr als 60 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei der oldenburgischen Landtagswahl am 29. Mai 1932 erzielte die NSDAP mit einem Gesamtstimmenanteil von 48,38 Prozent die absolute Mehrheit. Neun Tage zuvor hatte Adolf Hitler im Rahmen einer Werberundreise auf dem Sportplatz Klotz in Idar vor einer großen Menschenmenge gesprochen.
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Drittes Reich
Die Machtergreifung Hitlers wurde in Idar mit einem großen Aufmarsch von SA und SS und dem Hissen der Hakenkreuzfahne am Idarer Rathaus gefeiert. Ab Juni 1933 regierte in Oberstein nur noch die NSDAP. Der von den Nationalsozialisten ausgerufenen Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 wurde auch in Oberstein und Idar umgesetzt. Ende September 1933 wurden dem Idarer Stadtbürgermeister Otto Schmidt und seinem Obersteiner Kollegen Ludwig Bergér eröffnet, dass es vor dem Hintergrund des „Gesetzes betreffend die Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung“ zu einer Vereinigung von Oberstein, Idar (mit Tiefenstein) und Algenrodt kommen würde. Schon eine Woche später, am 1. Oktober 1933, fand ohne jegliche Mitwirkung der Stadtparlamente die Fusion statt. Bergér, der im März 1933 in die NSDAP eingetreten war, wurde Bürgermeister der neugeschaffenen Stadt Idar-Oberstein. Als Rathaus wurde das Gebäude der Oberrealschule, welches geographisch zwischen den zuvor getrennten Städten lag, bezogen. Während die Zusammenlegung von Seiten der Bevölkerung weitgehend widerspruchslos hingenommen wurde, sorgte die Namensgebung der neuen Stadt „Idar-Oberstein“ für äußersten Unmut im Stadtteil Oberstein. Sogar an Hitler persönlich wurden Beschwerdeschreiben angesichts der Erstnennung Idars versendet. Hauptargument dabei war, dass „Oberstein“ bei allen gemeinsamen Einrichtungen traditionell an erster Linie stand (Bahnhof Oberstein-Idar, Oberstein-Idarer Oberrealschule, Gas- und Elektrizitätswerk). Behörden wie Amtsgericht und Zollamt hatten ihren Sitz in Oberstein, welches zudem mehr Einwohner hatte. Diese Argumente stießen jedoch nicht auf Gehör. Die Idar-Obersteiner Schmuck- und Metallwarenindustrie erholte sich in den ersten Jahren nach 1933: die weltweite wirtschaftliche Erholung, aber auch die Herstellung von Abzeichen und die Wiederaufrüstung führten zu einem Anstieg der Aufträge und der Beschäftigten. Nach Beginn des Krieges stellte sich die Obersteiner Metallindustrie auf die Fabrikation von kriegswichtigem Material ein (z.B. Patronenhülsen). Im Zuge der Remilitarisierung des Rheinlandes wurde Idar-Oberstein zur Garnisonsstadt ausgebaut. Stadt und Umland profitierten von dieser Entwicklung durch eine verbesserte Infrastruktur, Auftragslage und gesteigerte Kaufkraft. 1937 begannen die Arbeiten an der Klotzbergkaserne in Idar und der Straßburg-Kaserne in Algenrodt. Ein dritter geplanter Bau wurde nicht umgesetzt, stattdessen wurde die zwischen 1923 und 1927 errichtete Hohl-Kaserne reaktiviert. Zur Versorgung, der in den Kasernen untergebrachten Truppenteile, wurde ein Depot in Nahbollenbach angelegt. Parallel zum Bau der Kasernen wurde auch der Straßenbau innerhalb der Stadt vorangetrieben. 1937 wurde auf der Grundlage des Groß-Hamburg-Gesetzes, welches der Zentralisierung und Effizienzsteigerung der Verwaltungen dienen sollte, der oldenburgische Landesteil Birkenfeld aufgelöst und in den preußischen Landkreis Birkenfeld überführt. Nach 120 Jahren endete die Zugehörigkeit zu Oldenburg. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden auch in Idar-Oberstein organisierte Gewaltmaßnahmen gegenüber Juden durchgeführt. Jüdische EinwohnerInnen wurden in ihren Häusern und Wohnung überfallen, teils schwer verletzt, ihre Einrichtung wurde demoliert. Die Inneneinrichtung der 1876 eingeweihten Synagoge in Oberstein wurde zertrümmert, das Gebäude daraufhin in Brand gesetzt, so dass es schließlich vollkommen ausbrannte. Da die Bevölkerungsmehrheit in Idar-Oberstein aus den genannten Gründen von der Diktatur und dem von Deutschland ausgehenden Krieg profitierte, war man offenbar weitgehend gleichgültig gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus oder unterstützte diese sogar. Eine der wenigen Ausnahmen war der Lehrer Georg Maus, der der Bekennenden Kirche angehörte, vom Regime verhaftet wurde und auf dem Transport ins Konzentrationslager Dachau starb. Nach derzeitigem Forschungsstand wurden 85 Personen jüdischen Glaubens in Idar-Oberstein während der Naziherrschaft ermordet. Erste Bomben fielen in Oberstein am 12. September 1940, aber erst ab der zweiten Jahreshälfte 1944 wurde die Stadt gezielt angegriffen. Am 19. und 20. März 1945 rückten die Amerikaner in Idar-Oberstein ein. Bürgermeister Bergér bekam den Befehl, die Verwaltung weiterzuführen.
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Nachkriegszeit und Militärstandort
Die US-Army blieb bis Juli 1945 in der Stadt, die daraufhin von französischen Besatzungstruppen übernommen wurde. Die Franzosen richteten in Birkenfeld eine Militärverwaltung ein. Bürgermeister Bergér wurde entlassen, sein Nachfolger wurde Walter Rommel. Idar-Oberstein gehörte seit den 1960er Jahren zu den größten Heeresstandorten in Westdeutschland. Nachdem 1956 das deutsche Militär in die Stadt zurückgekehrt war, entstand in der Klotzberg-Kaserne die Artillerieschule des Heeres. 1964 wurde die Kasernenanlage auf dem Rilchenberg neuerbaut, dort war seit Ende der 1960er die Artillerieschule untergebracht. 1957 wurde die Hohl-Kaserne von der Bundeswehr wieder in Dienst genommen. Die Bundeswehr war einer der größten Arbeitgeber und entscheidender Wirtschaftsfaktor der Stadt. 2008 zogen die US-Streitkräfte ihre letzten Truppen aus der Straßburg-Kaserne ab und gaben diese an die Bundesrepublik Deutschland zurück.
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Weitere Entwicklung ab Mitte des 20. Jahrhunderts
In den 1950er Jahren erlebte die metallverarbeitende Industrie in Oberstein einen Aufschwung durch die Herstellung von Schmuck und Gebrauchsgegenständen aus elektrisch oxidiertem Aluminium (Eloxal). Die Konkurrenz aus den sich neu industrialisierenden Ländern im Laufe der 1970er Jahre wirkte sich jedoch besonders nachteilig auf die Obersteiner metallverarbeitende Industrie aus. Wer sich nicht rechtzeitig auf Hochtechnologieverfahren spezialisierte, wurde aus dem Markt gedrängt.
Am 1. April 1960 wurde Idar-Oberstein zur „Großen kreisangehörigen Stadt“ erhoben. Dies bedeutete, dass die Stadt der Kommunalaufsicht des Kreises entzogen und direkt der Koblenzer Bezirksregierung unterstellt wurde. Seither gibt es einen Oberbürgermeister und einen Bürgermeister. Im Jahre 1969/70 wurden im Zuge der rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform Enzweiler, Georg-Weierbach, Göttschied, Hammerstein, Kirchenbollenbach, Mittelbollenbach, Nahbollenbach, Regulshausen und Weierbach eingemeindet. In den neuen Stadtteilen entstanden Neubaugebiete und Gewerbeflächen. Aus der Enge des Tals in Oberstein ergab sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine nicht mehr hinnehmbare Verkehrssituation. 1854/55 wurde der Marktplatz vergrößert und die Hauptstraße ausgebaut, wobei zwölf Häuser und die katholische Kirche sowie 1889 das Rathaus abgerissen werden mussten. In den 1950er und 1960er Jahren wurde deutlich, dass besonders die Hauptstraße in Oberstein dem Verkehr nicht mehr gewachsen war. Auch weitere Abrisse und die Errichtung der Schönlautenbach-Brücke 1955/56 konnten diesen Umstand nicht grundlegend bessern. Ein Generalverkehrsplan, der 1963 vorgestellt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass entweder ganze Häuserzeilen mit ca. 150 Gebäuden geopfert werden müssten oder aber die Nahe überbaut werden müsste. Der Stadtrat stimmte angesichts dessen der Überbauung des Flusses zu. 23 Jahre später, am 24. September 1986, wurde die Naheüberbauung schließlich feierlich eröffnet. 29 Häuser mussten trotz allem weichen, darunter die Auschleife und das denkmalgeschützte „Sachsenhaus“. Aus der durch die Obersteiner Altstadt führenden Hauptverkehrsstraße wurde eine Fußgängerzone. Nachdem der Strukturwandel die Stadt zum Ende des Jahrhunderts vor große Herausforderungen stellte, wurden neue Wege in die Zukunft gesucht. Die Entwicklung des Fremdenverkehrs und der Naherholung stellte einen Schwerpunkt dar, aber auch die Ansiedlung neuer Arbeitgeber. Eine große Rolle spielt hierbei in den letzten Jahren der Standort der Firma BioNTech.
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(Svenja Müller, Stadtarchiv Idar-Oberstein, 2022)


Internet
de.wikipedia.org: Idar-Oberstein (abgerufen 05.12.2022)
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Literatur

Brandt, H. Peter (2002)
Vormärz und 1848er Revolution in den Fürstentümern Lichtenberg und Birkenfeld. In: Vormärz und 1848er Revolution an der oberen Nahe : Vorträge zum 150-jährigen Jubiläum 1998/99, S. 61-131. S. 61-131, Birkenfeld.
Dotzauer, Winfried (2001)
Geschichte des Nahe-Hunsrück-Raumes von den Anfängen bis zur Französischen Revolution. Stuttgart.
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1993)
Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 11, Kreis Birkenfeld. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Worms.
Salomon, Udo (2019)
Idar-Oberstein. Geschichte der Stadt von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Idar-Oberstein.
Weber, Christianne (2002)
Jakob Bengel Idar-Oberstein. Art déco Schmuck. Idar-Oberstein.

Stadt Idar-Oberstein

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Ort
55743 Idar-Oberstein
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Landeskunde
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Historischer Zeitraum
Beginn 1890 bis 1896

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Svenja Müller (2022): „Stadt Idar-Oberstein”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-344439 (Abgerufen: 26. April 2024)
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